01-13-2010, 05:28 PM
Man erwartet viel von dir! Diese Worte hallten noch lange in Lyra nach. Erwartete man wirklich so viel von ihr? Schnell fasste sie den Entschluss, dass sie all jene, die was von ihr erwarteten, nicht enttäuschen würde. Und damit machte sie sich an die Arbeit.
Der Flieger ist aber sehr gut erhalten. Zweihundert Jahre ist es nun ja her, der Krieg der Häußer und die angebliche Zerstörung der Stadt Rasankur. Der Flieger hat keine Tragflächen... die ganze Bewegung ist also von den Düsen abhängig. Ein Radgestell... das wird im Flug höchstwahrscheinlich eingezogen. Das Fehlen der Tragflächen sorgt sicherlich dafür, dass eine geringere Angriffsfläche besteht. Und sie haben höchstwahrscheinlich eine extrem hohe Wendigkeit. Ein Luftüberlegenheitsjäger also... Ich glaube aber nicht, dass das Senkrechtstarter sind... Aber von alleine können sie nicht starten, dafür bräuchten sie Tragflächen, um einen gewissen Auftrieb zu gewährleisten, bis genug Schub seitens der Triebwerke gewährleistet wird. Wahrscheinlich haben die Babys eine Art Katapult, welches sie in die Luft befördert. Egal, das ist jetzt einmal unwichtig. Hier ist das Cockpit... ja, die Luke geht schön auf. Dann nehmen wir mal Platz... Ja, fühlt sich schön an. Aber ich glaube, als Hüne könnte man hier schon Schwierigkeiten haben. Was haben wir denn hier für Instrumente... Das übliche... Radar... Künstlicher Horizont... Funk... Tankanzeige... natürlich Leer... Schauen wir uns mal den Motor an... Hier ist die Verdeckklappe... kann ich das einfach so aufmachen? Natürlich wieso denn nicht. Aber wenn die ganzen Geschichten vom Geist der Maschine nun doch stimmen? Wenn die Maschine rebelliert, weil ich sie nicht darauf vorbereitet habe, dass ich die Klappe öffne? Immerhin hängt mein Leben von der Maschine ab, wenn ich nicht in der Lage bin, sie zu bedienen, wird man mich zur Rechenschaft ziehen, dafür, das ich den heiligen Luftraum betreten habe. Und dann ende ich als eine weitere Leiche neben den ganzen anderen gepfählten... Geist der Maschine, höre mich als deine Dienerin an! Ich möchte dir kein Leid zufügen, ich will dir Helfen und dich in neuem Glanz erstrahlen lassen! So gewähre mir die Erlaubnis, fortzufahren.
Diesen Satz hat sie noch in der Flugschule gelernt. Das Verdeck wurde geöffnet, Licht fiel in das Innere. Zwar war diese Maschine für Lyra sehr neu, doch sie versuchte so viel wie nur möglich zu lernen, traute sich jedoch nicht, den Motor auf zu schrauben. Nach einiger Zeit, der Schatten der beiden Maschinen war bereits ein wenig gewandert, schloss Lyra das Verdeck wieder und ging zu ihrer eigenen Maschine, wo sie den Verschluss vom Tank öffnete und mit dem Schlauch knapp 15 Liter Treibstoff in eine der Tonnen pumpen ließ. Diese Tonne rollte sie dann vielmehr, als dass sie sie wirklich trug zu der anderen Maschine, Namen hatte diese noch keinen. Nach kurzem Suchen fand sie auch bei dieser die Öffnung für den Tank und füllte dort den Treibstoff hinein. Sorgsam stelle sie das Fass und den Schlauch weiter zur Seite, bevor sie in den Flieger einstieg, das Cockpit schloss und den Motor startete. Dieser wollte nicht sofort starten, erst beim dritten Versuch. Doch dann sprang er an, die Düsen begannen zu arbeiten, im Leerlauf, denn die Schubregelung hatte Lyra auf Null gestellt und die Bremsen am Gestell verhinderten ein Wegrollen. Vorsichtig erhöhte Lyra kurz den Schub, die Maschine reagierte, wollte arbeiten, doch sie wurde unterbrochen, als Lyra den Schub wieder verminderte, denn sie wollte nur wissen, ob die Düsen funktionieren, und nicht gleich los fliegen. Sie wiederholte diese Prozedur mit den Pedalen und dem Steuerknüppel, denn je nachdem, welche Bewegung gemacht werden sollte, wurden andere Düsen aktiviert. Es schienen alle zu funktionieren, und die Pilotin war damit sehr zufrieden. Der Motor wurde wieder abgeschaltet und sie stieg aus. Die Sonne brannte erbarmungslos auf sie herab, stand sie nun doch schon sehr hoch. Es war bestimmt schon Mittagszeit. Das Fass und der Schlauch wurden wieder in der „Göttliche Rettung“ verstaut, und aus einer Metallkiste in dieser, entnahm sich Lyra eines der Fertiggerichte und eine Flasche Wasser. Kurz zählte sie nach, wieviel sie denn noch hatte. Noch knapp Zwanzig kleine Plastikflaschen mit je einem halben Liter reines Quellwasser sowie noch ein knappes Dutzend der Essenspakete befanden sich in der Kiste, genug zum Essen und Trinken für fast eine Woche. Da fiel ihr Karlesch wieder ein. Sie hatte ihn ganz vergessen. Ob er wohl auch Hunger hatte? Sie entnahm der Kiste noch eine Flasche und ein Essenspaket und ging zu dem Krieger, welcher die ganze Zeit hinweg in dieser schweren Rüstung in der Sonne gesessen hatte.
Prä-Rasankuri? Ich habe etwas zu Essen und zu Trinken für euch. Sagte sie, während sie ihm die, für Noble umstände dürftige Mahlzeit reichte. Das ist Grox-Fleisch, kommt nicht von hier, sondern aus einem der anliegenden Systeme. Ihr seid es wahrscheinlich gewöhnt, die Herzen eurer Feinde zu essen, aber dieses Fleisch wird euch sicher nicht umbringen. War der Krieger dankbar? War er überhaupt hungrig? Lyra konnte es nicht erkennen. Zum Einem, weil dieser Mann den Helm trug, zum Anderem hätte sie aus seinem mutiertem Gesicht wahrscheinlich nicht einmal etwas herauslesen können. Aber zumindest nahm er das dargebotene Essen an. Lyra setzte sich eine knappe Armlänge neben ihm hin, jedoch nicht ihm gegenüber oder in seine Richtung schauend, war sie doch nicht erpicht darauf zu sehen, wie er mit diesen Beißwerkzeugen aß.
Wenn ihr erlaubt, würde ich euch gerne was fragen. Wie seid ihr hierher gekommen? Und wie seid ihr zu dem geworden, was ihr jetzt seid? Dass Lyra Interesse an seiner Geschichte hatte, war nur zum Teil richtig, denn der eigentliche Grund, wieso sie Karlesch fragte, war, dass sie etwas zu tun brauchte. Als sie sich noch die Maschine angesehen hatte, war sie beschäftigt. Doch essen zählt für sie nicht als Beschäftigung, sondern vielmehr als etwas notwendiges, was man machen muss. Ein Gespräch hingegen war wieder eine Beschäftigung.