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Café Senatorum
#19
Dies war nun ihr gepriesenes Gohmor, dies waren die zerfurchten, industriell gealterten Pferche menschlichen Viehs, dies war die toxische, säurehaltige Luft welche Milliarden einatmeten, dies waren die künstlichen Sonnen, welche dies Schattenland unterhalb des gewaltigen Babels von Menschenhand erhellte. Dies war die wahrhaftige Größe, der wahre Stolz, alles Gute und alles Herrliche, das diese Leichenhuldiger zustande brachten, dies war ihr ultima ratio regis, das letzte Wort der Toten, um prosaischer Auszudrücken. Mit verächtlichem Zucken im linken Mundwinkel registrierte sie die durch die engen Straßenzüge wandelnden Prozessionen arbeitwilligen Volkes, durchmischt, ruiniert durch selbsternannte Wanderprediger, welche nun bereits Untergang und Verderben für all jene prophezeiten welche sich aus dem selbstgegossenen Moloch der Nationen befreien wollten. Ein Mensch wurde durch seine Arbeit definiert, ein Mensch wurde an seiner Produktionsstärke gemessen, an seiner Unterwürfigkeit gegenüber der Nomenklautura dieses intoleranten Regimes. Man gemahnte nur der lebensüberdrüssigen Elite, welche sich dort oben in ihren Glasopalästen vollschlug, während die Stufen darunter hungerten und sich vor Gram gegenseitig fraßen. Doch dies war das Schicksal das sie sich selbst auserkoren hatten, dies war der Preis den das Schlachtvieh zahlen musste, für die Torheit, für den Mangel an Freiheitsliebe und Willen zur Macht. Sie wusste nicht ob es den Bürgern überhaupt bewusst war, doch die bloße Atemluft innerhalb dieser “Stadtmauern” brodelte Regelrecht vor unterschwelliger Energie, all die angehäuften Sünden, Laster, Verbrechen, Absonderlichkeiten und die schleichende Dekadenz mussten das Gefüge stärker geschwächt haben als anderorts. Ihrem Gegenüber hingegen schienen die äußerlichen Umstände keinerlei ernsthafte Gedanken zu bereiten, vielmehr schien er gefangen zwischen dem hedonistischen Begehr seine kalte Schale zu leeren, sowie sich der indirekten Sonnenverehrung hinzugeben, welches Strafmaß auf einen derartigen “Frevel” wohl in Rasankur stehen würde, immerhin handelte es sich hierbei um ein Sakrileg, die Sonne, der brennende Phönix als Symbol des Leichengottes. Er hatte sich leicht vorgebeugt, während die trübe, bräunliche Flüssigkeit durch einen paradox gewundenen Stengel in seinen Rachen verschwand, allein sein Auftreten ließ parallelen zu einem überdimensionierten Nachtfalter aufflammen. Im radikalen Gegensatz zu ihm hatte sie jedoch beschlossen diesen Morgen nicht durch übermäßiges Schlemmen zu zelebrieren, Askese schien würdiger, zumindest jedes Mal wenn sie gedanklich in die Ferne abschweifte und versuchte einen spärlich gesäten Lebensfunken von irgendetwas vertrautem wahrzunehmen. Doch die Distanz welche überbrückt worden war, musste inzwischen bereits mehrere hundert Kilometer betragen, möglicherweise auch deutlich weniger, immerhin waren erst zwei Tage verstrichen. Und dann waren da natürlich diese Fragen, diese unablässigen Fragen.

“Aus dem Geschlechte der Millicent entstammt jene Magd welche sich zu des Fürsten persönlicher Chauffeurin empor geschwungen hat, offensichtlich meint sie sich auf jene Weise bei ihrem neuen Monarchen einschmeicheln zu können.”, während er sich abermals dem Genuss hingab, schweifte sie über die nächststehenden Personen, las einige Worte aus einem Artikel der Zeitung, musterte das Namensschild der Schwester, betrachtete einen ungeschickten Ober, welcher Zucker vergoss und Kaffeestaub verwischte, nichts auffälliges, “Es sollte nicht weiter schwer sein den Fürsten selbst ausfindig zu machen, nicht solange wir den Prinzipien des Determinismus folge leisten. Natürlich wird ihn seine ungebändigte Natur exakt an jenen Nexus führen, da die urtümlichen Mächte am stärksten wirken. Man würde nur eine exakte, ältere Karte des Gebietes benötigen auf welchem sich die Kreuzzugsheere bewegen und mithilfe der Divination könnte man errechnen wo die Schlacht selbst stattfinden würde. Sein ehedem geweihtes Blut wird in zwangsläufig dorthin ziehen, es ist seine Bestimmung und unser Schicksal. Während sich die kleine Narrenwelt gegenseitig vernichtet, werden sie die Unsterblichen nähren... Somit auch uns.”, konspirativ wandelte ihr Blick abermals durch die “Anrainer”, keiner jedoch schien in irgendeiner Form Interesse an dem zu zeigen was sie miteinander zu besprechen hatten, “Ich frage mich... Wie bewandert mag dieser alte Mann sein, auf den Pfaden des Geisterreichs?”
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