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Das wahrhaft bemerkenswerte an der logistischen Leistung, welche hinter der Zusammenkunft des Adelsrats steckte, bestand vor allem darin, dass der Bürger oder der hochwohlgeborene Gast von fernen Welten, von eben diesen Bemühungen nichts mitbekam. Nicht von den Unmengen an Gütern und Waren, die gereicht hätten eine kleinere Welt für ein Jahr oder länger in Saus und Braus leben zu lassen. Nicht von dem Mehraufwand, den die Koordination so vieler zusätzlicher, ankommender Raumschiffe bedeutete. Prachtstraßen in Gohmor, über welche die unzähligen Kontingente aus Haussoldaten und PVS marschieren würden und die gesäubert und geschmückt sein wollten. Tribünen die errichtet wurden, Suppenküchen und Spendenzentren für Bedürftige.
Denn das Zusammenkommen der Reichen, Mächtigen und Einflussvollen, war auch immer eine Zurschaustellung von Mildtätigkeit. Verkehrs- und Transportwege innerhalb der Stadt mussten angepasst, werden. Natürlich an die veränderte Verkehrsführung, aber auch mit Hinblick auf Statik und Stabilität. Militärisches Großgerät und tausende von Soldaten würden über Brücken und hängende Straßen paradieren. Nicht auszudenken, wenn eine davon unter der Belastung nachgeben würde. Spezialteams aus den Bereichen der mittleren Ebenen, die sich darauf verstanden lebensnotwendige Statik zu überprüfen, nahmen sich dieser verantwortungsvollen Aufgabe mit gebotener Akribie an.
Unterkünfte mussten bereitgestellt werden. Nicht nur für Besucher aus der eigenen Stadt oder auch nur aus den Ländern des eigenen Planeten. Mancher Gast von ferner Welt kam mit einem Gefolge aus Hunderten. Hierzu wurden schlicht neue Gebäude aus dem Boden gestampft, beziehungsweise, da Boden in einer Makropole naturgemäß ein seltenes Gut war, an existierende Bauten angehaftet. In den Bereichen unter der Regierungsebene, wie auch entlang der Paradestraße entstanden so regelrechte neue Städte über Nacht.
Medizinische Erstversorgung war ein leidliches, doch deswegen nicht weniger wichtiges und umfangreiches Thema. Wenn die Massen zu den Paraden drängten, um Stärke zu besehen oder einen Blick auf Reliquien zu erhaschen, dann waren Dehydrierung und Schwächeanfälle im tausend Personenbereich noch das Mindeste. Sporadisch auftretende Massenpaniken, Niedergetrampelte oder Hysterien waren ebenso an der Tagesordnung und bedrohten einen reibungslosen Ablauf.
Rettungskräfte waren wichtig, Ordnungskräfte waren wichtiger.
Arbites, sonst nur dann im Einsatz wenn das imperiale Machtgefüge an sich gefährdet war, würden neuralgische Punkte ebenso sichern, wie eine Unmenge von PVS-Polizei. Letztere würden Massen kontrollieren oder es zumindest versuchen, wie Vergehen jedweder Art ahnden.
Auch für Taschendiebe würden es Festtage werden. Gleichsam wurden wundertätige Gebeine in einer Anzahl unter der Hand verkauft, dass eine Legion von Heiligen auf Koron das Zeitliche hätte gesegnet haben müssen. Prostituierte allen Geschlechts und für jedwede Neigung zugänglich versammelten sich, reisten teilweise gar aus anderen Ländern an, um mit ihren Körpern und Fähigkeiten locker sitzendes Geld abzuschöpfen.
Für die Eröffnung des offiziellen Festakt des Adelsrates war die Kirche federführend. Als der große Gleichmacher im Staat, ja im Imperium, der den reichsten Kaufmann und den ärmsten Bettler gemein machte, oblag es ihr dem ganzen Unterfangen sakrale Weihen zu geben. Jede Kirchenglocke in Gohmor, von den gewaltigen, haushohen Glocken des Septinanusdoms, die von jeweils zweihundert lange ertaubten Servitoren geläutet wurden, über die zahllosen Kirchen jedweder Größe und Erscheinungsform der verschiedensten Ebenen, bis hin zu den kleinen Glöckchen in Slumschreinen und winzigen Kapellen.
Um acht Uhr Morgens am 131. Tag des Jahres 215, nach dem Krieg der Häuser, ließen sie den Lobgesang zum Himmel erschallen, auf dass man ihn auf Terra selbst noch hören möge. Nicht ohne den Eigennutz eines Kardinals Georg Prager, der in seiner, noch recht frischen Legislatur, die Früchte seiner ausgerufenen, großen Zeit des Glaubens, zu präsentieren trachtete. So erstrahlten gerade die prestigeträchtigsten Kathedralen in lange nicht gesehenem Glanz. Heerscharen von Pilgern zogen in grauem Büßergewand die Himmelstreppe hinauf. Eine steinerne Wendeltreppe, jede Stufe kaum breiter als zwei Meter, die sich Reih um Reih, von der Ebene 1, gute 10.000 Meter, bis zur Ebene 8 empor wandte. Eine entscheidende Station auf dem Weg der Abbitte, die auch abseits der jetzt stattfindenden Feierlichkeiten, über die Grenzen Korons hinaus Berühmtheit genoss. Es hieß, dass die Stufen niemals für zwei Personen die gleiche Anzahl hätten und das der Weg beschwerlicher werde, je beladener mit Sünde man sei. Dann und wann verlor mancher den Halt, auf den engen, Geländer losen, ausgetretenen und ewig im Kreis herumführenden Stiegen. Wer so dem sicheren Tod entgegen stürzte, für den hatten die Heiligen gleichwohl entschieden, dass es der Freveltaten zu viele seien. Wer allerdings bis oben kam, dem wurde sein schändliches Tun des letzten Jahres verziehen.
Predigten und Messen gab es derweil allerorten und auch Almosen wurden unter das Volk gestreut. So verging der erste Tag traditionell ganz im Zeichen des Glaubens und der Religion.
Der zweite Tag wiederum war dem Profanen, dem Bürgerlichen vorbehalten. Da wurden Jahrmärkte und die wildesten Zerstreuungen angeboten, gleichwohl aber auch Ausstellungen, die neueste Errungenschaften präsentierten. Vom Waschautomaten, über Automobile aller Art und all den anderen Tand, denn niemand brauchte und doch jeder zu besitzen wünschte. Nach diesen ersten zwei Tagen, die man bestenfalls als Prolog des ganzen beschreiben konnte, wurde eine vorsichtige, vorläufige Bilanz gezogen.
"Soweit so gut", hätte man diese übertiteln können. Es hatte keine Zwischenfälle, über dem Maß des Normalen, dem Erwarteten gegeben. "Soweit so gut." eben
Von religiöser Verzückung, wie auch von weltlichen Freuden hatte die Zehnte nichts. Es herrschte striktes Ausgangsverbot, obwohl es Urlaub geben würde. Nach den Feierlichkeiten. Bis dahin galt Formaldienst, zwischendurch Fahrzeuge und Ausrüstungen auf Hochglanz polieren, Formaldienst, dann etwas Formaldienst, Polieren und damit keine Langeweile aufkam Formaldienst.
Die Zehnte brauchte sich nicht nachsagen lassen, sie würde über weniger Disziplin verfügen, als andere Einheiten des Planeten. Im Gegenteil, wenn überhaupt hatten Horning und die Ufer des XanHo bewiesen, dass die Kompanie zu den zähesten und hartnäckigsten Kämpfern des Planeten gehörte. Gleichwohl lag es in ihrer Natur als Einheit, die im Großteil aus Fremdweltlern bestand, dass man ein gewisses Maß an Individualität tolerierte. Im Umkehrschluss hieß dies, dass der Zehnten der absolute Gleichklang fehlte, den eine Einheit vorweisen konnte, die sich Tag ein Tag aus die Zeit in der Kaserne vertreiben musste. Natürlich ließ sich hier nicht von mangelnder Fährigkeit sprechen. Es musste nur ein wenig nachgeschliffen werden.
Den Auftakt der Paraden machten am dritten Tag ohnehin die Hausarmeen der kleineren Adelshäuser. Oder besser gesagt, hier und da war auch ein Bewaffneter unter den Teilnehmern. Das Ganze glich in vielerlei Hinsicht mehr einer Karnevalsveranstaltung, ohne das man dies despektierlich auffassen musste.
Haus Icus etwa, welches sein Vermögen mit Müllverwertung wahrte und vergrößerte und einige bemerkenswerte Kontakte zu namhaften und teilweise verruchten Freihändlern haben sollte.
Die Haustruppen dieses Geschlechtes waren bestenfalls überschaubar. Sie waren daher eher schmückendes Beiwerk zu den Abgesandten und Würdenträgern, die in Richtung obere Ebene marschierten um in die Ratshalle einzuziehen. Mehr Aufsehen, als die jaulenden Luftkissenfahrzeuge, auf denen die Kämpfer der sogenannten “Krallen” hockten, erregten die exotischen Tiere, die Bestarienmeister und die eleganten Damen des Hauses an Ketten und ledernen Leinen führten. Cartaunische Stelzer, Federfüchse, Farbwechsler von den Bittergürteln, Schreitende Mollusken und unzählige Kreaturen mehr, die der geneigte Bürger ansonsten nur in kostspieligen xenologischen Gärten bestaunen konnte. Die meisten Tiere standen natürlich unter betäubenden Drogen, um sie durch das ungewohnte Spektakel und die wenig natürlichen Eindrücke nicht in Raserei oder panische Flucht verfallen zu lassen.
Das Haus Harmond war für sich genommen schon eine Menagerie. Kaum politischen oder gar wirtschaftlichen Einfluss, waren seine Mitglieder, die da aus den Schiebedächern sündhaft überteuerter Limousinen winkten, eine ganz eigene Art von Paradiesvögeln. Ihre Tummelwiesen waren die Seiten der Klatschblätter und Skandalspalten des Boulevards. Keine Woche, in der nicht ein Harmond ein Vid- Sternchen heiratete, schwängerte, schlug oder sich wieder scheiden ließ. Drogen- und Alkoholexzesse, Szenen und menschliche Trauerspiele. Das Volk liebte die adligen Clowns des Hauses, die ihnen erlaubten sich zu empören und genüsslich den Kopf zu schütteln. Haus Puree-Brézé, welches seinen Reichtum durch Lokomotiven gemacht hatte. Haus derer von Dietrich, dem man nachsagte, dass die oberste Führungsriege aus genetischen Kopien der immer gleichen Person bestand.
Adlige die auf lange, aber inzwischen nur noch von Historikern beachtete, Geschichten zurückblicken konnten.
Händler von Reliquien, wohl in organisierte Kriminalität verwickelt, die zu legalisieren gerade ihr größtes Bemühen war.
Still immer reicher werdende, laut immer ärmer werdende. Die die ihre Bedeutsamkeit schon hinter sich hatten und jene, denen man sie noch voraussagte.
Ihnen allen gehörte der Vormittag des dritten Tages und auch sie waren nur die Herolde des Kommenden.
Bruder Renold lenkte den gelb lackierten LKW im Schritttempo durch die dicht gedrängte Menge aus Schaulustigen. Die dann und wann zu ihm herauf fliegenden Schimpfwörter und obszönen Gesten lächelte er weg. Sie waren ja nur Kinder und wussten es nicht besser. Der Unflat und die Dunkelheit in der sie aufwuchsen machten sie niederträchtig. Aber in ihrer Seele waren sie gute Geschöpfe und verdienten es errettet zu werden.
Langsam aber stetig kamen sie voran. Ihr Ziel war eine Seitengasse zwischen grauen Wohnhabitaten. Diese lag unweit einer Hochstraße, die für den regulären Verkehr gesperrt war, da man von hier einen herrlichen Blick auf die Prachtstraße hatte und sie den Zuschauern jetzt als überdimensionale Tribüne diente. Absperrgitter und gespannte Stahlnetze verhinderten, dass Betrunkene oder Unruhestifter Gegenstände auf die unten vorbeiziehende Prozession warfen.
Ihre eigene Aufgabe lag nicht im Begaffen blinkender Bajonette oder dem Putz jener, die ihr leeres Leben mit dem Anhäufen von Reichtümern zu füllen versuchten.
Ihre Mission bestand in der Errettung.
Macht doch Platz Freunde. Rief Schwester Evolet aus dem Seitenfenster und machte mit dem rechten Arm weit ausladende Bewegungen, als wolle sie eine Schar Gänse auseinanderscheuchen. Sie lehnte sich nach einigen Minuten lächelnd in den Sitz des umfunktionierten, Militärtlastwagens zurück und sah Schulterzuckend zu Renold herüber. Zwecklos sage ich dir.
Es wird auch so gehen. Schau, dahinten ist doch eine gute Stelle. Sie schlichen auf die angepeilte Position zu und obwohl es nicht einmal fünfzig Meter waren, brauchten sie eine gefühlte Ewigkeit, bis sie an der Position waren. Die Menschen standen so dicht gedrängt, dass man Gefahr lief, dass jemand unter die Räder kam, selbst bei dem Schneckentempo.
Väter mit ihren Kindern auf den Schultern, alte Leute in Rollstühlen, Familien, Arbeiter, die Fabriksmonturen noch an. Aber endlich schafften sie es und und mit einem Seufzer der Erleichterung stellte Renold den Motor ab. Das hätten wir. Evolet stieß ihm in die Seite und entblößte ihre makellosen Zähne in ihrem so einnehmenden Lächeln. Vonwegen, dass hätten wir, mein Lieber. Jetzt geht es erst richtig los. Hopp Hopp! Sie stiegen aus und machten sich daran die Plane hochzuschlagen. Auf der Ladefläche standen Fässer und große Kessel. Alles war vorbereitet. Ich möchte in spätestens zwanzig Minuten beginnen. verkündete Evolet mit bestimmenden Ton.
Und so sollte es sein. zwanzig Minuten später zischten blaue Gasflammen und wurden große Fässer geöffnet. Evolet griff unter eine Ablage und holte zwei blank polierte, langstielige Objekte hervor. Eines davon drückte sie Bruder Renold in die Hand, mit dem anderen bewaffnete sie sich selbst. Dann holte sie Luft und rief.
Suppe… ihr Leute Suppe. Holt euch eure Suppe hier, heiß, nahrhaft und vollkommen kostenfrei. Die Kirche der göttlichen Transformation lässt niemanden hungern an solch einem freudigen Tag. Herbei ihr Leute, herbei.
Das ließen sich die Umstehenden nicht zweimal sagen. Schon hatte sich eine Schlange gebildet. Die beiden tauchten ihre langstieligen Kellen in die Kessel mit heiß blubbernder Suppe und schenken wohlgemut aus.
Der Nachmittag des dritten Tages gehörte den koronischen Nationen.
Seit vielen Jahren schwelte der Streit zwischen den Ländern des Planeten und den Adelshäusern, wenn es um die Wertigkeit des Stimmrechtes im Adelsrat ging. Ganzen Nationen wurden hier nur eine, beziehungsweise wenige Stimmen zugestanden, wären jedes Adelshaus mindestens eine, oft mehr Stimmen hatte.
Da sich der koronische Hochadel ganz klar in Gohmor formierte, fielen Entscheidungen für gewöhnlich zu Gunsten eben dieses Adels und damit der Hauptstadt aus. Zum nicht geringen Missfallen der Nationen. Dies hatte nicht zuletzt zur Gründen des Bundes der Truzt- Staaten geführt, die als direkte Opposition zur Zentralregierung angesehen wurde.
All dies bedeutete jedoch nicht, dass es sich die Länder nehmen ließen, mit großer Pracht und klingendem Spiel in die Ratshalle einzuziehen. Hierfür durften sie keine Formationen der PVS verwenden, da diese einzig und allein bei der großen Parade am fünften Tag marschieren würden, mit all ihren regionalen Besonderheiten und Eigentümlichkeit.
Wohl aber konnten Ehrengarden und außerordentliche Truppenverbände ihre Nation repräsentieren.
Unter den Zuschauern am beliebtesten waren zweifelsohne die festen Söldner der Nation Brunsberg. Tatsächlich verließ sich dieses Land fast ausschließlich auf Mietklingen, wenn es darum ging die eigenen Interessen zu schützen. Natürlich waren über die Generationen aus kurzfristigen Verträgen langwährende Vereinbarungen geworden und mancher formelle Söldner war bereits in dritter, vierter oder fünfter Generation im Dienst des Landes.
Die militärischen Rollen, die dabei von den Söldnern übernommen wurden, waren gleichsam vielfältig, wie sie in vielen Teilen unspektakulär waren. Die hier Marschierenden waren jedoch alles andere als unspektakulär.
Die Erste Garde, wie die Ehrenformation des Landes hieß, war bei den Bürgern nur als die bunten Hähne bekannt. Denn ihre weiten und voluminösen Uniformen, wie auch die exotischen Waffen, waren in allen möglichen und unmöglichen Farben gehalten. Ausladender Kopfschmuck, auf Helmen in Gold und Silber. Barocke, geschnörkelte Formen, die an Muscheln und Mollusken erinnerten. Die Seidenbanner waren ebenso Farbenfroh und mit fabelhaften Tierdarstellungen geschmückt. Wer sich aber zu dem Glauben verstieg, hier Harlequine vor sich zu haben, der irrte gewaltig. Die erste Garde bestand aus Veteranen und abgefeimten Kämpfern. Teile der Einheit waren permanent in den Weiten des imperialen Raumes und darüber hinaus im Einsatz, um ihre Fähigkeiten zu schärfen, neue Mitglieder zu werden, unsagbare Waffen zu erbeuten und den Ruf zu rechtfertigen.
So ließ es sich kein Land nehmen, die Besten der Besten zu präsentieren.
Die Sprungpack Sturmkommandos aus Kaptal, mit ihren stromlinienförmigen Helmen. Dereinst geschaffen um Luftschiffe zu entern, inzwischen eine Elitetruppe, die jedweden Höhenvorteil eines Gegners negierte.
Die weinenden Witwen von Tu Pekok, über die Veteranen des Horningkrieges sagten, man sei froh dass sie dort nie zum Einsatz gekommen waren.
Die hinterbliebenen Frauen, im Kampf getöteter, männlicher Soldaten, die ihren Schmerz im Blut feindlicher Kämpfer zu ertränken suchten. Das streng patriarchalische System Tu Pekoks gestattete Frauen keine kämpfende Rolle in den Streitkräften einzunehmen. Die Witwen waren hier die große und hoch geehrte Ausnahme. Natürlich hatten sich in der Zeit, seit welcher die Einheit existierte, einige Sitten verritualisiert.
Das schaurige Klagen und Heulen der Frauen war lange nicht mehr bei allen auf den Schmerz des Verlustes zurückzuführen. Nichtsdestotrotz konnte es den Mut eines Gegners versiegen lassen wie einen Brunnen im öden Land. Wusste man doch, so man das gespenstische Jaulen im Kampf vernahm, dass man Frauen gegenüberstand, die weder eigene Verwundung, hohe Verluste oder die vernachlässigbare Frage nach Sieg oder Niederlage kümmerte. Nur der Drang in den Nahkampf zu kommen, wo sie mit Kettenschwertern, Flammenpistolen und unnachgiebigen Zorn wüteten.
Bis auf Gohmor selbst marschierten die Kriegerinnen und Krieger von 28 Nationen hier.
Die Spezialkommandos der Föderalen Union.
Die Kampfschwimmer Torigrems, die Kriegerclans aus Casscadins und all die anderen Ersten unter den Ländern Korons.
Es ging für sie über die große Promenade, die Brücke der Hunderttausend, welche einen Transitcanyon überspannte, auf den Platz der ewig Aufrechten. Natürlich würden hier nicht alle Soldaten permanent ausharren müssen. Doch bis zum Ende der großen Parade, welche den offiziellen Start der Versammlung einleiten würde, verblieben kleine Abteilungen der verschiedensten Einheiten in wechselnder Besetzung als Ehrenwache.
In der großen Ratshalle begann derweil der Part, der nicht nur mit Zurschaustellung zutun hatte. Freilich war die Fassade und die Schau auch hier nicht vollkommen wegzudenken.
Die kleineren Häuser durften in die große Halle einziehen und ihre Sitze belegen. Natürlich wäre kein edler Herr und keine edle Dame auf den Gedanken gekommen, hier noch zwei oder drei Tage auszuharren, bis alle Teilnehmer ihre Plätze bezogen hatten. Die Sitte verlangte es, dass man sich auf seine Plätze begab, dort eine Zeit verweilte und dann ein Fürsitzer den Platz übernahm. Diese Lakaien würden den Sitz inne haben, bis dessen eigentlicher Besitzer zurückkehrte.
Die hohen Herrschaften ihrerseits frequentierten die, für den Abend angesetzten Empfänge, Partys und Soiréen.
Dem voran stand allerdings das Protokoll des Rates. Nachdem die kleineren Häuser eingezogen waren, verlangte dieses, dass sie ihre Sitze wählten. Nun war allgemein bekannt, wo im Rund des Ratssaales sich die großen Häuser zu positionieren pflegten. Es war Sitte diese Bereiche auszusparen, sich aber dort in der Nähe niederzulassen, wo man die eigene Verpflichtung und politische Ansicht sah. Dies kam bereits einem komplizierten Tanz gleich, bei dem es genau abzuwägen galt, ob man nun zwei Sitze vom rechnungsführenden Assistenten der orsianischen Finanzaufsicht für ausgelagerte Verwaltungsangelegenheiten saß oder drei.
Die Halle selbst war ein Kuppelbau, dem Worte wie gewaltig oder beeindruckend nicht einmal annähernd gerecht wurden. Das Gebäude ragte an der Seite der Ebene über den Rand der Stadt hinaus und in den Pausen konnte man auf den äußeren Galerien tatsächlich Meeresluft und Seewind atmen. Vorausgesetzt das kleine Deflektorschild war nicht aktiviert, was bei dieser Zusammenkunft aber ganz klar der Fall sein würde.
Nicht auszudenken, wenn die Eliten und Führer einer ganzen Welt zusammenkamen und nicht den besten nur möglichen Schutz genießen würden.
Der Generatorendom des Schildes lag tief im Fundament der Halle, von Techpriestern gewartet und von zwei Kompanien bewacht. Über dieser defensiven Kuppel würden Fliegerstaffeln die Luft und Kriegsschiffe das Wasser vor bösen Absichten schützen.
In der Halle selbst fanden viertausend Delegierte, Abgesandte und Minister mit Stimmrecht Platz. Dazu kamen engste Berater und wie auch immer geartete Begleiter. Auf der inneren Galerie gab es Logen für Gäste und darunter Ränge für weniger bedeutende Zuschauer und Ehrenabteilungen. Alles in allem fasste die Ratshalle zweihunderttausend Menschen, ohne dass der Eindruck erweckt wurde, es wäre überfüllt. Das ganze war, einem Amphitheater gleich, rund angeordnet. Es galt, je tiefer jemand saß, umso wichtiger war seine Person. Die allseits bekannte Redewendung, “jemand sitzt zwar tief, aber kann weit gucken”, um eine mächtige oder einflussreiche Person zu beschreiben, hatte darin ihren Ursprung. Einzige Ausnahme war die “Felsnadel”. Dabei handelte es sich um eine steile Empore, die in der Tat an eine Felsennadel erinnerte und hundert Meter in die Höhe ragte. Es sprach Bände über die Ausmaße der Halle, dass sich diese hundert Meter fast im weiten Raum verloren ausnahmen. Um diese Nadel herum, auf asymmetrisch angeordneten Balkonen, würden die Kabinettsmitglieder sitzen. Verwaltung und ausführende Organe der gohmorischen Zentralregierung.
Auf ihrer Spitze befand sich die Gouverneursloge, für das Herrscherpaar und ihren engsten Stab.
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Abgesehen vom heiß herbeigehofften Marsch der PVS, mit all der Wucht und schieren Masse der koronischen Macht, rangierte nur das Ankommen der Gäste auf einer ähnlich hoch angesiedelten Platzierung in der Gunst der Zuschauer.
Diese maßgebliche Zeremonie des vierten Tages bestach durch die Ankunft in diversen Landefahrzeugen, welche die Delegationen aus fremden Welten aus dem Orbit brachten. Einige wenige hatten das Privileg dies mit eigenen Augen zu sehen, etwa an den Beobachtungsplattformen, welche an der Außenseite des Stadtgebirges lagen. Für den Rest der ungezählten Hunderttausenden, mussten die Übertragungen auf den gewaltigen Vid-Schirmen genügen, die wenigsten eine Ahnung der ankommenden Schiffe vermittelten.
Obsidian war ein enger und langjähriger Handelspartner Korons. Ein Name, den man aus der Zeitung kannte und dessen Produktionskennung man auf dem einen oder anderen Produkt durchaus finden konnte.
Darüber hinaus waren greifbare oder vielmehr sichtbare Vertreter dieser Welt nichts, was der Bürger alle Tage zu sehen bekam. Um so größer war das Interesse, Bewohner dieses exotischen Ortes beschauen zu können. Man wusste, dass für die Obsidians mit dem Material, nach welchem sie sich benannten, ein präsenter und geradezu obsessiver Teil ihrer Kultur zusammenhing. Nicht verwunderlich, wenn man bedachte, dass sie durch ihre Nähe zur Malgosasonne deren harter Strahlung voll ausgesetzt waren. Allein das natürliche Material des Planeten umspannenden Pechgebirges, eben der alles bestimmende Obsidian, vermochte dieser Einstrahlung zu trotzen. Die amorphe Struktur dieses Vulkangesteins war in der Lage die Energie der Sonne zu brechen, abzuschwächen und gar zu negieren.
Ein Umstand der den ersten Siedlern das Leben rettete. Nachdem sie sich wie Würmer in die Berge gewühlt und die Sonne zu hassen gelernt hatten, errichteten sie ihre Städte und verkleideten sie mit dem schützenden Gestein. Nicht nur hatte man sich so auf der lebensfeindlichen Welt etablieren können, sondern es war sogar gelungen das Wundermaterial zu manipulieren und zu verbessern.
Während die schwarzen Städte in den glühenden Himmel wuchsen, gelang es bald schon den Obsidian so zu verändern, dass eine stärkere strukturelle Integrität erhielt und gespeicherte Energie sogar abgeben konnte. Ein semi- natürlicher Solarspeicher, wenn man so wollte. Die schwarzen Städte waren auf diese weiße nicht nur geschützt, sondern florierten auch durch die relative Energieunabhängigkeit. Der Prozess der Gesteinsanpassung war inzwischen in Details der Vergessenheit anheimgefallen und funktionierte mehr überliefert als verstanden.
Auch war das Prozedere nicht effizient genug, um es über die Grenzen des Planeten, auf welchem das nutzbare Gestein in großen Mengen als Ausgangsmaterial vorhanden war, zu exportieren.
Für den Planeten selbst war es jedoch die Basis der Blüte. Einzig die Nahrungsproduktion stellte eine ständige Achillesferse Obsidians dar. Zwar gab es Gewächshäuser im Ausmaß von Ländern, dennoch war der Planet stets und ständig auf den Import von Nahrung angewiesen.
Koron war hier ein zuverlässiger Partner, besonders maritimer Nahrungsmittel. Aus stabilen Handlungsbeziehung war Partnerschaft und Bündnistreue geworden. Die koronische und die obspsidianische Subsektorflotte konnte faktisch mehr als Einheit, denn als geteilte Formationen gedacht werden. Darüber hinaus war Obsidian ein Lieferant erlesenster Luxusgüter. Nebelseide und Pulssteine waren dabei wohl noch die bekanntesten Artikel.
Der kornische Adel hatte vor dem großen Krieg einen ganzen Modezweig entstehen lassen. Haus Schell war allein durch den hundertjährigen Handel mit diesen beiden Erzeugnissen zu dem kleinen, aber unsagbar reichem Haus aufgestiegen, welches es heute war.
Im Eingedenk der engen Verbundenheit beider Welten führte niemand geringes als Majordoma Ninky le Ninky Delegation an. Die jüngste Tochter der Generalgouverneurin von Obsidian, Gauss Ninky le Ninky un Wekk. Die Wertschätzung in dieser Geste konnte gar nicht hoch genug bewertet werden. Wie es Sitte war, war Ninky le Ninky allein gekommen. Sie hatte keine Berater oder Minister bei sich. Die Zwölfjährige konnte über alle Belange zwischen Koron und Obsidian entscheiden. Kognitivstimulanzien, seit der Geburt verabreicht und allein dem Herrschergeschlecht des Planeten zugänglich, verliehen ihr ein logisches Denken und rationales Verstehen, welches einer Vielzahl studierter Ökonomen und Strategen entsprach. Ninky le Ninky blieb den neugierigen Blicken der Zuschauenden weitgehend verborgen. Ihre selbst laufende Sänfte war ringsherum mit grauer Nebelseide verschleiert, die sich träge bewegte, als schwebe der Stoff Unterwasser. Selbst das künstliche Licht der Makropole war zu viel für die empfindlichen Augen der Majordoma und lediglich eine schlanke Hand, so weiß wie Milch, bis auf die geschwärzten Fingerspitzen, winkte aus dem Gefährt.
Eine Abordnung aus Schranzen mochte man ihr nicht mitgegeben haben, wohl aber eine Idee dessen, was Obsidian an militärischer Stärke vorzuweisen hatte. Die eigene Heimat zu schützen und allen zu drohen, die begehrlich auf die schwarze Welt schauen mochten.
Die Einheit selbst hatte den wenig klingenden Namen “Sondergeleitformation Eins”. Doch was machte schon ein unprätentiöser Name, wenn man einen Blick auf die Kämpfer werfen konnte, die hinter ihrer Herrin marschierten.
Nun, eigentlich war es weder korrekt hier von Marschieren zu sprechen, noch davon einen langen Blick zu riskieren. Denn Letzteres konnte durchaus zu Kopfschmerz, Übelkeit, Schwindel oder Erbrechen führen. Kinder und zarte Gemüter waren vor dem Schaulauf durch Flugblätter darauf aufmerksam gemacht wurden, den Anblick mit Vorsicht zu genießen.
Die Sondergeleitformation Eins bestand aus Männern und Frauen, die in Schwarzglasrüstungen gehüllt waren. Hätten sie stillgestanden, so hätte man, von Kopf bis Fuß in schwarzes Obsidian gehüllte Gestalten an ihren Umrissen erkennen mögen. Die Rüstungen wirkten asymmetrisch, fast wie natürlich gewachsene Kristalle, die nur zufällig die Form von Menschen angenommen hatten. Flache Flächen und scharfe Kanten. Dass allein war schon ungewöhnlich und unbehaglich. Der Umstand aber, dass die Farbe dieses Materials ein derart dichtes und massives Schwarz war, dass es Licht regelrecht zu absorbieren schien und die Augen in den Bestreben überforderte, etwas in dieser absoluten Abwesenheit von Farbe und erkennbarer Tiefe zu erkennen, machte ein reines Betrachten zu einem desorientierenden Gefühl. Hinzu kam, sozusagen als Todesstoß, die Art wie sich die Formation bewegte. Andere militärische Einheiten bildeten sich etwas auf den perfekten Gleichklang von Schritten und schwingenden Armen, von gerecktem Kinn und geradem Rücken ein. Die Gerüsteten der Geleitformation bewegten sich buchstäblich völlig contraire dazu. Jeder Mann und jede Frau schien ihrer ganz eigenen Marschierbewegung zu folgen, die angestrengt genau anders zu sein versuchte, als die Bewegung der umgebenden Kameraden. Das darin System steckte verriet allein schon der Umstand, dass sie nicht übereinander fielen und stolperten. Die wogende und ungleichmäßige Bewegung aus sich senkenden und hebenden Kanten und Flächen, die aus puren Schwarz bestanden, einem wimmelnden Haufen sich bewegenden Nichts, wie es schien, konnte jedes, anderes gewohntes Auge bezwingen.
Vor dem Hintergrund dieses sagenhaften, optischen Effektes, fielen die Erklärungen jener die es wussten schon fast gar nicht mehr ins Gewicht. Das die Schwarzglasrüstungen einen moderaten kinetischen Schutz boten und Laserstrahlen komplett absorbieren sollten.
Als langjährige, starke Partner Korons, wurde es den Obsidians gestattet den Ehrenmarsch der Gäste anzuführen.
Ihnen folgten in einigem Abstand, die Vertreter des Axis- Systems. Mit diesem System bestand erst seit, beziehungsweise nach, dem Krieg der Häuser eine engere Partnerschaft. Auch wenn des in galaktischer Näher zum Trojan Sektor lag, war die Entfernung doch so beträchtlich, dass sie einen oder mehrere Waprsprünge bedurfte.
Ein nicht zu unterschätzender Faktor, denn es gab nicht wenige, konventionelle Handelsorganisation, die sich auf nicht- warp Raumfahrt verlegt hatten und für die Axis damit wegfiel.
Nichtsdestotrotz wurde in Diplomatenkreisen schon seit einiger Zeit von einer möglichen Allianz gemunkelt. Ein Bündnis aus Koron, Obsidian und Axis würde einen starken wirtschaftlichen und militärischen Block schaffen. Die Gäste von diesen wichtigen, außerplanetaren Interessenvertretern waren also keineswegs nur aus Anstandsgründen hier. Gut möglich, dass am Ende des Adelsrat eine neue, mächtige Allianz stand.
Die Anliegen der Codes Axis vertrat Militarum-Kanzler Chlodwig Grätz zu Hohenlohe. Ein Mann wie ein Stilett. Hart, schlank und geschärft, zackig in jeder Bewegung. Vom haarlosen Schädel, eingerahmt vom schwarzen Stehkragen seiner gleichsam schwarzen Uniform, über und den lotrechten Rücken, bis zu den dürren Füßen in hochglänzenden, schwarzen Schaftstiefeln. Die Habichtnase dominierte das emotionslose Gesicht, schmal und unnachgiebig wie der ganze Mensch.
Eineinhalb Schritte hinter ihm der oberste Kanzler der Handelskommandantur, Ernst August auf Ehrenfeld-Düppel. Handel mochte in der Tätigkeitsbeschreibung dieses Kanzlers zu finden sein, doch ging hier kein feister Pfeffersack, sondern ein Mann, der in den Reihen der hier bereits langmarschierten Veteranen kaum aufgefallen war. Das Gesicht war auf unterschiedlichste Art vernarbt und scheinbar gar verätzt wurden. Der makellos gestutzte Bart und das militärisch kurz geschorene Haar suchten nicht diese, in Fleisch geschriebenen Abzeichen zu kaschieren, sondern hoben sie mit einem grimmigen Stolz hervor. Die Uniform des Kanzlers war ebenso nüchtern dunkel wie die des Militarums- Kanzlers. Lediglich einige goldene Tressen und rote Applikationen kündeten davon, dass Handel auch etwas mit zu erwerbendem Wohlstand zutun haben mochte.
Die Schattenkaste der Technomanten war hier nicht sichtbar vertreten. Das hieß allerdings keinesfalls, dass sie nicht auf Koron war. So eigenbrötlerisch und zersplittert sie intern auch sein mochten, auf der Bühne des Imperiums trat der Mechanicus geschlossen auf. Außenstehenden wurde kein Einblick gewährt.
Der Adeptus beteiligte sich nicht an Paraden und Schauläufen, um von Bauern begafft zu werden. Gemeinsam mit Vertretern der auf Koron anwesenden Maschinenprister würde der Magister der Technomanten von Axis beim Rat zugegen sein.
Das einfache Volk würde das Privileg ihn zu sehen jedoch nicht erhalten. Die militärische Abordnung die es zu sehen bekam tröstete über diesen Umstand jedoch geflissentlich hinweg. Hinter den beiden Kanzlern und noch vor den Soldaten, kam ein recht überschaubarer Stab an Beratern und Funktionären.
Sie alle bestachen eher durch Schlichtheit, als durch auffällige Extravaganzen. Symbolisch, wie auch praktisch wurden sie von einem Karree aus Schwestern der ewigen Gnade geschützt. Wer sich mit den kulturellen Strukturen des Axis- Systems auskannte, mochte darin ein Sinnbild sehen. Schützend, aber auch mit wachem Auge nach innen, umgab der Codex Animae den Codex Axis.
Die Schwestern konnte man in die Nähe des Adeptus Sororitas rücken, auch wenn man Bolter und Servorüstung vergebens suchte. Dennoch lagen über den einfarbigen Ordenstrachten Harnische und umfassten die bußfertigen Hände, von denen Sieche und Verwundete voll Bewunderung, ob ihrer Milde und heilenden Wirkung sprachen, wuchtige Sturmgewehre. Diese kleine Gruppe aus frommen und wehrhaften Frauen waren direkt der Magistra untergeordnet, welche hier in ihrer Funktion als Beichtmutter mit angereist war.
Eine Beichtmutter wohlgemerkt, die Streitkolben und Maschinenpistolenpaar mit sich führte.
Abschließend folgte die soldatische Abordnung aus zweihundert handverlesenen Kämpfern. Fünfzig verdiente Helden des Paladin Sturmregimenten “Baron von Todenstein-Holle”.
Alles Überlebende von Situationen, die an sich nicht zu überleben gewesen wären. Schwarze Mäntel, Schädelmasken und viele, viele Prothesen aller Art kündeten von diesem Ursprung. An Militärakademien wurde dieses Regiment exemplarisch genannt, wenn Studenten die repetitive Nennung des Todeskorps von Krieg umgehen wollten. Der unbedingte Siegeswille und die rückhaltlose Opferbereitschaft waren Synonyme für diese Einheit. Ihnen folgten fünfzig “eiserne Kerls”. Schwere Belagerungssoldaten, welche in autonomen Angriffsrüstungen stecken, die eine Mischung aus qualmendem Kraftwerk, Abrissbagger, Ritterrüstung und Servolader zu sein schienen. Hatte ein Feind etwas befestigt, so oblag es ihnen diesen Zustand zu beenden. Die jeweils rechten Arme dieser stampfenden, dröhnenden und stinkenden Zentauren aus Mensch und Maschine, mündeten in Klauen, Sägen und Bohrern. Während die Linken in Flammenwerfern ausliefen.
Den Abschluss bildeten hundert Kämpfer der Eltroschwadron "Fulgur". Schwarze Gummianzüge, mit verspiegelten Scheiben dort, wo ein Gesicht hätte sein müssen. Die plump anmutenden Anzüge verliehen ihnen etwas undefinierbares Unmenschliches. Weniger greifbar als noch bei bei den Schwarzglasrüstungen der Obsidians, aber dennoch nicht zu leugnen. Hinzu kamen ihre ungewöhnlichen Waffen, die mit der Bezeichnung "Blitzwerfer" alles sagten, was es zu sagen gab. Die Energiequellen trugen sie auf dem Rücken. Von diesen Miniaturgeneratoren führten isolierte Kabel in die Enden der silbernen Stöcke, deren Spitzen von drei Ringen umschlossen waren. Viele Zuschauer schworen nach dem Vorbeimarsch, dass sie die Energie in der Luft gespürt und das Knistern der Ladungen gehört hätten. Natürlich marschierte keine Formation mit einsatzbereiten Waffen ins Herz der Hauptstadt.
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Guy war ein Glückskind. Schon immer gewesen.
Auch jetzt, wo draußen der hohe Wellengang gegen die Scheiben klatschte. Hier drinnen bemerkte man die raue See gar nicht.
Die Yacht hatte eine Ausgleichsmechanik, welche einen vor den schlimmsten Auswirkungen der Seekrankheit bewahren konnte. Nur ein leichtes Schaukeln war zu bemerken.
Angenehm, wie eine Wiege.
Außerdem bei einigen Aktivitäten mehr als förderlich, wie Guy in sich hinein grinsend feststellte. Aktivitäten, die er in den letzten zwei Tagen ausgiebig genossen hatte.
Anessta und Ophelia waren in dieser Beziehung sehr kundig. Davon abgesehen waren sie ziemlich hohl. Erfüllten das Vorurteil von körperlichen Vorzügen und geistiger Überschaubarkeit.
Aber damit konnte er leben. Sehr gut sogar.
Gerade jetzt waren sie mit einer weiteren Runde fertig und gönnten sich eine Pause.
Die Kabine war opulent ausgestattet. Von der Edelholztäfelung mit ihren goldenen Applikationen, über erlesene Stoffe und geschmackvoll antike Möbel, bis hin zur ausgeklügelten Technik.
Auf drei Bildschirmen, die jederzeit dezent in der Wand versenkt werden konnten, waren Übertragungen aus Gohmor zu sehen. Die Parade von den Rängen der Zuschauer, wie auch aus der Vogelperspektive. Auf dem dritten Schirm waren die stumm redenden Köpfe zweier Moderatoren zu sehen, die die Parade kommentiert hätten, wären sie nicht ihres Geplappers beraubt wurden.
All dieser Luxus verblasste jedoch, im Verhältnis zur gebotenen Aussicht. Das Dach, wie auch die Flanken der Kabine waren verglast und erlaubten den Blick auf die stürmisch graue See, wie auf die emporwachsende Makropole.
Rostig, angelaufen und dreuend und mit jedem ansteigenden Kilometer, beleuchteter, prächtiger und verschnörkelter. Die Yacht, die Raum- und Luftschiffe an den Docks hoch über ihnen, selbst die Giga-Frachter vor dem Hafen, alles nahm sich lächerlich und unbedeutend aus.
Die Yacht… ja.
Guys grinsen wurden noch breiter.
Seine Yacht.
Jedenfalls für den Rest der Woche.
Eigentlich lief sich auf den Namen des truzter Großindustriellen Herman Herrenhausen. Der würde sie in Vierzehntagen nach einer Generalüberholung wieder in Besitz nehmen. Bis dahin vergnügte sich Guy noch volle drei Tage mit den beiden schönen Simpelchen.
Er war eigentlich nichts, sah man von seinem Beruf als Glückskind ab. Er hatte Glück gehabt, als er Drusella geheiratet hatte. Nicht mir ihr, denn sie war spröde und frigide. Wohl aber mit seinem Schwiegervater, der ein angesehene Werft betrieb und zu sehr mit der Rettung von alteehrwürdigen Booten und Schiffen beschäftigt war, um zu merken, dass sein lieber Schwiegersohn rigoros in die eigene Tasche wirtschaftete.
Jetzt war der alte tot. Vom Schlag getroffen, während er in Truzt weilte. Das trauernde Töchterchen war ihm nachgereist um die Überführung des Leichnams zu veranlassen und zu beaufsichtigen.
Guy wiederum sah dies als Lächeln seiner Glücksfee, noch einmal eine Woche einen drauf zu machen und dann mit dem “Gesparten” neue Gefilde anzusteuern.
Wo Drusella einmal in der Stimmung für Schicksalsschläge war, konnte sie diesen gewiss gleich mit verdauen. Die Familienpackung sozusagen. Das würde sie schon überstehen und schließlich war sie ja als Erbin und Sitzengelassene bald eine gute Partie.
Vielleicht fand sie einen Mann, der genauso blutleer und humorlos war wie sie selbst.
Guy gönnte es ihr.
Er war schließlich kein Schuft. Er würde sogar den Kahn zurückbringen. Ohne einen Kratzer im Lack. Nur mit ein paar Flecken auf den Laken. Die Handvoll Schekel, die er sich für ein weiteres, neues Leben zur Seite gelegt hatte würde sie in zwei oder drei Jahren locker wieder drin haben.
Was sind das für welche? Fragte Anessta und deutete mit ihrem brennenden LHO auf den größten der drei Monitore, wo gerade eine Reihe sonderbar schwarz gerüsteter Soldaten vorbei konvultierte.
Das sind Obsidianer Baby.
Die sehen voll behindert aus oder so. Wie die zappeln. Ich muss gleich kotzen
Guy roppte von hinten an das Mädchen heran und küsste ihr nacktes Hinterteil.
Die sind behindert.
Und die da? Er blickte beiläufig auf die Übertragung.
Axis irgendwas. Irgend eine Kugel auf der sie Uran schaufeln und hoffen mit Koron ins Bett steigen zu können.
Anessta kicherte, halb wegen der Bemerkung, halb wegen dem, was er mit ihrer Kehrseite anstellte.
Wenn du nicht hältst was du versprichst, ließ sich jetzt Ophelia hören, die nackt vor der spektakulären Kulisse der aufgewühlten See selber überaus spektakulär aussah. Reiß ich dir die Eier ab. Das war nun wiederum weniger Theater reif. Sie schüttet ihren Champagner herunter und schenkte sich nach. Wenn ich meinen Mädels erzähle, dass ich die Paraden nur auf dem Vid gesehen habe, darf ich mich nie wieder im Club blicken lassen.
Schätzchen, beschwichtigte Guy sie und genoss ihren Anblick. Ich halte immer meine Versprechen. Mit dem was ich euch morgen zeige, werdet ihr die Königinnen eures bescheuerten Clubs.
Die Sache war einfach. Im Heck der Yacht befand sich ein Schweber-Gleiter. Platz genug für vier Personen. In den würde er die beiden Schlampen stecken und mit ihnen an der Makropole emporfliegen.
Das war natürlich verboten. So schon und während des Rates besonders. Aber Guy hatte sich belesen. Sie bewegten sich außerhalb des oberen Deflektorschildes, aber nah genug an der Stadt, um nicht als von außen geltende Gefahr eingestuft zu werden.
Höchstwahrscheinlich würde man sie gar nicht bemerken und wenn doch, dann würde es ein Bußgeld geben. Zu senden an den Eigner des Fahrzeuges.
Dankeschön, auf wiedersehen.
Im Gegenzug gab es einen echten ungefilterten Blick durch die gewaltigen Fenster der Ratshalle auf den Gouverneur und all die feinen Damen und Herren. Danach würden ihm die beiden ganz bestimmt besonders intensiv danken.
Die Fliegerei war kein größeres Problem. Wie auch das Schiff wurde der Gleiter hauptsächlich über die Servitoren auf der Brücke und unter Deck gesteuert.
Das will ich hoffen mein Lieber.
Guy breitete einladend die Arme aus.
Vertrau mir Baby!
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Die Tag-Nachtbeleuchtung war entlang der Paradestrecke aufrecht erhalten wurden, auch wenn es eigentlich keine Nacht gab. Feierende und jene, die ihren Platz mit guter Aussicht nicht einbüßen wollten, sorgten dafür, dass es so etwas wie Ruhe in den Nacht-, und Abendstunden nicht gab.
Als nun der lang ersehnte, fünfte Tag anbrach, wurde die Tageslichtbeleuchtung sogar noch heller gestellt. Man schuf quasi ein künstliches Kaiserwetter. Die Schatten wurden schärfer. Reinigungskolonnen paradierten auf ihre Art am frühen morgen. Sie schruppten und säuberten die breiten Straßen in so vielen Waschgängen und mit so absonderlich anmutenden, schäumenden, spritzenden und rotierenden Maschinen und Fahrzeugen, dass es nicht nur ein ganz eigener Hingucker wurde, sondern dass man danach auch bedenkenlos vom verstärkten Wabenasphalt der Straße hätte essen können. Als die Combo vorbeigezogen war, dampfte der Belag verheißungsvoll in der genau abgestimmten Temperierung des Gebiets um die Prachtstraße.
Die Eröffnung erfolgte durch einen Knaben und ein junges Mädchen, die in weißen Bußgewändern auf die Straße traten. Vor ihren Gesichtern lagen schwarze Masken, die im starken Kontrast zu den hellen Kleidern lagen. Von den Masken wiederum führten Schläuche unter den Achseln der Kinder hindurch und hinter sie. Dort gingen vierzig Servitoren, jeweils 20 mit dem vor ihnen laufendem Kind mittels der sich teilenden Schläuche verbunden. Jede dieser Menschmaschinen hatte irgendwo zentral am Körper einen Verstärker eingebaut. Bei einigen nahmen die vergitterten Ausgabegeräte einen Großteil des einstigen Gesichtes ein oder sie zeigten sich auf der Brust oder im Bauchbereich. Sie sorgten dafür, dass noch der am weitesten hinten stehende Gast die ersten, glockenhellen Worte von “Hossiana Koronis” vernehmen konnte, welches der Junge nun erklingen ließ. In seinen engelgleichen Gesang stimmte das Mädchen ein und gemeinsam ließen sie den Lob auf die ruhmreiche Welt und die Tapferkeit ihrer Männer und Frauen vernehmen. Bedächtig schritten sie die Straße hinab, gefolgt von einer berobten Abteilung kirchlicher Würdenträger. Schon der erste Tag hatte der Kirche gehört, doch sie ließ es sich nicht nehmen auch hier ihr Siegel unter die Legitimität der Stärke Korons zu setzen. Kardinal Prager oblag es als relativ neues Oberhaupt der koronischen Niederlassung der Ekklesiarchie, die Oberen des Glaubens anzuführen. Er saß auf einem prächtigen Thron, geschmückt mit Blumen und gesigelten Bullen, auf denen jene Edikte verzeichnet waren, die Koron nach der Niederlager des großen Feindes im Krieg der Häuser, sich in Selbstkasteiung auferlegt hatte. Das der Thron seinerseits auf einem Festwagen stand ließ sich derweil kaum erkennen, denn die daneben einhergehenden Messbediensten schwenkten ihre Weihrauchfässer in so großer Zahl, dass man meinen Konnte der Thron schwebe auf einer Wolke. Huldvoll spendete der Kardinal den Segen für die Masse der Zuschauenden.
Alsdann die drei wichtigsten Reliquien unter all den hunderten und tausenden religiös konnotierten Objekten, die auf Koron Verehrung erfuhren.
Das wichtigste Heiligtum der Welt selbstredend als erstes. Die Lade mit dem lichten Speer, der gesegneten Waffe des Septianus höchst selbst, mit welcher er die Dämonen anbetenden Kanibalenhorden in barbarischen Zeiten zerschmetterte. Die Lade aus antikem tanithischen Nalholz erlaubte natürlich keinen Blick auf die Reliquie. Niemand außer dem Gouverneur durfte sie führen und selbst der nur, wenn die verdammenswerten Heerscharen des Erzfeindes jemals wieder ihr Haupt erheben sollten.
In der Lade selbst, so wusste man, lag nur der Kopf der Waffe. Auf ihn kam es an. Der Schaft mochte Gold, Eisen oder ein schnöder Besenstiel sein. Die gleißenden Strahlen des Speerkopfes waren es, die auf den Feind herniedersengten. Nun gab es Vorwitzige, die zu wissen meinten, dass der schwarze Kasten, schmucklos bis auf den doppelköpfigen Adler in der Flanke, leer sei. Das man es nicht wagte das wertvollste Artefakt des Planeten mehr oder minder offen durch die Gegend zu tragen.
Die Gläubigen auf den Beobachterrängen, ganz gleich wie stark oder schwach ihr Glauben ausgeprägt sein mochte, hätten solche Spötter eines besseren belehren können.
Die heilige Wärme, die schiere Kraft und Aura, die von der Lade ausging, beseelte jeden. Viele in den ersten Rängen sanken ergriffen auf die Knie. Weinten in Verzückung, rangen die Hände in Ektase. Spontan stimmten hunderte in das hymnische Loblied ein, welches das unschuldig reine Sängerpaar an der Spitze des Zuges anstimmte, nachdem das “Hosianna Koronis” verklungen war.
“Koron du Heiligtum, in heidnischer Gefangenschaft…” Sangen die beiden, durch die vierzig mechanischen Kunststimmen ihrer halbmenschlich Nachfolgenden.
“...ewig währt des Heiligen Ruhm, der Glanz und Freiheit dir verschafft.” Antworteten bewegte Völkerscharen von links und rechts. Wie als göttliche Antwort, wie als ein Fingerzeig von Terra selbst, öffneten sich unter der Makropoldecke extra dort angebrachte Vorrichtungen und entließen einen wohl dosierten Regen rosa, weißer und roter Rosenblätter. Eigens von Chiros und Jopall importiert. Die Weite des Alls schrumpfte wurde bedeutungslos, wenn es darum ging die Glorie des Planeten und seiner Bewohner zu verherrlichen.
Durch das Gestöber aus hauchzarten Blüten, wurde das zweite große Relikt gezogen. Auf einem simpel anmutenden Wagen, ruhte ein zyklopisches Trümmerstück aus verdrehtem und verbogenem Metall, gewaltig in seinen Ausmaßen und seinem Gewicht. Gezogen von einer riesigen Schar aus Zeloten, die sich gegen die Ketten stemmten und denen Concionatoren mit spitzen Kapuzen und schwarzen Kutten lange Peitschen auf die nackten Rücken zucken ließen. Blut floss und die so Gemarterten wandten sich wehklagend und jammernd, während die Anpeitscher Schläge und Schmähungen schlimmster Ausprägung auf sie prasseln ließen. Die armen Sünder erdulden diese Pein aus freien Stücken. Denn sie gehörten zur Bruderschaft der Reuenden. Sie bürdeten sich die Sünden ganz Korons und die Schultern und empfingen freudig die Strafe und die Flüche, nicht nur für jetzige Verfehlungen ihrer Mitmenschen, sondern auch für vergangene. Das Trümmerstück, welches sie auf so quälende Art und Weise zogen, war ein Trümmerstück des einstigen, großen Portals, welches den Zugang zur Makropole gestattete oder verwehrte hatte. Tatsächlich erkannte man an den wenigen Stellen, wo der Metallklumpen nicht verbogen, gerissen und versenkt war, die Ikonographie imperialer Hochgotik.
Als die rasankurischen Horden und ihre degenerierten Verbündeten die Stadt erstürmt hatten, war das Tor gesprengt wurden. Was übrig geblieben war, sollte auf ewig Mahnung sein, dass der große Feind auch die mächtigste, dingliche Wehr zu überkommen vermochte, wenn die, die sie mit Herz und Hand verteidigten, in ihrer Entschlossenheit wankten. Die größte Schlacht zwischen Licht und Dunkelheit wurde nicht auf dem blutigen Feld, nicht mit Schwert und Bolter geschlagen, sondern in den Seelen der Gläubigen und der rechtschaffen Fanatisierten.
Die “Zerschlagene Tür” war ein Mahnmal dieser Weisheit.
Die dritte Reliquie war eigentlich ein Konglomerat vieler Objekte und stellte den Übergang des kirchlichen, also des zivilen Segments, in den des militärischen und hausmilitärischen dar.
Soldaten der PVS, sowie all jener Häuser, die im großen Krieg auf der richtigen Seite der Geschichte gestritten hatten.
Sie trugen die Banner all der Einheiten, die seit eben diesem Krieg Auslöschung im Kampf erfahren hatten. Dreihunderteinudreißig waren es an der Zahl. Über hundert den heldenhaften Gamarai Grenadieren gehörend, die die Makropole wortwörtlich bis auf den letzten Mann verteidigt hatten und deren Haus im Zuge der Belagerung vernichtet wurden war. Andere klingende Namen, wie das 2. Leichte Dragonerregiment, von Spritten, welches mit seinem namensgebenden Major Dorothea von Spritten die Föderale Union während des Kampfes um die grüne Zitadelle unterstützt hatte und samt und sonders dabei vernichtet wurden war. Die genauen Umstände waren bis heute nicht einwandfrei geklärt, womit sich das zerfetzte Banner mit dem stolz aufgebäumten Charnak in die Reihe der Vernichteten einreihte. An jedem dieser Feldzeichen hing eine tragische Geschichte von Tapferkeit und Opferbereitschaft.
Nach diesem, ob der schieren Masse “Wald der Gefallenen” genannten Aufzug, wurde es weniger melancholisch.
Denn nun endlich erfolgte das, was man meinte, wenn man von “der” Parade zum Adelsrat sprach. Nach all den exotischen und denkwürdigen Passagen, die ein Zuschauer in den vergangenen Tagen bereits bestaunen hatte können, hätte es natürlich geheißen wenig zu bieten, wären einfach nur große Mengen an Soldaten an den Rängen vorbeigezogen. Gewiss, auch Zahl konnte beeindrucken, aber die Organisatoren dieses Schaulaufens verstanden sich doch auf bessere Präsentation.
So marschierten im respektvoll großem Abstand zu den Bannern gefallener Helden, die Musikcorps ganz Gohmores und vieler nationaler PVSen obendrein. Diese waren in großen Teilen zwischen den einzelnen Einheiten positioniert, so dass ein steter Strom untermalender und erbaulicher Musik niemals abriss. Als Beginn aber zogen sechshundert dieser Musiker auf. Ihnen voran eine lange Reihe nebeneinander marschierender Majore, die in perfekter Synchronisation den Bâton wirbelten, in die Luft warfen und wieder auffingen.
Der erste Marsch dröhnte aus Trommeln, Blasinstrumenten, Klangsäcken und was es noch an Spielarten militärischer Formationsinstrumente gab. Diese brauchten wahrlich keine, sie verstärkenden Servitoren.
In der Tat war der angestimmte Marsch derart klangewaltig, dass man den dröhnenden Schritt der nachfolgenden Soldaten erst als rhythmisches trommeln auf dem Straßenbelag vernahm, als die Musikcores ein gutes Stück voraus waren. Die Abordnung einer gohmorischen Division. Dreißigtausend von der regulär fünfzigtausend Soldaten Sollstärke, marschierten hier. Sie gingen im, für das koronische Militär, typischen “hohen Schritt”. Die Waffen eng an die Brust gedrückt, den Blick starr nach vorn und leicht nach oben gerichtet, die Beine bei jedem Schritt im harten rechten Winkel angezogen.
Das so entstehende Geräusch wurde übertönt, als drei Chrome glänzende Volra über die Köpfe der Marschierenden donnerten, die Meter langen Banner mit der koronischen Plantenflagge, dem gohmorischen Banner und dem Aquila hinter sich herziehend. Die, für den Einsatz innerhalb von Makropolen geschaffen, Propellerjäger wirbelten den konstanten Blütenregen zu einem regelrechten Sturm auf und steigerten die Dramatik für die Sekunden ihres Vorbeifluges enorm.
Hinter diesen ersten Soldaten in Königsblau folgte die Haustruppen der Orisus. Die Reinfolge war seit jeher eine delikate Angelegenheit und geschwängert von Bedeutung. Das die Hausarmeen der großen Häuser sich mit den Truppen der planetaren Verteidigung abwechselten, war ein Sinnbild für die tiefe Verbundenheit und Waffenbrüderschaft zwischen Adel und regulärer Armee. Gleichwohl entzündete der tief sitzende Hass zwischen den beiden größten Häusern immer wieder einen Streit darüber, wer den Anfang machen durfte. Orsius besaß die größere Anzahl an Familienmitgliedern und Haustruppen. Siris hingegen konnte rein rechnerisch auf eine größere Gewinnspanne verweisen. Als Kompromiss durften die Eliteeinheiten beider Häuser, wie auch die Fahnenträger nebeneinander marschieren. Das alte Sprichwort vom Kompromiss, der alle beteiligten Parteien unglücklich zurückließ, mochte einem einfallen. So kam es, dass in einem Karre zweihundert schwarze Dragoner neben zweihundert F.A.U.S.T. Agenten marschierten. Die einen schwarz uniformiert, im harten Stechschritt, die anderen weiß in einem eher lässigen, schnellen Laufschritts.
Männer und Frauen, die sich unter anderen Umständen gegenseitig umgebracht hätten. Ihnen voraus wehten die Hausfahnen. Hier hatte Sirsis eine protzige Art seines Kontrahenten übernommen. Die Banner beider Adelsgeschlechter waren so riesig, dass es Antigravgenereatoren in den Spitzen bedurfte, es den Fahnenträgern überhaupt zu erlauben, diese ad Absurdumführung der Physik handzuhaben. Weit nach hinten wehte das dunkle Rot der Orsius mit dem schwarzen Siegul darauf. Wie bewegtes Quecksilber glänzten das Zeichen Siris und die beiden Schlangen schienen von sich windendem Leben beseelt.
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Ein erster, motorisierter Abschnitt war dem angeschlossen. Sechs Leman Russ, nicht nur auf Koron 3 das Sinnbild gepanzerter Stärke des Imperiums, hatten auf der Prachtstraße bequem nebeneinander Platz. Hinter diesen sechs folgten jeweils hundert Artgenossen. Die Ungetüme spien schwarze Wolken Promethiumabgase aus und die Absauganlagen, Lufttauscher und Umwälztfilter hatten reichlich zutun die jubelnden Massen von Vergiftungen zu bewahren. Mit geradem Rücken standen die Kommandanten in den geöffneten Luken der rasselnden und dröhnenden Panzer. Die hier präsentierten Kampfmaschinen waren Teil der städtischen Verteidigung und hatten alle samt und sonders bestenfalls einen Aufstand oder eine Demonstration gesehen. Im wirklichen Kampfeinsatz hatte keiner gestanden. So oder so waren sie aber für die Parade neu lackiert wurden. Unter den frischen urbanen Tarnmuster in verschiedenen Blau- und Grautönen sah man ihnen die unterschiedlichen Dienstjahre nicht an. Jeweils einer von Zwölf wich vom Standardschema mit Kampfgeschütz, Laserkanone in der Front und Boltern in den Seitenkuppeln ab.
Diese waren spezialisierte Varianten, für Nischenaufgaben auf dem Schlachtfeld ersonnen. Demolisher und Annihilator waren die Häufigsten und die diversen Moderatoren der Radio- und Vidsender überschlugen sich mit ausufernden Erklärungen und geschichtlichen Erzählungen, wo diese oder jene Variante das Blatt einer Schlacht gewendet hatte. Eine weitere, sehr symbolische Konstellation war in den zwanzig Panzern zu sehen, die überaus bewusst nach den altehrwürdigen Leman Russ aufzogen.
Dabei handelte es sich um H-3 “Klingen”. Jene Fahrzeuge aus den Truztstaatden, von denen die Horninger gedacht hatten, sie wären ein adäquates Gegengewicht zu dem starren Ambos, denn die gohmorischen Panzerverbände darstellten. Bei der Fabrikation dieser Waffe war ganz auf die eigenen Möglichkeiten der verbündeten Staaten rund um Truzt zurückgegriffen wurden. Schnell war die Klinge, vermochte aus der Fahrt heraus präzise zu feuern und einen Schwarm mitgeführter Kleinstraketen gegen den damaligen Feind zu schleudern. Allein, es hatte alles nichts genutzt. Bei der Panzerschlacht am “Hohen Weg”, war die Hybris des Neuen vor dem Altbewährten eingeknickt. Deswegen war der H-3 alles andere als ein schlechtes Fahrzeug und nicht nur wurden die Bestände in die PVS eingegliedert, in Horning produzierte die Fabrik weiter eine kleine Stückzahl, so wie Ersatzteile. Einige der Panzer gingen sogar in den Export und verschafften dem notorisch knappen Staat Horning Devisen.
Wieso die zwanzig hier in den Farben der PVS und den Leman Russ nachgestellt paradierten, war jedoch allen klar verständlich. Hier wurde Beute, hier wurden Besiegte präsentiert.
Das es in Horning gar keinen klaren Verlierer gegeben hatten, sah man einmal von der Zivilbevölkerung der Schwemme ab, blieb dabei unerwähnt. In Gohmor verstand man sich sehr gut darauf die Geschichte durch einen gewissen Berichtsrahmen oder zuträgliche Auslassung anzupassen. Wer die Bildsprache dieser vermeintlich nur der Reihe nach laufenden Fahrzeuge und Soldaten lesen konnte, der mochte so manches sehen und erkennen. Beispielsweise die Panzerjagdkompanie Rot. Die, wie bei der Bezeichnung nicht schwer zu erraten, der Bekämpfung anderer, gepanzerter Verbände verschrieben war.
So weit so ungewöhnlich.
Gleichwohl war es diese Kompanie, durch die stellvertretend der Mechanicus eben doch an der Parade teilnahm und sich, trotz seiner Politik der Geringschätzung lokaler Feierlichkeiten, ins Gedächtnis rief. Das Kernstück dieser Kompanie waren zwei antike, schwere Jagdpanzer Valdor. Hoch komplex und mit historischer Technologie gefüllt. Nichts was der Mars leichtfertig vergab und schon gar nicht an eine planetare Verteidigungsstreitmacht.
Gleich zwei dieser würdigen Fahrzeuge einer Kompanie der PVS zu überlassen sprach eine sehr klare Sprache. Doch damit nicht genug. Neben den üblichen Conquerorn mit ihren schwächeren aber aus der Fahrt heraus benutzbaren Geschützen und den turmlosen Destroyern mit ihren Lasergeschützen, nannte die Kompanie einen Executioner sein Eigen. Fast ebenso selten und kostbar wie die Valdor.
Für die, die die Zugehörigkeit dieser Einheit immer noch nicht begriffen, waren die Türme in einem matten Rot gestrichen. Rot wie der Sand des Mars selbst.
In den nächsten zwei Stunden folgten Kolonnen aus Artilleriefahrzeugen. Basilisken, Bombarden, Medusas und sogar einige der seltenen Mantikors. Zuzüglich einer gewaltigen Menge aus Kampffahrzeugen heimischer Produktion. Von Halbkettentransportern, über leichte Zweimann-, Luftkissen- und Radpanzer aus allen Nationen des Planeten. Immer wenn man als Zuschauer dachte, die Vielfältigkeit der koronischen Streitkräfte sei erschöpft, weil seit zehn oder zwanzig Minuten nur eine unendlich lange Formation aus Soldaten vorbei marschierte, wurde man eines Besseren belehrt.
Eskadronen aus Carnakkavallerie, mit Sprenglanzen bewaffnet und trotz des Hauchs des Antiquierten, ein stattlicher und erhebender Anblick, mit poliertem Harnisch und schwarzem Federschmuck.
Haussoldaten als farbliche Unterbrechung des alles beherrschenden Königsblau der PVS. Rot mit den markanten, leicht überproportionierten Helmen der schier endlose Heerwurm des Hauses Orsius.
Weiß die provokant kleinere Abordnung der Siris. Die wuchtigen Paladin- Panzer der Orsius, deren Unterbewaffnung ein Treppenwitz der Geschichte zu sein schien. Dazu im Vergleich die schlanken, Pistolenkugel förmigen Einsatzwagen der Siris. In welch scharfem Kontrast zu all diesem, so auf Unvereinbarkeit getrimmten Kontrahenten, die Kämpfer des Hauses Visolla. Die schiere Diskrepanz des Machteinfluss, im Vergleich zu den beiden Riesen des Adels, war gewaltig. Dennoch sah man hier sehr eindrücklich, dass solch ein Gefälle noch immer einen ernstzunehmenden Mitspieler auf dem dritten Platz parat hielt.
Die Haussoldaten Visollas sahen auf den ersten Blick aus wie Operettenfiguren, wie kostümierte Schauspieler. Doch weit gefehlt. So individuell jede Rüstung auch sein mochte, so verziert und edel jede Helmmaske, mit schnörkeln, Verzierungen und paradoxer Karnevalikonografie, war all das doch gemacht für das Theater des Krieges.
Zwischen diesen breiten Farbbändern im Königsblau gab es auch immer wieder kleinere Tupfer. Organisationen, die auf die eine oder andere Art mit der PVS oder dem Militär des Planeten ganz allgemein verbandelt waren. Der schlagkräftige Arm der kämpfenden Truppe hing an einem aufgeblähten Kolosskörper aus Versorgung und Logistik.
Natürlich wollte der geneigt zusehende Bürger, mit einer gebratenen Fischfrikadelle, wie ein Stein im Bauch und dem dritten Becher Freibier im Schädel, nicht den Marsch der Wäschereiangestellten oder der Köche begaffen. Entsprechend waren Zuarbeitende und private Vertragspartner zugegen, die auch etwas hermachten.
Die Vereinigung privatisierter Ladeschützen etwa, welche die unüberschaubare Anzahl an Abwehrbatterien und Geschützstellungen bemannten, welche die Außenhaut einer Makropole verkrustete. Permanenten Wartung, Drill und Abhärtung gegen die Wetterbedingungen der, zum Teil den Elementen ausgelieferten, Stellungen, waren nichts, wofür man Wehrpflichtige über längere Zeit von den Werkbänken und Fließbändern fern hielt. Die VdvLS hatte daraus ein Geschäftsmodell gemacht und kümmerte sich obendrein um bauliche Maßnahmen und Anträge. Etwa wenn ein neu entstehendes Wohnhub in den Schusstunnel einer Verteidigungsbatterie zu wachsen drohte. Vielleicht keine ruhmreiche Arbeit, aber eine, die abertausende von Arbeitsstellen schuf und die ohnehin schon aufgeblasene Verwaltung der PVS entlastete.
Das die Ladeschützen in ihren einfarbigen Overalls und den farbigen “Seifenschalenhelmen”, alles nach Abschnitt unterschiedlich gefärbt, einen interessanten Kontrast bildeten, rundete die Sache ab und machte sie für die Parade wie geschaffen.
Es gab einige Vereinigungen, welche zur Sicherung der Küsten angeheuert waren und zusätzlich zur regulären Flotte liefen.
Außerdem die hartgesottenen Grenzreiter, die, einem Ritterorden gar nicht unähnlich, mit ihren Carnaks in die wilde Umgebung der Makropole ritten, um für die Sicherheit von Reisenden zu sorgen und die Pest des dortigen Banditentums zu bekämpfen. Dabei trugen sie den Schmutz auf ihren funktionalen und halb mechanischen Plattenrüstungen wie Auszeichnungen.
Aber auch einige neue Organisationen waren zugegen.
Etwa die mâne Miliatirs, in silbern glänzenden Raumanzügen. Sie kümmerten sich um ein Konfliktgebiet, von dem man nicht einmal annehmen sollte, dass es eines war. Der koronische Mond beherbergte lediglich den Flottenstützpunkt der Sub- Sektorflotte und war ansonsten ein lebloser Gesteinsbrocken. Doch unter den Augen eben dieser Militräzusammenballung, gab es immer wieder vorwitzige Schmuggler, die ihre illegalen Produkte auf der dunklen Seite des Mondes abluden, zwischenlagerten und dann von Verbindungsleuten auf dem Planeten abholen ließen. MM hatte es sich zur lukrativen Aufgabe gemacht, diesem Treiben entgegenzutreten.
Auch die Havoc Rangers waren Neulinge auf Koron. Ein bewaffnetes Logistikunternehmen, dass sich allein schon dadurch gut in das Gefüge der Armee einpasste, weil es die Strukturen der imperialen Armee in weiten Teilen adaptierte. Sie zogen in einer Abteilung aus bewaffneten und gepanzerten LKWs und Geländewagen, im nüchternen grün in der Heerschau mit. Ein Augenschmaus für freunde von Transportbulliden, denn nicht wenige der Lastwagen und Fahrzeuge stammten aus weit entfernten Ecken des Imperiums und wiesen entsprechend so manche Eigenheit auf.
Zu vorgerückten Mittagsstunde dann entstand eine Lücke in dem endlosen Zug aus Soldaten und Equipment. Eine relative Stille legte sich über die Prachtstraße und die Menschen begannen die Hälse zu recken.
War es schon so weit?
Ja tatsächlich.
Was jetzt kam, “Gohmors alter Mann” wie Fans ihn respektvoll nannten, brauchte keine Fanfahren, eine Ankündigung und keine Hymnen. Die Vibrationen, welche durch den Straßenbelag ging und sich in die Zuschauer fortpflanzten, waren Ankündigung genug.
“Sein Zorn” erschien am unteren Ende der Straße. Ein fahrbares Gebäude, eine Burg aus Plastonid T-Stahl, auf Ketten gesetzt und in Bewegung gebracht.
Der taktische Nutzen dieses Ungetüms mochte seinen Wert im Verbund mit anderen Waffengattungen und kleineren Kampffahrzeugen haben, aber die schiere moralische Wucht, mit dem dieses Symbol menschlicher Überlegenheit einherging, war losgelöst von nüchternen Überlegungen auf der Gefechtskarte.
Dieser superschwere Panzer, dieses Landschlachtschiff, mit seinen 320 Tonnen Gewicht und Arsenal aus Maschinenkanonen, Demolischergeschütz, Schweren Boltern und Laserkanonen, mit seinem Hauptgeschütz, in dem man einen Kleinwagen parken konnte, all das war der destillierte Stolz Korons.
“Sein Zorn” hatte vor über zweihundert Jahren geholfen diese Welt vom Krebsgeschwür der Ketzerei zu reinigen und dass man ihn danach hier gelassen hatte, abseits der Fronten, wo ein solcher Avatar des imperialen Siegeswillen dringend gebraucht wurde, war ein gewaltiger Beweis der Vergebung und des Vertrauens.
Ein Vertrauen, das nicht auf unbedarfter Leutseligkeit beruhte, sondern mit Verpflichtungen einherkam.
Entsprechend war der Baneblad Mahnung und Vertrauensbeweis gleichermaßen. Er würde auch als einziges Fahrzeug auf den zentralen Platz vor der Ratshalle fahren und dort für die Zeremonie der offiziellen Eröffnung des Rates verbleiben. Alles andere, motorisierte Gerät fuhr vorher von der Prachtstraße ab und sah sich der Aufgabe gegenüber, wieder in die Kasernen und Depots zu verlegen, ohne das Verkehrsnetz der gesamten, mittleren Ebene zum Zusammenbrechen zu bringen. Die Soldaten zu Fuß waren derweil ihrerseits darüber instruiert, wer weiter zum Vorplatz marschieren würde und wer vorher abgehen musste, beziehungsweise durfte.
Das kurz nach dem Giganten die Opritschniki, die persönliche Leibwache des Gouverneurs, aufzog, war ebenso wenig ein Zufall, wie dass der Garde die Zehnte und all jene Regimenter folgten, deren Loyalität zum Gouverneur außer Frage stand und deren Treue zu diesem einen gewissen Ruf hatte.
Die Moderatoren, die zu jeder einzelnen, vorbeiziehenden Einheit etwas zu sagen hatten, berichteten von den harten Kämpfen, welche die Zehnte in Horning und bis vor wenigen Tagen noch im Dschungel von Luht hatte durchstehen müssen. Ganz zu schweigen von der strategisch unbedeutenden, aber lokal doch sehr heftigen Offensive auf die Kräfte in Huncal. Das man zuversichtlich war, noch vor Ende des Jahres die ganze Affäre erledigt zu haben, erwähnten die Kommentatoren mit einem Nebensatz, bevor sie sich der nächsten Formation widmeten.
Die Zehnte absolvierte ihren Marsch mit Bravour. Niemand fiel um, niemand geriet so aus dem Tritt, dass Zuschauer lachend oder Kopfschüttelnd mit Fingern zeigten.
Solche Vorfälle gab es natürlich. Unmöglich eine derart gewaltige Parade abzuhalten, ohne das Zwischenfälle auftraten. Fahrzeuge blieben liegen, Soldaten hatten Krämpfe oder Schwächeanfälle.
Damit rechnete man, darauf war man vorbereitet. Schnelle Eingreiftruppen aus Sanitätern, Abschleppvehikeln und Technikern waren in großer Zahl entlang der Strecke positioniert, um bei Bedarf tätig zu werden. Was auf gar keinen Fall passieren durfte, war dass die ganze Parade ins Stocken geriet. Wenn also ein Mensch oder eine Maschine liegen blieb, dann waren die Nachfolgenden instruiert möglichst fließend dieses Hindernis zu umfahren oder zu umgehen. Für die schnellstmögliche Beseitigung des Ganzen waren dann die entsprechenden Kräfte verantwortlich.
Vor der Ratshalle angekommen nahmen die hierfür vorgesehenen Ehrenabordnungen zu jeweils hundert Männern und Frauen ihre Positionen ein. In unauffälliger Rotation wurden die so stehenden immer wieder ausgetauscht, um Entkräftung und unschöne Ausfälle zu vermeiden. Erst in den späten Abendstunden würden die letzten Teilnehmer der Parade mit ihren Abordnungen hier einrücken und die Eröffnung des Adelsrates beginnen. Die “duchgetauschten” Soldaten wurden in eine Sub-Ebene tiefer verbracht, wo sie sich ausruhen durften, bis es wieder an ihnen war, an für ein paar Stunden still und unbeweglich auf dem Platz vor der Ratshalle zu stehen.
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Waldorf saß in einem der Transporter der Ranger, die momentan aber noch auf einer Zufahrtsrampe stillstanden und auch ihren Einsatz warteten. Anders als sonst auf dem Fahrersitz, hatte er seinen neurogestützten Arm auf dem Rahmen des heruntergefahrenen Fensters abgelegt, um zu rauchen. Weder war dies nämlich sein Wagen, noch hatte dieser einen Aschenbecher, geschweigedenn eine Aktiv-Lüftung. Neben ihm die junge Frau Seidel, die ihrerseits das Treiben auf einem Bildschirm verfolgte. "Kaum was zu fressen, aber eine Glotze in der Tasche," hatte Glenn noch vor Aufbruch gefeixt. Der Squat war in der Basis verblieben, um ein paar seiner Freunde zu einer Bergung seines Wagens zu bewegen. Es würde sich zeigen müssen, wie viel Erfolg der Sturkopf damit haben würde.
Letztlich durchschnitt Waldorfs Stimme grübelnd die Stille der Kabine. "Wollte es ja echt nicht glauben, aber hier auf Koron lieben sie Paraden noch mehr, als bei mir zuhause." Allein die Umzüge der letzten Tage hatten den Mann sehr beeindruckt und das hatte man unschwer erkennen können. "Zuhause, Sir?" Waldorf nickte und zog an seiner LHO, ehe er den Stummel wegschnippste. "Axis. Ist ein gutes Stück weg von hier." Ria lies von ihrem Bildschirm ab und schien zu überlegen, bevor es ihr einzufallen schien. "Die waren gestern bei der Parade dabei, nicht? Gleich nach den Obsidianern. Hatten Sie deshalb in deren Richtung gestart?" "... und salutiert," ergänzte Waldorf. "Hatte nicht erwartet, jemals einen Paladin zu sehen zu kriegen. Geschweigedenn hier und gleich noch einen ganzen Haufen davon. Die wachsen nämlich nicht auf Bäumen." Sein Gesicht nahm einen bitterlichen Ausdruck an, ehe er nach einer Flasche mit Kondenswasser fischte, um einen Schluck zu trinken. "Klingt vielleicht seltsam für Außenweltler, aber bei uns gibt es fast nichts Höheres, als Paladin zu werden. Wenn man das schafft, hat die Familie ersteinmal ausgesorgt. Prestige pur." Seidel lehnte sich verwundert vor, um besser zu Waldorf hinüber sehen zu können. "Das kann man laut sagen. Wer lässt sich denn in die Luft jagen, nur um sich dann die nächste Kugel einzufangen, noch dazu für... Schickie-Mickie-Ehre?!" Ein schmerzliches Grinsen zierte das Gesicht des Offiziers, während er auf den Boden der kleinen Plast-Flasche zu blicken schien. Er seufzte und nahm noch einen Schluck. "Nur die Besten der Besten." Sein Unterton verriet, dass dies ein Zitat war, an das er selbst kaum noch zu glauben vermochte. "Ein System von menschlichen Maschinen und eisernen Menschen." Er klang melancholisch, während sein Gesicht etwas verächtliches annahm.
Seidel nickte und lehnte sich wieder zurück, um wieder auf ihren Handgroßen Bildschirm zu blicken.
Einen quälend langen Augenblick später rauschte es im Funkgerät des Lastwagens. "An alle Wagen: Es geht los. Wir sollen zu Rampe 12 fahren und dann hinter den Raumfahrern und Technikern einscheren. Lassen wir die Show beginnen." Als könnte der Ansager ihn sehen, nickte Waldorf verstehend, ehe er die nötigen Hebel betätigte, um den Motor zu starten. Offensichtlich eine Sicherrungs-Sequenz, ehe es unter der Haube des Wagens zu grollen begann und eine einzelne schwarze Wolken aus den Auspuffanlagen gepresst wurde.
"Damit beginnt das große Schaulaufen. Ein Glück, dass wir bloß gradeaus fahren und gut aussehen müssen. Fahnengeschwänke muss ich heute nicht haben." Man fuhr los, ironischerweise jeweils ein Aufsprüh-Banner pro Wagen mit sich schleppend. Farben der wichtigsten Nationen, deren Angehörige Teil der Rangers waren, zusammen mit der Korons, um den Geist der Truppe zu bezeugen. Sie würden Koron ebenso dienen, wie sie es auf ihren Heimatwelten auch taten.
Auf der Prunkstraße selbst angekommen, blickte sich Ria ersteinmal um, ihren kleinen Bildschirm abschaltend. "Von hier sieht das alles völlig anders aus." "... und klingt auch ganz anders. Sei froh, dass wir hier nur Kolonne fahren. Den armen Hunden, die marschieren dürfen, oder in den Panzern sitzen, dürften die Ohren abfallen. Ein Wunder, dass dieser Hochweg das ganze Getrampel verkraftet." Dabei machte Waldorf mit einer Hand eine eilige Segens-Geste, um kein Unheil heraufbeschworen zu haben. Seidel aber blickte ihn fragend an. "Wie meinen, Sir?" Beide Hände wieder am Steuer, rang Waldorf mit seiner kosmischen Vorsicht, ehe er knapp zu erklären versuchte. "Bei Gleichschritt und großen Maschinenkolonnen adieren sich die Erschütterungen der Schritte im Boden. Daher werden Brücken bei Aufmärschen eigentlich gemieden. Aber toi toi toi, dass die hier wissen was sie tun." Ein Blick aus dem Fenster gen Himmel folgte. Einer der Flüche, den Bildung mit sich brachte, woraufhin Ria allerdings kurz gluckste. "Keine Sorge, Sir. Auch wenn solche Paraden eher selten sind: Das hier ist nicht das erste Mal." Waldorf nickte, bereits eine neue LHO zwischen den Lippen. "Dann ist ja gut." Dabei waren sie tatsächlich einfach in Reihe und gradeaus gefahren, ohne dass die kurze Unterhaltung zur Gefahr hätte werden können. Einige Minuten später rauschte es letztlich wieder im Funkgerät. "Achtung, Grußgeste auf Fahrtrichtung-Links in 10, 9, 8..." Sekunden später salutierten die Ranger aus ihren Fenstern hinaus, hier und da eine Kamera erhaschend, kaum, dass sie schließlich die große, breite Passage erreichten und der Unterführungshimmel sich gelichtet hatte.
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Gerade raus aus dem Hexenkessel des Dschungels von Luht und direkt hinein in den Betondschungel von Gohmor. Der eigentlich versprochene Urlaub musste verschoben werden, wahrscheinlich war er sogar gekürzt, wenn nicht sogar ganz gestrichen worden. Paradieren durften sie dafür. Die ganze Stadt entlang und den Ruhm und die Pracht Gohmors verherrlichen, bevor die große Ratssitzung beginnen würde. Zuerst das Schaulaufen der Ekklesiarchie und der Armee, bevor die Eliten und Politik untereinander Schaulaufen durften. Das Programm, das aufgefahren wurde war ohne jeden Zweifel erhaben und stellte alles in den Schatten was Arius bisher erlebt hatte und das obwohl er selbst bereits an zwei Paraden teilgenommen hatte. Damals auf Esseos IV als die Freiwilligenverbände sich zur Imperialen Armee gemeldet hatten und man sie begeistert verabschiedet hatte und dann nochmal fünf Jahre später auf Meran Magna. Seine erste hatte ein bisschen der jetzt gerade stattfindenden geähnelt, wenn auch in weitaus kleinerem Maßstab. Die zweite war eine grimmige Angelegenheit gewesen. Der Triumphmarsch einer siegreichen Armee durch vom Krieg verwüstete Städte. Die eigene Macht präsentierend, den Ruhm des Gottimperators in seinem Aspekt als Kriegsherr verherrlichend und als Drohgebärde gegenüber den unterworfenen Seperatisten.
Die jetzige Parade war damit natürlich in keinster Weise vergleichbar. Hier feierte man die eigene Macht, Pracht und Glauben und den seiner Verbündeten. Viel davon hatte er gar nicht mitbekommen, musste doch das Exzerzieren geübt werden, damit sie kein schlechtes Bild abgeben würden, was Arius etwas ärgerte, da er gerne an den religiösen Feierlichkeiten teilgenommen hätte. Aber Befehl war Befehl und so reihte sich die Zehnte am fünften Tag der Feierlichkeiten in die schier endlosen Reihen aus Militärformationen ein und marschierte aus der Gamaraikaserne los.
Die Straße vor ihnen war mit zertretenen Blütenblättern bedeckt, denen in unregelmäßigen Abständen neue Schauer nachkamen. Wenn er die vergangenen Monate nicht im Dschungel bei Tageslicht verbracht hätte,bhätte er die Beleuchtung als grell empfunden. so kam sie ihm jetzt annäherend normal vor und nicht leicht dämmerig wie sonst. Überall drängten sich begeisterte Menschenmassen an den Straßenrändern,auf Tribünen, Fenstern, Balkonen und allen anderen möglichen Plätzen, die ihnen eine möglichst gute Aussicht boten. Sie schrien, klatschten, winkten oder jubelten der Parade zu, unterhielten sich miteinander oder waren mit einer Vielzahl anderer Dinge beschäftigt, die Arius nicht genauer sehen konnte. Dazwischen waren immer wieder Fernsehteams zu sehen, die die Parade live übertrugen und die PVSP, die die Zuschauer zurückhielt und an neuralgischen Punkten durch massive Arbitesaufgebote verstärkt war. Insgesamt war es einfach überwältigend; eine absolut Reizüberflutung, der man als Soldat nur nicht erlag, weil man beim paradieren ständig geradeaus starren musste.
Da man sie durchgehend mit Formaldienst auf Trab gehalten hatte und jetzt zu Fuß marschieren ließ, hatte Arius nicht die Gelegenheit gehabt sich die Übertragungen der Parade oder ihr im vorhinein gewidmete Zeitungsartikel zu Gemüte zu führen und wusste daher nicht genau, wo sie sich genau im gesamten Hereeswurm befanden und wie dieser organisiert war. Aber er konnte sehen wer direkt vor ihnen marschierte und das mit der 10, Kompanie in Verbindung setzen. Direkt vor ihnen befanden sich die Opritschniki, die Leibwache des Gouverneurs in ihren prächtigen pelzgefütterten Uniformen. Und ihnen voran fuhr dröhnend und von Heerscharen von Techpriestern umringt "Sein Zorn". Hunderte Tonnen an gepanzertem Stahl und waffenstarrenden Phalanxen. Der Baneblade war der Stolz Korons, ein Zeichen Imperialer Macht und versetzte Arius genauso wie die Zuschauer in verzücktes Staunen. Das es allein politische Gründe waren wegen denen er das Glück hatte die ganze Parade über einen Blick auf den Panzer werfen zu dürfen, war ihm zwar klar, blendete er aber bewusst aus. So eine Gelegenheit würde sich ihm wahrscheinlich so bald nicht wieder bieten.
Das sie dem Baneblade so dichtauf folgten führte dazu, dass die 10. Kompanie ironischerweise immerzu in einem der ruhigsten Abschnitte der Parade war. Die Zuschauer schrien und lärmten deutlich weniger, da sie damit beschäftigt waren den Panzer anzugaffen und so war die größte Lärmquelle der Motor des Baneblade, der auch das Geräusch tausender Stiefel mit Leichtigkeit übertönte und dessen Vibrationen von Soldaten wie Zivilisten gleichermaßen stark gespürt werden konnte.
Ein leichtes Anheben der Säbelspitzen durch die Offiziere zeigte den restlichen Soldaten an, dass der Zeitpunkt gekommen war einen Gruß zu entrichten. Wie ein Mann ruckten die Köpfe herum, wurden die Gewehre präsentiert und dann wieder die vorherige Form eingenommen. Major Klein wurde kein Grund gegeben sich für seinen Verband zu schämen und es zeigte sich wie sich der Formaldienst der letzten Tage gelohnt hatte.
Arius nutzte die Monotonie des Marschierens dafür um über das zu grübeln, über das er die letzten Tage gebrütet hatte. Leisten konnte er sich das nur, weil die Bewegungsabläufe des gohmorischen Paradeschritts so gut in ihn hereingedrillt worden waren, dass er ihnen beim Ausführen keine besondere Beachtung mehr schenken musste.Die Parade ärgerte ihn. Hinter der schönen Fassade fehlte die Substanz. Man zeigte sich als tatkräftig, entschlossen, vereint, gläubig und mächtig und war doch nicht in der Lage diesen Ansprüchen zu genügen. Der noch immer nicht niedergeschlagene Aufstand in Luht kratzte am Selbstbild der Macht der PVS, der noch immer nicht aufgeklärte Angriff von verräterischen PVS Elementen am Schein ihrer Einigkeit und das immer noch nicht angegangene Mutantenproblem in Gohmor und überall sonst auf Koron am wirklich festen Glauben. Insgesamt ein Bild der nicht vorhandenen Entschlossenheit. Arius sah sich selbst als imperatorfürchtigen Menschen an, der den Autoritäten ohne Widerspruch gehorchte. So hatte er es in seiner gesamten bisherigen Militärkarriere getan und es hatte ihm nicht geschadet, aber die Elite auf dieser Welt hatte durch ihr Handeln erste Zweifel bei ihm geweckt. Was wenn die Anführer der Menschheit auf Koron in ihrer Pflicht versagten, sowohl gegenüber ihren Schutzbefohlenen, als auch insbesondere gegenüber dem goldenen Thron? Hatte die Herde möglicherweise nicht die Pflicht ihren eigenen Schutz zu organisieren, wenn der Schäfer ständig schlief? War es nicht seine Pflicht selbst Initiative zu ergreifen? Besonders jetzt, seit er von der Journalistin die beiden Namen und kurze Beschreibungen erhalten hatte? Es hatte ja geheißen, dass sie nach diesem Einsatz ein paar freie Diensttage erhalten sollten. Die ganze Adelsratgeschichte verkürzte das natürlich, aber es sollte noch genügend Zeit sein, um all die Soldatenkneipen abzuklappern, die er seit der Ankunft auf dieser Welt besucht hatte. Irgendjemand dort würde ihm hoffentlich weiterhelfen können, mit den beiden Namen. Imperialer Weg und Festes Band. Zwei Namen, die für ihn wie ein Versprechen klangen.
Wieder regnete ein Schauer aus Blütenblättern auf die Soldaten herab und endete wie die vorherigen unter den tausenden von marschierenden Stiefeln und malmenden Panzerketten als Matsch.
Name: Arius Kruger
Alter: 27 Standardjahre
Zugehörigkeiten: PVS
Rang: Unteroffizier
Loyalitäten: imperialer Fanatiker, Militarist
Aussehen: 190cm groß, sehnig, ausgezehrt, maskenhaftes, verkniffenes Gesicht, attraktives Lächeln, blonder Seitenscheitel, bleiche leere Augen, linker Arm durch bionisches Implantat ersetzt
Kleidung: Uniform, Zivilkleidung oder Gläubigengewandung, silberner Aquila
Charakter: Militarist, imperialer Fanatiker, tief gläubig, Frontveteran, begeisteter Hobbyfotograf, mangelhafte Empathie und auf sozialer Ebene ein Wrack
Fähigkeiten: erfahrener Grabenkrieger, guter Läufer,
Ausrüstung/Besitz: PVS-Standardinfanterieausrüstung, Mpi-01.3, Esseos Schema Laserpistole, Feldstecher, Fotoapparat, Wohnung, Kiste voller Erinnerungsstücke, Bücher, sonstiger Krimskrams
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Das die große Parade endete, bedeutete nur, dass weitere begannen. In den nächsten Tagen war angedacht, dass PVS- und Hausarmeen durch jene Bezirke der Stadt marschierten, zu denen sie besondere Beziehungen pflegten. Sei es weil hier Kasernen oder Hausniederlassungen existierten, weil es historische Verbindungen gab oder einfach, weil sich ein Großteil der Rekruten aus den Bewohnern der entsprechenden Ebene zusammensetzte.
Bei den Einheiten aus fernen Ländern, wurden so Beziehungen zwischen Wirtschaftspartnern gepflegt oder angebahnt.
Einige wurden auch schlicht dafür bezahlt ein Schaulaufen zu veranstalten.
Die Ehrenwache vor dem Palast blieb stehen. Auf den kurzen Segmente, welche Berichterstattung im Vid zeigten, ein unveränderlicher Block aus stillen, grimmig schauenden Soldaten, unnachgiebig und mit einer unmenschlichen Fähigkeit des Ausharrens versehen.
In Wahrheit eine ständig wechselnde Zusammenstellung im Rotationsverfahren. Zumal auch einige Angehörige der verschiedenen Truppen aus ihren Formationen gelöst wurden, um sich zu den Zuschauern im Inneren des gewaltigen Gebäudes zu gesellen.
Den Damen und Herren von edlem Stand oblag es dabei die prunkvoll geschwungene Marmortreppe zu erklimmen. Dahinter wartete eine klimatisierte Lobby, wo unaufdringliche Musik die seiden Tapezierten Wände strich und man gekühlte Köstlichkeiten und aromatisierte Getränke reichte, um die wenige Wartezeit vor der eifrig bedienten Garderobe auf Nichts zu reduzieren.
Eine Etage tiefer wurden Wirtschaftsbosse, Generäle und Politiker von internationalem Rang mit ähnlichem Pomp, aber etwas längerer Wartezeit abgehandelt. Auch ihnen begegnete man mit größtmöglicher Vermeidung jedweder Unannehmlichkeit. Gleichwohl durften nie mehr Hochrangige, aber nieder Geborene in der großen Halle rumoren, als Adlige und höchst privilegierte Gäste von anderen Welten. Nicht auszudenken, wenn ein alternder Militär es sich in seinem Sessel bequem machte, während ein Orsius seinen Sitz noch suchte. Das Heer der Anweiser hatte daher den Stress seines Lebens, Verzögerung und Anstandsreinfolge in erträglicher Waage zu halten.
Am wenigsten Rücksicht nahm man dabei auf die einfachen Leute, denen das Recht zugestanden wurde, die Ränge aufzufüllen. Ihre Aufgabe war es, auf Vid- Aufzeichnungen das Volk zu repräsentieren und das Gebäude mit Applaus zu füllen, wenn ein Würdenträger etwas Geistreiches in die Mikrophone sprach, wobei der Faktor des Geistreichen eher zweitrangig war.
Diese Masse aus Arbeitervertretern, Ebenendeligierten, Soldaten, Bürgerkommitees und aus welchen Hintergründen sie sich noch zusammensetzten, wurde durch den unteren Bereich geschleust. Sie betraten die Ratshalle ebenerdig. Gedränge und Geschrei von Hausdienern, die Tafeln mit Nummern hoch hielten, welche vorher an Gruppen verteilt wurden, um die Bestückung der Sitze zu vereinfachen. Militärisches, Wirtschaftliches, Ziviles, Nationales und Internationales wurde dabei relativ klar erkennbar sortiert.
So kam es, dass ein Unteroffizier in einer Ausgehuniform, deren Abzeichen und Dienstgradklappen ihn nicht nur als Angehörigen der Zehnten schweren Infanteriekompanie auswies, sondern auch als einen Träger des goldenen Schädels. Ein Mann, dessen Gesicht man von einer Rekrutierungsveranstaltung her zu kennen glaubte. “Seht welch aufrechte Kerle den Kern der PVS bilden. Wie aus Granit gehauen, hart und unnachgiebig, kernig und schneidig durch und durch”.
Auf den zweiten Blick mochte er der Angerempelte, der da mit einem knappen Wort der Entschuldigung seine Unabsicht bekundete, erkennen, dass der kleine goldene Schädel, der an der Brust des Heldentypen funkelte, nicht ohne Preis erworben war. Die Augen des Mannes waren nicht heroisch, sondern stumpf von all dem, was sie gesehen hatten. Kleine Falten im Gesicht waren vielleicht das Resultat ständiger Anspannung unter Feuer. Das blonde Haar wurde in den Ansätzen vor der Zeit grau. Die Fassade des Helden war nicht ganz durchlässig, als er dem anderen kurz zunickte und die Entschuldigung annahm.
Wie sollte man sich bei diesem Gedränge auch nicht ins Gehege kommen? Ein schneller, abschätzender Blick auf diesen anderen. Ein Angehöriger einer paramilitärischen Einheit, ein geflügelter Schädel auf Grün-orangen Feld auf der Schulter, kurz aufflammende Worte in Hochgotisch, unmöglich sie hier in all der Bewegung zu lesen. Der Mann, selber kaum kleiner als der Unteroffizier, wirkte gleichwohl zerfurchter. Wie jemand der das gleiche durchgemacht haben konnte wie der Soldat, aber ohne den Komfort einer Standardration der Armee oder den Schutz eines Schadstoffanzuges. Das Haar, so auch ordentlich geschnitten und akkurat nach hinten gekämmt, eine spur zu lang für die Toleranz eines Offiziers, der Bart und die Tätowierungen im Gesicht gaben den Fingerzeig etwas mehr in Richtung Söldner. Dennoch waren die beiden, die da zusammengestoßen waren, so verschieden nicht. Sie hätten gewiss den Platz des jeweils anderen innehaben können, wären Dinge und Ereignisse hier und da anders verlaufen. Jetzt würden die jeweiligen Gruppen zu denen sie gehörten zwar nebeneinander sitzen und beide unter der Kategorie “Militär” laufen, aber mehr eben auch nicht an Gemeinsamkeiten aufweisen.
Als sie den Anweisern folgten und von den Wartebereichen in die eigentliche Ratshalle geführt wurden. Dass Stimmengewirr und die Schritte, die eben noch laut und unangenehm von den Wänden des schmalen Zugangskorridors zurückhalten und sich urplötzlich belanglos in das sachte Gemurmel mischten, als man in die große Ratshalle hinein trat. Ein paar Tausend waren bereits auf ihren Plätzen, unterhielten sich, scherzten, stritten, lachten oder riefen.
Dennoch war die schiere Größe der Lokalität so ausgreifend, dass es kaum lauter war als in einem moderat besuchten Lichtspielhaus.
Zwei weitere Stunden dauerte es, bis alle geladenen Teilnehmer des Rates ihre Plätze eingenommen hatten. Wohlgemerkt für die heutige Auftaktveranstaltung. Morgen Vormittag würde das ganze Spektakel von Neuem beginnen, auch wenn man wenigstens davon ausgehen konnte, dass sich langsam Routine beim Beziehen der Plätze einstellen würde.
Am Abend dieses fünften Tages war noch einmal alles fest in den Klauen des Zeremoniells.
Abgesehen von der Eröffnungsrede des Gouverneurs, die von vielen sehnsüchtig erwartet wurde.
Nicht weil man neugierig auf ihren Inhalt gewesen wäre, sondern weil Anhänger, wie auch politische Feinde von Gouverneur de Wajari sehen wollten, wie es um das Wohlbefinden des Herrschers bestellt war.
Seine auffällige Abwesenheit von der Öffentlichkeit und der Eifer seiner Frau, ihn kommissarisch zu vertreten, hatten zu allerhand Spekulationen geführt. Die harmlosesten noch die, Leopold Frederico krank sei und seine Frau daher das Zepter bis zu seiner Genesung in der Hand hielt. Weniger Wohlgesonnende spekulierten über den Tod des Gouverneurs und den Versuch seiner Frau Elisabeth Emilia, die Macht an sich zu reißen. Ein Affront gegen jedes geltende Recht und im Ernstfall nicht weniger als der Grund für einen Bürgerkrieg. Viele trauten dem “Engel von Gohmor” eine solche Dreistigkeit nicht zu. Gleichwohl ließ sich nicht leugnen, dass sie beim Volk der Makropole und auch bei nicht wenigen anderen Nationen des Planeten, eine fast schon kultische Verehrung erfuhr und bei einem Putschversuch die Massen vielleicht hinter sich haben würde.
Schmerzhaft langsam zog sich der vorgegebene Verlauf weiter in die Länge wie erhitzter Asphalt. Der Zeremonienkanzler, ein absurd fetter Mensch, dessen Bewegungen von nicht weniger als vier geschminkten Pheromonkastraten unterstützt werden mussten, ließ seine verstärkte Stimme durch die Halle rollen.
Ihr Edlen dieser Welt, hört hört hört. Zwei Kastraten hatten den goldenen Stab gefasst und führten die Bewegung ihres Herren aus, so dass auf jedes “hört” ein Funken sprühender Regen von dem aufkrachenden Stab ausging. Dieser regnete in einer Kaskade vom Rand der Felsnadel herab und verzehrte sich selbst über den Köpfen der Opritschniki, die ihren Posten bezogen hatten und denen als einzigen im Rund scharfe Waffen erlaubt waren.
Von Euch zum demütigen Verwalter dieser Welt auserkoren und von der lenkenden Hand des Adeptus Adminstratum gesegnet, gefiel es Gouverneur de Wajari Euch zu rufen. Auf das Ihr euch versammelt und nach aller euch zur verfügung stehenden Kraft zum Wohle dieser Welt beratet und entscheidet.
Wurde der Ruf erhört?
Er wurde erhört! Kam es von den Rängen in einer vieltausenden Antwort. Gesprochen nur, aber in solcher Zahl, dass es als gewaltiges Raunen durch die Halle wehte.
Ich sehe Euch.
Ich danke Hochbaron Vladimir Orsius für sein Hiersein.
So ging es weiter. Der Zeremonienmeister begrüßte jeden einzelnen, anwesenden Fraktionsführer der Häuser und der gewichtigen Gäste aus anderen Nationen und von anderen Welten.
Das allein dauerte lang. Sehr lang.
Dann wandte er sich an die Vertreter des Imperiums. Des Adeptus Civitas, des Mechanicum, der Arbites und all den anderen Organisationen, die berufen waren Koron 3 im Licht Terras wandeln zu lassen.
Schließlich beendete er das Zeremoniell und sackte völlig erschöpft in die wartenden Arme seiner Diener.
Als nächstes kam der lange erwartete Part des Gouverneurs. Er würde den Anwesenden persönlich danken und eine ungefähre, inhaltliche Richtung für die Gespräche vorgeben. Mit scharfem Auge hatte man den obersten Verwalter der Welt bereits auf der Spitze der Nadel ausmachen können. Etwas genauer, wenn man über entsprechende, körperliche Anpassungen verfügte. Nun erhob sich eine zierliche Gestalt mit wallender, goldener Lockenpracht.
Leopold Frederico sprach nicht laut. Die Technik verhalf seiner Stimme jedoch zu ungeteilter Aufmerksamkeit. Diese Stimme zitterte und brach nicht und doch klang sie auf unüberhörbare Weise schwach und dünn. Das musste nicht unbedingt etwas heißen, denn der Gouverneur hatte Zeit seines Erwachsenenlebens jener Mode gehobener Adelskreisen angehört, welche eine bewusst zur Schau gestellte, körperliche Schwäche zelebrierte. Ohnmachten und eine Attitüde permanenter Erschöpfung und Langeweile wurden dabei vorgelebt. Ein Gegenkonzept zu plumper Körperlichkeit und primitivem Aktivismus. Veredelter Geist und erlesener Geschmack von keinen Platz in einem transpirierenden Leib, der seine Existenz mit schwerer Arbeit vertat.
Obwohl man um diese modische Marotte des Gouverneurs wusste, gab all das doch jenen in ihrer Meinung Vorschub, die de Wajari schon mit einem Bein im Siechengrab sahen.
Aber noch lebte er, dass ließ sich nicht leugnen.
Einige enttäuschte das, andere freute es.
Was der Gouverneur in seiner halbstündigen Rede sagte, war kaum mehr als das, was zu erwarten gewesen war. Lob der Zusammenarbeit der großartigen Länder Korons, der Organe des Imperiums und interplanetarer Partner.
Man würde in den kommenden Sitzungstagen Steuerfragen besprechen, den Zustand der Armee, die Tributzahlung, Kompetenzen der Nationen, Handlungsbeziehungen zu anderen Systemen, planetare Gesetzgebung und letztlich Themen, welche die Anwesenden einbringen konnten.
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Das Wetter wurde langsam diesig und ein feines Netz aus Tropfen zitterte über das Kanzelglas der Hornisse.
Nicht weiter wild.
Major Zerbstmark war das Fliegen über dem Meer gewohnt und all die Kapriolen die es mit sich brachte. Das tobende Grau des Meeres unter ihnen, das Panzerstahlgrau des Himmels über Ihnen. Würde es schlimmer werden stiegen sie einfach höher.
Die Instrumente der Hornisse waren modern und sie konnten ihre Aufgabe auch leicht erfüllen, ohne auf Sicht fliegen zu müssen. Bisher war ohnehin alles ruhig. Wie man hörte, gab es direkt an der Makropole den einen oder anderen Zwischenfall. Hauptsächlich Reporter, Paparazzi oder Schaulustige, die die Flugverbotszone verletzten, um nah an die Ratshalle heranzukommen und einen Blick auf die hohen Herrschaften zu erhaschen. Nichts was sie anging.
Darum hatten sich die unmittelbaren Sicherheitskräfte an der Makropole zu kümmern. Über dem Meer war der Passagierflugverkehr umgelenkt wurden. Keine Maschine kam von der Seeseite und wenn doch, dann wurden sie zu Landehäfen weiter südlich umgeleitet.
Rot- Zwei an Staffelführer, kommen.
Staffelführer hört, kommen.
Ich habe da was auf dem Funkmeßtaster. Sieht wie was Großes aus… auf meiner Anzeige hat es gerade die Sperrzone verletzt, kommen. Der Major justierte sein eigenes Gerät nach und tatsächlich. Ein größeres Luftfahrzeug hatte die Sperrzone soeben überschritten und flog in Richtung Makropole.
Soviel zum ruhigen Dienst. Naja endlich mal was los.
Staffelführer an alle, wir schließen auf und schauen wer da zu blöd ist Koordinatenwarnungen zu lesen. Rot- Drei, Meldung an Leitstand, kommen.
Rot- Drei an Staffelführer, Meldung über Verletzung von Flugverbotszone an Leitstand. Verstanden. Ende Sie legten an Höhe zu und beschleunigten. Rot- Drei meldete sich dann wieder. Die Pilotin klang etwas zögerlich.
Rot- Drei an Staffelführer. Ich… ich scheine Probleme mit dem Höhenruder zu haben. Maschine steigt nicht wie gewohnt. Kommen. Der Staffelführer ließ sich das Problem näher beschreiben. Tatsächlich war es etwas, mit dem die Hornissen dann und wann zu kämpfen hatten. Nichts Wildes, aber musste gemacht werden. Das hieß Schreiberei.
Mehr für die Neue in Rot- Drei als für ihn, immerhin. Naja auch das mussten die Neuen schließlich kennenlernen.
Ja verstanden. Fallen Sie zurück Rot- Drei. Manchmal kommt das Gelenk für die Klappe von alleine frei, meiner Erfahrung nach. Gegebenfalls kehren Sie zum Horst zurück.
Die Maschine löste sich aus dem Verbund und blieb hinter den anderen beiden zurück.
Zerbstmark passte seine Position an, während Leutnant Leiruth weiter versuchte den Eindringling zu kontaktieren. Erfolglos.
Waffen auf aktiv. Befahl Rot- Eins und schnippte mit dem behandschuhten Daumen die Schutzkappe über dem Kopf seines Steuerknüppels zurück. Diverse Lampen sprangen von entspanntem Grün auf Unheil verheißendes Rot. Auch akustisch signalisierten Pfeifen und Piepen, dass die Dinge hier sehr schnell sehr ernst werden konnten.
Sie mussten gleich Sichtkontakt haben und tatsächlich zeichnete sich kurz darauf ein großer Körper unter der grauen Wolkendecke unter ihnen ab. Wie ein Fisch, der knapp unter der Oberfläche dahinschwamm.
Ein großes Transportflugzeug, wie der Major vermutete.
Nein… jetzt sah er es. Eine Passagiermaschine.
Was hatte das jetzt zu bedeuten?
Er wies Rot- Zwei an die Kommunikation einzustellen und versuchte es selber. Passagierflieger, sie befinden sich in einem Speerbereich. Wir sind autorisiert Gewalt anzuwenden, um Sie von der Verletzung dieser Verbotszone abzuhalten. Ich fordere sie final auf, sich zu identifizieren und ihren Kurs nach Norden zu ändern. Kommen!
Statisches Rauschen erfüllte den Äther.
Ein paar kaum hörbare Stimmen, die üblichen Überlagerungen und Geisterechos. Die Crew der Passagiermaschine schwieg.
Die beiden Hornissen hatten sich jetzt neben die Spitze der Zivilen gesetzt und auch wenn das Cockpitglas stark spiegelte, war dahinter doch Bewegung zu sehen. Natürlich, schließlich musste dieses Ding ja jemand steuern.
Verstehen Sie dies als ihre letzte Warnung. Wenn Sie nicht nach Norden abdrehen…
Rot- Eins, ich habe weitere Signale auf dem Schirm. Unterbrach ihn der Leutnant. Tatsächlich. Erst zwei, dann drei weitere Signaturen näherten sich aus der gleichen Richtung, wie der erste Flieger.
Zerbstmark begriff. Es war ein Angriff.
Rot- Zwei. Feuerfreigabe. Alle erkennbaren Ziele vernichten.
Rot-Zwei versta… Die Hornisse des Leutnants explodierte, was ihrem Piloten auf ewig das Wort abschnitt. Instinktiv riss Zerbstmark den Steuerknüppel seines eigenen Vogels herum und ließ ihn in einer Rolle nach unten ausbrechen.
Im Cockpit hob ein Jahrmarkt an Warnsignalen an. Der Major versuchte seine Augen überall zu haben. Die Instrumente verrieten ihm nichts.
Der Angreifer hatte entweder unverschämtes Glück gehabt oder er wusste vom Tasterschatten der Hornissen, die ihre Rücken in unmittelbarer Näher blind machten.
Etwas schoss durch die vergehende Wolke dessen, was einmal der Kampfbomber des Leutnants gewesen war. Die X- Form der Flügel verriet einen Flieger baugleichen Typs.
Rot- Drei! Was um Terras Willen tun Sie? Die Pilotin blieb ihm eine Antwort schuldig. Oder vielmehr wählte sie eine sehr klare Form der Antwort. Sie schwenkte auf ihren vermeintlichen Kameraden ein und ließ dem Flügel ihrer Maschine eine Sternenglanz Luft/Luftrakete entspringen. Es wirkte fast träge, wie sich die Rakete von dem Flieger löste und sich auf den Weg zu ihrem Ziel machte.
Rot- Eins zerrte den Steuerknüppel nach hinten, maß die eigene Steigfähigkeit gegen die der Rakete.
Einen Kampf, denn er verlieren musste. Das Blut rauschte in Zerbstmarks Ohren, von den Rändern seines Gesichtsfeldes schlich sich das Schwarz einer Ohnmacht herein. Mehr Warnsignale, Atemnot, der eigene Körper im Kampf gegen die Gravitationskräfte.
Bevor er die Besinnung verlor ließ er die Maschine abschmieren, hieb auf den Auslöser der Täuschkörper und stürzte ins Bodenlose.
Die Rakete stieß durch die glühende Wolke der falschen Hitzeziele und jagte in entgegengesetzter Richtung an dem Kampfflugzeug vorbei.
Nur im weiten Bogen schwenkte das Geschoss wieder auf die Hitze des Ziels ein.
Auch Rot- Drei hatte einen weiten Bogen beschrieben, hatte sich der riskanten Gewaltsteigung nicht ausgesetzt. Von unten hielt sie jetzt auf ihr Opfer zu und ließ die Bordwaffen spucken. Die Garbe, aus Leuchtspur durchwirkten Maschinengewehrfeuer und Laserstrahlen ging weit vorbei. Der Major setzte seinerseits die eigne Bewaffnung ein und zeigte wer der Erfahrenere hier am Himmel war.
Während seine Schüsse die untere Tragfläche des heimtückischen Fliegers zerfetzten und diesen, wenn schon nicht vernichteten, so doch ins Taumeln brachten, stellte er Kontakt zum Leitstand her.
Rot- Eins an Leitstand. Angriff durch eigenes Staffelmitglied… Auf dem Staffelkanal hörte er bereits die elende Verräterin plappern.
Er hat ihn einfach abgeschossen. Er hat Leutnant Leiruth abgeschossen. Der Major ist verrückt geworden.
Das wurde also gespielt. Irgendeine Verräterei und dieses abstoßende Individuum versuchte zusätzliche Verwirrung zu stiften. Das würde er klarstellen, sobald er sie vom Antlitz dieser Welt gefegt hatte.
Die Maschine der Verräterin hatte sich wieder einigermaßen gefangen, wenn auch mit sichtlicher Schlagseite.
Der Major stürzte sich auf sie und schickte ihr seinerseits eine Rakete auf den Hals.
Das hieß er versuchte es, den der Druck auf denn Feuerknopf ließ lediglich eine Meldung über das Nichtfunktionieren der ersten Rakete in Rot erscheinen. Zerbstmark schaltete um auf den zweiten Träger, war dadurch aber schon an seinem Ziel vorbeigeschossen.
Dieses war der weil nicht untätig gewesen und setzte alles daran sich hinter Rot- Eins zu manövrieren. Dabei spuckte der Vogel der Verräterin einen steten Strom aus hochkalibrigen Maschinenkanonenprojektilen.
Vermutlich hatte sie so auch Leiruth erledigt. Ideal gegen Ziele die nicht wussten das sie Ziele waren, aber nichts für einen ausgeglichenen Luftkampf. Schon gar nicht, wenn einem eine von vier Tragflächen fehlte. Er ließ seine Hornisse um den Strom aus Geschossen herumkreisen, zog hoch und richtete sie im 90-Gradwinkel auf.
Die Stromlinienform des Fliegers war plötzlich nicht mehr wirksam und die gesamte Maschine hatte sich in eine einzige Bremsklappe verwandelt.
Der Major wurde ordentlich durchgewalkt. Hatte es bis dato ein Warnlicht und einen Signalton gegeben, welches und welcher noch nicht angesprungen war, jetzt war es soweit.
Aber es funktionierte.
Die Verräterin zog unter ihm hinweg, während er die Maschine wieder nach vorne fallen ließ.
Der “Sargdeckel” war nichts, was man auf der Flugakademie im Grundkurs beigebracht bekam. Jetzt war er buchstäblich am Drücker. Der Zielsucher hatte Mühe die wild taumelnde Hornisse zu fassen zu kriegen. Dann endlich schaltete er auf und mit einem Grinsen purer Genugtuung hob der Major den Finger über den Feuerknopf.
Bevor er ihn jedoch senken konnte traf die Sternenglanz, welche Rot-Drei auf ihn abgefeuert hatte, ihr Ziel.
Die Rakete hatte, gleich einem stumpfsinnigen aber treuen Hund, die abgesetzten Täuschkörper ebenso ignoriert, wie die Triebwerke der Passagiermaschine und die Sonne selbst. Sie hatte einen so harten Bogen beschrieben, wie es ihr Gasausstoß erlaubte und schwenkte, im Anbetracht dessen, dass man während dieses Luftkampfes in Sekunden und Millisekunden denken musste, gemütlich wieder auf ihr ursprüngliches Ziel ein. Im Cockpit von Rot- Eins blieb diese Annäherung nicht unbemerkt. Jedenfalls nicht von der Elektronik. Ein Warnton wurde immer eindringlicher, mit jedem Meter welchen die Rakete zurücklegte. Auch ein rot blinkendes Bild zeigte die Gefahr an.
Allein, der Major übersah es schlicht und einfach. Zu groß die Anzahl der Eindrücke, zu groß die Belastung des Körpers, zu groß der Wunsch den Verrat zu rächen.
Seine Ambitionen und seine Erfahrung fielen als brennender Komet in Richtung Meer.
Rot- Drei stabilisierte ihr angeschlagenes Flugzeug wieder, schloss zu der Passagiermaschine auf und setzte sich daneben.
Gemeinsam setzten sie den Flug in Richtung Gohmor fort.
Frau General, es kostete dem Adjutanten sichtliche Anstrengung sich dazu zu überwinden, die Offizierin zu stören.
Was haben Sie denn? Fragte diese betont beschwichtigend, um die ganze Sache nicht unnötig in die Länge zu ziehen und ihre kurze Pause nicht noch weiter zu beschneiden. Sie hatte angeordnet nur gestört zu werden, wenn es wirklich wichtig sei und sie konnte davon ausgehen, dass diese Anordnung nicht leichtfertig gebrochen wurde.
Mehrere Maschinen sind vom Radar verschwunden. Es… es gibt widersprüchliche Meldungen dazu, aber es scheint Kämpfe gegeben zu haben. Er wirkte verwirrt und bedrückt, als wäre es seine persönliche Schuld, dass die Meldung nicht aussagekräftiger war.
Die hochgewachsene Frau richtete sich in dem Bürostuhl auf, welchen sie nach hinten geklappt hatte, um zehn Minuten die Augen zu schließen. Kämpfe? Wovon reden sie Mann?
Werden wir angegriffen? Sie war auf den Beinen und zog ihre Uniform glatt. Mit einem Blick hatte sie erfasst, dass sie von dem Adjutanten keine klare Antwort kriegen würde und stiefelte an ihm vorbei, die Tür zum Kontrollraum brüsk aufstoßend.
Der Techpriester in seiner roten Robe und mit seinem unmenschlichen Metallgesicht wäre wohl für jeden anderen Fokuspunkt der Szenerie gewesen. Aber der Offizierin fiel allein das hier herrschende Chaos auf. Männer und Frauen sprachen aufgeregt in Mikrophone oder pressten die Hände gegen Kopfhörer um besser verstehen zu können.
Wie war das möglich? Sie hatte sich doch vor drei oder vier Minuten erst in das Büro zurückgezogen. Das auch nur, weil es gerade besonders ruhig gewesen war. Jetzt brodelte hier die Hölle auf mittelgroßer Flamme.
Lagebericht! Blaffte sie. Ihr Stellvertreter zuckte bei ihrer Stimme zusammen, wirkte aber gleichzeitig unendlich erleichtert, dass sie da war.
Frau General, wir haben den Kontakt zu drei Flugteams verloren. Zwei andere berichten, dass sie von den eigenen Kameraden angegriffen wurden und Gegenmaßnahmen ergreifen mussten. Berichte widersprechen sich. Es wurden mehrere große Luftfahrzeuge gemeldet, die die Flugverbotszone verletzen.
Haben sie die Bojenscanner zum Großraumtaster zugeschaltet?
Nein… ich dachte…
Dann tun Sie dies in Spetnianus Namen. Der Techpriester kam der Aufforderung nach, noch ehe sich der verwirrt wirkende Oberstleutnant genau daran erinnerte, um was genau es sich bei den Bojen handelte.
Die seegestützten Verstärker schäften das Bild der der Tastanlage, welche die weitmöglichsten Fläche auf der Seeseite der Makropole abdecken konnte. Der Techpriester legte die grünlich verwaschene Anzeige auf den Hauptbildschirm, auf welchem eben noch Daten über Flugzeuge, Routen und Treibstoffmeldungen geflackert waren. Mit jeder dazugeschalteten Boje wurde das Bild schärfer. Zeigte stilisierte Wolkenformationen, ein paar Schiffe und die eigenen Flugzeuge an.
Die Anwesenden zogen erschrocken die Luft ein.
Am Rand der Anzeige, dort wo die Flugsverbotszone begann, zeichnete sich eine Signatur in Form eines kleinen Pfeils ab.
Dann noch einer.
Ein dritter und ein vierter.
Fast zeitgleich verlosch ein Pfeil auf ihrer Seite. Einer der eigenen Jagdflugzeuge, die zum Schutz des Luftraumes gedacht waren.
Jemand fluchte.
Die Kiefermuskeln der Generalin malten, während ihre Augen hin und her huschten, um die Situation in Gänze zu erfassen.
Panik wallte in ihr auf. Sie ließ dieses Gefühl der Hilflosigkeit und Verzweiflung, des absoluten Bewusstseins, dass sie die falsche Frau am falschen Ort zur falschen Zeit war, genau vier Sekunden zu. So wie sie es stets tat.
Dann drückte sie alle Bedenken und Zweifel zur Seite.
Alle Reservestaffeln starten lassen. Auch die schweren Jägerverbände. Direkte Befehlsschaltung zu mir. Keine Zwischenleitstellen.
Informieren sie die Staffelführer, dass es Verräter in den eigenen Reihen geben könnte. Äußerstes Misstrauen gegen die eigenen Untergebenen. Dabei fiel ihr etwas ein und sie legte die Hand auf den Griff der eigenen Dienstwaffe an ihrer Hüfte.
Beordern sie die Luftschiffe zu einer Sperrpostion, rund um die Ratshalle. Bruder Amayi, ich bitte sie darum ihre Brüder und Schwestern an den Deflektorgeneratoren über die Situation zu informieren und zu äußerster Vorsicht anzuhalten.
Der Techpriester nickte knapp und verband sich mit einer der Konsolen. Flackbatterien an der Westseite in Bereitschaftszustand aktiv wechseln.
Gerlach und Heißner, sie sprach zwei Soldaten direkt an.
Beide kannte sie aus früheren Verwendungen. Die anderen Soldaten der Leitstelle waren ihr unbekannt, verlassen sie ihren Posten und holen sie sich jeder eine MPi- 01.3 aus dem Waffenschrank im Korridor. Sie werden sich hier drinnen positionieren und ein Auge auf ihre Kameraden haben. Die beiden Angesprochenen blickten sich besorgt an. Taten dann aber mit einem Jawohl Frau General. Wie ihnen geheißen.
Die hatte sich bereits an den Funktechniker zu ihrer Rechten gewandt. Geben Sie mir den Verbindungsoffizier in der Ratshalle.
Der eigentlich erste richtige Tag, bei dem man davon sprechen konnte, dass es sich um einen Tag der Beratung handelte, war seit etwa drei Stunden im Gange.
Es hatte auch wieder allerhand Begrüßungsfloskeln gegeben, welche jedoch weit weniger ausschweifend ausfielen als bei der gestrigen Eröffnung. Es ging um die Neureglung der Tributzahlung. Die zweit größte Wirtschaftsmacht des Planeten, namentlich die Truzt- Staaten, hatte den bereits seit Ewigkeiten schwelenden Streit mit Gohmor durch den Entschluss auf die Spitze getrieben, den eigenen Anteil am Tribut separat zu entrichten. Eine Provokation, welche schlussendlich zum Stellvertreterkrieg in Horning geführt hatte.
Der bewaffnete Konflikt war zwar seit über einem Jahr beigelegt, der Wirtschaftskrieg ging derweil unvermittelt weiter. Sanktionen und Alleingänge führten am Ende jedoch nur dazu, dass alle Beteiligten enorme Verluste machten.
Gewiss, die Tribute an das Imperium waren ohnehin ein nötiges Übel aus Ressourcen, die aus den eigenen Märkten entfernt wurden. Durch die separierte Abwicklung durch Truzt wurde der Aufwand jedoch signifikant erhöht. Dem Imperium war es egal wie eine Welt der Forderung intern nachkam. Hauptsache sie lieferte.
Das immerhin konnte Koron 3 von sich behaupten. Die föderale Art und Weise wie dies geschah war jedoch unnötig kompliziert. Es wurden also Ansichten und Meinungen zu diesem Sachverhalt dargelegt. Experten riefen Diagramme und mögliche Lösungsvorschläge auf. Einen besonders langen Redebeitrag steuerte der Botschafter aus Truzt bei. Darin wurde angedeutet, dass die Autonomiebestrebungen der Nation und ihrer Verbündeten durchaus auch damit zutun hatten, dass man als eine der größten Wirtschaftsmächte des Planeten, kaum genügend Stimmrecht hatte, um ein Gegengewicht, auch nur zu einem der kleinsten Adelshäuser, darzustellen. Das erzeugte Unmutsbekundungen durch Vertreter eben dieser Adelshäuser.
Ein ewiger Streit.
Dieser kleine Disput stellte darüber hinaus die einzige Abwechslung für all jene dar, die kein besonderes Interesse an Diagrammen, Tabellen und Hochrechnungen hatten.
Ansonsten langweilten sich all jene, deren Thema gerade nicht behandelt wurde. Nicht das jemand gewagt hätte sich angeregt mit dem Nachbarn zu unterhalten. Wer wollte schon derjenige sein, von dem sich ein hoher Hausvertreter gestört fühlte?
Also blieb nichts anderes als mit offenen Augen zu dösen und zu klatschen, wenn alle klatschten.
Man konnte sich die ausgefallenen Garderoben der Edlen und der Fremdweltler ansehen oder den Blick zu den hohen Fenstern schweifen lassen, wo zerfranste graue Wolken entlang zogen. Außerdem eine Staffel Hornissen, die aufs offene Meer hinaus strebten, gefolgt von zwei Lightnings, die eine Thunderbolt begleiteten.
Ansonsten blieb nur der Kampf gegen die Unerhörtheit, während des Adelsrates einzuschlafen.
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Guy war an der Küste entlang geflogen, nachdem er sich dem Festland in einem Bogen genähert hatte. Direkt von der Yacht aus auf die Stelle zuzufliegen, wo ganz weit oben die Ratshalle auf sie wartete, hatte er sich dann doch nicht getraut.
Seine Überzeugung, dass man ihr kleines Gefährt nicht sehen, beziehungsweise nicht für voll nehmen würde, wenn er sich nur nah genug an der Flanke der Stadt halten würde, war etwas ins Wanken geraten, je näher die Stunde ihres kleinen Ausflugs rückte.
Vermutlich war er ja nicht der einzige, der diese glorreiche Idee hatte. Bestimmt war jeder Paparazzi und Klatschreporter zu ähnlichen Erkenntnissen gekommen und ganz sicher auch die Sicherheitsverantwortlichen der Stadt.
Jetzt konnte er natürlich nicht mehr zurück. Die beiden Mädels hätten ihn kastriert. Wenn sie hochflogen und irgendwer hielt sie auf, dann war es ja nicht seine Schuld. Außerdem durfte man nicht vergessen, dass er ein Glückskind war. Ein Umstand, den sich Guy nur allzu deutlich ins Gedächtnis zurückgerufen hatte, als Annesta sich in das Leder des Copilotensitzes hatte fallen lassen. Dabei hatte sie etwas von ihrem Champagner auf das Knappe Oberteil schwappen lassen, was den ohnehin schon spärlichen Stoff durchsichtig hatte werden lassen.
Sie schimpfte wenig damenhaft, rieb und wrang an der Stelle herum, was Dies und Das in Bewegung brachte und den Stoff, wie auch Guys Konzentration auf eine Zerreißprobe stellte. Hinter Ihnen, auf der geräumigen Rückbank lümmelte Ophelia und zog eine Bahn "Staub" von der Lehne in die Nase. Sie ließ ein kleines Quietschen hören und lehnte sich dann, beide Zeigefinger an die Nasenwurzel drückend in die Polster zurück. Auch sie trug nichts, was viel Vorstellungskraft benötigte. Guy musste sich zwingen wieder nach vorn zu schauen.
Er hatte sich schnell mit den sehr simplen Kontrollen des Gleiters vertraut gemacht. Auf dem Boot sorgten zwei Servitoren dafür, dass er sie nicht ausversehen im Meer versenkte oder gegen die Seite der Makropole schmetterte. Er entschied, dass sie jetzt nah genug dran waren, um langsam mit dem Steigen zu beginnen. Er zog den Steuerknüppel leicht nach hinten. Die Vektorschubdüsen stellten sich waagerecht und trugen sie nach oben. Der Fuß der Makropole war ein vernarbtes Korallenriff aus Rost und dem verklumpten Dreck von Jahrhunderte.
An einigen Stellen gestatteten Löcher wie Wunden den Einlass für Schiffe aller Art.
Sie stiegen weiter und Schlote rasten an ihnen vorbei. Diese husteten Abgase aus den Tumorhaften Auswüchsen von Fabriken und Manufakturen. Abwasserfälle stürzten brackig in die Tiefe, Förderbänder erbrachen Müll und Schrott in den Abgrund.
Aus den Augen aus dem Sinn.
Die unebene Steilwand aus Anlagen aller Art, welche das Vergessen und der Zahn der Zeit längst zu einer homogenen Oberfläche hatte werden lassen, zog als sinnlose Abfolge von rostrot, schwarz und grau an ihnen vorbei.
Die Stadt isn Scheißhaufen. Bemerkte Ophelia mit schwerer Zunge von hinten.
Der Eindruck besserte sich jedoch, als sie die erste Wolken- und Abgasdecke durchstoßen hatten. Nicht das der Anblick so viel schöner wurde, aber es gab hier die Lichter von Wohnhabitaten, die sich an die Außenseite Gohmors klammerten wie Vogelnester an einer Klippe. Wälder aus Antennen und ab und an eine Landeplattform. Sie sahen auch ein wenig fliegenden Zivilverkehr, was Guy aufatmen ließ. Man hatte also kein vollkommenes Flugverbot ausgesprochen. Das beruhigte ihn ein wenig.
Sie waren jetzt auf 3000 Metern. Nicht so viel los wie normalerweise, aber ein bisschen was. Die eckigen Ausbuchtungen jener, die sich über Wohneinheiten mit Blick auf das Meer freuen konnten, waren zwar sauberer als die tieferen Ebenen, aber auch weit weniger spektakulär. Hier gab es noch einmal dann und wann gesonderte Speerbereiche, die nichts mit dem Adelsrat zutun hatten, aber nichtsdestotrotz beachtet werden wollten.
Außerdem rissen die Fallwinde jetzt ziemlich an dem kleinen Gleiter. Guy steuerte sie ein wenig mehr von der Steilfront der Stadt fort und stieg nicht mehr ganz so schnell. Etwas weiter nördlich lag der Zugang zu einer Kaserne der PVS. Darum wollte er nach Möglichkeit einen Bogen machen. Die beiden Frauen beschwerten sich nicht über das langsamere Vorankommen. Sie begafften die edlen Anwesen, die nach und nach in Sicht kamen. Aussichtsterrassen, gewaltige Glasfronten, durch die man auf Pools und kleine Parks sehen konnte. Immer wieder durchbrachen wuchtige, gotische Stilelemente dieses Wirrwarr verschiedenster Ausprägungen menschlicher Baukunst. Riesige Kreuzrippen, überdimensionale Bögen und Strebepfeiler einten den Ameisenhaufen als etwas, das von der gleichen Spezies erschaffen wurden war.
Ein weiteres Himmelszelt aus Wolken versperrte einen Blick in die Höhe, aber wacker tauchte der kleine Gleiter in der wattige Weiß ein. Guy ignorierte einen Signalton, der die Verletzung der Sperrzone verkündete. Tropfen klatschten gegen die Rundumkanzel des Gefährts. Doch als sie die substanzlose Landschaft durchstoßen hatten, wurden sie mit einem wahrlich königlichen Ausblick belohnt.
Kein Wunder, dass die Reichen und Schönen ihren Sitz in den Wolken nahmen. Konnte man den Göttern primitiver Religionen verwandter sein als hier? Die düsteren Attribute der Gotik, der drückenden Schwere alles Imperialen, verkehrte sich hier in Glorie und Herrlichkeit. Unterhalb der Wolkendecke, in den Gefilden der gebückt gehenden Arbeitermassen, sahen knochengesichtige Mahnungen an den Verfall auf den Heerwurm der Diener des Imperiums herab. Die leeren Augenhöhlen von Tränen aus Korrosion verätzt und pockennarbig. Hier oben richteten muskulöse Titanen aus versiegeltem Marmor goldene Speere gegen den Himmel oder stützen die überhängenden Prachtbauten der koronischen Eliten.
All das fasste Ophelia mit einem einfältigen und doch nicht unangemessenem Wow Alter! zusammen.
Die Szenerie hätte dazu getaugt in Öl gemalt zu werden. Unter ihnen das wattige Gebirge aus Wolken, mit dem bronzenem Rot der untergehenden Sonne bestrichen. Über ihnen eine weitere Wolkendecke. Glatt als betrachte man den sanft bewegten Meeresspiegel von unten herauf. Eine Seite dieses Panoramas nahm voll und ganz die blitzende Makropole ein. Verziert, vereist, glänzend. Ein Sinnbild menschlicher Allgewalt, immer weiter in die Höhe hinaufragend, sich auch in der nächsten Schicht Wolken verlierenden. Hinauf, hinauf bis zur Unendlichkeit der Sterne.
Sie schwiegen und staunten.
Die Ratshalle, deren überhängender Teil von titanischen L-Trägern gehalten wurde war nur das Kronjuwel. Man kannte als dies aus den Vids und aus der Zeitung, aber welch Unterschied es mit eigenen Augen zu sehen.
Selbst Guy, der sich stets als Weltgewandter gab, der alles schon mindestens einmal gesehen und erlebt hatte, musste mit Anstrengung den Mund geschlossen halten.
Sie passierten im langsamen Streben Richtung Ratshalle ein verglastes Rundbogenfenster von mehreren hundert Metern Höhe. Kein Sakralbau, sondern die Wohnstätte irgendeiner Dynastie, die vermutlich mehr Geld als Variation im Genpool hatte.
Das waren die wahren Glückskinder.
Ist das die Ratshalle? Wollte Annesta wissen. Unter anderen Umständen hätte er vielleicht herablassend geantwortet. “Nein das ist ein Fly-in für Groxburger” oder “Das ist die Zentrale wo sie Hirn gegen Titten tauschen.” Nun ja, Letzteres hätte er vielleicht auch so nicht laut gesagt, weil er zu dem Eingetauschten auch weiterhin Zugang haben wollte. Allemal brachte er jetzt nur ein abwesendes, Ja das ist sie. heraus.
Der Kopf von Ophelia erschien zwischen den Lehnen der Vordersitze.
Boah… die haben sogar Häuser die sich bewegen können hier oben. Sie sprach mit der lallend schweren Zunge ungeübter Staubkonsumenten.
Du bist drauf. Tat Annesta das Gerede ihrer Freundin ab.
Ne echt jetzt, guck da… Sie streckte den Arm plump nach vorn aus und deutete schräg nach oben.
Dort drehte sich tatsächlich etwas von der Größe eines kleinen Wohnblocks. Die Abendsonne fing sich in verschnörkelten Verzierungen. Auf der Seite der Konstruktion war das überdimensionale Bild eines muskulösen Heroen abgebildet, der mit einem Bogen schwarze Vögel vom Himmel schoss.
Vielleicht ein Kunstwerk, welches sich drehte, damit es die hiesigen Kunstkenner von allen Seiten… Es hatte Kanonen!
Das war kein Kunstwerk, das war eine riesige Flugabwehrstellung und sie schwenkte in ihre Richtung.
Es wäre nun vermutlich das Klügste gewesen, hätte er den Gleiter sinken und damit in die schützenden Wolken unter ihnen zurückfallen lassen. Das aber tat er nicht. Er trat auf das Pedal für den Vorwärtsschub und riss die U- förmige Mischung aus Steuerrad und Knüppel zu sich heran. Sie machten einen Satz nach oben. Das Vehikel vollführte ein Manöver, das dem eines gewissen Major Zerbstmark gar nicht unähnlich war, als dieser sich hinter seine letztendliche Mörderin buchsiert hatte.
Sie gewannen schnell an Höhe. Ophelia wurde durch die Fliehkräfte nach hinten gerissen, Annesta kreischte.
Guy versuchte die Wolkendecke zu erreichen und sich so vor den Geschützen zu verbergen. Es schien zu gelingen, als sie von grauen Schleiern umschlossen wurden, ohne dass Granaten links und rechts von ihnen zerplatzten und sie mit Schrabnellen überschütteten. Vielleicht hatte dieser blödsinnge Abwehrturm sich nur zufällig gedreht.
Die würden doch nicht mir sowas auf einen verirrten Zivilflieger ballern, oder?
Was sollte der Scheiß denn? Verlangte Annesta mit hoch rotem Kopf zu wissen. Scheiße Mann, ich hab mich geschnitten. Tatsächlich war das Champangjaglas in ihrer Hand zerbrochen und ein paar Blutstropfen kullerten über ihre langen weißen Finger, Richtung Handfläche.
Guy wollte gerade dazu ansetzen, ihr zu erklären, dass er durch seine Aktion vermutlich ihr aller Leben gerettet hatte und das jetzt Schluss mit diesem bescheuerten Ausflug sei. Er würde noch etwas höher steigen, im Schutz der Wolken ein Stück aufs Meer hinaus fliegen und dann zur Yacht zurückkehren. Sie hatten die Halle gesehen, das musste genügen. Wichtig war zu betonen, dass die Beiden ihm Dankbarkeit für ihr Leben schuldeten. Irgendetwas etwas blinkte auf der überschaubaren Anzeige der Pilotenkonsole. Guy rechnete mit der Höhenwarnung, aber nein. Ein paar hundert Meter waren da noch ohne Probleme drin.
Es war der Annäherungsalarm.
Ein stetig dringlicher werdendes Piepsen. Aber von wo? Die Antwort kam schneller als Guy das Display entziffern konnte.
Ein brennendes Stück von irgendetwas fiel vor ihnen in die Tiefe. Es überschlug sich wild und eine tintig schwarze Rauchfahne zeichnete den Weg in die Tiefe nach.
Annesta kreischte wieder und Guy war in dem Moment gewillt mit einzustimmen, als ihr Gleiter die obere Wolkendecke durchbrach.
Vor ihnen entspann sich ein Schlachtenbild sondergleichen. Eben noch war da die Erhabenheit der Makropole, plötzlich flogen sie in Mitten der Hölle. Ein lichterloh brennendes Passagierflugzeug stürzte an ihnen vorbei. Explosionen im Inneren des Rumpfes ließen es konvulsivisch zucken und beben, bevor es in einem Feuerball auseinander flog. Der Himmel füllte sich mit flüssigem Feuer. Durch dieses Inferno stieß eine Jagdmaschine, gefolgt von einer weiteren, welche Erstere mit einer schwingenden Peitsche aus Leuchtspurmunition und Laserfeuer verfolgte. Noch weitere Kampfflugzeuge waren zugegen und stießen wie ein Schwarm wütender Hornissen auf eine regelrechte Luftparade aus verschiedensten Verkehrs- und Transportflugzeugen zivilen Ursprungs. Diese hatten Beschuss natürlich nichts entgegenzusetzen und explodierten, zerbrachen oder trudelten brennend in Richtung Boden. Einige Flugzeuge schienen die Zivilisten zu verteidigen und sich gegen die eigenen Kameraden zu wenden.
Ein einziger Wahnsinn.
Guy riss an den Kontrollen des Gleiters, als könnte er die Maschine in irgendeiner sinnvollen Art durch dieses Chaos steuern.
Die Frauen schrien weiter.
Sie gerieten in den Strömungsabriss hinter einer großen Transportmaschine, der bereits zwei der sechs Triebwerke in Brand geschossen wurden waren. Der Gleiter fiel ins Bodenlose, fing sich und stieg jaulend wieder in die Höhe.
Guy wollte den Weg nach unten antreten, wieder unter die schützende Decke der Wolken gelangen, wie ein Kind, dass sich die Decke über den Kopf zog um die Existenz dessen zu verneinen, was es nicht sehen musste.
Dann entschied er sich jedoch um.
Vor ihnen türmte sich ein Berg aus Wolken auf. Eine spektakuläre Formation, die schwer mit einem Gewitter schwanger ging. Sie war nicht nur näher, sondern auch zu erreichen, ohne dass er das zerbrechliche Luftfahrzeug durch das Gemetzel unter sich steuern musste. Guy drückte den Schubhebel nach vorn und richtete die Nase auf den Wolkenberg aus. Eine Rakete zuckte an ihnen vorbei, wie ein Schwertstreich, schien sie aber nicht als würdiges Ziel zu erachten.
Sie würden es schaffen.
Das Glückskind würde es schaffen.
Und wahrhaftig tauchten sie in die verbergende Umarmung der Wolken ein. Etwas sehr Schwarzes, sehr Großes schob die Wolken direkt vor ihnen auseinander.
Es war eine Masse, der man unweigerlich absprechen musste, dass sie jemals befähigt sein konnte sich in die Luft zu erheben. So viel Stahl und Metall durfte einfach nicht fliegen können. Dennoch tat sie es und sie tat es schnell und zielstrebig. Schon füllte das Ding das gesamte Sichtfeld des kleinen Gleiters aus.
Die Insassen schrien jetzt alle drei.
Dann zerstob der das sündhaft teure Spielzeug des Großindustriellen Herman Herrenhausen an der gewölbten Front des Bulldock Truppentransporters. Kaum mehr als ein Käfer, der gegen die Windschutzscheibe klatschte.
Die Welt hatte ein Glückskind weniger.
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