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Mustafa vom Stamme der Achamiden erhob sich wie eine fleischliche Inkarnation jener Kreatur welcher aller Menschen kollektiven Panik entwachsen war, egal zu welcher Zeit, egal aus welchen kultischen Regionen sie stammten, wie sie erzogen worden waren, ob sie jemals auch nur Legenden oder Mären vernommen hatten… es war ein archaischer Urinstinkt. Die feuerspeiende Bestie, welche sich auf mächtigen, ledrigen Schwingen erhob um sich alles darniederliegende Erdenreich untertan zu machen. Ein unsterbliches Biest, größer, stärker und heimtückischer den alle anderen Kreaturen Die sonnengegerbten, granatapfelhäutigen Griffel hatten kaum mit den Spitzen den goldenen Stirnreif besudelt, da wich die vorgegebene Passivität aus den Gliedern der Hexe. Der perfekt ausgewogene goldene Schlangenzirkel lag federleicht auf ihren filigran anmutenden Fingerknöcheln, während sie durch ein anmutiges abwinkeln ihres rechten Beines einen geringen Spielraum zwischen sich und den Wüstenfürsten brachte, gerade mal breit genug um noch eine weitere Person dazwischen einfassen zu können. Übertölpelt verweigerte jener Nomade vorgeblich jegliches erübrigende Kommentar, während sich Melanies Hände in erhebender Pose, sakral gleich einem krönenden Kardinal über den Scheitel Mustafas erhoben.
“Und so wanderte des göttlichen Schöpfers eigener Schlangenleib über die äonenalten Gezeiten der hehren Gefilde. Ein goldener Zirkel, entrissen dem unsäglichen Flammenphönix nahe seines grausamen Herzens, geschmiedet der Essenz des unendlichen Lebens selbst, geformt durch den erhabenen Willen der einstmaligen Ahnen und mächtigen Gottkönige, erhöht durch die balsamierten Priester des einstmaligen Reiches. Dämonen neigen das gehörnte Haupt, Sterbliche erschaudern, während gewaltigen Nationen in den Staub sinken und vergessen werden und alles Leben gleich der Asche wird. Wir beschwören den veränderlichen Pfad herab, welcher jedem Menschen vorbestimmt durch die Irrwege und Verwünschungen des dunklen Pantheos… aus dem sechsten Hause der Dekadenz eingeführt in die Sieben Hallen unsterblichen Siechtums, hinweggeschritten über die Felder des achten Zirkels, dessen Flure mit vergorenem Blut besudelt wurden… und endlich aufgestiegen zu den neun Gestirnen, welche Verknüpfen alle Welten und Pfade… erhebet euch Mustafa…”, während sich der goldene Zirkel gleich der Tiara über des Mannes Haupt herab senkte, war ein kaum vernehmbares mechanisches Spannen erklungen. In exakt jenem Moment da sich die Kanten über seine Schädeldecke legten, schien sich der ausgeklügelte Mechanismus selbst zu beleben. Unterhalb des reliefbesetzten Bandes, krallten sich fingerlange, bronzene Spangen durch die Kopfhaut. Euphorisch versiegelten sich sieben scharfe Klingen rund um den Basisknochen, bohrten an den empfindliche Stellen regelrecht durch die kalkhaltige Substanz, während ob des darauf lastenden Drucks aus ungezählten Poren und Schnitten brodelnde Lebenssäfte stürzten. Zwei der besonders markant bearbeiteten “Krallen” schienen sich gleich Rabenschnäbeln durch den Glaskörper seiner Augäpfel zu fressen. Unweigerlich jaulte der ausgewachsene, stämmige Wüstenkrieger auf, während sich das Gewinde unaufhaltsam weiter abspulte und somit beständig tiefer in seinen Gedankenkasten eindrang, Ohne sich seines aufbäumenden Selbsts zu kümmern, stieß sie den selbstgefälligen Emporkömmling von den obsidianen Stufen zurück, gerade das sein durch Schmerzen gebeugter Leib auf den geäderten Kacheln aufschlug und reichlich seines heiligsten Elixieres darüber verteilt wurde. Noch wallte ein vorsichtiger, erstickender Rest seiner Persönlichkeit unterhalb der zerfetzten Visage, schwand allerdings mit jedem verstreichendem Atemzug zunehmends dahin. Spastische, abgehackte Zuckungen durchliefen schaudernd seinen erschlafenden Leichnam, ein letztes, grausames Klicken, metallisch, durch die nächtlichen Hallen widerheulend gleich einen infernalischen Dämonenkind, während sich seine Schädeldecke durch die bezeichnenden sieben Brüche vom darunter liegenden Leib ablöste und mitsamt der vermeintlichen Drachenkrone kreiselnd vor den staubigen Füßen seiner Gefolgschaft zum Erliegen kam.
“Besiegelt scheint mir der Pakt, Mustafa von Achamid…”, verächtlichen Herrscherblickes würdigte sie selbst den regungslosen Leichnam noch herab, während entlang ihrer schmalen Taille überdimensionierte fleischige “Maden” herab glitten und sich scheints an dem frischgeschlachtetem Leichnam gütlich taten, “… erhebet euch zu neuem unheiligen Leben, Sohn der Wüste…”, umso erstaunlicher erschien es jedoch, das dieser “skalpierte” Kadaver sich tatsächlich unter ihrem Befehl zu erheben schien, “… ihr da Waffenknechte, verschwört mir eure verlorenen Seelen, oder ich entreiße sie höchstselbst euren gequälten Leibern, nachdem ich mich daran gütlich getan habe und selbst eure Kadaver noch für eure Ahnen schänden mag!”
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Die Situation explodierte förmlich als Stühle beim Aufspringen umfielen, Tonkrüge auf dem Boden zerschellten und sich Stimmen in einem Gemisch aus Empörung, Entsetzen und Unglauben erhoben. Man hätte den Wüstenreitern wohl ihre Gewehre abgenommen, doch sie Dolche und Säbel zu berauben hätte geheißen sie nackt zu machen und ihre Ehre tödlich verletzt. So legten sich nun bebende Finger um geschnitzte Griffe. Dies veranlasste nun wiederum die Rasankuri aus den Schatten zu treten wie von diesen Geboren. Gewehrläufe zeigten drohend auf die Delegation, doch trotz ihres pflichterfüllten Eifers lauerte das Entsetzen auch unter der Oberfläche ihres Blickes. Sie waren Krieger und der Schrecken der blutigen Marsfelder war ihnen keineswegs fremd. Auch den Zorn ihres Fürsten kannten sie wohl, seine Gier nach dem Kampf und die unmenschliche Freude seine Feinde zu zermalmen. Sie jedoch hielt eine neue Qualität von Grauen für sie bereit. Eines welches die Kempen wünschen ließ lieber einem tödlichen Gegner entgegen zu eilen, als den unberechenbaren Taten und Launen einer solchen Gebieterin ausgesetzt zu sein. Zorn und generelle Umbarmherzigkeit ließ sich ertragen und vor allem, im gewissen Maße vorhersehen. Ihr Wahnsinn, ob von den Göttern inspiriert oder nicht, war ein ständiges Damoklesschwert über den Köpfen aller.
Im dem entstandene Tumult waren die auftafelnden Diener die Stätte baldigen Schlachtens geflohen. Selbst der bucklige Heermeister hatte sich hinter das bildhauerische Meisterwerk des Drachenthrones geduckt.
Zwei Ruhepole gab es in diesem Gemäldes gewaltverheißender Betriebsamkeit. Zum einen Melanie, die stolz und unnahbar schön das Treiben beobachtete wie das geschickt inszenierte Schauspiel, welches es wohl auch war. Der zweite war ein Beduine aus der aufgebrachten Delegation. Entgegen seiner Begleiter war er jedoch vollkommen ruhig. Ein wuchtiger Krieger, stämmiger als es bei den stadtlosen Völkern üblich war. Trotz des entbehrungsreichen Lebens, das sich tief in seine vorzeitig gealterten Züge gegraben hatte, blickten die Augen wach und intelligent. Einige lange Sekunden, während aufgebrachtes Rufen die jeweils andere Seite zum ersten Schritt aufforderte, sah er die Hoheprieserin an. Nicht mit der viehischen Lust Mustafas, sondern wie ein Mann in dessen Geist sich eine Wahrheit formte und den Schleier veralteter Ansichten und unnütz gewordenen Wissens beiseite wischte.
Endlich machte er einen entschlossenen Schritt aus der Gruppe der Seinigen und auf den Thron zu.
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Meine Herrin! Sein dröhnender Bass ließ Ruhe einkehren und sorgte gleichsam dafür das alle Mündungen ihn anstarrten.
Ich bin Antar Achamid, den man den Tapferen nennt. Als Halbbruder Mustafas steht mir nach sein… er scheute sich Tod zu sagen, da ja der Körper des Bruders noch aufrecht vor ihm stand, … seiner Bestrafung, bin ich das Oberhaupt der Sippe der Achamid. Mustafa war ein Narr, der nicht sah was ich sehe. Die Zeiten haben sich gewendet. Die einstigen Werte sind nicht länger von Belang. Eine neue Epoche hebt an. Er, Antar deutete auf den lebenden Leichnam, hat es nicht verstanden und welche Bestrafung auch immer ihr ihm habt angedeihen lassen, ich bin sicher er hat die Hölle verdient in die ihr ihn schicktet. Er sank demonstrativ auf die Knie.
Wir aber wollen nicht so töricht sein und unser Leben in Verblendung aushauchen. Zögernd folgten die anderen Beduinen seinem Beispiel und beugten das Knie vor der zierlichen Frau.
Die Sippe der Achamid geht den Packt mit euch ein, Hohepriesterin. Es war wohl zu bemerkten das der Krieger sich nicht etwa dem Schwarzen Drachen verschrieb, oder Kogan als seine Reinkarnation. Das mochte man abtun, schließlich hatte sie auseinandergesetzt das der Drache mehr war als ein Mann oder eine Idee. Dennoch hatten die neun Dünenreiter nicht derartige, philosophischen Spitzfindigkeiten im Sinn. In diesem Augenblick der Unterwerfung war sie es, der sie sich ergaben.
Unsere Seelen für euch, Gebieterin. Unser Leben zu eurer Verfügung!
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Demutsvoll gebeugter Knie, gleich uralter Steinmonolithen, geboren aus formlosem, kargen Gestein, getauft durch verflossenen Schweiß und manchen entbehrten Blutstropfen. Wie eine einzelne leibhaftige Stirn waren deren tuchdrapierte Schädel geneigt, Vertreter ungezählter Völkerschaften, neun. Neun! Die ungerade Zahl, die höchste aller Ziffern, mancher Mythologie gemäß gar die beschränkte Anzahl empfindlicher Welten. Und jene Neun war ebenso verflochten mit einer einzelnen Entität. Mochte man dies gar als unterschwelliges Omen erahnen? Zunächst pathetisch, jedoch zunehmends kindlicher lächelnd, verschleierte sie vorgehaltener Hand, Mittelfinger an Oberlippe gepresst, die nadelspitzen Reißer angesichts der bangen Kriegsknechte, ehedem sie sich rückwärtsfallend in den nachtmahrischen Schoß des herrschaftlichen Balkens zurückbegab, die Beine in groteskem Schneidersitz unterschlagend, so das allein die abstehenden Absätze wie grimmige Spieße jeglichem Mann entgegenstarren mochten.
“Tapfer, wacker… Knacker, Racker… Worte… nicht mehr denn Worte. Werte, Zeiten, Gezeiten und Fluten, Ebbe und Dürre. Medaillen und Hallen, angefüllt mit purpurroten Fittichen, gemauert aus jaspisblauen Magensteinen und umrahmt durch ausgerupfte Augenlider… Worte, Worte, nichts als Worte. Achamiden, Androiden und Appetiten. Hm, was meint ihr, mein Guter? Seelen und Leben… jaja, verstrickte Terme, Konditionen welche es zu befolgen gilt, schriftlich, wörtlich, tätlich. Wie viele seit ihr? Hundert? Zweihundert? Pumpernickelundtripzig? Nicht gut, gar nicht gut. Mehr, nein weniger. Oder doch… mehr. Schade eigentlich, mir wären weniger recht gewesen. Aber wieso? Nun… weniger bedeutet weniger… aber mehr bedeutet auch mehr Spaß. Freude. Qual… nun… immerhin, wie soll man schon spaß haben, wenn keiner leidet oder Qualen erfährt? Antar, der Gebeugte. Hä, hä, Messer im Schatten, Dolche im Fleisch, Stricke am Balken, Schnüre am Hals. Meuchler und Verräter seit ihr mir, allesamt, keiner aufrechten Treue verschrieben und keines loyalen Ansinnens empfänglich. Nun steht ihr vor mir und beugt artig das Knie, woanders steht ihr hinter mir, den Dolchschaft zwischen den Gliedern und zustechend… ihr müsst wissen, wir sind nicht allein, nein, nein, ganz und gar nicht. Seht ihr, es ist wie ein aufgetafeltes Spielchen… mit siebenhundertsiebenundsiebzig Ebenen, oder waren es achtundsiebzig? Nein, sechsundsiebzig! Ist ja auch egal… der hiesige Antar ist also mal…. Bauernknecht, mal Krieger, mal Söldner, mal Soldat, mal Minenarbeiter, Priester oder Geschäftsmann… doch hier… in dieser Scheinrealität ja, da seit ihr leibhaftig Antar, der gebeugte Krieger. Achamid zerfällt… jeder eurer Atemzüge gleicht einer grassierenden Pestseuche, zusehends verfallen eure Werte, eure Überzeugungen, euer Erbe, eure Kultur, eure Sprache… alles. Und was übrig bleibt, Asche, Staub und Knochenmehl, bleibt weniger denn die Quintessenz, eine herab gerissene Struktur, bar jeglicher konventionellen Ästhetik oder humanistischer Begründung. Hedonismus, Sadismus, Masochismus… spürt sie, empfindet sie innerlichst, genießt sie. Welten, Äonen der Zeit, Unisversen und Galaxien… Dreh und Angelpunkt einer absoluten Relation, Empfindung ist Existenz, Gedanke ist Tat. Ihr denkt, also sind sie. Ihr fühlt, also fressen sie. Ihr seid, also… also… nun… können wir unsterblich sein. Gewiss. Und was war es noch, das ihr hier genau wolltet?”, der fragwürdige Blick, welchem Melanie den Kriegern dabei zuwarf, schien sie irgendwie nicht minder zu verunsichern.
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Verwundert, nein verwirrt, ließen die Männer Blicke hin und her gleiten. Zueinander, doch auch zu den rasankurischen Soldaten, die sich langsam wieder in ihre finsteren Nischen zurückzogen. Freilich wagten sie es nicht ihre demütige Haltung aufzugeben und ein jeder hoffte wohl das ihr neuer Anführer die richtigen Worte finden würde. Dieser benetzte die Lippen und ließ die Augen ebenfalls zu ihr, seinen Männern und den Rasankrui huschen. Letztere schienen weniger darauf erpicht dienstbeflissen wieder in ihren Alkoven Stellung zu beziehen, als denn vor ihrer Aufmerksamkeit zu entfliehen. Was sie nicht sah vermochte sie auch nicht als treffliches Spielzeug für sich zu entdecken. So jedenfalls die gehegte Hoffnung. Das hatte freilich zum Ergebnis, dass der unglückliche Antar völlig opponiert in der fokussierten Aufmerksamkeit seiner neuen Herrin verblieb. Sie nannten ihn den Tapferen und das nicht ohne Grund. Er hatte gegen Sandteufel gestritten und war unbeirrt durch den dichtesten Laserstrahlregen geritten. Mit sechzehn Jahren war er in einen Hinterhalt von Sonnendienern geraten und ihm allein war es zu verdanken gewesen das ein Großteil der Karawane entkommen konnte. Nun wünschte er jedoch er könne diesen Ort verlassen, ihm wäre es sogar recht gewesen wieder gegen einen dieser alten Feinde ins Feld ziehen zu können. Unweigerlich fragte sich Antar ob seine Furcht natürlichen Ursprungs war. Immerhin sagte man Rasankur nach das es dem Grauen seit je her eine Heimat war. Wie es auch sein mochte, er wusste nur das er nicht wie Mustafa enden wollte. Gefangen in einem Leben das keines war.
Nun Herrin... nun wir sind etwa Hundert an der Zahl. Versuchte er auf einen Satzfetzen zu reagieren den er aufgeschnappt hatte und verstanden glaubte. Nicht wissend ob die Frage wirklich eine Frage war und an ihn gerichtet.
Was unser Begehr betrifft, so war es das Bestreben des törichten Mustafa euch hinters Licht zu führen und sich euer Wohlwollen, wenn nicht gar ganz Rasankur zu erschleichen. Uns aber ist es Lohn genug unser Leben und unsere Waffen in eure Dienst zu stellen.
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“Weswegen erschaudert eure lebensschwere Seele in meinem Angesicht, Antar? Ihr unterdrückt es wohlweislich, versteckt euch schützend hinter euren oberflächlichen Empfindungen und möglicherweise lange zurückliegenden Erfahrungen. Doch, nein, dies gelingt euch nicht gänzlich, nein, Antar, nicht der pestilente Gestank der aufrechten Tapferkeit, keine goldene Glorie ist es, welche euch umgibt. Summende Fliegenschwärme, beschworen durch eure schweißnassen Röcke, verzückte Aasfresser, angelockt durch euren unsäglichen Angstgestank… Es klebt an euch, Panik oder Furcht? Wonach sehnst du dich am meisten, Antar? Nach wahrhaftiger Freiheit? Nach endgültiger, immerwährender Herrschaft? Nach einem unbekümmerten, erfüllten Leben? Nach moralloser Unsterblichkeit, wissend darum das die dämonischen Götzen niemals Hand an dich legen werden? Erzähl mir aus deinen nächtlichen Träumen, nun da du mir Klinge und Fleisch verschworen hast, erzähl mir davon. Was fühlst du, was sinnierst du, welcher finstere Moloch belastet dein schlagendes Herz im Busen? Kommt näher, näher heran… kniet euch hier zu meinen Füßen, Antar, und erzählt mir davon… von allem… euren einstigen Ländereien, euren durchlebten Schlachten, euren Ahnherren und euren Stammeskriegern, aber auch von den kleinen Klans… Ja, vergesst nichts davon… vergesst ja nichts davon.”, nachdenklich drehte sie sich die über ihren Nasenrücken herabhängenden Strähnen um den eingehüllten Zeigefinger, während sie mit den Stiefeln wippend aufmerksam jegliche minimalistische Windung der goldenen Linien verfolgte, “Ras-an-Kur… Ras-an-Kur… Ras-an-Kur… kalt… so kalt sind mir diese verwaisten Kammern… nur schleichende Schatten, keine Gesichter, nur grimassenreißende Maskenfratzen… so kalt… verlassen… unbarmherzig… Findet ihr mich hübsch, Antar?”
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Zu behaupten dem Krieger wäre wohler, nun da sie etwas rationaler zu werden schien, wäre einer glatten Lüge gleichgekommen. Dennoch erhob er sich demütig um ihrer Aufforderung nach zu kommen und seinen Sitz zu ihren Füßen einzunehmen. Ein groteskes Bild. Der Krieger, angehörig des so stolzen Reitervolkes, in demütiger Bittstellerpose vor ihr erniedrigt Die letzte Frage ließ wieder Schweißperlen auf seiner Stirn entstehen. Auf der einen Seite war es natürlich töricht ihr vor den Kopf zu stoßen. Auf der anderen hatte er, trotz der Situation, die Geschichten über den Fürsten nicht vergessen. Er sollte einen Gelehrten erschossen haben weil dieser zu einem Widerwort ansetzte und selbstverständlich war auch er an den Reihen derer vorbeigekommen, die den Pfahl ritten. Wenn er begann der Komplimente zu machen, die dem Hörensagen nach das Lager mit dem Drachen teilte, dann könnte sich das überaus negativ auf seinen weiteren Lebensweg auswirken.
Meine Gebieterin, ich bin ein einfacher Mann. Wie könnte ich es mir anmaßen eure Schönheit zu beurteilen? Die Göttlichen seien der Göttlichen Richter, heißt es. Ich wende meinen Blick in Demut ab und kann den Geistern nur danken in eurem Glanz gewandelt zu sein. Er wünschte sich inständig diesen verfluchten Ort niemals betreten zu haben.
Wenn es euch nach Zerstreuung gelüstet, so will ich gern die Geschichten meines Volkes vortragen. Zwar bin ich kein Schamane, der das Wissen der Unsrigen bewahrt, dennoch kenne ich viele der Legenden. Sagt was ihr zu erfahren verlangt und ich werde berichten...
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“Natürlich… natürlich würde es mir die schweren Gedanken zerstreuen. Die nagende Einsamkeit beschwichtigen. Ja, mir abermals Freude gewähren, wo da nur leere Versprechen und qualvoller Verfall sind…”, blitzschnell gleich dem tödlichen Kuss einer Viper, versetzte sie dem knienden Krieger einen wütenden Streich mit einem vormals wohl verborgenen Fächer, drei blutige Narben zerfetzten seine rechte Wange regelrecht, während seine belebenden Essenzen verbrühend auf dem Marmorflur zischten, “Wie kannst du es nur wagen?”, keifend offerierte sie dem ungeschickte hockenden Wüstensohn eine ganze Reihe widerlich spitzer Zähne, “Wer hat dir erlaubt zu sprechen, elender Hund! Beug gefälligst das Knie vor mir, wie es sich geziemt, oder ich werde deine wertlose Haut abziehen und dich damit strangulieren lassen!”, der vormals kindlich unschuldige Glanz welcher in ihren nun beständig wechselten Pupillen gehaust hatte, war wie im tobenden Sturm verflogen, während sie sich seelenkreischend erhob, klagevoll dem Mann die nachtschwarzen Sohlen ins Genick stemmend und ihn somit die Stirne auf die nackten Stufen pressend, während sie herrisch darüber schwebte und mit dem Fächer seine geordneten Tuniken in winzige Fetzen zerhackte, “Du sprichst wenn ich es dir erlaube! Wen kümmert dein Volk? Es wird ausgelöscht, vernichtet, aufgerieben… nichts verweilt! NICHTS! Beug dich! Huldige mir!”, forderte sie zähnefletschend, die grausam gezackten Fächerklingen drohend über seinen Nacken erhoben.
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Für den Bruchteil einer Sekunde war er davor gewesen aufzubegehen. Sie war vollkommen wahnsinnig, ein blutgieriges Biest das soviel Spaß am Morden und Verletzen hatte wie das Scheusal dem sie sich hingab. Er hätte nur aufspringen müssen und ihr den Hals wie einen Zweig brechen können. Sicher die Kugeln der Wachen hätten ihn in Stücke gerissen, doch was machte es? Lieber mannhaft den Tod empfangen und die Welt von dieser Hexe befreien als sich vor ihr winden wie ein Wurm. Was brachte es überhaupt ihr zu dienen? Er verriet seine Sippe, seine Prinzipien, Privilegien und endete letztlich doch wie Mustafa. Warum also tat er es nicht?
Es war Furcht! Eiskalte und ebenso brennende Furcht. Er redete sich ein das es die schmerzenden Schnitte waren, so plötzlich und unerwartet erfolgt das sie ihn gänzlich aus dem Konzept gebracht hatten. Aber so war es nicht. Es war auch nicht sie vor der er Angst empfand, nicht im eigentlichen Sinne. Es war alles! Dieser Ort und all das was damit zusammenhing. Sich zu erheben und gegen sie aufzubegehren war ein Ding der Unmöglichkeit. Nicht ihr Fuß lastete auf seinem Leib, sondern das Gewicht Rasankurs. Die dumpfen zwei Jahrhunderte brütender Bösartigkeit, die Jahrtausende vorangegangenen Schlachtens, Leidens und unsägliche Verbrechen gegen das Menschsein. Nein, niemals hätte er sich erheben können denn all dies drückte seine Seele zu Boden.
Flach lag er also auf dem kalten Gestein und sein Blut bildete eine Pfütze neben ihm.
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Antar lag wie ein niedergestrecktes Beutetier, sein verlängerter Rücken ließ deutlich die einzelnen Wirbelfragmente seines Rückgrades erkennen, welche sich wie winzige organische Inseln aus dem Zwischenstromland verrinnenden Blutes erhoben. Sein dunkelbraunes Haupthaar zerzaust verstreut über jene fürsorgliche Stufe, welche Pöbel von göttlicher Fürstlichkeit trennen mochte, seine durch lange Ritte, wilde Schlachten und die unabwendbare Grausamkeit der Sonne gezeichneten Pranken offen, ausgestreckt. Sein dampfendweiß ausgestoßener Atem kringelte sich zu ihren lackschwarzen Stiefeln, während sie mit ungerührter Hand seinen Nacken überspannte, seinen sehnigen Hals anhob und über die krallenartigen Sockel des Thrones starren ließ.
“Dies ist der Götterthron, welchem du die ewige Treue geschworen hast, Antar. Du bist gesegnet, von den dämonischen Entitäten erwählt, trägst das Mal des Ungeordneten an deiner Stirnfront. Wir sind alle lediglich verschobene Schachfiguren, Bauern, Bauern, Bauern…”, während sie ihrem ungehinderten Redefluss so erklingen ließ, sank sie mit einem Knie in die selbige Kehle des Recken, zerrte ihn in eine aufgerichtete Lage, während ihre linke Hand über seinen nackten Brustkorb strich, mit der rechten seine Kehle haltend, “Ras-an-Kur… brennt sich in deinen Verstand… zerfrisst alles was dich ausmacht… verwandelt dich in eine tönerne Maske… ein ausdrucksloses Gesicht, bar der notwendigen Emotion Mensch zu sein… sieh es dir an, den Thron, die tragenden Säulen, die Kinder der Schatten, die Kinder des bronzenen Gesichts, die Dämonen in unseren Seelen… Der Drachen erwacht und mit ihm geht der Wandel einher, welcher Wüsten, Länder, Nationen, Staaten und Kontinente verschlingen mag, allein sein verschlingender Rachen sei nicht gestopft…”, in einem verdrießlichen Atemzug spannte sie einen stählernen “Riemen” um seinen entblößten Hals und verschloss eine metallische Spange in seinem Nacken, einrastend verschloss sich das komplexe Gewinde, während sie ihm scheinbar einen flüchtige Kuss gewährte, welcher sichtlich seine Nackenborsten empor stehen ließ, rasselnd zog sich eine makellos gefertigte Silberkette durch einen dafür vorgesehenen Ring kehlseitig, “Aber ihr… ihr seid nun allesamt meine Spielsachen, meine loyalen Diener, meine Auserwählten aus all dem Schlamm und Morast, welcher die Drachengrotte umgibt… nein, Antar, du wirst nicht eine geistlose Bestie sein wie Mustafa… aber dein Schicksal, sei ebenso wenig durch weltliche Geschicke gelenkt… deine Stammesgenossen…. Auch sie werden dieses Band tragen, es trägt mein Wappen, meinen Schwur an diese nichtige Existenz… ihr werdet für mich die aufspießende Hellebarde führen, die gekrümmten Mondsicheln schwingen und die Sensenketten in die reichhaltigen kaiserlichen Herden kreiseln… und ich werde euch entlohnen… Entlohnen wie ihr niemals träumtet entlohnt zu werden…”, während ihre nachhallende Stimme im schwach beleuchteten Saal verging, erfuhren seine Weggefährten eine ähnliche “Ankettung” durch vier etwa gleichaltrige Mädchen, welche dann heran schreitend die anderen Kettenglieder ebenso in ihre Hände legten, “Neun unabhängige Glieder, geknechtet an eine einzelne Hand… verwoben durch das Schicksal, unempfänglich ihrer eigenen Freiheit, dennoch, freier denn manch anderer Narr dieser Welt… Eure Sippe, Antar, nun meine Sippe, meine Jünger…”, provokant zerrte sie an jenen Gliedern welche Antar an sie banden, berührte flüchtiger Lippen dessen aufgerissene Wangen, unmittelbar schien ihre warme Zunge darüber zu gleiten, “… Ich bin weder die Inkarnation unaufhaltsamer Kraft noch vermag ich euch zu entlohnen wie es mein Fürst, der schwarze Drachen vermag, doch… mein ist die mütterliche Liebe, welche ihn bettet in ein nächtlich wogendes Meer und eine lindernde Nacht… und mein ist der blindwütige Zorn, welcher diese schwächliche Zivilisation in ihren Grundfesten erzittern lassen soll… und mein ist die Grausamkeit, welche verzückt und vernichtet, beschwichtigt und entbrennt, verzehrt und heilt. Tod und Leben, sind Kehrseiten eines einzigen Siegels… meines Siegels. Nun folgt mir, meine Jünger, ich will euch die Rüstkammer anweisen…”
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Was fühlte er? War es Scham, Zorn oder gar Lust am Fremdartigen? Es hätte wohl etwas Derartiges sein sollen, doch da war nicht. Er war leer, als wäre jede Gefühlsregung mit seinem Blut aus ihm herausgeflossen. Es kümmerte ihn nicht was mit seiner Sippe geschah, er drehte nichteinmal den Kopf zu den rasselnden Ketten hinter sich. Mit leerem Blick folgte er der kleinsten Regung ihrer Hand, durch das eisernen Band der Knechtschaft an ihn weitergegeben. Dieses namenlose Grauen... es war so wie sie es beschrieben hatte. Es zerquetschte das Ich, es machte stolze Wüstensöhne zu metallgesichtigen Kriegsdämonen und es machte selbst aus den Toten noch Sklaven. War da ihr Angebot nicht ein gnädiges? Wahnsinn und Pein, was galt das in dieser Stadt? Wohl nicht Anzeichen des Verfalles, sondern vielmehr des Lebens und damit nicht das Ende, sondern ein Neubeginn. Was unter der Maske aus zugefügtem Schmerz und vermeidlicher Grausamkeit verborgen lag war vielleicht Gnade und tatsächlich Liebe. Was hatte sie denn getan? Sie ihn ihr Haus gelassen und bewirtet, ganz wie es das Gastrecht verlangte. Grund hatte nicht bestanden, war der Herr der hohen Halle doch nichteinmal zugegen. Dennoch hatte sie auftafeln lassen wie für Edelmänner. Wie hatte es die Sippe gedankt? Mustafa griff nach der Krone und hatte vermutlich noch mehr im Sinn. Sie hatte ihn getötet, ganz wie es ihr Recht gewesen war. Doch war der tödliche Befehl für sie alle an die Soldaten der Unterwelt ergangen? Nein! Nachsichtig wie ein Mutter hatte sie den Geschwistern die Dummheit eines Einzelnen nachgesehen. Hätte der Gepanzerte es getan? Wohl nicht! Nach dem was man redete hätte er sie alle töten lassen oder es aus der Wut heraus selber getan. Die Priesterin aber war milde gegen sie. Die drei blutigen Kerben im Fleisch seiner Wange waren alles gewesen. Die tadelnde Ohrfeige gegen einen unartigen Knaben. Sanfte Mahnung, mehr nicht.
Und als das Grauen ihn zu erdrücken drohte, als das nach ihm griff was er als den eigentlichen, schwarzen Drachen zu erkennen geglaubt hatte, war sie schützend für ihn eingetreten. Mütterliche Liebe, ja das war es wirklich, so fühlte es sich an. Es fühlte sich richtig an. Da war es doch die mindeste Aufgabe eines guten Sohnes für seine Mutter da zu sein. Ihr jeden Wunsch sogleich zu erfüllen, Schaden von ihr abzuwenden.
Diese Gedanken glommen für Antar auf wie ein Streichholz in der finstersten Nacht. Er begann dem Licht zu folgen und gestattete ihm Einlass in sein Denken. Womöglich erfuhr sein Geist das allererste Mal eine Erleuchtung nach Jahren des Stumpfsinns Die alten Lieder erzählten von einer Zeit der Erneuerung, in der sich Rasankur aus dem Staub der Vergangenheit erhob. Es hatte sich erhoben und sie hatte verkündet das sie seine Sippe, sein Volk und die alten Legenden auslöschen würde. Natürlich würde sie das! Die neue Epoche war angebrochen und er würde es miterleben. Als der treueste Gefolgsmann den sie sich wünschen konnte. Verlangte ein Blick ihrer grünen Augen zu töten, so würde er töten. Verlangten sie zu sterben, es sollte geschehen.
Ein Ausdruck der Verzückung stahl sich in die Pupillen des Wüstenreiters. Nicht die oberflächliche Verblendung wie sie in den Augen des ersticken Kultisten zusehen gewesen war. Diese falsche Form des Glauben, der Menschen zwar den Tod empfangenen lies, die wirkliche Erleuchtung aber vorenthielt.
Bei Antar erhobt eben solch elementare Erleuchtung ihr Haupt. Nicht schlagartig, sondern mit jeder Stufe die er Melanie in die Tiefe folgte. Schritt für Schritt.
Das er dabei fiel und taumelte, teilweise auf allen Vieren kroch wie ein Tier, bemerkte er nicht.
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