Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Die Palastmenagerie
#1
Zyklisch wie eine zusammengerollte Uhrenspannfeder welche sich allmählich dem tickenden Zeiger nach entspannte, drehte sich die abglimmende Schraube allmählich herab, eine durchlöcherte, graue Tabakröhre hinterlassend welche auch alsbald der unaufhaltbaren Schwerkraft folgend abstürzte. Provisorisch tippten zwei dünne schwarze Finger daran, ein kümmerlicher Bröselregen wich hinten drein, inzwischen schmeckte der abgebrannte Stängel kaum noch nach seinem typischen starken Aroma, lediglich ein qualmendes, stinkendes Etwas, wie man es von handelsüblichen Zigaretten kannte. Synthetischer Wassertabak, der andere Müll auf dieser Welt war ja unerschwinglich teuer hatte man ihr irgendwo mal erklärt. Vielleicht war es auch Kogan selbst gewesen, möglicherweise einer seiner besoffenen “Kumpels”. Oder auch nicht, immerhin war manch einer nicht einmal mehr zu einer simplen Körperlichkeit wie “Trunkenheit” fähig. Grübelnd, mit einem verschmitzten Grinsen im Mundwinkel, stoisch mit der Stiefelspitze in einem angehäuften Sanddünlein entlang der dahinschwindenden “Gartenmauer” bohrend. Ein albernes Ziegelwerk, etwa dreißig Zentimeter hoch, sieben Zentimeter tief, gerade mal breit genug einen Ellbogen darauf zu stützen während man darauf wartete das dieser undisziplinierte Schweinehaufen welchen Kogan seine Palastgarde geschimpft hatte sich endlich einfand.

Inzwischen hatte man diesen abgemagerten Trauergestalten wüstenhafter Herkunft wenigstens mal ordentliche Uniformröcke anvertraut, enge, schwarze, musterlose “Gehröcke”, abgesteppt mit einigen silbernen Elementen, etwa der Rangabzeichen, wenngleich wohl nur die wenigsten hier jemals eine tatsächliche, fundierte Ausbildung genossen haben dürften. Andererseits hatten sie natürlich eine wesentlich gefürchtetere Akademie durchlaufen, nämlich jene des nackten Überlebens. Wer Tag und Nacht um seine blanke Existenz bangen und kämpfen musste, anstelle menschlicher Vernunft tierischen Instinkt entwickelte, war in manchen belangen wohl sogar einem ausgebildeten Soldaten überlegen, selbst wenn es meist in strukturierter Disziplin und Hierarchie gänzlich fehlte. Natürlich war dies gerade hierbei vollkommen belanglos, immerhin wollten sie nicht die jüngste Imitierung einer imperialen Rekrutierungswelt darstellen, sondern eine gepflegte Chaosheerschar konstruieren, um eben jenes in gewissen Schachzügen über diese von dynastischen Nestbeschmutzern verseuchte Welt zu bringen. Die etwa vierundzwanzig tragischen Rittergestalten hatten sich in volle Schale geworfen, trugen die verkürzten Sichelschwerter am Gürtelbund, die reflektierende Maske übers Gesicht gestreift - unter einigen starrten noch fettige Barthaare hervor - den Kampfkoppel legere umgeschnallt, sowie übermäßig viele Reservemagazine entlang des Becken- und Brustverschlusses. Oberhalb der Rumpfweste hatten sie sich ausgebeulte Harnische angelegt, konnte man mancher Geschichte trauen, so wirkten diese Krieger gerade eben wie “Kürässiere” einer zurückgebliebenen Industriewelt. Über die Schultern hatten sie sich leichte Tarnmäntel geworfen, ein hanfähnliches Gespinn, durchtränkt von sandigen, mergeligen und okkafarbenen Schattierungen, leicht zurückgeworfen um die modifizierten, zweihundert Jahre alten Sturmgewehre - ganz wie sie es oftmals bei imperialen Haustruppen gesehen hatten - unterhalb der Schulterstütze mit dem Lauf gen Himmel zeigend, abzustützen. Jeder ausgebildete, fachkundige und vor allem routinierte Offizier hätte sich vor unwahrscheinlicher Freude und keimendem Zorn wohl das Gesicht mit der flachen Hand gewischt. Nicht jedoch sie, die unscheinbare Geisteswissenschaftlerin, die vernachlässigbare Komponente die sowieso keiner ernst nehmen wollte, “Mehr sein als scheinen”, ein cleverer, tugendhafter Satz, sofern man ihn aufrichtig genug verstand. Was wollte man also mit einem verkorksten Lumpenhaufen, welcher wohl im ernsthaften Zweifelsfalle nicht einmal in Linie kämpfen konnte, da man der indoktrinierten “Deckung suchen” und “Verstecken” Philosophie soviel näher lag? Nun ja, ohnehin waren militärhistorisch Guerillataktiken wesentlich effizienter gewesen als rationeller Sturmangriff, was wohl so ziemlich jeder ihr bekannte “Kriegsschreiber” bestätigen konnte, egal ob es sich dabei um valhalleranische Untergrundkämpfer gegen orkoide Invasoren handelte, oder Widerstandskämpfer auf halbbesiedelten Welten des “Höheren Wohls”, gerade diese Lebenseinstellung hatte sie inzwischen Hassen gelernt. Das “Höhere Wohl” durfte niemals im Vordergrund stehen, immer das eigene, das egozentrische, narzisstische, verdrehte Selbstbild. So praktizierte man es ja allerorts und immerdar, selbst wenn man es mit Nachdruck und gefälligen Worten anders formulieren wollte. Geradezu lachhaft und jeder vernünftige, klar und frei denkende Mensch im gesamten heiligen Reich der Menschheit konnte den machtlüsternen Dauerrausch des Leichengottes auf der Zunge schmecken. Wie abgebrannte Sulfite, welche eben noch stählerne Kugeln durch einen Unterschichtler getrieben hatten. Was also auch immer kommen mochte, musste irgendwie die massiven Palasttore überwinden, dann durch den statuengeschmückten Vorhof, über die verzweigten Stufenetagen, die unterschiedlichen Terrassen und eine schier unmögliche Zahl von Kämmerlein und Kemenaten durchqueren, ganz zu schweigen von den tiefer liegenden Zisternen und Kellergewölben. Bedachte man dann noch das für die gesamte theoretische Abwehrschlacht lediglich vierundzwanzig, unausgebildete Wüstenläufer zur Verfügung standen, konnte man sich durchaus ein adäquates Gemälde vorstellen. Obwohl ihr die grundlegenden Feinmechanik des imperialen Sturmgewehres ansatzweise vertraut war, entpuppte sich das rasankurische dennoch als deutlich archaischer, in mancherlei Beziehung mochte es sogar eher für den unmittelbaren Nahkampf ausgerichtete worden sein, selbst wenn man sich anstelle des üblichen “Lasers” bleierner Projektile bediente. Etwaige Zacken, Spitzen und zugefeilte Stoßklingen sprachen ihrerseits Bände, das manch einer seinen gekrümmten Halbmondsäbel lediglich als Zierrat benutzen wollte wenn es blutig wurde. Prinzipiell liebäugelte sie persönlich lieber mit den primitivsten, und oftmals auch elegantesten “Feuerwaffen”, weshalb sie sich in den museenartigen Untergrundkammern mit einer halbwegs noch funktionstüchtigen Radschlosspistole versorgt hatte. Die Funktion war prinzipiell komplizierter, doch wesentlich “optischer”, Pulver, Kügelchen, stopfen, ein bei vielen damaligen Soldaten wohl automatisierter Prozess, drei Salven, Sturm, abgeschlachtet werden… Naja, wenigstens das wollte sie sich angesichts ihrer eigenen unblutigen Historie ersparen. Man würde ohnehin erst sehen müssen… Der verbliebene Wachhauptmann keifte einwenig energisch sein einstudiertes Sätzlein, betonte dessen Nachhaltigkeit mit mehreren schräg geführten Schwertstreichen und verwies auf die plumpe Sturmtaktik des feindlichen Sklavenvolkes, aber auch auf die geschickteren Schützen der hinteren Reihen… Dann verstreute man sich…
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
[Kein Betreff] - von - 03-29-2009, 02:02 PM
[Kein Betreff] - von - 06-07-2009, 02:56 AM

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste