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Hieronymus geschulter Blick entging keineswegs den Hauch von Überraschung im Gesicht seines Gegenübers. Er hatte den Adeligen also mit seinem Angebot überrumpeln können, was ihm sicher von Nutzen war. Auch interessant war die Erwähnung einer über handfeste Fakten hinausgehende Sicht in die Zukunft. In der Inquisition hatte Hieronymus eine Grundlegende Ausbildung im Erkennen und Umgan mit Psionikern erhalten, und eine prophetische Gabe war ein indiz für eine solche Begabung. Mit der Zeit würde es der ehemalige Interogator schon herausfinden.
Dem herbeizitierten Diener bat er ihm ein ein Glas Quellwasser zu bringen, für die Verhandlung mit Tarain brauchte er einen klaren Kopf.
Danach beantwortete er die Frage Tarians.
Aufgrund meines Berufes verfüge ich über eine hervorragende Menschenkenntniss. Sie werden verstehen, dass ich mir innerhalb weniger Tage ein grobes Bild von Keszler machen konnte. Und dieses bild gefällt mir nicht. Für meinen Geschmack ist er zu tief in den starren Traditionen des Hauses verwickelt, als dass er wahre Macht auf Koron erlangen könnte. Und wenn der Herr keine Macht erlangt, dann der Diener auch nicht. Also fiel meine Wahl auf Sie Mylord.
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"Eure Worte würden sicher den meisten meines Standes schmeicheln, doch ihr könnt sicher sein das ich von einem anderen Schlag bin. Und was die Traditionen dieses unbezweifelbar ältesten Hauses angeht, so folge ich wie jedes Mitglied der Familie den gleichen Traditionen und Gepflogenenheiten, den diese haben uns über die Jahre stark gemacht und werden uns weiter stärken."
Seine Verankerung in den Traditionen war zum Teil gelogen, aber mit genügend Wahrheit verbunden um selbst einem Verhör als Wahrheit standzuhalten. Im Grunde mochte er die Traditionen, boten sie ihm doch mehr als genug Möglichkeiten sich dahinter zu verbergen und zu verstecken.
"Und Macht ist ein so unzulängliches Wort, Habber halten die Waffe in ihre Hand für Macht, andere Glauben ihr gefülltes Konto gebe ihnen Macht und wieder andere Streben auf politischem Parkett nach Macht. Welche Macht glaubt ihr, könnte euch an meiner Seite winken, und was glaubt ihr würde für euch abfallen, von dem Kuchen der Macht?"
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(Wochen nach Tarians Verschwinden und Lysanders Folter vor der Architendes Prios)
Seit langem hatte Lysander ausreichend Dienstfrei bekommen, um sich den familiären Problemen zu widmen. Die Türme der Makropole waren im normalen Ramen der dienstfreien Zeit kaum zu erreichen. Zumindest nicht, wenn man nach etwas suchte. Und Fahnenjunker Yllyus Lysander hatte nach Vielem zu suchen. Vor allem nach reichlich Antworten. Was war hier geschehen?, war sein einzige Gedanke. Vor einigen Wochen hatte man es sich geleistet, ihn zu foltern. Irgendetwas war schief gelaufen. Was hatte Tarian getan? Wichtiger noch, was war mit seinem entfernten Onkel passiert? Ausser, dass man ihn augenscheinlich entfernt hatte. Die ganze Sache passte Lysander nicht. Was wusst wer über ihn? Für gewöhnlich zog er es vor, über andere etwas zu wissen, anstelle der zu sein, der im Dunklen tappte. Ungünstigerweise konnte Lysander in diesem Fall nicht sein Informantennetzwerk anzapfen. Das tat gute Dienste außerhalb der aristokratischen Welt Korons und war teuer genug, um auch verlässlich zu sein. Aber innerhalb der Mauern der Machtpolitik konnte Yllyus nicht darauf zurückgreifen. Sein Netz bestand aus Informationshändlern, Hackern, und Oligarchieanhängern, jedoch nicht aus Mitgliedern höhere Adelskreise. Die wären aber von Nöten gewesen, wenn man sich in dieser Verschwörung auch nur einen Schimmer von Ahnung erhoffen wollte. Deshalb musste Lysander die Sache nun schnellstmöglich selbst bereinigen. Um seinen Namen und Ruf zu wahren, war es unausweichlich, die eigenen Finger schmutzig zu machen. Er durfte nur nicht dabei auffallen. Denn Schmutz würde Lysander in dem Vermächtnis seines Onkels ohne Zweifel eimerweise zu Tage fördern. Allein die Tatsache von Tarians ominösen Verbindungen zum Höheren roch nach Hochverrat mit Todesstrafe. Das Problem war die Zeit. Das alles war schon zu lange her und viele wertvolle Spuren müssten mittlerweile tot sein. Mindestens andere würde dasselbe wissen, was Yllyus nun noch finden konnte. Es sei denn, Tarian war so weise gewesen, seine Angelegenheiten ausreichend zu verbergen und seine Spuren zu verwischen. Aber was durfte Lysander erwarten, wenn regelrecht ganze Suchtrupps zuvor stundenlang und Tage Zeit hatten, zu suchen, zu durchforsten, einzusehen und auszuwerten. Lysander musste dagegen zwischen den Abfällen und abgenagten Knochen der anderen nach Brauchbarem suchen. Negative Gefühle stiegen in ihm empor. Etwas Angst, Unsicherheit und Hass. Seine Hand wanderte an sein Holster und öffnete bereits den Druckknopf, der die Pistole im Holster verstaute. Er wollte jemanden erschießen. Er wollte jemanden hierfür bestrafen. Am besten die Verantwortlichen und alle, die davon wussten. Eine stattliche Menge Leichen, wie Lysander annahm. Momentan würde es aber auch jede beliebige andere erbärmliche Kreatur tun, der er ein künstlich angelegtes Loch verpassen konnte. Dann verschlossen Daumen und Zeigefinger wieder das Holster. Das würde ihm leider nichts helfen. Und einen Märtyrertod überließ der Fahnenjunker lieber anderen. Seine Feinde und die imperiale Regierung waren noch lebendig. Und Tarian mit aller Wahrscheinlichkeit nicht.
So stand Lysander schulterbreit einen Schritt im Arbeitszimmer seines Onkels. Die aristokratischen Maße und der Stil der Einrichtung behagten ihm. Das allgegenwärtige Durcheinander dagegen nicht. Typisches Aasgeierverhalten von Behörden und Adelsstand. Man hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, hier wirklich aufzuräumen. Pergamente und Datendisks lagen verteilt und sahen verbraucht aus. Eine leichte Staubschicht lag auf Schreibtisch und Regalen. Das Zimmer sah nicht weiter auffällig aus. Keine ketzerischen Symbole, keine Blutflecken, Brandstellen oder andere Gewalterscheinungen waren sichtbar. Es sah abgesehen von der Unordnung alles geordnet und legitim aus. Aber damit musste man rechnen, wenn einer der Ketzerei beschuldigter ein Aristokrat von nicht ganz unerheblicher Macht war. Seinen Helm trug Lysander unterm linken Arm verschränkt. Die Atemmaske baumelte um seinen Hals. Innerhalb der Türme brauchte er sie nicht und er wollte sich nichts wegen eines eingeschränkten Sichtfelds entgehen lassen. Dafür war das hier zu wichtig. Die Kameras im Appartment seines Onkels waren deaktiviert. Ein niederer Angestellter mit flüchtiger Verbindung zum Verschwundenen hatte gegen einen kleinen Obulus seine Brauchbarkeit unter Beweis gestellt und ein paar Sachen arrangiert. Die nahezu nicht nachweisbare Verbindung hatte ihn in dieser Sache wohl am Leben gehalten. Schließlich waren die Reierungsbehörden per Gesetz bevollmächtigt und die Adelshäuser zu sehr auf ihren Ruf bedacht, als dass sie sich um die Leben ihrer nicht übermäßig wesentlichen Mitglieder scherten. Und alles übrige konnte man mit den Hausressourcen regeln. So saß der Bedienstete nun an dem zentralen Empfangsschalter, der Besucher vermitteln und kontrollieren sollte. So konnte die Person ganz unauffällig seiner Arbeit nachgehen und durch ein kleines Empfangsgerät mit Lysander kommunizieren. Ein Knopfdruck würde reichen und ein kleines Lämpchen an Lysanders Gerät würde Ärger ankündigen. Wie herrlich doch die Bedürfnisse des kleinen Mannes waren. Von wegen, Geld regiere nicht die Welt! Und irgendwie schien der Bedienstete auch eingeweiht gewesen zu sein. Es sollte Lysander eigentlich misstrauisch machen, dass der Mann am Empfangsschalter sich indirekt geradezu angeboten hat, zu helfen. Das Tauschgeschäft von Information, Sicherheit und Geld diente quasi nur zur Wahrung der in Adelskreisen stets flüchtigen Loyalität. EIne Aussicht auf eine Zweitzahlung half dem gerne entgegen.
Das übrige Appartment sah so aus, als sei es unberührt und unangetastet geblieben. Das war natürlich nicht der Fall, aber augenscheinlich hatte man sich auf das Arbeitszimmer des alten Mannes konzentriert, in dem Lysander nun umherblickend stand. Vorsichtig und schleichend machte Lysander weitere Schritte in das Zimmer hinein, ganz so, als fürchte er, es würden immer noch Sicherheitskräfte in der Nähe sein. Seine sauberen Stiefelsohlen hinterließen jedes Mal einen kaum wahrnehmbaren Abdruck auf dem Teppich des Zimmers. Leise griff Lysander ein paar umherliegende Pergamentblätter nacheinander auf und überflog sie. Es handelte sich um ein paar alte Urkunden, die jedoch ohne Bedeutung waren. Keine Zeichen oder Anagramme konnte Yllyus auf Anhieb erkennen. Dann griff er sich ein paar Disks und legte sie in die dafür vorgesehene Maschine ein. Die Daten enthielten nur Scheinaktionen und Ablenkungsgeschäfte, die schon beinahe wieder zu unbedeutend für einen Mann von Tarians Stellung waren, um überhaupt getätigt zu werden. War das schon zu auffällig gewesen? Ganz auszuschließen war es nicht, aber dennoch nicht sehr wahrscheinlich. Hier muss doch irgendwo was sein...
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Lysander machte es sich an dem schweren Schreibtisch gemütlich und zog sich den Sessel seines Onkels heran. Er sah Akten ein, suchte, laß, suchte und rieb sich nach langen Minuten und vielen durch seine Hände gegangenen Aufzeichnungen müde die Augen. Danach schob er die Handschuhe wieder über. Er wollte schließlich nicht unnötig Spuren hinterlassen. Wo war hier die Verbindung zu ihm? Der Verwandschaftsgrad war eigentlich zu weit auseinander. Was hatten die Ermittler gegen ihn in der Hand? Er war immerhin gefoltert worden! Und die Behörden waren mit Sicherheit nicht dafür bekannt, Verdächtige so einfach ziehen zu lassen. Erst recht nicht dann, wenn man irgendwie in Verdachtsfälle der Ketzterei verstrickt wurde. Ganz gleich, ob man beteiligt war oder nicht. Das dekadent-bequeme Credo der imperialen Gesetzeskraft sah vor, lieber ein paar zur Sicherheit mit hinzurichten, als wen davon kommen zu lassen. Bei unliebsamen Personen mit einem Funken von Verstand und Weitsicht war das nicht minder Gang und Gebe. Und der Fahnenjunker war so frei, sich zu letzteren zu zählen. Das alles war auch prinzipiell nicht Lysanders Baustelle, solange er nicht in der Grube saß. Doch er saß darin und man würde ihn ganz bestimmt wie Falken beobachten, wie er wieder daraus zu kommen versuchte. Ergeben den Kopf zu senken fiel ihm allerdings nicht ein. Hier hing sein Leben womöglich am seidenen Faden und auch sonst wäre das nicht sein Stil gewesen. Es musste doch etwas geben, das ihn ungesehen und plötzlich aus dem Loch herausschaffen würde. Als höflicher Mensch wollte er sich revanchieren. Andere durften auch in die Grube. Vielleicht verstanden sie ihn ja dann? Wohl kaum. Das war ja das Problem Korons. Wären nicht die meisten in feige Ränkeschmiede verstrickt und nur damit beschäftigt, ihre feisten Körper weiter zu übersättigen, dann wäre Koron ein freies System und kein geknechteter Vasall der imperialen Ausbeuter. Lysander legte alles wieder an seinen Platz und schob auch Tarians Sessel zurück. Das hier würde ihm nicht helfen, so viel war sicher. Er ging aus dem Arbeitsraum heraus und in den Versorgungsbereich. Dort griff er sich aus einem der Hängeschränke ein Trinkgefäß und füllte es mit Trinkwasser. Um keine verräterische DNA zu hinterlassen, griff Lysander nach dem Trinkstutzen seiner Atemmaske und trank über ihn. Die gekühlte Flüssigkeit erfrischte ihn. Dann trocknete er das Gefäß flüchtig ab und stellte es sorgfältig zurück. Das würde zumindest raschen Blicken standhalten. Sein Onkel war gefasst worden. Und längst verurteilt. Und längst sicher tot. Fünf Tage ließ man nach einer Verurteilung für Häresie die Verurteilten für gewöhnlich noch vor sich hin vegetieren, ehe man sie "erlöste". Lysander konnte sich kaum vorstellen, dass Tarian einen so groben Fehler begangen hatte. Dafür war der Mann zu lange im Geschäft gewesen. Und auch zu weit verdorben. Konnte man überhaupt von verdorben sprechen? Sollte man es nicht eher als weitsichtig benennen.? Gefährliches Gedankengut. Lysander schüttelte in dieser gefährlichen Umgebung diesen Gedanken lieber schnell ab. Man wusste ja nie, mit was für faulen Zaubern seine Verfolger arbeiteten, um ihn letztlich doch zu schnappen. War Tarian verraten worden? Mit großer Sicherheit nicht von seinen Dienern aus Böswilligkeit heraus. Sie mussten alle mit im Boot gesessen haben. Und einander zu denunzieren bedeutete nichts geringeres als den sicheren Tod. Und ob die Untersuchungskommission zu geständigen Ketzern unbedingt barmherziger war, blieb offen im Raum stehen. Hatte man einen von Tarians Dienern entlarvt und der hatte unter Folter Informationen Preis gegeben? Möglich. Dieses Getier wurde zu schnell weich unter Terror und Schmerz. Kein gestählter Geist. Wesen zweiter Klassen. Aber Entführungen von Dienern geschahen beinahe regelmäßig. Dieser Zeitpunkt schien für die Tragweite des Geschehenen nicht zu passen. Fakt war, dass Tarian Orsius aufgeflogen war. Welchen Nutzen konnte Lysander daraus ziehen? Irgendetwas musste möglich sein. Der bittere Beigeschmack an der Sache war bloß, dass Lysander seinen einzigen Vertrauten verloren hatte. Das tat weh. Dafür musste jemand büßen. Was hatte der alte Kauz ihm hinterlassen?
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Einen Haufen an Scherben und Problemen. Darauf führten allen Wege zurück. Aber dieses nervende Einerlei führte auch bei tausendfach wiederholter Erkenntnis nicht zu einer Lösung. Es sei denn, man hatte zuvor immer wieder etwas übersehen, das diese einfache Gleichung veränderte. Und daran wollte sich Lysander festklammern. Es konnte doch nicht sein, dass er unausweichlich und unabänderlich verloren hatte. Der Fahnenjunker ging in den Nebenraum, in die Bibliothek. Er trat an die Schränke heran und öffnete nacheinander die Türen. Dann machte er sich daran und zog probeweise Bücher heraus. Konnte sich ein verborgener Michanismus oder ein Versteck hinter den schweren Manuskripten verbergen? Oder waren wenigstens auffällige Werke darunter, die Indizien zu den Anschuldigungen lieferten? Waren Bücher getürkte Stücke, also dienten sie nur zum Verschleiern wahrer Inhalte, in dem harmlose Einbände und Füllseiten dem Buch eine falsche Indentität gaben? Bei der beinahe schon obligatorischen Bibliothek für einen Mann von Tarians Kaliber war das Durchforsten all jener Schriften und Datapads eine zeitaufwendige Tortour. Und was längst fortgeschafft worden wa, war von Lysander nicht rekonstruierbar, Der junge Aristokrat fuhr sich mit einer Hand über Stirn und Haaransatz. War das schon Schweiß? Die Atmosphäre der Bibliothek setzte ihm sehr schnell zu. WIe konnte man so etws auch als Urwald anlegen? Feucht und warm, eine gemeine Schwüle. Die Rechenmaschinen, die einst in der Bibliothek standen, waren fortgetragen worden. Da bleib ihm nichts anderes übrig, als die verbliebenen Datensätze auf das Gerät im Voraum aufzuspielen. Ein sehr zeitintensiver Vorgang....
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