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Kammern der Offenbarung
#31
Die beinahe durchlässige Haut durchstochen, desinteressiert an der modischen Stilisierung, die stählernen Injektornadel durch die dünnen Venengänge ihres rechten Armes gestochen. Verwunderlich das er überhaupt treffen konnte, allerdings ließ wohl seine eher marodierende Vergangenheitsbewältigung auf breit gefächerte Interessen diesbezüglich schließen. Welcher Stoff? Welcher Stoff, flimmerte es augenblicklich nahezu lärmend durch ihre fortziehenden Gedankenstränge. In geistiger Illusion, Nebelschwaden um sich aufsteigen wissend, während magnetisch strahlende Schemen polterten, Sinneswahrnehmungen quer durch das gesamte Spektrum des Bewussten kreisten. Die Kanüle hatte sich regelrecht verhakt, bemerkenswert das sie sich in ihrem gegenwärtigen Delirium nicht selbst die Vene rausgerissen hatte während sie das Instrument tatsächlich herausfördern konnte. Intravenös… In verschwommenen Lettern tänzelte etwas wie “Schattige Gewässer” vor der gekreuzten Visuellenempfindung, Silberblick oder auch Schielen, stellte sich bemerkenswert schnell ein, dennoch, schienen ihre Gedanken auf bemerkenswert schnelle weise wieder relativ “klar” zu werden. Jedenfalls strukturierter, wie bei einem Menschen welchen man zuvor den zerebralen Lappen durchtrennt und dann wieder “geflickt” hatte. Instinktiv warf sie das gefährdende Objekt von sich, griff halb orientiert nach Hinten, bekam sogar abrutschend die Kante zu fassen. Überwältigende Eindrücke welche auf das Nervensystem eindrangen, Stimulation der unterschiedlichsten Emotionalenfasern, anfangend von minderwertigen Sexualebenen, über Sättigung des Hungergefühls bis hin zu Erfolgserlebnissen. Dies mochte man primär wohl nicht der Droge an sich, sondern der Einwirkung des Immateriums zuschreiben, welches mit all diesen Aspekten seines gewaltigen Prismas zu verführen trachtete. In sich selbst zusammengekauert umschlang sie ihre abgewinkelten Füße regelrecht, drückte diese an ihren Brustkorb, womit sich die schützende Schürze ebenso verschob, während sie das Gesicht wider die Knie presste. Stoßatem, respiratorisch aufblähende Lungenflügel, kühlere Luft die durch die Bronchienzweige nachrückte. Ihr wurde kalt, zumindest empfand sie etwas derartiges unterhalb der schützenden Hautschichten, innerhalb der dafür vorgesehenen Rezeptoren. Die Welt entrückte zeitweise, drang dann wieder näher heran, wie in einem verstellbaren Mikroskop welches eine sich fortwährend entwickelnde Bakterienkultur beobachtete.
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#32
Die Hoffnung mit seinen Worten eine Änderung der Umstände herbeizurufen wurde je zu Nichte gemacht. Noch immer waren seine Augen mit einem grauen Schleier behangen, jede gewollte Fokussierung seiner Pupillen auf den eingetretenen Schemen äußerte sich in Schmerzen, pochend in seinem Kopfe wieder hallend die sich Vibrationen gleich durch seinen geschundenen Körper schwangen. Wie in Zeitraffer pressten sich seine Lieder zusammen, unternahmen ein Versuch nach dem anderen das störende Bild schärfer zu Zeichnen. Der Erfolg war eine mindere Besserung, dennoch genug dem neuen Gesicht gewahr zu werden. Ein Schrecken jagte den ohnehin gereizten Nervenbahnen entlang, schnell formten sich seine Gedanken zu der Befürchtung, dass diese kleine illustre Runde sich nun auflösen sollte. Mit einem Rasseln füllte er auch die letzten geplagten Lungenkapillare und machte sich mental bereit den letzten Stoß gesetzt zu bekommen. Jetzt, da er selbst hilflos wie ein zu sezierendes Objekt sich ausgebreitet auf der kalten Oberfläche wiederfand bäumten sich seine Sinne nochmals auf, entnahmen die Worte der beiden Personen, dessen geformter Schall gerade noch so fern schien. Er schmeckte Sand und den kupfernen Beipass, seine Spucke blieb aus und hinterließ nur vertrocknetes Fleisch. Die Zehen gestreckt, die Hände zu Fäusten geballt, bereit sich im nächsten Moment mit schnellen Hieben und Tritten die Freiheit des Lebens zu erkämpfen, doch umso bitter die Erkenntnis ihrer Machtlosigkeit. Wieder schlossen sich die Augenlider, doch der nächste Aufschlag war hastig und die Pupillen reagierten erstmals auf das auf den Körper gerichtete Licht der Scheinwerfer. Der letzte Blick, so sagt man, vermag das Bild des letzten Atemzuges in die Netzhaut zu brennen, doch wirklich wissenschaftlich nachgewiesen wurde dieser Mythos nie und so blieb er was er war. Damit beschäftigte sich keine Zelle des geschundenen Leibes mehr, dennoch begleiteten ihn die umschlungenen Körper und die Gesichtszüge des Hünen, mit dem offensichtlichen Grinsen eines Raubtieres, in die alles umgebende Stille ehe auch dieses letzte Bild schreiend im Nichts verschwand.

Medizinische Kräfte, für die meisten sollte wohl eher der Beruf eines Metzgers angestrebt werden, besten Falls erwischte man einen aus der Wüste stammenden Kräuterkundigen, aber was hatte man den schon groß auszusetzen wenn man dem Tode näher war wie dem Leben, außerdem entfalteten viele ihr volles Potenzial erst beim zerstückeln und verfüttern an die Kreaturen der Arena. Doch der Befehl kam vom Fürsten, dieses geschundene Überbleibsel welches heute Nachmittag noch hinter seinem Ross durch die Wüste geschleift wurde hatte wohl überlebt und diente weiteren Zwecken in den Laboratorien der hohen Seherin. Aus diesem Grund begleitete tatsächlich ein kompetenter Angehöriger des Fachs den sonst hier tätigen zwielichtigen Gesellen, der sich nur allzu gern an Resten labte und selbst an unförmigen und bereits steifen Körpern noch den Höhepunkt seiner Triebe suchte. Letztgenannter schob gerade die Riegel beiseite, stieß die Türe nach innen auf, dann signalisierte er dem anderen mit einem Nicken als erster einzutreten. Der erste Blick auf den vermeintlichen Patienten schien mehr die Hoffnung zu erfüllen ein weiteres Opfer gefunden zu haben. Die aufgeklappte Bauchdecke lies eine Infektion befürchten, wenn nicht gar schon die unzähligen Aufschürfungen und offenen Wunden dort draußen etwas eingefangen hatten. Viel war nicht mehr von der Schönheit des Jüngling übrig, aber dennoch hatte sein körperliches Bild, was er nun abgab, etwas Anziehendes. Der Geselle leckte sich mit Vorfreude über die Lippen, fuhr mit einem Finger über die Bauchdecke und klappte den Hautlappen zurück dorthin, wo er vom Rest abgetrennt wurde. "Puls vorhanden, schwache vitale Funktionen..." Gab der Fachkundige für sich selbst zum mündlichen Protokoll und schwang mit seinem schweren und nicht sonderlich sauberen Kittel herum zu einigen Reagenzien und schien begleitet von klirrendem Glas zwischen diesen ein bestimmtes zu suchen. "Prüfe ob auch Atmung vorhanden ist..." Kurz in seinem Tun inne haltend linste er über seine Schulter und schnaubte "Nur mit deinem Ohr über Nase und Mund gehen, nicht mit deinen Griffeln irgendwas anfassen, ist auch so schon schwer genug irgendwas hier halbwegs steril zu halten... Ihr elenden Leichenschänder..." Kaum hatte er sich wieder den Reagenzien gewidmet verdrehte der andere die Augen und kratzte sich über die Stoppel seines schlecht rasierten Bartes, ehe er sich doch dazu entschloss Folge zu leisten. Erst hatte er eine gute Hand breit Abstand zum Gesicht des Jünglings, doch nachdem er in diesem Abstand nichts vernehmen konnte entschloss er sich Augen rollend doch noch dazu seinen Kopf ein gutes Stück näher heran zu bewegen, bis er die Lippen und Nasenspitze des Fremden fast berührte. Nichts, kein Luftzug, kein Atemgeräusch außer seinem Eigenen. Innerlich voller Vorfreude über den schlechten Zustand erfasst zog er seinen Kopf wieder nach oben, weit sollte er allerdings nicht kommen. Fürchterliche Schmerzen ließen seine Hals und Nackenmuskulatur verkrampfen und stauten fühlbar das Blut nach oben ab und noch ehe er wirklich realisierte, dass er sich an irgend etwas verfangen hatte fühlte er bereits ein stetiges Kribbeln durch seinen Körper gleiten. Er fühlte sich nicht gerade wohl dabei, doch sein Gehirn schien ohne Reaktion, lies einer Ohnmacht gleich die Kontrolle entgleiten. "Was gibt es da zu stöhnen!?" Mit einer Ampulle in der Hand und sichtlich gereizt kehrte sich nun der im schweren Kittel wieder zum Tisch um. Das Glasgefäß, noch kurz zuvor in seiner Hand, zerschellte auf dem Boden, in seinen glasigen Augen spiegelte sich die Szene noch wieder wie der leblose Leib des anderen neben dem Tisch zusammensackte und der gerade noch so dem Tode nahe Jüngling mit blutverschmiertem Gesicht aufschrie. Sein Gesicht war vor Schmerzen verzerrt und dennoch hätte ein aufmerksamer Beobachter die Verwunderung in seinen Zügen erkennen können. Nicht so der hier Anwesende, panisch suchte er sein Heil in der Flucht...
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#33
Gebeugt auf einen knorrigen Krummstock wirkte die dünne, eingesunkene Gestalt zunächst wesentlich unscheinbarer als der kreischend davon stürmende “Mediziner”, sofern irgendetwas hier diesem hippokratischen Ruf gerecht werden konnte. Dieser hier war deutlich älter als die durchschnittliche Bevölkerung der Stadt, dennoch haftete den beinahe nachtschwarzen Perlen welche ihm als Augen dienten eine erquickliche Vitalität an, ebenso wie ein entschwindendes Purpur im Herzen. Eingehüllt in die Tracht der Wüstenvölker stand er etwas abseits des eben erst erwachten Jünglings, während er sich durch seinen filzigen schwarz-grauen Bart strich und die ausgetrockneten Lippen fest versiegelt ausdruckslos blieben. Nachdem dieses obskure Szenerie ein akzeptables Weilchen hatte wirken dürfen und blutverschmierte Reste auf der rasierten Brust des Knaben allmählich rituelle Gestalt annahmen, beugte sich jener schließlich vorwärts und betrachtete ihn sinnierend.

“Wiedergeboren aus dem verflossenen Blut des Verderblichen, ehedem ihm der schweigsamen Klinge stich frohlockte. Erwacht von jenen deren Seelen verloren waren, abermals durchzuckt von pulsierendem Leben, seid ihr nun eins mit dem sich stetig wandelnden Zyklus des Todes, Prinz Coreil. Erhebt euch, bekleidet euch rasch und dann folgt mir, auf das ich euch euer Schicksal offenbaren mag.”
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#34
Die Brust war erhoben, somit bildete sein Rücken ein halbkreisförmiges Gebilde über dem Untergrund. Der Kopf fiel in den Nacken, die Pupillen durch das stark einstrahlende Licht zu kleinen Punkten verengt. Als das Letzte aus den Lungen gepresst und durch die Stimmbänder gejagt war entspannte sich Sehne für Sehne, lies den Krampf verfliegen und wandelte sich in Zittern. Ungläubig drehte er den Kopf zu den Seiten, musterte die Umgebung, sah Gläser, Werkzeug, und Griffe der Schränke unnatürlich im Lichte glänzen. Wie aus einem Schlaf erwacht benetzte er seine Lippen mit Speichel, schmeckte etwas, was ihm nur allzu bekannt vorkam und doch war etwas anders. Unsicher wollte er sich über dem Mund streichen, den scheinbaren Schlaf aus den Augen wischen, konnte sich jedoch kaum rühren. Langsam erst merkte er wieder den Druck um seine Hand- und Fußgelenke, flüchtig touchierte ihn eine vergangene Erinnerung, Schemen dieser Frau, seinem Verhängnis, sein Fluch und doch so unwiderstehlich. Im Geiste blitzte die unbarmherzige Sonne für einen Moment auf, tauchte das Bild in blendendes Weiß, ehe ein Schemen über ihm stand und.... Von der Realität wieder eingefangen brachen die Worte des alten Mannes zu ihm durch, ließen einen Ruck des Schreckens durch den Leib fahren. Mit einer schnellen Bewegung riss Ad´razbe seinen Kopf empor, musste nach der Person nicht lange suchen, sondern sah sie klar und deutlich in diesem Raume stehen. Die Stimme sprach wirre Worte, dennoch gingen sie nicht an ihm vorbei, sondern erreichten das Bewusstsein des Jünglings. "Prinz? Ihr kamt in dieses Gewölbe und suchtet einen Prinzen? Ihr scheint mir ein Greis, des klaren Verstandes beraubt. Einen Prinzen sucht ihr, einen gemarterten Manne habt ihr gefunden! Nicht verlockt durch die verbotene Frucht, nein... durch die Göttin selbst. Der Fürst... der Schwarze Drache... mein Tot wäre ihm ein Geschenk, seid ihr deshalb hier? Vollstreckt eure Aufgabe, die Fesseln bieten euch sicheres Geleit, richtet mich mit blutig Handwerk, vollendet das was die Göttin begonnen..." Sein Kinn noch etwas weiter nach unten neigend, seinen Körper betrachten wollend verharrte er in wie eingefroren in dieser Position, während seine Gesichtszüge einen überraschten Eindruck hinterließen und der Blick seiner Augäpfel hastig über seine Haut huschte. Noch immer war der Einschnitt zu sehen und noch immer zeichneten ihn die schweren Schnitte der steinigen Wüste. Doch sie waren keinesfalls mehr blutig, kamen nur noch breiten rosa Striemen gleich. Kleine Kratzer, Abschürfungen und blaue Flecken gab es nicht mehr, machten Platz für die unberührte Haut, die ihn bis vor dem Aufbruch aus Gohmor noch begleitete. "...was ist an Zeit in dieses Land gekehrt?"
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#35
“Welch kümmerlichen Beigeschmack für euer Ansinnen doch nur diese erbärmliche Zeit tragen mag, Prinz. Erhabenheit und unwillkürliche Größe, ebenso wie weitläufige Refugien und Ländereien sollten euch gemäß dem gohmorschen Geburtsrecht zustehen, denn wahrhaftig, in euren blauen Adern fließt das kostbarste aller Geblüte, jenes des Hochadels. Andere werden lediglich geboren, Leben erquicklich, sinnieren über Ursprung und Laune des Geschicks, hadern manches Mal ein wenig mit sich selbst und erklimmen möglicherweise, durch günstige Winde bekräftigt, den hohen Thron welcher euer natürliches Recht ist, Prinz Coreil. Wenn ihr euch möglicherweise, nur des Augenblickes lasterhafter Gesinnung gewährend, in diesem filigranen Spiegelchen betrachten möget…”, wie er sprach, so offenbarte er unterhalb seiner langen, pelzigen Ärmel einen überaus schmucklosen, dennoch offensichtlich besonderen Handspiegel, allein der Griff war aus einem unnatürlich schwarzen Gestein geformt worden, “… so werdet ihr einsehen, das ihr kein gewöhnlicher Lakai sein könnt. Nein, mein Prinz, euer ansehnliches Äußeres, eure beinahe königlichen Züge, eure zarte, milchigweiße Haut, das herrschaftliche Blau eurer Venen, der unzerbrechliche Wille welcher sich hinter euren Akzenten verbirgt, nein, ihr seid kein Lakai, wenn selbst ihr euch das nicht eingestehen möchtet. Ihr entsprecht keiner simplen Laune jener materiellen Natur, der Samen welcher euch gebar war wahrhaftig berührt durch die Präsenz des besungenen Regenten, gewissermaßen entspringt ihr somit auch seinem mütterlichen Schoß, denn er allein vermag zu gebären ohne seines gleichen. Möglicherweise bedarf es euch allerdings der weltlichen Führung, denn noch scheint mir eure Hand unsicher, unstet und allzu hastig. Die Finger zu früh gestreckt, mögen viele Male gebrochen werden, sofern ihr unvorsichtig seid. Ihr müsst lernen zaghaft und fordernd gleichermaßen zu sein, müsst über die körperlichen Regulierungen hinauswachsen welche euch aufgebürdet werden durch den väterlichen Herrscher aller Gesänge. Allein dadurch vermögt ihr ihm zu huldigen, durch das Erreichen eures rühmlichen Potenzials und durch das willentlichen Einfordern eures… Preises. Nun, mein Prinz, wie lautet eure Antwort, wollt ihr mir nun folgen oder lieber hier… eure Dasein fristen, im Schatten der Macht?”
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#36
Tage, Wochen oder Monate, ja gar Jahre konnten die Antwort sein und doch blieb sie verwehrt, stattdessen wurde er weiter von diesem seltsamen, alten Manne umgarnt, welcher sein blaues Blut hervortat und ihm verdeutlichen wollte welchen Standes er tatsächlich zu sein schien. Von welchem gohmorschen Geburtsrecht er auch sprach, so wusste Ad´razbe weder was er damit zu tun hatte, noch von welchem Recht er eigentlich sprach. Das einzige Recht was er kannte, war der Eintritt in die Armee ab einem bestimmten Lebensjahr. Recht, man sollte schallend lachen, den für den Großteil war es eine Pflicht unangenehmen Ursprungs, die Unterschrift gesetzt unter einem Dokument, auf dessen Rückseite genauso gut das Testament stehen könnte und somit den Tod besiegele. In Gohmor, und das musste er sich schmerzlich eingestehen, hatte er gerade genug Ressourcen um sich als niederer Wohlhabender in den obersten Ebenen zu etablieren und den Pflichten des allgemeinen Pöbels zu entsagen. Kein Hauch von Adel, kein überschwänglicher Reichtum, nur ein weiterer Pixel in einem großen Gemälde, ohne dessen Existenz keine weiße Fläche hinterbleiben sollte. Wo schloss sich der Kreis? Konnte man diese Redewendung hier wirklich anbringen, bohrte er sich gerade spiralförmig in die Lüfte oder war dies alles Trug und Schein? Kurz wollte er sich an seinen Traum erinnern, die wogende Lust, die blutige Stillung seiner Sehnsüchte und der Lockruf in die Wüste, der sich zuerst als sein Verhängnis entpuppen wollte. Hatte er letzten Endes richtig gehandelt? Waren es des alten Magals Karten, die seine Vision bekräftigten und ihm den wahren Weg erleuchteten oder Glück? Er verwarf die Theorie mit dem Glück im nächsten Moment wieder. Seltsame Kräfte waren hier im Spiel, begonnen bei seinem Traum, vollendet bei den Karten, dessen Bedeutung und Erscheinungsbild zu weit über einen einfachen Trick hinausgingen. Er hatte jene prophezeite Seherin gefunden, seinerseits alles auf eine Karte gesetzt und sein Gewicht in die Waagschale des Schicksals geworfen. Man hatte ihn gemartert, der Wüste blutig Schliff vollführen lassen, abgewaschen sein imperiales Äußeres, seinen Verstand gereinigt von jemals empfangenen Doktrinen und Propaganda. Seine Seele verblieb, zumindest fühlte sie sich nicht fremd an und er spürte noch seine ungestillten Triebe und Sehnsüchte wenn er in Gedanken jene projizierte. Wir Recht er doch hatte, verschwindend gering waren die Narben der Reinigung in seinem Antlitz, in seinen Adern pulsierte ein tief-blauer Lebenssaft, er spürte förmlich die neue Energie, die seine müden Glieder wieder belebte. “Es ist nicht des Menschen Art sich einen Fehler einzugestehen, doch ich erkenne die Wahrheit eurer Worte alter Mann und so war es wohl mein Verstand und meine Auffassungsgabe, die mich beide zugleich noch trügten. Äußerlich bedarf es keines zweiten Blickes der wahren Herkunft gewiss zu werden und doch muss mich mein Schlummern zu lange und zu weit aus der der Realität gerissen haben. Es herrschen Bruchstücke und Gefühle in meinem Kopf die geordnet und verbunden werden müssen, noch ergibt das Mosaik keine Bedeutung für mich, doch eben eure angesprochene weltliche Führung sollte mir hier zur Hand gehen können. Nun, so nennt mir euren Namen und löst meine Fesseln, so werde ich mich von euch geleiten lassen.“
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#37
“Ihr irrt mein bescheidener Prinz, denn dies ist allein eure Aufgabe, wie ihr sicherlich erahnen könnt. Namen werden nicht leichtfertig vergeben, jedenfalls nicht unter jenen des Zirkels, welcher über die ursprüngliche Macht einer solchen Geste bescheid wissen. Diese widerspiegeln euer Naturell, sind Teil eures Seelenkonstrukts und vermögen unglaubliche Mächte auf euch auszuüben, sofern man nur die rechte Saite anzuschlagen weis. Darüber hinaus, mein guter Prinz, sind dies eure Ketten, eure Bindeglieder an eine vormalige Existenz, gewissermaßen die Überbleibsel eures ungereinigten Ichs, wenn ihr so wollt. Erst nachdem ihr selbstständig und aus eigenem Bestreben heraus, jene gänzlich abgelebt habt, werdet ihr mehr erfahren können über euer verheißenes Schicksal, eure Bestimmung und den Pfad welcher euer Geburtsrecht ist. Versteht ihr das? Dann befreit euch selbst oder werdet Opfer der Aasfresser.”
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#38
Metaphern. Anspielungen. Anspielungen auf Dinge die sich seinen Kenntnissen und seinem Wissen entzogen. Der Alte gab mit jeder Bemerkung mehr Fragen auf als dass er Klarheit schaffen wollte. Tatsächlich zögerte Ad`razbe eine gute Weile mit einer Antwort und Verwunderung stand ihm in dieser Zeit ins Gesicht geschrieben. “Interessant. Ihr tituliert mich einen Prinzen und im nächsten Atemzug wärt ihr bereit mich in diesen Ketten dem Schicksal zu überlassen.“ Seine analysierende Stimme wich, war nun ein scharfes Zischen einer in die Ecke getriebenen Schlange. “Aber natürlich. Was vermag Vision oder Traum schon zu deuten, wie wahrhaft und real in ihrer Existenz. Sandiger Pfad, brennender Himmelsball, Mutanten, Bestien und anderes Gezücht, Selektierend die Opfer und Narren. Lesen in den Sternen? Gaukelei? Was mag jemanden dazu treiben? Was ist der Einsatz? Wozu ist man bereit, wenn man seine Bestimmung sucht? Wie stark der Geist, wie resistent der Leib? Vermögen sie den Urgewalten zu trotzen, bedürfen sie neuer Form, geschliffen durch des Vollstreckers Werk? Des Lebens letzter Hauch, qualvoll brennend durch die Flügel rauschend. Ein letzter Atemstoß, ein letzter Seufzer, ehe die Schwere von einem fallen mag... Geschundener Körper, unfähig seiner Fesseln zu entledigen. Ein wacher Geist, machtlos hinter den Toren der Realität, ausgesperrt, stark und doch hilflos.“ Ein tiefer Atemzug folgte, leichte Röte der angestauten Wut verlieh ihm eine beunruhigende Farbe und seiner Stimme ungeduldigen Nachdruck. “So euer letztes Wort gesprochen ist, so überlasst mich in meines Schicksals Hand. Doch erwartet meine fürchterliche Rückkehr, Frevel will mit blutig Klinge Tod gesühnt werden.“
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#39
“Eure Worte sind schal und leer mein durchlauchter Prinz. Euren wackeren Silben mangelt es an der Überzeugungskraft jener, welche wahrhaft Verzagen, Schmerz und Apathie gelitten haben, doch dies… dies möge sich in kürze bereits ändern. In einem silbernen Netz verfangen, gleichet ihr einer filigran geschmiedeten Motte, deren hauchdünne Goldflügelchen verzerrt und gebrochen sind, erwartet ihr die Spinne, mit fadem, schwachen Wispern an den karmesinroten Lippen, erwartete das Henkersbeil ohne euch der instinktmäßigen Flucht hinzugeben. Befreit euch nur selbst, oder genießt die letzten Atemzüge eurer vergeudeten Existenz, mir sei es einerlei, mein Prinz, es werden andere kommen, andere welche das dargebotene Geschenk umso mehr zu schätzen wissen werden.”, mit einem rauchigen, kehligen Lächeln, mehr wie ersterbendes Gegacker, zog sich der offensichtlich umnachtete Greis in jenen verdrießlichen Schatten zurück welcher ihn vormals geboren hatte.

Im selben abgewandten Augenblicke jedoch, schritt eine weitaus gewaltsamere Gestalt hinzu. Grobschlächtige, archaische Konturen umwölbten den unflätigen Körperbau des Hünen, an dessen fettwulstigen Banden verfilzter Pelz vegetierte. Eine ekelerregende, fäulnisbehaftete Aura umgab ihn wie Fliegen das grassierende Miasma eine abklingenden Pest, indes ranziggewordendes Zahnfleisch sich durch eingefallene Zahnreihen schob und eine schwammig wirkende Zungenspitze hervor förderte. Mit dem infernalischen Grinsen eines schwachsinnigen Folterknechtes schob sich die “Kreatur”, jegliche andere Bezeichnung mochte liebkosend wirken, an den für deutlich geschickter Hände gefertigten Instrumenten vorbei, ein langsamer, glucksender Laut vibrierend zwischen den schwabbelnden Backen dieser unsäglichen Fratze. Allein der unergründliche Warp hätte eine derartige Missgeburt hervorspeien können, dennoch war dieser hier fleischlich und vollkommene materiell, fernab jeglicher durchtriebenen Einwirkung der Anderswelt. Die gefühllos aufgeschwommenen Finger klammerten sich an die Knöchel des selbstherrlichen Jünglings, während er sich allmählich näher heranzog. Schwärzlich-gelbliche Zahnstümpfe reihten sich aneinander, während sich ein sabbernder Schlund auftat wo andere Menschen gewöhnlich Münder und Nasen trugen, derart unvollkommen und breit wirkte das Werkzeug inmitten des Schädels, das die darüber liegenden Augenpaare wie lächerliche Rattenblinzler dünkten. Guturales Schmettern ließ Leib und Seele erbeben, während sich die andere Hand, zerfressen von etlichen Abszessen und wurmstichigen Beulen, um das untere Kiefer des Burschen zwängte, bedrohlich mit der anderen eine schartige Schlachtklinge über den präparierten Opferstock wetzend.
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#40
Nur tiefe Leere und kein Wort mochte ihm nun mehr über die Lippen kommen. Die Wut verblasste, musste weichen der Ratlosigkeit. So nah die Lösung scheinen mochte, so fern war sie doch für den Jüngling. Der Prinz, nicht mehr wie ein Frohlocken, eine Verführung gerichtete an seine einstige Vision. Hilflos musste er zusehen wie der alte Manne im Schatten verschwand, unfähig ihn aufzuhalten oder gar nur seine Stimme zu erheben. Lange sollte er nicht alleine sein, denn schon kurz danach schob sich eine massige Gestalt an ihn heran. Die feinen Härchen auf seiner Haut erhoben sich, seine Nase vernahm einen fauligen Gestank wie es selbst die dunkelste Gasse nicht zu offenbaren vermochte. Langsam enthüllte der Schein des Lichtes das wahre Grauen, das sich zu ihm schleppte. Ungläubig wollten sich die Augen diesen Anblick von der Netzhaut blinzeln, doch schnell ergab sich die erschreckende Gewissheit über die Realität. Ein Schrei wollte über die Lippen gehen, doch Heiserkeit belegte die Stimmbänder und gebaren nur einen wimmernden Seufzer als sich eine feuchte und aufgedunsene Pranke um einen seiner Fußknöchel schloss. Apathisch verkrampften sich seine Extremitäten, brachten wohlgeformte Muskelfasern und aufgepumpte Adern zum Vorschein. Gelenke rieben in den metallischen Schnallen, an denen sein Körper gefesselt war, die Anspannung lies seine Knochen weiß zum Vorschein treten. Die andere Klaue dieser Ausgeburt der Hölle streckte sich nach seinem Gesicht aus und so sehr er seinen Kopf auch winden mochte, unaufhaltsam wie ein Schraubstock schloss sie sich um seinen Unterkiefer und fixierten sein Haupt. “Nein... nein! Ich werde folgen, ich werde gehorchen...“ Presste er mit heftigen Atemstößen durch aufeinander knirschenden Zähne hervor und sein Körper bäumte sich im Rahmen seiner Fesseln über dem Tisch auf. Kleine Funken sprühten mit kurzer Lebensspanne über die von der Zeit zugesetzten Klinge des Ungetüms, fanden sich im Spiegel der glasigen Augen des Jünglings wieder.
Was hatte ihn nur dazu getrieben Hals über Kopf die sichere Umgebung seines kleinen Glaspalastes zu verlassen, den Türmen der Makropole den Rücken zu kehren? Unzählige male suchte er den Nervenkitzel der Jagd, genoss das Leiden anderer ohne je an die Konsequenzen zu denken einmal selbst Opfer eines solchen Vergehens zu werden. Was er doch mit seinem Geld zu bewegen vermochte. Für ein paar Schekel rissen sich Mensch und Mutant das Herz aus dem Leib, hätten ihm die Füße geküsst, wären bereit gewesen Freunde zu verraten. Doch er wollte sich nicht mit dieser kleinen Spielweise begnügen, trachtete nach Größerem und sollte auf der Suche danach schließlich fündig werden. Nun war er hier. Verzaubert von einem unnatürlichen Wesen sprang er bereitwillig in sein Verderben und nun schien es unwahrscheinlich, dass dies nur ein weiterer Abschnitt auf seiner Reise war. Es sollte der Tragödie letzter Teil werden, das Letzte im Leben eines verruchten Jünglings der in seiner Naivität glaubte unbeschwert und leicht an das ihm verheißene Ziel zu gelangen. Hatte er es letztendlich erreicht und das letzte Geschenk empfangen? War diese flüchtige Begegnung alles was er bekommen sollte? War sie es wahrlich wert?
Sein Zappeln wurde weniger und ruhiger, spiegelte damit ein Stück weit seine gedankliche Resignation wieder, während das Krächzen des wetzenden Schlachtwerkzeugs gemächlich weiter vonstatten ging. Wo war der Ausweg sich von diesen Fesseln zu befreien? Der Greis konnte ihn in keine narrenhafte Gaukelei geführt haben, es musste einen Sinn, einen Hinweis geben wie er dies hier beenden konnte. Eine einsame Träne rollte hastig seine Wange herab, verharrte neben seinem Ohr und tropfte dann herab. Es war Verzweiflung. So oft er die aufgefangenen Worte auch vor sich aufbaute, durch ihr Labyrinth irrte, der ersehnte Weg wollte sich ihm nicht zeigen. Hormone wurden in seinen Kreislauf geschüttet, rationales Denken wurde zunehmend schwerer, dafür rissen seine Glieder mit fühlbar neuen Kräften und schnitten sich selbst Schneisen in die kürzlich regenerierte Haut. Die Schmerzen, das Selbstmitleid, beides ließen neue Wut entfachen und der Hass wurde zum neuen Werkzeug. Hass über sein Leben, Hass über seine Unfähigkeit sich seiner Last entledigt zu haben, Hass über seine Marter und vor allem Hass über die vergossene Träne, das Nachweinen eines traurigen Daseins. Blind und ohne weitere Zweifel begann die Enthäutung seiner Hände, das Metall schabte sich weiter und weiter, machte bald keinen Unterschied mehr zwischen Fleisch und Knochen, schob alles in seinem Wege beiseite, kalt und unbarmherzig. Schmatzend rissen seine Arme sich endlich los, bekündend durch einen qualvollen Aufschrei, der Oberkörper nun aufgerichtet, den Kopf im Nacken und selbst die Kraft der Kreatur vermochte ihn für diesen Augenblick nicht zu zähmen. Sein verfilztes Haar fiel ihm ins Gesicht, als er sich seinem Henker zuwandte. Der Anatomie verschuldet waren seine Füße noch immer fixiert, doch er würde nicht aufgeben, nicht jetzt... nicht mehr...
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