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Zeitenwende
Das Strategium Primaris war gewaltig – ein Gewölbe von nahezu kathedralischen Ausmaße, erfüllt vom Summen der Maschinen, dem Flüstern der Datenströme und dem unaufhörlichen Ticken imperialer Ordnung. Im Zentrum dominierte eine gewaltige Hologrube das Bild. Ein eingelassener, kreisrunder Senkbereich mit einem Durchmesser von über zwanzig Metern. Dort erhob sich das schimmernde Abbild der gesamten Makropole Gohmor als hochauflösendes, blaugrün pulsierendes Hologramm. Es lebte – blinkte, rotierte, passte sich in Echtzeit an. Einsatzsymbole wurden eingeblendet, Bezirke markiert, Bedrohungen farblich kodiert, Bewegungen getrackt. Das Stadtmodell wirkte wie ein atmender Organismus aus Licht, gespeist von Myriaden an Datenpunkten. 
Hinter der Gube, erhöht über mehrere Stufen, erstreckte sich eine halbkreisförmige Galerie, architektonisch einem Amphitheater nachempfunden. In jeder der terrassenartigen Reihen saßen Servitoren – Hunderte. Keiner glich dem anderen. Einige so mit Anschlüssen und Kabeln übersät, dass man ihre menschliche Silhouette nur mehr erahnen konnte. Andere kaum angepasst, so dass es aussah als säßen Besucher in den schaurigen Reihen der Menschmaschinen. Bei einigen ließ Mumifizierung auf das Alter schließen, andere wirken so als hätten sie sich gerade erst zu dem Heer gesellt. Ihre Münder bewegten sich in flüsternder Kakophonie, während sie die endlosen Informationsströme analysierten, die ihnen über Schädelports, Neuralverbindungen und kybernetische Schnittstellen zugeführt wurden. Sie waren halb lebendige Filter, Gedankenautomaten, geschaffen zur Kontrolle und Überwachung jedes imperialen Wortes, jeder übertragenen Botschaft, jedes Atemzugs in der Makropole. Ihre Aufgabe war klar: die Lüge finden und sie zur Wahrheit des Imperiums machen. Ihr Dienst war dabei in sich selbst ein Fanal. Strafe und Sühne endete nicht mit dem Tod.  
Vor der Hologrube ein Meer aus Archivatoren, Schreibern, Kalkulatoren und Analysten, gekleidet in zackig geschnittenen Uniformen mit goldbesäumten Schultern, das Zeichen des Adeptus Arbites auf der Brust. Manche standen an Schrifttafeln, andere flüsterten in Voxgeräte oder scrollten endlose Datenbänder durch. Zwischen ihnen bewegten sich Arbitration, entweder ebenfalls in Uniformen oder in Taktik-Ausrüstung. Höherrangige Gesetzeshüter mit Schädelsiegeln und Justizzeichen führten die Kontrolle, verteilten Befehle, verwerteten Berichte. Über allem, in gebieterischer Höhe und aus schwarzem Gestein geschlagen, prangte das kolossale Emblem des Adeptus ArbitesEine gepanzerte Faust, die eine imperiale Waage umklammert hielt – das universelle Symbol für unnachgiebiges Urteil. 
Hier, im Strategium, wurde keine Schlacht geschlagen – aber viele entschieden. Jede Aufstandsbekämpfung, jede Operation gegen abtrünnige Ebenenmeister, ketzerische Kulte oder fremdartige Subversion wurde hier geplant, durchgerechnet und dann erbarmungslos exekutiert. 

Der Raum, den Cassian nun nach Aufforderung betrag, lag in einer erhöhten Galerieebene des Strategium Primaris, direkt über dem Zentrum der Hologrube. Durch eine breite Fensterfront blickte man hinab auf die imposante Szenerie der Kommandozentrale, in den ständigen Strom aus Licht, Bewegung und Bedeutung. 
Der Besprechungsraum selbst war dagegen schlicht und zweckmäßig. Ein länglicher Tisch aus dunkel poliertem Plasthol nahm den größten Teil des Raumes ein, umgeben von zehn robusten Sesseln mit in das Leder geprägtem Arbites-Siegel. Die Wände waren glatt, stahlgrau gestrichen, ohne Schmuck oder Schnörkel, einzig durchbrochen von einer kleinen Nische mit eingebautem Datenanschluss, einer Voxkonsole und einem abschließbaren Wandterminal. Eine dezente Deckenbeleuchtung spendete kühles, gleichmäßiges Licht, das keine Schatten warf – ganz im Stil der Arbites: neutral, kompromisslos, funktional. 
Kein Raum für Verzierung. 
Kein Raum für Ablenkung. 
Anwesend waren nur drei Personen: Cassians unmittelbarer Vorgesetzter, Marschall Ludwig. Er trug den Panzer, denn Khline  sonst nur aus dem Büro seines Chefs kannte, wo er einen Rüstungsständer zierte. Bis auf einige goldene Applikationen unterschied sich der Harnisch nicht wesentlich von der Ausrüstung, mit welche sich auch alle anderen Arbitratoren den Gefahren der Straße stellten. Anders der Helm, der auf der Tischplatte lag. Auffällig an diesem war der große goldene Adler, der als Helmzier diente und seinen Träger wie den Ritter einer Feudalwelt wirken ließ. 
Doch auch ohne diesen auffälligen Kopfschutz war Ludwigs Erscheinung imposant und hätte in einem Lexikon abgebildet werden können, welches einen Arbites beschrieb. Seine Statur war aufrecht und gerade, wie ein in die Erde gerammter Stahlträger. Fast zwei Meter groß, drahtig, kein Muskel zu viel oder unnötige Kraftprotzerei. Die kurzgeschnittenen, eisgrauen Haare und die feinen Falten um Mundwinkel und Augen verliehen ihm eine Aura stärkender Erfahrung, nicht schwächenden Alters. 
An seiner Seite stand eine Frau, bei der es sich nur um Hoch Marschall Lucresha Varn handeln konnte. Cassian kannte sie nur von Bildern und Aufzeichnungen, hatte die Höchste Arbites auf Koron 3 noch nie leibhaftig gesehen. Sie bildete einen Kontrast zu Ludwig, wie er prägnanter kaum hätte sein können. Varn war keine Erscheinung, die durch Muskelkraft oder schlichte Körpergröße Respekt einforderte – und doch wich ihr niemand aus reiner Höflichkeit. 
Sie war relativ klein, von leicht untersetzter Statur und trug eine schlichte, blau- graue Uniform. Wer sie zum ersten Mal sah, hätte sie für eine Schreiberin oder Verhörprotokollantin halten können – bis man ihr in die Augen blickte. Denn dort, in den kalten, nadelspitzen Augen von Lucresha Varn, wohnte das Gesetz. 
Das wortwörtlich, denn ihr Urteilsspruch konnte Wohl und Weh ganzer Viertel in der Makropole, ganzer Städte auf dem Planeten bedeuten. Diese Augen waren hell – fast durchsichtig – mit einem bläulich-grauen Schimmer, der an Asche erinnerte. Kein Zittern, kein Zucken, nicht einmal ein Blinzeln wie es schien. 
Wenn die Kadetten behaupteten, diese Frau könne Schuld erkennen, indem sie einen nur ansah, so mochte das der Unsinn von Unerfahrenen sein, aber man konnte verstehen, woher der Glaube kam. 
Unter ihrer Leitung hatten die Arbites auf Koron eine harte, aber geordnete Linie durch das chaotische Geflecht aus Makropole, Adel, Verwaltung und Untergrund gezogen. Sie war nicht beliebt – aber sie war gefürchtet, respektiert, und in gewissen Kreisen sogar bewundert.
Eine dritte Frau war zugegen. Vermutlich kein Arbitrator und wenn, dann einer, der ebenso als verdeckter Ermittler tätig war, wie Cassian selbst. Natürlich durfte man sich nie zu Spekulationen hinreißen lassen, da man sonst Gefahr lief, auf den Pfad des Irrtums einzubiegen. 
Also sortierte er sie erst einmal in das Fach für unbekannte Variablen ein.  
Sie trug ein raffiniertes Kostüm, dunkel und glatt aus Tintenfischhaut, das ihre scharfe Silhouette unterstrich, ohne auch nur im Ansatz ordinär zu wirken. Ein lokales Produkt wie es aussah. 
Teuer, urteilte er. 
Ihr Gesicht war ebenmäßig, fast zu ebenmäßig, vielleicht chirugisch nachgebesser. Aber die lange Narbe auf der linken Seite störte die makellose Symmetrie auf provokante Weise. Eine leuchtende, grünlich pulsierende Tätowierung in Form einer stilisierten Spinne saß über der Wange, lebendig, technoaktiv. 
Cassian hatte genug Kulte und Gangs gesehen, um zu wissen, dass das kein modisches Statement war. Trotz des kostspieligen Parfums, stank sie nach Bandenkriminalität der Unterstadt. Vielleicht nicht die Unterstadt Gohmors, aber dahingehend waren alle makropolischen Slumlöcher gleich. 
Ihr Blick war ruhig, analytisch, etwas von oben herab vielleicht. Aber ganz war die Angst vor dem Knochen brechenden Arm des Gesetztes doch noch nicht aus ihr gewichen. Es schien Cassian, als würde er in ein Datenblatt gebannt, beurteilt, kategorisiert, einsortiert – Genauso wie er es mit ihr tat. 
Der verdeckte Ermittler nach zackig Haltung an.
Arbitrator Khline meldet sich zum Raport aus verdeckter Ermittlung.
Dienstzuweisung: Sektion XVII – Subversivitätsbekämpfung und Innerweltliche Abweichungsermittlung
Funktionstitel: Verdeckter Ermittler mit Exekutivvollmacht.
Interner Codename…
Er stockte und blickte zu der fremde Frau. Das waren Informationen an den Leben hängen konnten. Aber Hoch Marschall Varn gab ihm einen Wink fortzufahren.   
Lex-07-Kor. Dienstnummer: ARB-S17-VEX-1473-C
Dann begann er seinen Bericht. In der nächsten knappen Stunde, gab er alles wieder, von seiner Infiltration während des niedergeschlagenen Protestes, über seine Arbeit in dem okkupierten Hotel und seine Kontaktaufnahme zu Renold. Es folgte eine Wiedergabe des Mordes an dem Gefangenen PVSPolizisten und den damit erkauften Eintritt in die Ränge der Verschwörer. Die Vorbereitungen im Lager rund um den Superschweren Panzer. Auch seinen Intimversuch zu Liux verschwieg er nicht und nannte es genau so: einen Intimversuch. Während seiner Wiedergabe behielt er die stocksteife Haltung, als stünde er auf einem Appellplatz, ungerührt bei. Trotzdem kam er nicht umhin, das mikroskopische Lächeln auf dem Antlitz der fremden Frau zu bemerken, als er von der Episode mit der Piratin erzählte. 

Weniger zum Lächeln war seine Beschreibung der Schlacht und der Angriff des Roboters. Ihre Flucht, der Kampf gegen die Maschine, was in den Absturz und den finalen Kampf mündete. 
Es wäre der Stoff für einen Roman oder einen Vid- Film gewesen. Natürlich hätte man die Erzählung dann ausschmücken müssen und sie nicht als Aneinanderreihung schlichter Fakten, hersagen dürfen, so wie Khline es tat.
Rühren, Arbitrator. Die Haltung wich, doch die Spannung blieb in den Schultern – Es war Ludwig, der das Wort übernahm. Der Marschall trat vor, das Gesicht hinter der stählernen Mimik kaum zu lesen. Nur ein knapper Nicken, eine dünne Falte zwischen den Brauen, deutete an, dass das Gesagte Eindruck hinterlassen hatte.
Gute Arbeit, Arbitrator Khline. Präzise, gründlich, dienstpflichtgetreu. Ihr Handeln hat den Erfolg der Operation maßgeblich ermöglicht. Keine übertriebene Anerkennung, keine Ausschweifung. Nur ein knapper Satz, gefolgt von einem weiteren: Aber damit ist Ihr Auftrag noch nicht beendet. Sie werden spätestens während ihrer Mission bemerkt haben, dass diese Welt von einer Seuche heimgesucht wird, die weit über die üblichen Aufrührer, Rebellen, Xenoanbeter und Ketzerzirkel hinaus gehen, die einen Planeten sonst plagen. Koron wird von einem Genräuberkult bedroht. 

Cassian erinnerte sich. Bruchstücke. Splitter aus den Ausbildungsmodulen, Sektion Xenobedrohung. Die Dozenten hatten sie mit der üblichen Mischung aus technokratischer Präzision und heiliger Furcht vermittelt. Die sogenannten Genräuberkulte oder Symbiontenkulte – Hybride aus Mensch und etwas anderem. Etwas Nicht-Menschlichem. Eine Art Mutation. Kultische Verschmelzung von biologischer Verderbnis und fanatischem Glauben. Verborgene Brutstätten des Wahnsinns, verborgen unter den Fundamenten der Städte, infiltrierend, durchdringend. Kein Krieg, keine Invasion. Keine Banner. Zum Anfang zumindest. Nur das langsame, schleichende Kippen.
Der Kult als Krankheit, nicht als Bewegung.
Die Ausbilder hatten von Zeichen gesprochen. Leicht zu übersehen. Veränderung der Augen, der Haut. Seltsames Verhalten in ganzen Bevölkerungsgruppen. Plötzliches Schweigen dort, wo früher noch Lärm war. Eine Verschiebung in den Prioritäten. Und dann – das Aufbegehren. Organisiert, bewaffnet, fanatisch.
„Ein Kult?“, dachte Cassian. Nein. Ein Organismus.
Er erinnerte sich an einen der wenigen Ausbilder, die keinen Augmentationshelm getragen hatten. Ein alter Arbitrator, der mehr Einsätze gesehen hatte als Lehrstunden. Der hatte gesagt: „Wenn du es entdeckst, Kadett – ist es schon zu spät. Denn was du siehst, ist nur der Schaum auf dem Sumpf. Der Morast darunter ist älter als deine Dienstnummer lang.“
Und nun… hier war es. Der Angriff auf die Ratshalle, Die brodelnde Unruhe, die taktische Disziplin bei Protesten, die Opferbereitschaft, der Fanatismus. Die Art, wie sie gestorben waren – nicht fliehende Kriminelle, sondern Märtyrer einer verderbten Überzeugung. 

Der Kult hatte nicht einfach Ziele. Er hatte eine Mission. Das war keine Rebellion. Das war ein Glied in einer Kette. Und sie hatten sich bewegt, als würde jemand an der Kette ziehen.
Cassian erinnerte sich, wie es sich angefühlt hatte, “mit ihnen zu sein”, umgeben von ihnen – Renold, Pedwarsky, Soraya und all die anderen. Ihre Blicke. Ihre Worte, die Abwesenheit jedweden Zweifels. Ihre Bereitschaft zu sterben für eine größere, eine animalische Sache. 

Natürlich hatte er gewisse Schlüsse gezogen, sich aber davor gehütet zu spekulieren, genau so wie man es ihm beigebracht hatte.
Diese Angelegenheit ist ernst und bedarf der vollen Aufmerksamkeit, nicht nur des Adpetus Arbites. Der globale Charakter der feindlichen Aktivitäten haben die Befürchtungen genährt, dass die zur Verfügung stehenden Kräfte vielleicht nicht ausreichen könnten, den Befall einzudämmen. Zumindest nicht, ohne einen inakzeptablen Schaden an Infrastruktur und Bürgerschaft anzurichten. Man hat sich daher an oberster Stelle dazu entschieden, Amtshilfe anzufordern.   
Marschall Ludwig trat zur Seite und gab den Blick frei auf die Frau im scharf geschnittenen Kleid, die bislang so dezent wie fremdartig an der Seite gestanden hatte. Varn war es, die die Brücke schlug: Das ist Elvira. Kein Rangabzeichen. Kein Dienstgrad. Nur ein Name. Sie handelt im direkten Auftrag der Heiligen Inquisition des Imperiums. Sie stellt eine Einsatzgruppe aus geeigneten Individuen zusammen, die sie für den Kampf gegen diese Bedrohung für geeignet erachtet. Sie sind mit sofortiger Wirkung temporär – auf unbestimmte Zeit – an Elvira und ihren Inquisitor überstellt. 

Alle Ihre bisherigen Pflichten ruhen. Ihre Dienstnummer, Ihre Akte, Ihr Rang – alles bleibt erhalten. 
Aber von nun an sind Sie ihr Mann. Und sie ist der verlängerte Arm des Willens des Imperators selbst. Einzelheiten der genauen Mission werden ihnen in zwei Tagen durch Elvira offengelegt. Bis dahin beziehen sie eine Stube, verpflegen sich und sind zur Ruhe verpflichtet. Lediglich zur Kantine und zur Waffenkammer werden sie sich begeben. In letzter rüsten sich sich nach eigenem Gutdünken aus. Ihnen wird die Freigabe für einen Cyber-Mastiff gewährt. Sie können diesen im Magazin abholen und auf ihre Stimme eichen lassen. Ich erwarte Kompetenz und unbedingten Erfolg, Arbitrator Khline.
Jawohl Hochmarschall!
Sie nickte grimmig.

Elvira trat nun langsam näher, das Klicken ihrer Absätze war das Einzige, das den Raum in Bewegung hielt. Ihr Blick haftete an Cassian.
„Willkommen im Schatten, Arbitrator,“ sagte sie leise, und das Lächeln, das ihre Lippen dabei zierte, war so schmal und gefährlich wie die Klinge eines Venenmessers. 
„Wir haben viel zu tun.“
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Warten und Vorbereitung waren die großen Konstanten beim Arbites. Viele von außerhalb des Adeptus hätten diese Routine für stumpfsinnig, trübselig und den Geist zermalmend wahrgenommen. Zu kalt und lebensfeindlich war die Precinct Festung. Zu harsch und unbarmherzig der Umgang ihrer Bewohner untereinander. Vom Umgang mit Außenstehenden ganz zu schweigen. Für Cassian bedeuteten diese Dinge aber Halt. Hatten sein ganzes Leben strukturiert und ihm etwas gegeben an dem er sich orientieren konnte. Besonders jetzt nach seinem letzten Einsatz war dies wichtig. Der Verrat am Imperium, wie sehr er auch nur vorgetäuscht war, nagte an der Psyche und belastete die Seele.
Dazu kamen noch die Belastungen durch Sorayas psionischen Angriff. Wie von dem Arzt empfohlen hatte er seine Medikamente genommen und sich zum Ausruhen hingelegt. Die Zeit dafür war aber leider knapp bemessen, da ihn sein nächster Auftrag bereits erwartete. 
Auch der Cyber-Mastiff war für den Moment ein belastend. Cassian hatte zwar, während seiner Arbitesausbildung auch eine Grundausbildung für den Umgang mit diesen Konstrukten erhalten, aber seitdem waren schon einige Jahre ins Land gegangen und er hatte in seiner Dienstziet nichts mehr direkt mit ihnen zu tun gehabt. 
Nach ein paar wenigen Stunden Schlaf, hielt er es aufgrund dieser Aufgabenlast nicht mehr in seiner Stube aus und begab sich direkt zum Magazin, um seinen Mastiff abzuholen.
Dort erhielt er von einem alten Hundeführer noch einmal einen sehr kurzen Wiederauffrischungskurs, während das Tier auf seine Stimme geeicht wurde.
Sein Name war AA-CR 13/1 und vom Aussehen her ein bösartiges Ding, wie sich Cassian selbst eingestehen musste. Aus sich überlappenden widerstandsfähigen Stahlplatten konstruiert und mit rasiermesserscharfen Klingen als Zähnen ausgestattet, konnte der tierische Anteil gar nicht richtigausgemacht werden. Aber irgendwo da drinnen hatte der Mechanicus noch das Nervensystem und die Muskeln eines hundeartigen Wesens verbaut, um den Gesetzen des Imperiums zu entsprechen.
Den ganzen Rest des Tages verbrachte er damit sich mit seinem neuen Begleiter vertraut zu machen. Angeleitet durch einen barschen Ausbilder, ließ Cassian den Cyber-Mastiff eine Vielzahl von Befehlen ausführen, durchquerte mit ihm Hindernisparcoure und übte sich in der Instandhaltung. zumindest soweit es die Gesetze des Imperiums zuließen. Ab einem bestimmten Punkt lagen die Rechte und Verantwortung dafür einzig und allein beim Adeptus Mechanicus.
Kurz bevor er das Magazin spät abends verließ, ließ Cassian noch einmal den Namen seines Cyber-Mastiffs anpassen. Zu unpersönlich und kompliziert für den Feldeinsatz erschien ihm die technische Einheitennummer. Stattdessen wurde es etwas Persönlicheres. Renold.

Die Waffenkammer des Reviers war gewaltig und unauffällig zugleich. Gewaltig waren die Bestände an Ausrüstung, um jeden einzelnen Arbites angemessen auszustatten und einer Belagerung der Precinct Festung A1 durch äußere, wie auch innere Feinde monatelang zu widerstehen. Unauffällig, weil sie sich in einem stark befestigten Bunker in der bereits bunkerartigen Festung befand. Der einzige Eingang durch automatische Geschützstellungen bewacht, deren Bedienmannschaften aus Servitoren nie ruhten. 
Am Eingang erwartete ihn zusätzlich noch die Wachbesatzung der Waffenkammer. Misstrauisch auch gegenüber ihren Kameraden, Sicherheit überwog alles andere, musste Cassian sich eindeutig identifizieren und den Grund seines Kommens begründen. Zusammen mit der Überprüfung seiner Dokumente dauerte der Prozess fast eine halbe Stunde. Die Gründlichkeit der Wachen war lehrbuchhaft. 
Anschließend wurde er von einer kräftigen Arbitratorin herein begleitet und durfte sich im vorderen Bereich an einen Tisch setzen. Auch hier wurde er keinen Augenblick allein gelassen und seine Begleiterin übergab ihm ein Datapad indem, die hier gelagerten Waffen fein säuberlich aufgelistet waren. Zumindest diejenigen, die für seinen Rang freigegeben waren. Zu den gelagerten Waffen selbst durfte er aber nicht gehen. "Sicherheitsvorschriften" war die Antwort, bevor er überhaupt nach den Gründen fragen konnte. 
Cassian verbrachte die nächste Stunde damit das Datapad zu durchforsten und zu grübeln welche der Waffen am passendsten war. Am Ende fiel seine Wahl so konservativ und erwartbar aus, wie man es von einem Arbites erwartet hätte. Eine Arbites “Richter” Schrotflinte, Schema III. Das Symbol schlechthin welches der gemeine Bürger, wie auch der Abschaum der Unterstadt mit dem Adeptus Arbites verband. Dazu gesellten sich noch eine Godwyn-Branx Schema Boltpistole und ein Schockschlagstock. Zusammen mit seiner Arbitesplattenrüstung und dem Cybermastiff sollte er so gut genug für alle anstehenden Aufgaben ausgerüstet sein.
Seine Waffenwahl wurde mit einem knappen Nicken zur Kenntnis genommen und mit einem Haufen Formulare beantwortet. Die imperiale Bürokratie schlief nie und wollte, dass über alles genau Rechenschaft abgelegt wurde. Besonders, wenn es so ein Waffenarsenal war, dass der Arbites zusammen mit einem Mitglied an die Inqusition abtreten musste. Fein säuberlich füllte Cassian alle Schriftstücke aus, reichte sie wieder zurück und durfte sich ein weiteres mal gedulden, als die Dokumente gegengeprüft, abgestempelt und abgeheftet wurden. Erst nachdem all dies abgeschlossen worden war, wurde damit begonnen, die gewünschten Waffen zu suchen und sie ihm samt Munition auszuhändigen.
Die Waffen wurden anschließend von Cassian auf der Stube verstaut, ehe er wieder in die Übungshalle ging, um sich mit seinem tierischen Begleiter am zweiten Tag weiter vertraut zu machen.
Die Uhr immerzu genau im Blick behaltend verbrachte Cassian die letzten wenigen Stunden zusammen mit seinem Cybermastiff auf gepackten Koffern in seiner Stube. Geduldig darauf wartend, dass Elvira ihn abholen und auf den anstehenden Einsatz vorbereiten würde.
[Bild: Koron-RPG-Cassian.png]
Name: Cassian Khline
Rasse: Mensch
Alter: 32 Standardjahre
Größe: 198cm
Zugehörigkeiten: Adeptus Arbites, Sektion 17
Aussehen: groß, breit, muskulös, schwarz-graue Haare, grüne Augen
Kleidung: Zivil: Schwarze Hose, schwarzes T-Shirt, schwarze Lederjacke

Ausrüstung: Inkor-Körperpanzer, Handschuhe mit Protektoren, Block, Stift, Kabelbinder, Rucksack mit allerhand Kleinkram/Ausrüstung
Bewaffnung:  “Richter” Schrotflinte Schema III,  Boltpistole,  Schockschlagstock, Arbitesplattenrüstun, Cybermastiff (Renold)
Konto: 459 Schekel
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Sie sehen gut aus meine Lieber. Oder sagen wir doch… Sie sehen besser aus als bei unserem letzten Treffen. 
Elvira saß hinter dem nüchternen Tisch des Besprechungsraum, in dem Cassian ihr schon beim ersten Mal begegnet war. 
Andere Personen hätten hier vielleicht verloren gewirkt, sie schien die schmucklose Nüchternheit zu umschmeicheln, wie der Ebenholzrahmen das kraftvolle Portrai. Ihr heutiges Kostüm war ein anderes als am Tag ihres ersten Treffens und wirkte noch unpassender in dieser kalten, funktionalen Umgebung. Dunkler Brokat, fein schimmernd, in tiefem Violett und Schwarz, durchzogen von mikroskopisch feinen Goldfäden, die im Licht der Deckenröhren wie eingefangene Blitze wirkten. Der Schnitt war altmodisch, fast höfisch, mit einem hohen Kragen und scharf betonten Schultern, doch das Material war eindeutig neuester Manufactorum-Standard. Maßanfertigung. Unverschämt teuer. 
Die technoaktive Spinne auf ihrer Wange pulsierte heute langsamer als zuvor, in einem gedämpften Smaragdton. Die alte Narbe zog sich wie ein Riss durch die makellose Inszenierung ihres Gesichts. Gewiss ein bewusst gewählter Gegensatz. 
In der rechten Hand hielt sie eine absurd kleine Tasse von der ein exotischer Geruch und feiner Dampf zu gleichen Teilen aufstieg. Sie lächelte.
Setzten sie sich, Arbitrator Khline. Sie wies ihm den Stuhl, der, nur von der Tischplatte getrennt, vor ihr stand. Ich entschuldige mich, dass der Termin unseres Einsatzgespräches sich jetzt doch ein wenig verzögert hat, aber ich denke sie konnten die Zeit der Erholung gebrauchen. 
Ich selbst war auch nicht faul. Sie legte die mit Spitze behandschuhten Finger auf einen ordinären Schnellhefter aus Pappe. Ich habe mich mit ihrer Vita vertraut gemacht. 
Ein Terraner auf Koron 3. Weit weg von zuhause, nicht wahr? 
Infiltration und Exfiltration, Verdeckte Aufklärung, Antisabotage und Gegenspionage und so weiter und so weiter. Das alles zur ohnehin hochwertigen Ausbildung eines Arbites. 
Das Imperium hat es sich einiges kosten lassen, sie zu einem scharfen Schwert gegen die Feinde der Menschheit zu schmieden. 
Das ist gut. 
Ihr Wert besteht für uns natürlich in ihrer Ausbildung. Gleichsam aber auch in ihrer Erfahrung im Kampf gegen den Feind, der seine Hand nach Koron ausstreckt. 
Sie haben sich in den Kreisen eben dieses Feindes bewegt. Ein Vorteil, den sie meiner restlichen Einsatzgruppe voraus haben. Die haben bisher nur Erfahrung darin gesammelt den Gegner zu dezimieren.
Aber eins nach dem anderen. 
Sie wissen es bereits, doch ich stelle es der Vollständigkeit halber noch einmal klar: Ab diesem Moment unterstehen Sie nicht länger der regulären Befehlskette der Arbites. Sie sind meinem Inquisitor direkt zugeordnet. Befehle werden Sie von ihm, über mich – oder, wenn es die Umstände erzwingen, über gar niemanden mehr erhalten. 
Unser gemeinsamer Herr erwartet von Ihnen selbstständiges Handeln, Initiative, Entscheidungsfreude. Wenn Sie zögern, sterben Menschen. Wenn Sie falsch entscheiden, ebenfalls. Für Sie also eigentlich kein Unterschied zu ihren gewöhnlichen Arbeitstagen. 
Sie lehnte sich minimal zurück. Der Stuhl knarrte leise.
Sie werden sich einen Rufnamen zulegen. Keinen Pathos, keine Legende, nichts, was sich ein Dichter ausdenken würde. 
Etwas Kurzes. Belangloses. Etwas, das man in einer verrauchten Spelunke flüstern kann, ohne dass jemand sich daran erinnert. Dieser Name wird vorläufig Ihre operative Identität sein. 
Der Kontakt läuft bis auf weiteres über einfache Wegwerf-Comgeräte. Billige Massenware, chemisch versiegelte Speicher, kein Rückkanal, keine Aura im Äther. Gebe ich nach einer Nutzung die entsprechende Anweisung, wird das Gerät zerstört. 
Sie holte ein genau solches Gerät aus der Tasche und legte es neben den Aktenordner auf den Tisch. Ein simples schwarzes Ding, wie man es für ein paar Schekel an jedem Kiosk bekam und dessen integriertes Guthaben man verbrauchte und es dann wegwarf. 
In einer Stunde werden vier gepanzerte Gefangenentransporter die Festung verlassen. Mit voller Eskorte, mit Sirenen, mit Sperrketten auf allen Ebenen. Jeder dieser Konvois transportiert Gefangene von einigem propagandistischem Wert. Anführer, Koordinatoren, Namen, die in den Reihen der Aufständischen sehr wahrscheinlich einiges Gewicht haben. Man wird ihnen den ganz großen Bahnhof machen. Öffentliche Verlegung in Hochsicherheitsanstalten der Arbites, des koronischen Geheimdienstes und der lokalen Behörden. Keiner dieser Gefangenen ist tatsächlich über die Maßen entscheidend. 
Sie sind laut, sie sind sichtbar und sie sind entbehrlich. 
Wichtig ist nur eine Person.
Ihr Blick hob sich und traf den seinen. 
Ihre alte Freundin Louise. 
Wir müssen davon ausgehen, dass der Feind selbst hier noch Augen und Ohren besitzt. Vielleicht nicht in den Reihen der Arbites, auch wenn selbst diese Elite niemals völlig über jeden Zweifel erhaben sein kann, aber mit Sicherheit unter den zahllosen zivilen Bediensteten. Reinigungspersonal, Wartungstechniker, Botendienste. Der Feind versteht es, sich selbst durch engste Sicherheitsnetze hindurchzuwinden. Er ist geduldig und bereitet selbst banalste Dinge akribisch und manchmal über Jahre hinweg vor.
Sie klappte den Hefter nun vollständig auf. Während die vier offiziellen Transporte mit maximaler Sichtbarkeit verlegt werden, geschieht Louises Transfer genau entgegengesetzt. 
Unsichtbar. 
Sie wird in einem unscheinbaren, jedoch vollständig gepanzerten Transporter bewegt. Keine Sonderzeichnung. Keine Eskorte mit Blaulicht. Keine öffentliche Route. Ein Finger glitt über eine gedachte Linie auf der Tischplatte. Sie werden eine kurze Strecke allein fahren. Etwa zwei Stunden Weg. Dann treffen Sie auf drei weitere unserer Agenten. 
Ihre Einsatznamen lauten: Doc, Pilger und Granit. Sie griff in den Hefter und legte drei schmale Bildstreifen vor ihn auf den Tisch. Schwarzweiß und Grobkörnig. Unmöglich zu sagen in welcher Umgebung sie aufgenommen worden waren, da der Hintergrund neutral blieb.
Sie ließ ihm exakt so viel Zeit, wie ein Profi brauchte und keinen Augenblick länger. Dann zog sie die Bilder wieder an sich. 
Die drei waren unlängst in einem Einsatz und befinden sich derzeit in einer kurzen Regenerationsphase in einem billigen Motel kurz hinter dem  Sektorgrenztor West 45 A, bereits in dem diesseitigen Bereich der Stadt. Die Koordinaten bekommen sie rechtzeitig. 
Genau dort werden Sie sie treffen.
Die Parole lautet: »Seid ihr gut durch den Schwitzbogen gekommen.«
Die korrekte Antwort ist: »Ja, aber nass sind wird trotzdem geworden.«
Doc, Pilger und Granit sind unsere Leute und entsprechend vertrauenswürdig. Sie bilden die eigentliche Eskorte und sie werden ab dem Zusammentreffen ein Teil des Teams sein. 
Sie kennen die Zielbasis der Inquisition. 
Ab dem Moment des Zusammentreffens liegt die operative Sicherung vollständig in deren Händen. Und in den Ihren natürlich. Sollten die vier sichtbaren Transporte angegriffen werden, ist das einkalkuliert. Sollte Louises Transport entdeckt werden, ist das eine akute Notlage.. In diesem Fall zählt nur noch eines: Dass sie lebend die Basis erreicht. 
Nicht Sie, nicht Ihre Begleiter. Nur die Gefangene hat Priorität. 
Ist abzusehen, dass dies nicht gelingt, wird sie liquidiert. Aber nur in allerletzter Konsequenz. Auch wenn ich es begrüßen würde, sie alle Lebendig und Gesund widersehen zu dürfen. 

Sollten sie noch fragen haben, dann stellen sie sie jetzt.


Der gepanzerte Wagen wirkte wie ein gedrungener, Ziegel aus Stahl, auf ein funktionelles Minimum reduziert. Vorne eine kantige, tief heruntergezogene Kabine, deren schmale Sichtschlitze eher an Schießscharten erinnerten als an Fenster. Panzerglas, von außen dunkel wie blindes Auge. Kein Zierrat, keine unnötigen Markierungen das Übliche hinaus. Nichts was neugierig machen könnte. Nur der matte, graublaue Schutzanstrich der Zivilbehörden, abgewetzt an den Kanten, stumpf von Staub und Säureregen.
Der Motorblock saß hoch und schwer vor der Fahrerkabine in einer langgezogenen Schnauze. Darin arbeitete ein überzüchtetes Aggregat: laut, durstig, aber zuverlässig – gebaut nicht für Geschwindigkeit, sondern Kraft und Widerstandsfähigkeit.
Der eigentliche Transportraum war ein massiver, kastenförmiger Aufbau aus Verbundpanzerplatten. Glatte Flächen, kaum Angriffsflächen. Seitlich nur schmale Wartungsklappen, alle verriegelt, alle versiegelt. 
Keine Fenster. Keine Sicht nach draußen. Nur innenliegende Sensoren und ein zentrales Lebenserhaltungssystem für den Gefangenen. Das alte Emblem der zivilen Schutzkräfte war noch schwach zu erkennen – absichtlich verblasst, fast schon Tarnung statt Kennzeichnung. Vielleicht war der Wagen in den Verkauf gegangen und diente inzwischen einer Privatperson. Oder er tat noch seinen Dienst und ein Blockwart oder Angehöriger einer Flak-Mannschaft machte damit Besorgungen. Vielleicht hatte auch irgendein Glückspilz aus einer Behörde die Erlaubnis bekommen, seinen Schreibtisch zu verlassen, um Akten zu einem Archiv zu fahren. 
Die Reifen waren breit, massiv, mit selbstabdichtender Gummimischung und Notlaufkern. Selbst ein Treffer durch Handfeuerwaffen würde sie kaum stoppen. Unter dem Rumpf verlief eine zusätzliche Panzerwanne gegen Minen, Sprengfallen und Schrapnell.
Innen war alles funktional bis zur Grausamkeit: Ein einzelner Transportkäfig, magnetisch verriegelt, mit integrierten Fesselpunkten im Boden für die Füße. Die Arme der Gefangenen waren ausgestreckt wie bei einer Gekreuzigten und mit Ketten an der Wand verankert. Ihre Sinne waren durch Knebel, Augenbinde und Kopfhörer soweit reduziert, dass man ihr nur noch das Atmen erlaubte. Die Bewacher hatten ein wenig Platz auf zwei parallelen Sitzbänken an den Innenwänden.
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