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Der Spiegel der Seele
#52
Um Naradas Augen schienen grelle Blitze zu zucken als er sich ihr plötzlich zuwandte und mit festem Griff ihr Kinn umklammerte auf das ihr Gesicht vor dem seinen fixiert sei. Ein zischendes, knisterndes Gewitter tobte in seinen Augenhöhlen, ließ die Iris weißlich aufleuchten und die Pupille hell flackern wie das magnetische Zentrum eines Energiesturms. Gleich einer zornigen Inkarnation eines alten Halbgottes des Donners mutete er an wie er da stand, hoch aufgerichtet in seiner beeindruckenden Größe von zwei Metern, mit einem kräftigen, den Schöpfer gefälligen und nachempfundenen Körper, über eine hysterische Sterbliche gebeugt, die vom Wahnsinn und der Todesangst aufgefressen zu werden drohte. Sein absonderlicher und eingehender Blick drang der kleineren, schwarzhaarigen Frau, die sich wie eine Verrückte gebärdete, bis tief in die Seele und seine durchdringende, maßregelnde Stimme schnitt in ihr von Alpträumen geplagtes Gehirn. Ayris war gelähmt vor den heftigen Gefühlen die sich ihrer mit aller Gewalt bemächtigten, sie war wehrlos gegenüber der Woge die all die negativen, deprimierenden Zunkunftsahnungen in ihren Geist spülte und sie zu einem wimmernden Wrack machten. Sie fühlte sich umringt von Feinden, von gefräßigen Kreaturen für die sie nicht mehr als ein schmackhaftes Nahrungslager darstellte, von übelsten Ketzern die mit gekrümmten und gezahnten Sichelklingen ihrem Leben ein Ende setzten wollten um ihren Leib den Dämonen dieses verfluchten Ortes darzubieten und ihre Seele dem unsagbaren Bösen des Warp zu opfern.

Erinnerungen stürmten auf sie ein wie eine Brandung peinigender Wellen, Erinnerungen von einst geliebten Menschen die die brutalen Zeiten längst aus ihrem Umfeld gerissen hatte, Bilder von Wesen die ihr Schaden zufügen wollten und denen es zum Teil auch gelungen war. Aber die Schrecknisse die über sie herfielen, die sich wie ein düsterer Schleier über ihr Sichtspektrum legten, zerfaserten als sie unvermittelt gezwungen wurde in dieses weißblaue Augenpaar zu starren das sich vor ihr befand und von einem dunkelbraunen, ernsten Antlitz umrahmt wurde. Mühevoll schluckte sie die aufkeimende Panik herunter, die sich wie raue Kiesel ihre Kehle hinab bewegten. Es forderte ihr eine nicht zu verachtende Willensstärke ab sich zu sammeln und zu ihrer Vernunft zurückzufinden, die in jenem Moment schon weiter abgedriftet war als gut für sein konnte. Die Predigt die ihr der ehemalige Korsar hielt glich frostkaltem Wasser das sich über ihr erhitztes Gemüt ergoss und ihre überspannten Nerven eine gesegnete Kühlung und Klarheit bescherte. Seine Worte wurden zu Ankern die sie in die Realität wieder so sehen ließen wie sie augenblicklich war und nicht wie sie sein mochte. Seine unnachgiebiger Griff fesselte an Ort und Stelle, machte ein Abwenden unmöglich und sein kristallblauer Blick bohrte sich durch ihren offen zur Schau gestellte Verstiegenheit und brachte das Gerüst aus Furcht, Kummer und Verzweiflung von dem sie umnachtet war allmählich zum Einsturz.

Es dauerte ein, zwei Minuten bis die junge Azazernerin sich gegen das aufwallende Grauen behauptet hatte. Erst schleppend bemerkte sie das ihre Fingernägel durch die Raserei in die sie gefallen war in das Fleisch von Naradas Arm gestochen hatten. Kaum erfasste sie dies, brauste ein Ruck durch ihren Körper und sie löste die Finger von seinen Gliedmaßen, die sie noch immer umschlossen hielten. Besinnung kehrte in ihren Kopf zurück und gab ihr das Empfinden ein das sie sich wie eine Närrin aufgeführt hatte. Eine erbärmliche, feigherzige Närrin! Was sollte er nur von ihr denken? Dass sie eine hilflose, jammernde Abhängige war, deren Verstand sich langsam durch zu hoch dosierten Drogenkonsum und Sonneneinwirkung in Schlacke verwandelte? Nein, verdammt – sie hatte ganz andere Torturen durchlebt und ähnlich schlimme Höllen überstanden! Sie war eine Kämpferin, sie hatte in Teenagerjahren bereits schäbigen Geschäftsmännern und korrupten Investoren das Geld für das Unternehmen ihrer Familie aus den Taschen der feinen Anzüge gezogen, hatte sich nicht von Drohvid’s der konkurrierenden Firmen unterbuttern lassen, genauso wenig hatte sie sich im weiteren Verlauf ihres Lebens den radikalen Umständen ergeben. Sie überlebte in den Slums von Azazer Decimus, tötete Ganger die ihr an die Wäsche wollten mit einem plumpen Stahlrohr, trat dem Widerstand bei und sprengte in deren Namen imperiale Schoßhunde und das organisierte kriminelle Gesocks der Konzerne in die Luft. Und das waren nur einige Auszüge aus ihrer bisherigen Akte. Auch Egir Septimus hatte sie überwunden, die Blutsandwüste, Machandul, und jetzt war sie halt in Rasankur, dem wahrscheinlich boshaftesten Hort von allem, aber zugleich ein Quell an ungeahnten Möglichkeiten.

Hier gab es ungezählte Arten zu sterben, doch mindestens ebenso viele um sich über die Grundform zu erheben wenn man den notwendigen Mumm dafür aufbrachte. Und bei dem wurmstichigen, fauligen Gerippe des Gottimperators, sie würde ihn aufbringen, komme was da möge! Nüchternheit wie sie sie schon seit Tagen nicht mehr verspürt hatte, läuterte und reinigte mit einem Male ihren gesamten Intellekt. Die kreischende Hysterie verflüchtigte sich in dunstigen Schlieren, die ihre Gedanken freigaben und sie objektiv handeln ließen.
Ja, ja, ich höre dich… colchis, entschuldige, ich muss auf dich ja einen so bemitleidenswerten Eindruck machen dass ich eine Exekution schon beinahe verdiene. Bestimmt bereust du jetzt, dass du mich überhaupt in deine Reihen aufgenommen hast nachdem ich dir so die Ohren wund geredet und um einen besseren Posten gebettelt habe. Das du mich hierfür nicht gleich enthauptet hast, wie es dein Recht gewesen wäre zeugt von einem überaus geduldigen und seriösen Charakter. Eigenschaften die ich dir schon abgesprochen hätte in einer Armee wie dieser… oder wäre jedem anderen solch ein Schicksal zu Teil geworden? Bin ich eine Ausnahme, oh furchtloser Rasankuri?“ Sie schaute flüchtig auf seine Hände welche die ihren nun in weiser Vorsicht umfassten und an deren Spitzen immer noch die rötlichen Tropfen seines Lebenssaftes glitzerten. Ein pikantes Lächeln eroberte ihre Lippen als sie seine Besorgnis verzeichnete und den geradezu milden Umgang den er mit ihr an den Tag legte.

Ich danke dir für deine Kopfwäsche, du bist wahrlich mein General. Ich glaube, ich habe mich wieder gefangen und werde mich fortan zusammenreißen. Die Mittelchen die ich mir partout und konsequent eingetrichtert hab um auf den Beinen bleiben zu können, scheinen wohl einiges in meinem Oberstübchen in Unordnung gebracht zu haben. Die Nacht war auch alles andere als… gewöhnlich. Egal, ich werde dem Zeug abschwören, das wird zwar nicht sofort gehen, aber so kann ich verhindern dass es mich eher früher als später dahinrafft.“ Die Fremdweltlerin wand bedachtsam ihre Hände aus der strengen Umklammerung des gleißäugigen Kämpen und Auserwählten des Schwarzen Drachen. Sie entpuppte sich wie ausgetauscht, nichts mahnte mehr daran das sie noch vor Sekunden vor schierer Angst schlotternd im Boden versunken wäre. Eine neue Entschlossenheit strahlte aus ihrem Gesicht.
Verstanden, ich bleibe in deiner Nähe und behalte die Nerven und nur keine Sorge, ich reite dich nicht in ein fürstliches Desaster. Der ganze angestaute, emotionale Mist musste nur mal raus und über die Tränendrüsen funktioniert das am besten. Ist halt nicht ganz leicht für ein armes, schirmloses Mädchen wie mich.

Sie schniefte noch einmal, schüttelte sich die verwilderte Jacke von den Schultern und band sie sich um die schlanke Taille. Das ausgeblichene Haar kämmte sie sich mit den Fingern hinter ihre Ohren und sah sich dabei auf dem Arena Platz um. Ihr Blick stoppte abrupt als sie eine ihre bekannte Grimasse unter den umher Eilenden erkannte.
Aaron!“ rief sie laut und der Mitstreiter von Naradas Rotte drehte sich ihr mit einem flapsigen
Was is?“ zu.
Den Missionar und seinen Lustknaben? Wo habt ihr die beiden hin verfrachtet? Sie sind mein Eigentum, ich brauche sie, lass sie herbei holen!“ hieß sie ihm gebieterisch.
Hol’se doch selbst, hab zu tun!“ röhrte er nur zurück.
Gehorch gefälligst, die zwei sind ein Geschenk für den Großfürsten!“ schrie sie ärgerlich, unmotiviert deswegen eine Diskussion anzufangen. Der Palta sagte noch etwas was Ayris ob der Entfernung zwischen ihnen nicht verstand, aber offenbar parierte er, denn er korrigierte seine Marschroute und strebte auf einen der Kellerabgänge zu.
Die Frömmler werden nützlich sein den etwaigen Blutdurst des Schwarzen Drachen zu stillen. Also, jetzt wo das geregelt ist… befehle und ich folge, benötigst du mich beim Schrottplatz oder hier? Oh, noch was, soll ich so elend vor den Regenten dieser Stadt treten? Wenn er sich durch meinen niedrigen Stand nicht schon gekränkt fühlt, dann bestimmt durch meinen Geruch und mein schlampiges Äußeres... ich will dich ja nicht anpumpen, aber... irgendeine Idee?
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