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Fürstliche Gemächer
#46
Menschliches Dasein, jenes parasitäre Keimen, welches ausschließlich zwischen den ausgehöhlten Kadavern stählerner Kolosse, sogenannter Makropolen stattfand. Den lieben langen Tag lang, verbrachten jene Unterprivilegierten innerhalb planetenweiter Netzwerke maschineller Fertigungsanlagen, manchmal jedoch legten jene selbst Muskelkraft an, dann nämlich wenn sich der Hohe Adel genötigt sah Brennstoffe einzusparen, was jener Wochen immer häufiger geschah. Rudelweise unterernährter Fabriksarbeiter streunten späterer Stunden durch die vermüllten Halden, welche die Gosse bildeten, beständig nach “Fressbarem” suchend, wenn sie nicht gerade dabei waren sich für überteuerte Bettpreise ein einzelnes Nachtlager Schichtweise zu teilen. So verbrauchten wohl dreiviertel der städtischen Bevölkerung gut zwei Drittel ihres “Lohnes”, ohne dadurch auch nur annähernd gesättigt oder ausgeruht zu sein. Was übrig blieb investierte man in fünftklassige Bewaffnung, um sich gegen genmutierte Wanzen zur Wehr setzen zu können, oder warf es in einer heruntergekommen, wurmlöchrigen Kaschemme auf den Kopf. Kostspielige Methanolgebräu, welches darüber hinaus nicht nur toxisch, sondern erblindend war, mit Erbkrankheiten und Infektionen verseuchte Nutten, oder ständig gezinktes Glücksspiel. Auch manche Schlägerei diente noch zur gelegentlichen Fruststrationsbremse, aber damit war auch schon alles genannt. Das geringe Sportangebot konnte ohnedies nur von Taugenichsten und Bandentypen genutzt werden, man sprach hier von Jugger oder Streetfight. Das harte Reglement der industriellen Manufakturen erlaubte jedoch keinerlei temporäre Verzögerung, was allein dazu führte das viele Schichtführer ihre “Untertanen” dazu zwangen regelmäßig ein bis zwei Stunden früher anzufangen, das noch dazu bar jeder Entlohnung. Mit Ausnahme des Spottes, der anhaltenden Diskriminierung, der teilweise zwangsmäßigen Sterilisierung “Aufmuckender” und den drohenden Hammerschlägen des “Aufsehers”. Wer starb erhielt keine der allgemein versprochenen imperialen Bestattungen, stattdessen wurden die meisten welche an Krankheit, Überarbeitung oder gewalttätigen Prozessen verschiedenen, kurzerhand als Heizmaterial oder Tiernahrung verwertet. Vor diesem Punkt allerdings verschlossen die meisten Angehörigen des Administratums und des lokalen Adels schlichtweg die Augen, man interessierte sich zumeist aber auch einfach schlichtweg nicht dafür. Für die einen war es lediglich wichtig das die monatlichen Raten an Terra fristgemäß abgefertigt werden konnten, für die anderen zählte einzig und alleine die Gewinnträchtigkeit des gesamten Betriebes, für egoistische oder hauspolitische Zwecke. Ein jeder war ihr Meister und keiner erbarmte sich auch nur einen kleinen Finger darzubieten. Dennoch, oder gerade deswegen, hielten diese Vagabunden und Lumpenhändler aus den Lenden der Makropolen weiterhin an ihren imperialen Ordnungskult, welcher ihnen längerfristig jedoch zweifelsohne einen vollständigen und totalen Zusammenbruch bescheren würde. Schon jetzt kursierten Gerüchte und merkwürdige Mären, welche selbst bis an die Pforten Rasankurs getragen wurden, solange man dafür nur ein offenes Ohr bewahrte. Man sprach von “demokratischen” Bestrebungen einzelner, vom freien Willen und der Bestimmung über Leib und Seele. Wüssten diese Menschen jedoch das es ihren Ebenbildern in “völkischen” Nationen ebenso erging, wie würden sie dann reagieren? Würden sie nicht endgültig verzweifeln, dahin vegetieren und sich dem Wahnsinn selbst hingeben? Oder würden sie einfach weitermachen, wie bisher, sich ernähren, befriedigen, vermehren, ernähren, befriedigen, vermehren…? Selbstverständlich war der “Kaiserliche Mensch” an sich lebensunfähig, es entsprach meist schlichtweg nicht seiner gebeugten, devoten Natur, sich ernsthafte Sorgen über irgendetwas zu machen das seinen Sturschädel überstieg. Dies war eine unabdingbare Gemeinsamkeit aller menschlichen Völkerschaften, egal wohin man sich in dieser sternenweiten Reichsstrukur wandte. Sie waren allesamt hörig, am schlimmsten von allen jedoch diese sogenannten Kleriker und die perfektionierten Supersoldaten seiner Fauligkeit zu Terra. Welcher emotionale Rückschlag mochte es wohl für all jene gewesen sein, als sich Bruder gegen Bruder wandte oder als sich der Ekklesiarch Vandire selbst in einem Anfall despotischen Hochmuts über den Willen des Leichenkönigs hinwegsetzte? Als man die geistig deflorierten Huren dazu zwang, selbst Hand an einen sterblichen Vertreter des Ungottes zu legen? Bitter hafteten jene letzten Verse noch heute in deren Ohren welche sie vernommen hatten, sie selbst wusste nur aus unterschwelligen Erfahrungen heraus welchen Wortlaut er gespien hatte. So wandelten sie wie das Wasser zum reichhaltigen Weine, einen “Göttlicherwählten” zum übelsten Ketzer imperialer Geschichtsschreibung, mit Ausnahme des niemals offen angesprochenen Horus. Zu blutig, zu tief und unversöhnlich war jener endgültige Schwerthieb ins Imperium geschlagen worden. Der große Vatermord, als tragischer Abschluss jenes unsäglichen Bruderkrieges welcher alles an den Rand der Vernichtung führte… Oh ja, wahrhaft dröhnend musste das abgöttische Gelächter der finsteren Vier durch das Immaterium gehallt haben dieser Tage, und jeglichen Narren der es vernahm, zwangsläufig in den aufgerissenen Schlund des Schwachsinns gezerrt haben. Glorreiche Zeiten…

Das vormals schützende Holzgeschnitz des orientalischen Fenstergitters lag zertrümmert, sandige Schemen kündeten einen abermals ansteigenden Sturm voran. Mitternächtlich würden sich abermals die aufgestauten elektromagnetischen Wogen entladen, würde sich jegliche ungeschützte Technologie wiederum zu wertlosem Schrott verwandeln. Abschirmung, ja Abschirmung zu einem gewissen Grad, zu sehr schienen chemische wie radioaktive Eingriffe in das natürliche Umfeld jegliche physikalische Logik ruiniert zu haben. Es handelte sich hierbei nicht um einen klassischen Ferromagnetismus oder einen auf Ration beruhenden “Sturm”, vielmehr munkelte man zwischen den ausgesprochen Zeilen oftmals die uralten Vorväter, erhabene Weise der Wüsten, würden sich auf eine solche Manier dem technologischen Fortschritt und der Expansion der fremdweltler Kolonien erwehren. Was daran wahr war, vermochte man aufgrund der komplizierten und oftmals abstrakten Erzähltradition der Wüstennomaden, welche keinerlei Anpassung erlaubte, nicht gänzlich und lupenrein zu behaupten. Allerdings hatte Melanie in ihrem achtundzwanzigjährigen Leben bereits mehr denn genug von der Amtskirche als “unmöglich” erklärtes gesehen und sogar am eigenen Leibe erfahren. Viele der fanatischeren Kleriker negierten bekanntlich, hauptsächlich aus naivem Schützerwahn heraus, die Existenz der ewig ansteigenden Emotionen des Immateriums. Die archäologisch wertvolle Vorstadt lag zertrümmert, geißelnde Sandböen strichen darüber hinweg. Mitleid jenem der sich dieser Stunden noch außerhalb schützender Barrieren aufhielt, es sei denn er wäre ein Beduine, welcher ja durch Geburtrecht Resistent gegen diesen kontinentalen Leviathan war. Ungewohnt hoch oben saß sie dabei auf der äußeren Balustrade, also auf der gesockelten, quadratischen Basis jener Kuppel welche das Gemach überspannte. Hochgekommen war sie mittels der allmählich verknöcherten Fingernägel, welche sich immer mehr jenen der wilden Bestien annäherten. Eine Stadt der Verdammten und Geächteten, welche da friedlich schlummernd, der sonnenbestrahlten Gewalt entfremdet, zu ihren Füßen lag. Geradezu jungfräulich wog sie sich in jene Talsohle zwischen den Gebirgsgraten. Unberührt durch imperiale Verkommenheit, Klerus und die gewaltigen Maschinen der Industrie. Wenigstens letzteres würde allerdings baldigst möglich angeschaffen werden müssen, allein um die beständig ansteigenden Truppenzahlen vernünftig versorgen zu können. Ebenso wie neue Praktiken zur vitaminreichen Ernährung, Fleisch war auf lange Sicht durch Verunreinigung gefährlich, egal wie mutiert der Konsument war. Jene “Breimaschinerie” war ein erster, gesunder Ansatz für dergleichen. Wie viel der tatsächlichen Verwaltungsarbeit allerdings vor ihnen allen lag, vermochten nicht einmal die gewobenen Fäden des Schicksalswandlers vorauszusagen, soviel war sie sich sicher. Entfernter Donner einer statischen Entladung sollte sie schließlich aus dem schweren Sinn herauslösen, ein Bein baumelnd saß sie genügsamer Seele, genoss das sich zusammenbrauende Panorama, Sonnenuntergang hinter okafarbenen Himmelswogen…
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