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Café Senatorum
#27
Eine dunkle, fahle und schale, eine Schattenwelt, emporgestiegen aus den verlorenen Erinnerungen ganzer Völkerschaften. Wie ein verworrener Schemen entstieg sie dem fleischgewordenen Schmelztiegel, welcher sich gleich einem titanischem Schlund zu ihren Füßen aufgerissen hatte. Der Pakt wart beschlossen, derart war seine Natur, derart sein unüberwindbares Gesetz, das allein nämlicher “Zoll” gezahlt werden musste, egal von welcher ausgesprochen kostspieligen Qualität er denn nun sein mochte um ihn beiderseitig zu erfüllen. Diese okkulten Bande glichen vergoldeten Ketten, massiv und dennoch von nicht unliebsamer Schönheit, während eine gewisse Funktionalität durchaus gegeben sein mochte. In dieses schattige Reich ungezählter Pfade nun denn versunken, war es als würde sie, einsam von der Welt verlassen, eine niemals enden wollende Pilgerfahrt antreten. Aus einer anfänglichen Kakophonie akustischer Misslaute, erstand eine eigentümliche physikalische Taubheit, während sich der Kosmos in schier unergründlicher Weise faltete und spreizte. Die ansonsten messerscharfe, nachvollziehbare Begrifflichkeit der zeitlichen Abstände verschmolz zu einem trägen Klumpen, welcher sich selbst nicht tragen, geschweige denn schleppen konnte und somit abgestumpft an verstaubter Stelle ausharren musste. Selbiges galt auch für die Kontinuität des heiligen Raumes an sich, entzog es sich doch der metaphysischen Begrifflichkeit, das ein sterblicher, gewöhnlicher Mensch sich dort aufhalten konnte, wo allein Emotionen und Gedanken ihren “schauderhaften” Ursprung besaßen. Es glich jener Prästabilierten Harmonie, jenem vorsintflutlichen Uhrenwerkspiel, das es keinerlei Verknüpfung geben mochte zwischen Real und Unreal, das die physische Welt niemals Einfluss auf die Psychische nehmen mochte, da schlicht Geist und Körper getrennt waren, niemals vereinigt.

Es glich einem sanften, wogenden Dahinschwelgen, einem merkwürdig schwerelosen Zustand, halb wachend, halb schlafend, in welchem man auf den endlos strebenden Strömungen welche das Immaterium beherrschten dahin trieb. Die antike Sonnenbarke glitt auf jenem Styx oder Acheron einher, während des Fährmanns langer Stock die seichten Gewässer glattstrich, der sehnige Muskelzug das treibende Floss vorantragend, der wachsame Blick der nachtmahrischen Kreatur über geduldete Wogen schweifend. Weder aus dem menschlichen, noch aus sonst einem bekannten Geschlechte entwachsen, erhob er sich gleich einem lodernden Leuchtfeuer auf der vergoldeten Front. Der Schädel glich im entferntesten Wesenszuge einer fleischlosen Vipernfratze, ausgebrannt und abgenagt, von klebrige, roten Ruß verunstaltet welcher aus den Höhlen seiner ansonsten leeren Augen tröpfelte. Eine klaustrophobische Bange breitete sich aus, während sich in der immer wiederkehrenden Äquivalenz, der immer wiederkehrenden Taktform und der selbigen aufgewandten Kraft etwas beinahe beruhigendes fand. Welche Rolle mochte hier die “Substanz” von irdischen Sphären spielen, was galten schon Zeit und Raum, wenn allesamt von keinerlei nämlicher Bedeutung waren, solange beständig diese Stange “geschoben” wurde. Man konnte diesen Fährmann zwar weder sehen, noch riechen, noch leibhaftig fühlen, aber “fühlen”, besser, erahnen, konnte man ihn durchaus, wie er da seine einsame Wacht hielt, unablässig und eifersüchtig über den ständigen Strom der verdorbenen Seelen wachend, welche sich hilfesuchend an jene Ruder krallten und dennoch fortgestoßen wurden. Millionen, Milliarden kreischender, siechender, bettelnder Gesichter trieben dort vorüber, wurden herangespült, zerschlagen und fortgetragen, mit einem jeden Stabesschwung eine weitere Epoche schaffend, waren bald alle irdischen und kosmischen Alter durchwandert. Während all dieser “Zeit”, die Einheit schien ihr unbegreiflicher denn jemals zuvor, herrschte eine Stille, selbst dann wenn Gedanken vorüber zogen und sprechende Münder Silben formten, welcher zwar “hörbar” nicht jedoch wahrnehmbar waren. Es mangelte ihnen nämlich schlicht an Essenz und Konzentration, sie glichen einem stumpfen Pfahl welcher in einem Sumpf gehauen wurde und allmählich abtrieb, selbst wenn er doch das Gefüge des Hauses darüber tragen sollte. Einem solchen aufgerissenen, kreischenden Schlund stieg sie in den Rachen.

Die Welt um sie herum erschien in öden bronzenen Tönen, bestand aus kupfernem Geflecht und einem über alles erstrecktem Firmament aus blutrotem Lapislazuli, welches die “verlorenen” Geister an diese Knechtschaftsexistenz kettete, gleich einem gewaltigen Seelenstein. Unter ihren Gliedern erstreckte sich eine verwüstete Tiefebene, ein ausgetrocknetes und totes Land, welches weder gänzlichen Sonnenschein, noch gänzliche Finsternis kannte, sondern für immerdar in diesem verwunderlichen Zwielicht derben musste. Die Gesichter der gegeißelten Knechte waren verbittert und Kummer, sowie Schmerz und Elend standen ihnen tief ins Gesicht gemeißelt, während sie lasten vorüber trugen, Äcker bestellten und an den grotesk wandelnden Gemäuern eines mächtigen aber urtümlichen Tempels werkelten. In Herzen jenes säulenbewehrten Irrgartens erhob sich die einzig wahre Flamme dieser Welt, ein ehernes Ungetüm von Ausmaßen ganzer Galaxien, in dessen Innersten sich wiederum die größere Welt fand, um abermals verschlungen und abermals zurückgeworfen zu werden, wie der Spiegel, welcher den Spiegel wiedergab. Um diesen “Born des Lebens” herum wucherten gar seltsame Gewächse und mindere Völker wie sie allein die Geschichte noch kannte. Mischwesen, fabelhafte Kreuzzungen und Kretins welche seit Äonen als ausgestorben aus den Analen gestrichen wurden. Hier saßen sie, tranken und fraßen sie an einem Bankett welches allein durch göttliche Gefügigkeit erschaffen werden konnte. Hier fraßen sie an zuckenden Leibern und tranken von deren Emotionen, während sie sich geifernd aneiferten, und keiner dem Maul des anderen vergönnte war dieser nun mal sein Hab und Gut schimpfen mochte. Jäh jedoch erspähten die Kreaturen, unzählige die sie waren ihren fremden, absonderlichen Besucher, und in einem prekären Akt der “Selbstsichtung” begriff sie sich selbst in der dritten Person. Wie sie dort stand, an der Schwelle jenes okkulten Schreins, durch ihre eigenen Augen sich selbst und das vor ihr sehend, zum selben Augenblicke. Der aufsteigende Qualm von jener Jammerstätte wankte und wandelte, verflog in Schlaufen und Linien, welche sich schlängelten und einem gewaltigen Untier gleich über allem thronten was dieses “Land” darbieten mochte.

Es war jene erste Schreckgestalt, ein weinerliches, verlorenes Etwas in einen menschlichen Hautsack gewickelt, welches auf sie zukam. Das Gesicht, jenes verfluchte Gesicht, wiedererkennend aus unzählig vielen hätte sie es erahnen können, war jenes eines “geopferten” Jüngers. Der Okkultist hatte sich bereitwillig dem höheren Wohl geopfert, hatte sich in die Flammen gestürzt um ein Ritual zu vollenden welches vor unzähligen Jahren begonnen hatte. Er war einst jugendlich gewesen, besaß eine nicht verachtenswerte Schönheit in Körper wie in Geist, war athletisch wie poetisch begabt gewesen und umschwärmt von jugendlichen wie von greisen Liebschaften. Und dennoch hatte er sich selbst verbrannt, für seine Ideale, seine Überzeugungen. Er war eins geworden mit der grauen, namenlosen Essenz welche sie alle band und knechtete. Und nun war es an ihm, seinen Schmaus zu beginnen, war es an ihm sich zu laben an den dargebrachten Sterblichen “Überresten”, an einer anderen Seele, wie sie es sich begreiflich machen konnte, während er mit Krallen bewährter Hand nach ihrem “Leibe” schnappte. Doch sich dem überirdischen Zugriff durchaus bewusst, entschlüpfte sie jenem verkommenen Greifarm ehedem er sie erreicht hatte und streckte nun zum Verdruss und zur kreischenden Verwunderung des “Dings” selbst die Hand nach seinem Innersten. Es war ein fleischiger, mürber, bröckeliger Leib, etwas das nicht gänzlich dem lebenden zuzuordnen sein konnte, während es offensichtlich auch nicht dem Tode geweiht war. Sie glitt mit nackten Fingerspitzen durch seine aufgewölbte Brust, zerriss die ölige Haut welche darüber gespannt war gleich einem kargen Segeltuch, glitt darunter hindurch durch die ausgebrannten Rippen, während sich das schmatzend, weiche Fleisch beiseite drängte und fasste im mittelbarste nach dem Herzen. Im Augenblicke dar ihre Kuppen über seinen schwarzen, pochenden Wesensmittelpunkt strichen, da verspürte sie gar den Frust, den Zorn, den Hass und den niemals versiegenden Schmerz dieser Kreatur, doch, wie in so vielen Dingen irdischer Belange, war dies nun einmal zu spät. In einem hallenden Aufschrei agonischer Entrüstung wurde der Kreatur alles entrissen, ein verfluchter Wind peitschte über die Einöde, während einer der “Unsterblichen” eben jener Definition beraubt wurde. Das Geschöpf zerbrach in Asche, Staub und anderen Unrat, während sich ihre Zähne und ihre Lippen gierig in das weiche Fleisch bohrten und schürzten. Mit widerlichem, reißenden Geräusch fetzte sie einen nicht geringen Brocken aus dem Muskel hervor und merkte wie sein Lebensblut, seine Essenz brennend durch ihre Adern floss. Was immer dieses Ding wusste, was es ausmachte, plagte, quälte und beschäftigte, erlosch in jenem Augenblick, zerbarst mit der Scheinsekunde welche es gelebt hatte und in welcher es auch gestorben war. Noch ehe jedoch die anderen Bankettierer sich der nahenden Gefahr bewusst geworden waren, befasste sich ihr “seelisches” Abbild bereits mit der endgültigen Auslöschung jeglicher Opposition. Den alsbald wurde zu jenem ersten schlagenden Muskel ein weiterer hinzugefügt, dann ein drittes Herz, dichtauf von einem vierten, bis das die schieren Ausmaße des unirdischen “Schlachtens” die bronzenen Hallen in matte, graue Asche und fahlen Staub hüllten, bis das jene dem restlichen Lande glich und eine ersterbende Sonne gleißend vom Himmel herab sengte. Inmitten des wogenden, zuckenden Chaos erwachte ein keimender Samen, in dessen wuchernden Kern sich ein gänzlich anderes Bewusstsein manifestierte, nämlich das eigentliche, ursprüngliche Selbst, ungeläutert durch Leben und Sterben, sich selbst soweit verstehend, dass allein der “Fressende” bestand haben konnte in dieser Existenz. Und gerade darob ergab sie sich dem scheinbar endlosen Massaker, und es waren unzählige Gesichter, welcher sie sich erinnern konnte, manche trugen einen “Makel” an sich, andere waren von soldatischer Manier wie sie auf der Blutengel verglühen mussten, wiederum andere glichen dahingeschiedenen Knechten in der Stadt selbst, doch wiederkehrend wurden sie abermals verschlungen, verschlungen und assimiliert. Und dann... Dann zerbrach die Welt, wie der Ausbruch des Tartarus, in welchen sich Erepus ergoss und die “Hölle” selbst formen mochte, denn diese “Reise” endete, so reichhaltig, grotesk und formend sie auch gewesen sein mochte...
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[Kein Betreff] - von Gast - 08-20-2008, 06:05 PM
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