02-03-2009, 12:11 AM
… ratternd wie ein schlammdurchdrungenes Maschinengewehr kurbelte sich plötzlich eine schnöde Mechanik herunter, gerade als habe sie einen unsichtbaren Lichterschranken durchbrochen. Ein ebenso staubzerfressener wie löchriger Behilfsprojektor sprang an, die quietschende, surrende Lichtmaschine rumpelte wie das pfeifen der himmlischen Chöre am allerletzten Tage, gleichwohl wurden schon die symmetrischen Lochmarken der kultisch verehrten Filmspule an das Aushängeschild des ehemaligen Wartes geworfen. Uralt, slanglastig und durch unterdurchschnittlichen Gebrauch und spärliche Konservierung kaum noch verständlich oder optisch deutbar. Klassiker. Nach einigen abgespielten Sekunden entpuppte sich das ganze als lächerliche Karikatur, ein parodiertes Übungsfilmchen, für kleinere Kinder zwischen dem… sechsten und vierzehnten Lebensjahr wohl. Eine unförmige Schnorchelgestalt, also eine dieser typischen Figuren mit überdimensionierten Augen, zu langen Schenkeln merkwürdig androgyner Körperhaltung, diktierte in einer piepsend anmutenden Sprache die allgemeinen Verhaltensregeln im unwahrscheinlichen Falle eines planetenweiten Konflikts, selbe Situation also wie vor 200 Jahren, gemäß den imperialen Standartwerken. Präimperial, natürlich. Nach und nach bekleidete sich die Gestalt, unterbrochen von Flackern und Lichtblitzen, mit einer zivilen ABC-Schutzausrüstung, schnallte sich eine Erkennungsmarke um, schraubte den überdimensionierten Gasfilter auf, gab Signal. Ganze Rudel gleichartiger “Mutanten” stolperten anschließend über einen illuminierten Zugangsschacht hinab, alle uniform, anschließend versiegelte eine schwere Panzerluke jegliches Eindringen der Außenwelt. Schnalzend rasteten die letzten Millimeter der Filmrolle ein, gleißend weißes Licht, ein deutlicher Sprung inmitten der Linse wurde noch projiziert, ansonsten lediglich das Knistern des beschädigten Chronometers und das bestände weiterrattern der Luxmaschine. Verwunderte durchsuchte sie die schmale Seitenkammer, sich wiederum an ihre eigentliche Absicht erinnernd, nach einer andeutungsweise nützlichen Streckenkarte ab, doch sämtliche Schubladen des ausgemusterten Zeugwartpultes waren entweder mit nutzlos gewordenen Kleinodien, wie etwa Heftklammern, feuchten Patronenhülsen und Kabelzwingen vollgestopft oder quollen über vor zerfledderten Anleitungsbüchern. Sämtliche schriftlichen Dokumente waren aufgeweicht und aufgebläht, ganz wie man es sich von Toilettenpapier in einer Kläranlage hätte erwarten können. Dazwischen krabbelten immer wieder mal Fingernagel großer Küchenschaben oder fette, pigmentgestörte Asseln herum, deren alleiniges Zerquetschen wohl mehr lärm verursachen würde als eine ganze Batterie von Basilisken auf Sperrfeuer, zumindest in der momentanen Situation. Beschmutzt lugte der abgesägte Lauf einer primitiven Schrotflinte unmittelbar unter der Schreibablage hervor, noch mal darunter der abgefranste Deckel eines literarischen Werkes “Unsinn des Sinns”, der geschwungene Schriftzug des Autors war nicht mehr zu erkennen, doch offenbar beschäftigte sich der geschätzte Wart wohl vor seinem Ableben, oder verlassen, je nachdem, noch mit den Theorien der zwischenmenschlichen Kommunikation, zumindest gab ein abgerissenes Stückchen Irgendwas noch am Rande Notizen für eine derartige Annahme. Wühlend, geschützt durch die dicken Lederhandschuhe, trug sie noch ein zwei unlöblichere Gegenstände zu Tage, metallisch umrahmte Glasgehäuse mit langen Kanülennadeln daran, sowie abgestandenes, verklumpt schwarzes Blut darin. Was auch immer das Bürschchen sich vor der “Abreise” noch geschossen hatte, er besaß nicht mehr die notwendige Zeit seine Utensilien einzusammeln oder zu reinigen. Alternative konnte dies auch von den rebellischen Mutanten stammen, doch welchen Grund sollten sie schon haben dies hier zu verbergen? Achtlos rümpelte sie diesen zivilisatorischen Abfall beiseite, in den anderen Schubladen, gleichfalls nichts nützliches. Ein zerbrochenes Datapad, zumindest erinnerten Splitter an derartiges, eine kunstbronzerne Aquila über dem Platz der einstigen Leuchte, eine ganze Reihe gesammelter, durchlöcherter Blechdosen daneben, welche nun wirklich aus Mutantenbeständen stammten, sowie unterschiedlichgroße Fingerknöchel einer… rechten Hand, wie sie befand. In einem anderen Winkel, genauer zwischen zerschlagenen Besenstilen aus Aluminium, mehreren Backsteinen, schreinartig aufgeschüttet, und unterschiedlichen, vergilbten, farblosen Fotografien, ein Schädel ohne dazugehörige Schädeldecke, stattdessen war das gute Stück wohl als Aschenbecher missbraucht worden. Irgendein Clanstotem schmückte noch die Vorstirn, etwas das entfernt vielleicht zwei überkreuzten Holzprügeln gleichen mochte, aufgetragen mit pampiger, verdickter Putzfarbe, konnte natürlich angesichts des fortgeschrittenen Zersetzungsgrades auch eingraviert sein, aber das wollte sie wiederum nicht allzu genau wissen. Erst spät, sehr spät, erkannte sie, das es hier wie in sehr vielen Fällen üblich, eine detaillierte, farbschematische grafische Abbildung des Streckenverlaufes unterhalb des Plastikschutzes des Schreibpultes gab. Das Offensichtlichste war eben oft das Schwierigste…