11-15-2009, 10:57 PM
Stunden später, nachdem das „Abendmahl“ eingenommen, die dämmerige Andacht und die klingenden Glocken zur Nachtruhe durch die Gewölbe der Kathedrale gehallt waren um die Leidgeprüften wie Fürsorger zu ihren Betten zu geleiten, war für Jarred der Augenblick gekommen eben diesem Ritus zuwiderzuhandeln und wachen Geistes darauf zu warten das auch der letzte Bruder der Aufsicht mit seiner Talgkerze aus ihrem Schlafgemach verschwand und schlurfender Sandalen das Weite suchte. Kaum das dies geschehen war und nur noch das asynchrone Schnarchen und Röcheln seiner Gefolgsleute und jener mit denen sie die Übernachtungsräumlichkeiten teilten, das Gemach erfüllte, schwang er seine Beine aus der Liegestatt, streifte seine Stiefel über sowie den Mantel und erhob sie gemächlich und unentwegt um sich schauend. Mit leisen Schritten durchquerte er den riesigen Schlafsaal, an dessen Wänden jeweils die Gestelle von zwanzig Betten standen auf denen sich beinahe regungslose Gestalten befanden, deren auf und absinkende Brustkörbe ihr einziges Lebenszeichen darstellten. Nicht ein schmales Hochfenster durchbrach das Quadergestein, lediglich ein Dutzend Bildnisse von antiquarischen Qualitäten die Szenen aus erhabeneren Tagen zeigten schmückten die Kahlheit. Natürlich gab es auch ein Fresko das sich wie eine Bordüre um die ausgedehnte Halle zog, doch waren die partiellen Abdrücke und Kunstmetzereien derartig geschliffen und zur Unkenntlichkeit abgerieben das man ihre Bedeutung nicht einmal mehr erahnen konnte.
Lautlos wie ein Schatten huschte der Azazerner zum Bogenportal, der ihn auf einen breiten Flur mit niedriger Decke führen würde und im fächerartigen Hauptkorridor mündete. Bedächtig legten sich seine Finger um den gusseisernen Ring und refften daran. Die Tür bewegte sich einen Millimeter, bockte dann und rührte sich nicht mehr. Verschlossen. Ein Fluch verließ flüsternd seine Lippen. Angestrengt dachte er nach, die Winzigkeit hatte in seinem „großen Plan“ keine Rücksicht gefunden und vermochte doch alles zunichte zu machen. Es war kein Problem für ihn elektronische Schlösser zu knacken oder einfach welche der neumodischen Art, aber dies eherne Tor aus altvorderer Zeit? Unmöglich, zudem besaß er keinerlei Hilfsmittel. In einer unüberlegten Geste der Wut wollte er schon mit einem Fuß gegen die eisenbeschlagene Doppeltür treten, als diese plötzlich ein rappelndes Geräusch von sich gab. Verwundert heftete sich Jarreds Blick auf das versperrende Hindernis und einem Instinkt gewährend, wiederholte er den Vorgang des Aufziehens der Tür. Dieses Mal hielt sie keine Verrieglung auf. Ein Spalt entstand und er fuhr herum. Seine Augen forschten in der Dunkelheit der Schlafhalle. Wenn sich unerwartet und mitten in der Nacht verschlossene Türen wie von Geisterhand selbst öffneten, konnte etwas nicht stimmen. Nicht das er nicht an Wunder glaubte, dafür hatte er bereits zu viel skurriles und unglaubwürdiges Zeug gesehen, aber das war doch ein wenig zu merkwürdig.
Sein gesunder Argwohn in jener Angelegenheit gereichte ihm zum Ertrag, als er die graziös gewachsene Figur eines juvenilen Körpers in seiner Nähe entdeckte. Nackter Sohlen und in ein knöchellanges Nachtgewand aus grauen Faden gekleidet, harrte sie im Zwielicht und begegnete stumm seinem ermittelnden Blick.
„Wer bei Mei'dh bist du? Ich sehe dich Tag für Tag, ich weiß das du mit uns von der Zuflucht geflohen bist, verdammt nochmal, ich weiß das du im selben Kahn saßest als wir auf diese götterverfluchte Welt gestürzt sind… ich weiß das uns schon die ganze Zeit über begleitest wie eine gute Gefährtin und doch… widerlegt mein Geist all das auf absurdesteweise. Wieso? Was stimmt mit dir nicht. Was ist an dir, das mich dich nicht vollends begreifen lässt, wie jeden anderen hier?“ fragte er sie rasch, der Verwirrtheit zuvorkommend, die sich seiner wider bemächtigen wollte, wie jedes Mal wenn sie in sein unmittelbares Blickfeld trat.
Das Mädchen strich sich eine schwarze Strähne ihres langen Haares von der porzellanenen Wange und drapierte es hinter ihrer rechten Ohrmuschel. Eine fast scheue Gebärde. Aber dann glitzerten ihre Augen wie unheilige Karfunkel in der Düsternis auf und sie schritt anmutig an des Widerständlers Seite. „Wer ich bin ist ohne Bedeutung. Du solltest dir deinen zarten Verstand darüber nicht zermartern. Wichtig ist nur das du dich meiner erinnerst wenn die richtigen Augenblicke gekommen sind. Ich weise dich an, offenbare dir was du und die anderen nicht sehen können. Ich bin euer gönnerhafter Schatten. Mir liegt daran das ihr überlebt, mir liegt etwas an dir.“ Eine filigrane Hand strich über sein stoppeliges Kinn. Weiche Fingerkuppen, sanfte Nägel schabten über stacheligen Grund.
„Manchmal wünschte ich, ich müsste euch nicht immerzu vergessen lassen. Aber das übergeordnete Wohl verlangt es. Dein Zusammenhalt ist erforderlich und unabdingbar, ebenso wie mein vages, feenhaftes Dasein in eurer Mitte. Du bist Vater und Sohn zugleich, Behüter jener Kinder und Erbe etwas Größerem von dem du noch nichts weißt. Aber die Zeit wird dich lehren… wie sie mich bereits gelehrt hat.“ Ihr samtiges Stimmlein verwöhnte seine Ohren und rodete die Wurzeln aufquellender Fragen nieder, ehe sie gediehen. Echos jener Wünsche, zu sprechen, um mehr Antworten zu bitten, pressten seine Mundränder auseinander und doch entwich ihm nichts. Erst recht nicht, als sich ein anschmiegsamer Finger auf seine Lippen legte und sie versiegelte. Das Mädchen lächelte ihn gefühlvoll an und er fühlte sich wie fliegend und wusste nicht warum.
Wie ein automatisierter Servitor reckte er seinen Arm vor und öffnete die Tür weiter bis er hindurch schlüpfen konnte, ein Huschen hinter ihm illustrierte ihm dass das Wesen der Verdrehung seiner Gedanken und Träume (?!) ihm folgte. Behutsam schloss er die Portaltür hinter sich um keinen Verdacht zu erregen sollte doch ein emsiger Bruder des Weges kommen, und schlich dann den Gang entlang, an die Seite der Fackelhalter gedrängt um dem Leuchtradius der bleckenden Flammen zu entgehen, die hauptsächlich die gegenüberliegende Wand erhellten auf der eigenen aber für finsterer Zwischenräume sorgten. Bald erreichten sie das ausgestreckte Gewölbe des Korridors, der sich wie ein hohler Wurm durch das gesamte Erdreich unter der Tempelanlage prolongierte. Jarred äugte umsichtig nach recht wie links, vermochte jedoch keine Aktivitäten oder Anzeichen von Leben oder Bewegungen auszumachen. Nur das rötlich zuckende Feuer in den Kohlpfannen die den Korridor auf langer Strecke beschienen zeugte von Tätigkeit. Er warf einen Blick über die Schulter um sich Versicherung von seiner Begleiterin zu verschaffen - er konnte nicht erklären weswegen er sich ausgerechnet an sie wandte, irgendetwas in seinem Schädel klassifizierte es als adäquat und sinnvoll ein – und als sie affirmativ nickte, wusste er das richtige getan hatte. Also hielt ihn und seine Wissbegier nichts länger zurück, er setzte seinen dunklen Streifzug fort, stahl sich von Nische zu Mauersenke und nutzte jeden Fleck der introvertierten Finsternis aus der sich ihm bot. Blieb außerhalb der flackernden Lohen der Kohlebecken wie ein Wintergeist der sich vor dem heißen Atem des Feuers schützte.
Es ging vorbei an zahlreichen Einschneidungen im jahrhunderteralten Gestein, die wie die Ausläufer von Beinen aus dem Rumpf des Korridors in eleusinische Tiefen sprossen. Vor dem einen oder anderen aufklaffenden Gang verharrte Jarred, vermeinte seltsame bis andersgeartete Laute zu vernehmen, doch ein seichter Druck an seiner Hüfte manövrierte ihn weiter. Er zollte der rätselhaften Akustik, die wie aus sündiger Unterwelt hinauf zustiegen schien, keine weitere Berücksichtigung mehr zu und hängte sich stattdessen an das reizend gerundete Heck des Mädchens, das nun die Führung übernahm. Das volle schwarze Haar floss wie ein seidiger Wasserfall aus Nachtfasern über ihren Rücken und schmiegte sich an ihr Becken. Wie hypnotisiert strolchte er hinter ihr her, bis sie vor einem ausgewählten Tunneleintritt zum halten kam und Anstalten machte als lausche sie. Er verfiel in die Rolle des aufmerksamen Infiltrators und sah sich widerholt um. Noch immer war weit und breit kein Ordensanhängsel aufgetaucht. Dadurch beruhigt begann auch er zu horchen und stellte fest dass aus diesem Gang ebenfalls ein Wirrwarr an abgründigen Geräuschen, Tönen, Klängen, Koloriten und Resonanzen drang. Eine zärtliche Hand schloss sich um seine.
„Hier sind wir richtig.“ wisperte eine vertrauliche Stimme innerhalb seiner Hirnschale und er fühlte sich vorwärts gezogen. Sie traten in diese unheimliche Düsterkeit des Stollens und stiegen eine scharfkantige Treppe herab, die noch tiefer in die Eingeweide der Erde schnitt.
(wird fortgesetzt)
Lautlos wie ein Schatten huschte der Azazerner zum Bogenportal, der ihn auf einen breiten Flur mit niedriger Decke führen würde und im fächerartigen Hauptkorridor mündete. Bedächtig legten sich seine Finger um den gusseisernen Ring und refften daran. Die Tür bewegte sich einen Millimeter, bockte dann und rührte sich nicht mehr. Verschlossen. Ein Fluch verließ flüsternd seine Lippen. Angestrengt dachte er nach, die Winzigkeit hatte in seinem „großen Plan“ keine Rücksicht gefunden und vermochte doch alles zunichte zu machen. Es war kein Problem für ihn elektronische Schlösser zu knacken oder einfach welche der neumodischen Art, aber dies eherne Tor aus altvorderer Zeit? Unmöglich, zudem besaß er keinerlei Hilfsmittel. In einer unüberlegten Geste der Wut wollte er schon mit einem Fuß gegen die eisenbeschlagene Doppeltür treten, als diese plötzlich ein rappelndes Geräusch von sich gab. Verwundert heftete sich Jarreds Blick auf das versperrende Hindernis und einem Instinkt gewährend, wiederholte er den Vorgang des Aufziehens der Tür. Dieses Mal hielt sie keine Verrieglung auf. Ein Spalt entstand und er fuhr herum. Seine Augen forschten in der Dunkelheit der Schlafhalle. Wenn sich unerwartet und mitten in der Nacht verschlossene Türen wie von Geisterhand selbst öffneten, konnte etwas nicht stimmen. Nicht das er nicht an Wunder glaubte, dafür hatte er bereits zu viel skurriles und unglaubwürdiges Zeug gesehen, aber das war doch ein wenig zu merkwürdig.
Sein gesunder Argwohn in jener Angelegenheit gereichte ihm zum Ertrag, als er die graziös gewachsene Figur eines juvenilen Körpers in seiner Nähe entdeckte. Nackter Sohlen und in ein knöchellanges Nachtgewand aus grauen Faden gekleidet, harrte sie im Zwielicht und begegnete stumm seinem ermittelnden Blick.
„Wer bei Mei'dh bist du? Ich sehe dich Tag für Tag, ich weiß das du mit uns von der Zuflucht geflohen bist, verdammt nochmal, ich weiß das du im selben Kahn saßest als wir auf diese götterverfluchte Welt gestürzt sind… ich weiß das uns schon die ganze Zeit über begleitest wie eine gute Gefährtin und doch… widerlegt mein Geist all das auf absurdesteweise. Wieso? Was stimmt mit dir nicht. Was ist an dir, das mich dich nicht vollends begreifen lässt, wie jeden anderen hier?“ fragte er sie rasch, der Verwirrtheit zuvorkommend, die sich seiner wider bemächtigen wollte, wie jedes Mal wenn sie in sein unmittelbares Blickfeld trat.
Das Mädchen strich sich eine schwarze Strähne ihres langen Haares von der porzellanenen Wange und drapierte es hinter ihrer rechten Ohrmuschel. Eine fast scheue Gebärde. Aber dann glitzerten ihre Augen wie unheilige Karfunkel in der Düsternis auf und sie schritt anmutig an des Widerständlers Seite. „Wer ich bin ist ohne Bedeutung. Du solltest dir deinen zarten Verstand darüber nicht zermartern. Wichtig ist nur das du dich meiner erinnerst wenn die richtigen Augenblicke gekommen sind. Ich weise dich an, offenbare dir was du und die anderen nicht sehen können. Ich bin euer gönnerhafter Schatten. Mir liegt daran das ihr überlebt, mir liegt etwas an dir.“ Eine filigrane Hand strich über sein stoppeliges Kinn. Weiche Fingerkuppen, sanfte Nägel schabten über stacheligen Grund.
„Manchmal wünschte ich, ich müsste euch nicht immerzu vergessen lassen. Aber das übergeordnete Wohl verlangt es. Dein Zusammenhalt ist erforderlich und unabdingbar, ebenso wie mein vages, feenhaftes Dasein in eurer Mitte. Du bist Vater und Sohn zugleich, Behüter jener Kinder und Erbe etwas Größerem von dem du noch nichts weißt. Aber die Zeit wird dich lehren… wie sie mich bereits gelehrt hat.“ Ihr samtiges Stimmlein verwöhnte seine Ohren und rodete die Wurzeln aufquellender Fragen nieder, ehe sie gediehen. Echos jener Wünsche, zu sprechen, um mehr Antworten zu bitten, pressten seine Mundränder auseinander und doch entwich ihm nichts. Erst recht nicht, als sich ein anschmiegsamer Finger auf seine Lippen legte und sie versiegelte. Das Mädchen lächelte ihn gefühlvoll an und er fühlte sich wie fliegend und wusste nicht warum.
Wie ein automatisierter Servitor reckte er seinen Arm vor und öffnete die Tür weiter bis er hindurch schlüpfen konnte, ein Huschen hinter ihm illustrierte ihm dass das Wesen der Verdrehung seiner Gedanken und Träume (?!) ihm folgte. Behutsam schloss er die Portaltür hinter sich um keinen Verdacht zu erregen sollte doch ein emsiger Bruder des Weges kommen, und schlich dann den Gang entlang, an die Seite der Fackelhalter gedrängt um dem Leuchtradius der bleckenden Flammen zu entgehen, die hauptsächlich die gegenüberliegende Wand erhellten auf der eigenen aber für finsterer Zwischenräume sorgten. Bald erreichten sie das ausgestreckte Gewölbe des Korridors, der sich wie ein hohler Wurm durch das gesamte Erdreich unter der Tempelanlage prolongierte. Jarred äugte umsichtig nach recht wie links, vermochte jedoch keine Aktivitäten oder Anzeichen von Leben oder Bewegungen auszumachen. Nur das rötlich zuckende Feuer in den Kohlpfannen die den Korridor auf langer Strecke beschienen zeugte von Tätigkeit. Er warf einen Blick über die Schulter um sich Versicherung von seiner Begleiterin zu verschaffen - er konnte nicht erklären weswegen er sich ausgerechnet an sie wandte, irgendetwas in seinem Schädel klassifizierte es als adäquat und sinnvoll ein – und als sie affirmativ nickte, wusste er das richtige getan hatte. Also hielt ihn und seine Wissbegier nichts länger zurück, er setzte seinen dunklen Streifzug fort, stahl sich von Nische zu Mauersenke und nutzte jeden Fleck der introvertierten Finsternis aus der sich ihm bot. Blieb außerhalb der flackernden Lohen der Kohlebecken wie ein Wintergeist der sich vor dem heißen Atem des Feuers schützte.
Es ging vorbei an zahlreichen Einschneidungen im jahrhunderteralten Gestein, die wie die Ausläufer von Beinen aus dem Rumpf des Korridors in eleusinische Tiefen sprossen. Vor dem einen oder anderen aufklaffenden Gang verharrte Jarred, vermeinte seltsame bis andersgeartete Laute zu vernehmen, doch ein seichter Druck an seiner Hüfte manövrierte ihn weiter. Er zollte der rätselhaften Akustik, die wie aus sündiger Unterwelt hinauf zustiegen schien, keine weitere Berücksichtigung mehr zu und hängte sich stattdessen an das reizend gerundete Heck des Mädchens, das nun die Führung übernahm. Das volle schwarze Haar floss wie ein seidiger Wasserfall aus Nachtfasern über ihren Rücken und schmiegte sich an ihr Becken. Wie hypnotisiert strolchte er hinter ihr her, bis sie vor einem ausgewählten Tunneleintritt zum halten kam und Anstalten machte als lausche sie. Er verfiel in die Rolle des aufmerksamen Infiltrators und sah sich widerholt um. Noch immer war weit und breit kein Ordensanhängsel aufgetaucht. Dadurch beruhigt begann auch er zu horchen und stellte fest dass aus diesem Gang ebenfalls ein Wirrwarr an abgründigen Geräuschen, Tönen, Klängen, Koloriten und Resonanzen drang. Eine zärtliche Hand schloss sich um seine.
„Hier sind wir richtig.“ wisperte eine vertrauliche Stimme innerhalb seiner Hirnschale und er fühlte sich vorwärts gezogen. Sie traten in diese unheimliche Düsterkeit des Stollens und stiegen eine scharfkantige Treppe herab, die noch tiefer in die Eingeweide der Erde schnitt.
(wird fortgesetzt)