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Unter der Stadt
#11
Wie wurde ihr? 
Eben hatte Estelle noch die warme Luft auf der Haut gespürt und plötzlich wurde die von einem fauligen Wind ersetzt, der unangenehm in der Nase stach. 
Sie versuchte sich an die Dinge zu erinnern die Ad`razbe ihnen offenbart hatte. Das war doch erst vor Sekunden gewesen? Aber ihr kam es vor wie vor Jahrzehnten. Wie eine lange zurückliegende Erinnerung oder ein Traum, an den man sich nur schwer und mit Mühe erinnern konnte. War das das Rasankur gewesen, wie es vor dem Niedergang ausgesehen hatte?
So! Wir sind also zurück? Hörte sie eine eingeschnappte Stimme in ihrem Hinterkopf summen. Allerdings hatte Estelle jetzt keine Zeit sich groß damit auseinander zu setzen, dass ihr schizophrener Begleiter beleidigt sein könnte. Dazu war Zeit, wenn sie hier raus waren. 
Sie sah sich nach Selari um, aber die schien noch nicht ganz aus der Trance erwacht zu sein. Sie stand nur da, lächelte ein wenig verwirrt und sah einer vorbei schwirrende Fliege nach. Estelle konnte nur hoffen, dass sie bald wieder ganz die Alte war. Sie konnte nämlich nicht ihre eigene Benommenheit vertreiben, hier rausfinden und Selari mit sich schleifen. Geschweige denn all dies tun und nebenbei noch das Monster bekämpfen, dass sich da vor ihnen aus der Wand löste. 
Der mutierte Krieger schloss seine Scherenklaue um ein Objekt, dass sie selber vielleicht sogar übersehen hätte. Jetzt aber war klar, dass es der gesuchte Stab der Seherin sein musste und Jamaar nicht vorzuhaben schien, ihnen den Stab einfach zu überlassen. 
Es blieb also nur Kampf. Davon immerhin verstand sie mehr, als von absonderlichen Visionen. Die blitzschnelle Verteidigung lag ihr zwar mehr, doch der aufgeblähte Riese machte keine Anstalten den ersten Schritt zu wagen. 
Also lag es bei ihr. Mit kleinen schnellen Tippelschritten lief sie auf ihn zu. Das Schwert sauste da nieder, wo Jamaar vermutete, dass sie stehenbleiben würde um zu kämpfen. Estelle wurde aber nicht langsamer, lief an dem Krieger vorbei und ließ die Waffe wie eine zustoßende Schlange aus der Scheide springen. Jamaar grunzte überrascht, als der gefaltete Stahl über und dann durch seinen fetten Wanst glitt. 
Ein Schnitt klaffte auf und ließ Gedärme, Blut und andere schleimige Substanzen, mit einem widerlichen Platschen auf den Boden rutschen. Sie glaubte sogar aus den Augenwinkeln heraus zu sehen, wie sich in diesem Wasserfall etwas bewegte und musste an zappelnde Silberfischchen denken.
Pass auf, das reicht vielleicht bei anderen, die dir was wollen. Aber der ist härter im Nehmen. Der fällt nicht um, nur weil ihm das Herz aus der Hose rutscht. Ihre Stimme hatte wohl entschieden, dass Überleben wichtiger war als beleidigt sein. Das war neu.
Aber der Quälgeist hatte Recht. Jamaar drehte sich ihr zu und schenkte der Verletzung keine weitere Beachtung. Er hieb mit dem Schwert nach ihr. Estelle wich zurück und lenkte einen weiteren Schlag ab. Hell klingend trafen ihr geschliffener Stahl und sein rostiges Eisen aufeinander. In Punkto Kraft war sie ihm nicht ebenbürtig und würde sie versuchen seine Schläge nur dadurch aufzuhalten, dass sie die eigene Waffe zwischen sie brachte, würde ihr Arm oder das Schwert brechen. 
Also lenkte sie die Schläge zur Seite ab oder ließ sie gleich ganz ins Leere gehen. Ein weiterer ihrer Angriffe schrammte über die Schere, die ihm als Arm diente. Das hinterließ einen Kratzer im Panzer, aber eben auch nicht mehr als das. Sie gab den Stab um keinen Millimeter frei. Estelle sprang vor einem weiteren Angriff zurück und die stumpfe Waffe ihres Feindes säbelte eine Kolonie leuchtender Pilze ab. Schleim sickerte. Sie versuchte ihre Gewandtheit gegen seine Kraft einzusetzen und umrundete den Riesen. Der drehte sich langsam lauernd mit. Dabei bemerkte sie, dass der Krieger am Rücken und Hinterkopf durch dicke Adern mit der Wand verbunden war, aus der er sich abgelöst hatte. 
Sie pulsierten und pumpten mit jeder Bewegung, die Jamaar machte. Estelle erinnerte sich daran, in ihrer Kindheit ein ferngesteuertes Spielzeug gesehen zu haben. Einen automatischen Hund, der bellen konnte und Männchen machte. Er wurde über eine Steuerung gelenkt, die mit einem Kabel an dem Spielzeug verbunden war. Vielleicht war es hier genauso? Sie machte einen Sprung nach vorn und schlug nach den Adern. Aber Jamaar bewegte seinen Körper als Schutz dazwischen. Das Katana fraß sich in seine Schulter und Estelle hatte Mühe es herauszuziehen und gleichzeitig dem geschwungenen Schwert des Kriegers auszuweichen. 
Selari! Rief Estelle, als sie wieder einen sicheren Abstand geschaffen hatte. Du musst seine Aufmerksamkeit auf dich lenken. Sie konnte nur hoffen, dass die Mutantin wieder bei sich war und verstand, was sie von ihr wollte. Außerdem musste sie weiter hoffen, dass Jamaar so hirnlos wie der Spielzeughund war und nicht wusste was sie vorhatte, nur dadurch, dass sie es laut in der Gegend herumschrie.
Ziemlich viel Hoffen, für einen Kampf auf Leben und Tot.
Ich weiß.
Halt die Klappe.     
Name: Estelle
Beiname: el Nada-sam (heißt grob übersetzt: giftiger Morgentau)
Alter: 23 Jahre alt
Rasse:  Mensch
Aussehen  1,80 m, lange ebenholzfarbene Haare, lavendelfarbene Augen, feine Gesichtszüge, schlanker, weiblicher Körper, sonderbare Ornamente
Zugehörigkeiten:  Chaos - Slaanesh
Ausrüstung: Katana, sandfarbener Umhang, Palastmode sandfarbene Stiefel, Medallion
Fähigkeiten:  schwach ausgeprägte Manipulation (tritt unbewusst auf), Schwertkampfkenntnisse, Handgemenge, gut zu Fuß
Begleiter:  Die kleine Stimme   in ihrem Kopf
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#12
Nachdem die visionelle Erscheinung um sie herum so schlagartig geendet hatte blinzelte Selari ein paar Sekunden vor sich hin ehe sie den Blick von der davonschwirrenden Fliege abwandte und sich dem ausgebrochenen Kampf zuwandte. Angesichts dessen was ihre Hufte mit dem matschigen Moos und bei Berührung mit der Substanz der Ranken anstellten schlüpfte sie ein wenig leichter und schneller aus deren Umklammerung und zückte ihr Messer um sich mit großen flinken Schritten dazuzugesellen wobei sich der Stoff ihrer Toga im Laufen schmeichelnd andeutend um die Konturen ihrer Beine schmiegte. Aus ihrer, schnell dahinschwindenden Entfernung waren die wurzel- oder darmhaften Adern in Jamaars Rücken nicht zu übersehen und sie verstand sofort was Estelle von ihr wollte zumal ein Schwert generell besser dafür geeignet war als ein Messer wenn man unter Zeitdruck stand.  Den Blick ihrer Begleiterin auffangend deutete sie mit halb ausgestrecktem Arm auf sie und klopfte dann auf ihren eigenen Gürtel um diese an die Maschinenpistole zu erinnern die sie sich draußen zusätzlich zu ihrem Schwert gegriffen hatte. Neben dem Schaden an ihrem Gegner würde der Schusslärm sicherlich einige ihrer Bewaffneten von draußen auf den Plan rufen die sie unterstützen würden, ob es in Anbetracht des überraschenden Kampfes  schlecht oder Angesichts der einlullenden Vision vorhin gut gewesen war dass sie nicht direkt mit einer dann ebenfalls betroffenen Truppe im Rücken hier reinmarschiert waren würde sich wenn überhaupt im Nachhinein zeigen müssen.

Drei Finger in ihren Beutel schiebend grabbelte sie rasch darin herum bis diese sich um einen kleinen Zylinder schlossen den sie auf dem Raumschiff nach Koron mal stibitzt hatte. Diesen hervorziehend schnippte sie den dank einem Verbindungsstück nicht verlierbaren Deckel von dessen oberen Ende. Mit dem linken Huf auf einen großkappigen Pilz tretend der sich unter dessen schwarzer Berührung in solides Gold verwandelte machte sie einen Satz und sprang Jamaar an. Das Obsidian ihrer Klinge versank bis zum Kochengriff in dem an ranziges pockennarbiges Fett erinnerndem Fleisch seiner linken Schulter und die Flecken wo ihre Hufe sich an seiner seine Hüfte abstützten verwandelten sich zum einen in eine dünne Scheibe Glas die einen unappetitlichen Einblick in das darunterliegende Gewebe gewährte und mehrere Zentimeter tief in etwas das in Farbe, Aussehen und Beschaffenheit eindeutig an ein Stück profanen Badeschwamms gemahnte. Dabei schüttelte sie das kleine Fläschchen in ihrer anderen Hand hörbar klackernd. Der Moment schien sich wie dickflüssiger Sirup zu ziehen als sich ihre und Jamaars Augen trafen. Dann endete er auch schon als sie ihm eine volle Dosis aus dem kleinen Desinfektionsfläschen direkt in die linke Gesichtshälfte sprühte ehe sie sich ihre Primärwaffe aus seiner Schulter reißend auch schon wieder von ihm abstieß um sich außer Reichweite eines unvermeidlich zu erwartenden Schwingers seiner Scherenklaue oder Stoßes bzw. Hiebes seines Schwertes zu bringen.
Name: Selari
Alter: 20
Rasse: Mutantin
Zugehörigkeit: Chaos
Aussehen: 1,55m, schlank & zierlich, grauweiße Haare, Ziegebmutationen
Ausrüstung: Amulett, Obsidianmesser, Beutel
Fähigkeiten: Stammesriten, Verwandlung der Umwelt, Zweites Gesicht, Realträume
Konto: /
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#13
Estelle dachte noch: Das wird nie was. 
Weil sie nicht glauben konnte, dass ein Pfefferspray oder irgendein anderes Reizgas auf den Fleischberg irgendeine Wirkung haben würde. Auch krampfte sich in ihr alles zusammen, als sie sah, wie Selari das Ding berührte. Man konnte unmöglich sagen, was für ansteckende Krankheiten sie sich dabei zuzog. Aber waren es wirklich Krankheiten, die den abscheuchlichen Krieger so aufgebläht hatten? 
In Rasankur gab es einige Diener des Nurgel und anderer Pestilenzgottheiten. Sie trugen ihre Krankheiten mit Stolz und wie einen Segen. Sie waren krank und unrein und manche starben voller Freude daran. Die die in der Gunst des Gottes standen, lebten trotz Pest und Fäule. 
Bei dem Typen war es anders. Er war auch aufgedunsen und von unkrontrollierten Mutationen durchsetzt. Aber bei ihm wirkte es eher so, als würde sich wild wachsendes Leben in und auf ihm austroben. Zersetzen, kompostieren und neu wachsen lassen. 
Am Ende war das aber egal. 
Wichtiger war nur, das ihre Aktion funktionierte. 
Das Monstrum wandte sich der Mutantin zu. 
Gut. 
Vorher erhaschte sie noch einen kurzen Blick auf das, was der Angriff Selaris angerichtet hatte. Die Flechten, Pusteln und Eiterbeulen im Gesicht zogen sich zurück. War es vielleicht eine Säure gewesen?
Das Gesicht darunter erschien für die zwei drei Sekunden die sie es sehen konnte fast normal. Es sah auch wie der Kerl, der mit ihnen am Tisch gesessen hatte. Eine Schönheit war er in diesem Wunderland schon nicht gewesen. 
Hier war er es noch viel weniger. 
Er gab einen verstörten Laut von sich. 
War er erschrocken darüber was ihm Selari angetan hatte und das es tatsächlich eine Wirkung hatte? Oder erkannte er für einen Augenblick voller Entsetzen, was aus ihm geworden war?
Willst du ihn bemuttern oder umbringen? 
Umbringen! Sagte sie vor sich hin und ließ ihr Schwert vertikal von unten nach oben zischen. 
Die Klinge durchschnitt die Därme mühelos.
Bemuttern… dachte Estelle amüsiert. Sie musste an Nabelschnüre denken, die durchtrennt wurden.
Die zerschnittenen organischen Kabel verhielten sich sehr merkwürdig. 
Sie zuckten und peitschten umher wie Schlangen. Dabei verspritzten sie dickflüssigen, gelb- roten Schleim. Der Krieger kreischte schrill. 
Naja zumindest hatte es mit den abgeschnittenen Schläuchen zu tun. Ob der Schrei wirklich von Jamaar kam oder von der Seite, wo er mit der Wand verbunden gewesen war, wer konnte es sagen? 
Das Ergebnis war jedoch das, welches sich Estelle gewünscht hatte. Der Krieger fuchtelte mit seinem Scherenarm und seinem Schwert herum. Tödlich wenn er getroffen hätte, doch ihm fehlte jetzt die Koordination dafür. Er hackte ein hohes Pilzgewächs ab. Mehr Schaden konnte er nicht mehr anrichten. Wie ein gefällter Baum fiel er nach vorn und krachte auf das Gesicht. Selari war ihm flink aus dem Weg gesprungen.
Die beiden Frauen sahen sich schwer atmend an. 
Gut gemacht! Brachte Estelle hervor. 
Während Selari sich den Stab schnappte, kümmerte sie sich um die sterblichen Überreste der Seherin. Als Kind hatte sie sich vor den Reliquien der imperialen Heiligen immer geekelt. Grinsende Totenschädel, vertrocknete Hände und farblose Haarsträhnen in staubigen Schreinen. Eigentlich hätte es ihr mit dem skelletierten Oberkörper der Seherin genauso gehen müssen. 
Sie hatte Melanie im Leben gekannt, als das Lustobjekt des Schwarzen Drachens. Die Königin und Hure Rasankurs, süß wie Honig und giftig wie der Stich eines Skorpions. Sie hatte sogar an einigen Vergnüglichkeiten und Orgien teilgenommen.
Gerade deswegen hätte ihr grinsenden Schädel sie erst recht abstoßen müssen. 
Aber das tat er nicht. Von ihr ging eine heilige Aura aus. Das Chaos hatte sie berührt. Nicht die Verformung von Leben, wie in dieser Höhle, wie bei Jamaar. Sie hatte das reine und ungezügelte Chaos gesehen und gespürt. Wenn nur ein Fünkchen dieser Macht in den Knochen verblieben war, dann war sie eine mächtigere Reliquie als alle Heiligengebeine Korons zusammen.
Auf jeden Fall hat sie abgenommen. Ätzte die Stimme.
Sie war lebendig heilig und sie ist es im Tod genauso.
Estelle beugte sich hinab und nahm die Knochen auf. Vorsichtig, als würde sie ein Kind aus der Wiege nehmen. Adrazbe seufzte, als würde ihm eine Bürde abgenommen. Dann schloss er die Augen.
Und was willst du jetzt machen? Du erschreckst Balius mit den Klapperknochen und das Zicklein brät ihm von hinten eins mit dem Stecken über? Genialer Plan.
Sie ignorierte das Geplapper. Auch wenn natürlich ein Körnchen Wahrheit darin steckte. Aber darüber konnten sie nachdenken, wenn sie wieder zurück waren. Jetzt wollte sie nur noch aus dieser Höhle heraus. 

Es stellte sich heraus, dass sie gar nicht so weit in die Höhle vorgedrungen waren. Natürlich ergab sich dadurch die Frage, wieviel von Ransakur von diesen sonderbaren Gewächsen bereits unterwandert war. 
Großartig! Auf der einen Seite der Berge fressen sich die Unmenschen durch den Boden wie die Maden durch Speck, auf der anderen Seite wuchert hier dieser Garten der Schleimigkeit. Die Wohngegend lässt mehr und mehr nach Schätzchen. Vielleicht sollten wir uns bald nach was Neuem umsehen.
Schließlich strahlten ihnen Taschenlampen ins Gesicht. Ein paar von Selaris Jüngern hatten ihren Mut entdeckt und waren ihnen entgegengekommen. Jetzt nahmen sie sie in Empfang. 
Im Gegensatz zu dem Tunnel und seinen Bewohnern wirkte das Becken mit dem verlassenen Lager relativ sicher. Aber das war natürlich ein Trugschluss. Alles mögliche konnte aus dem Spalt kommen und ihnen auch alles möglich antun. Während die Kultisten verzückt den Stab anstarren und mit ehrfürchtiger Trauer auf die sterblichen Überreste der Seherin blickten, ergriff Estelle das Wort.
Ich will nicht diejenige sein, die diesen ergreifenden Moment zerstört. Aber wir haben was wir wollen und sollten uns jetzt zurückziehen. 
Ich persönlich wäre für ein Bad und einen Imbiss.
Name: Estelle
Beiname: el Nada-sam (heißt grob übersetzt: giftiger Morgentau)
Alter: 23 Jahre alt
Rasse:  Mensch
Aussehen  1,80 m, lange ebenholzfarbene Haare, lavendelfarbene Augen, feine Gesichtszüge, schlanker, weiblicher Körper, sonderbare Ornamente
Zugehörigkeiten:  Chaos - Slaanesh
Ausrüstung: Katana, sandfarbener Umhang, Palastmode sandfarbene Stiefel, Medallion
Fähigkeiten:  schwach ausgeprägte Manipulation (tritt unbewusst auf), Schwertkampfkenntnisse, Handgemenge, gut zu Fuß
Begleiter:  Die kleine Stimme   in ihrem Kopf
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#14
Die kleine Heerschar hatte sich noch vor dem Verlassen der Kanalisation aufgeteilt. Manidias würde die Anhänger Selaris in Gruppen ordnen und im Verborgenen halten. Ungenutzte und unbeachtete Gebäude, ja ganze Viertel gab es in Rasankur genug, um dies in die Tat umzusetzen. 
Das hielten alle momentan für das beste Vorgehen. Ein möglichst geringes Profil zeigen und bei Bedarf zusammenfließen und gemeinsam agieren. Jetzt im einstiegen Turm der Seherin zu bleiben würde sie, für alle zur Zielscheibe machen, die etwas gegen eine mögliche Erbfolge der Hexenkönigin hatten. Gleich ob die Mätressen aus dem Inneren oder Balius aus dem Äußeren. Der Pferdeköpfige schlug Carba als Kontaktperson vor. Sie war im Palast keine Unbekannte aber auch nicht so oft gesehen, dass man sie in Erinnerung behielt. Ein Vorwand für ihr Kommen und Gehen würde sich finden lassen.  
Also kehrten die beiden Frauen allein in den Palast zurück. Auch wenn sie sich dabei abseits der größeren Straßen und durch, in der Hitze des Tages still vor sich hin brütende Areale bewegten, konnten doch beide die veränderte Stimmung in der Stadt spüren. Die Anspannung schien ein wenig gewichen zu sein und als sie durch eine Querstraße hindurch eine Gruppe Rasankuri beobachteten, die relativ gelassen zu einem unbekannten Ziel schlenderten, ahnten sie bereits die Bewandtnis hinter diesem Gefühl. Es ließ sich vermuten, dass die Belagerung, wenn man den merkwürdigen Zustand denn so nennen wollte, beendet war. 
Da es unwahrscheinlich erschien, das der Usurpator friedlich wieder abgezogen war, konnte das nur bedeuten, dass er auf die eine oder andere Weise gesiegt hatte und in den Palast eingezogen war. 
Sie selbst drangen auf geheimen Pfaden durch die Mauern des rasankurischen Regierungssitzes. Es mochte aussehen, als sei der Palast bewacht und uneinnehmbar, aber das war mehr Schein als Sein. Selbst wenn die geballte Macht der Armee nicht am anderen Ende des Universums festgesessen hätte. Wer wusste wo er wann zu sein hatte, der konnte geheime Pfade und die Gunst bestechlicher Wachen nutzen, um ungesehen hineinzuschlüpfen. 
So taten es Selari und Estelle. 
Den Leichnam der Seherin hatten sie bei Mandias gelassen. Den Stab, in staubige Lumpen gewickelt, die sie auf einem verlassenen Hinterhof gefunden hatten, konnte man hineinschmuggeln. Bei einem blondgelockten, halben Frauenskellet war das schon schwieriger und daher nicht angeraten. 
Die gedrückte Stimmung, die sich draußen einigermaßen verflüchtigt hatte, war in der halbdunklen Kühle des Palastes nur noch intensiver wahrzunehmen. Auch wenn Estelle sie durch die verlassensten und abgelegensten Gänge und Korridore führte, um zu ihren Gemächern zu gelangen, so war doch ein Abweichen von dem zu spüren, was man hier gewöhnlich als Normal betrachtete. Einmal spähten sie von einer Galerie in einen kariert gefliesten Innenbereich hinab und sahen einen der grauen Riesen im Gespräch mit zwei Palastbediensteten. Es konnte also kein Zweifel darüber bestehen, das die Schergen des Balius den Sieg davongetragen hatten. 
Finale Gewissheit erhielten sie schließlich durch die Dohle. Ihre Dienerin berichtete mit sich überschlagender Stimme, wie der Einmarsch des Usurpators abgelaufen war. Weit weniger spektakulär als man vielleicht denken sollte und bestimmt auch weniger spektakulär, als es Geschichtenerzähler später berichten würden. 
Man hatte ihnen schlicht die Tore geöffnet. 
Balius war mit den Heermeister übereingekommen, dass die Stadt nicht nur einen Verwalter, sondern auch einen militärischen Beschützer brauchte. Der Drachen war fort und niemand konnte wissen wann und ob er überhaupt zurückkehren würde. Da war es nur naheliegend, dass ein Verbündeter, ja ein Freund aus frühen Tagen, der überdies noch über eine beachtliche Streitmacht verfügte, den Platz des Drachens einnahm. 
Als Verweser, verstand sich. 
Dohle berichtete, dass ein Seufzer der Empörung, wie sie es zumindest aufgefasst hatte, durch die Versammelten im Thronsaal gegangen war, als sich der Mann auf den schwarzen Thron gesetzt hatte. Die Akustik des Saals hatte das Geräusch aufgegriffen und missbilligend verzerrt. 
Estelle fragte nach den Mätressen und wie sie sich bei diesem Schauspiel verhalten hatten. So nichtssagend wie möglich, berichtete Dohle. Sie gaben nicht von vornherein Preis, das sie die eigentlichen Spinnen im Netz der Intrigen waren. Diese Offenbarung sparten sie sich auf. 
Ob Balius als selbsternannte Vertretung des Drachens auch ihre Vorzüge zu gebrauchen gedachte blieb abzuwarten. Das dem so sei konnten sich die Vier nur wünschen. Eine bessere Gelegenheit ihren Einfluss auszuüben konnten sie kaum herbeiführen. Ambitionen und künstliche Muskeln hin oder her, ein Mann blieb ein Mann und konnte leicht dazu verleitet werden mit dem zu denken, was ihm zwischen den Beinen hing. Immer vorausgesetzt Balius hatte in seinem ausgehöhlten Berg, umgeben von halbnackten Muskelmännern, seine Präferenzen nicht abgeändert. 
So oder so, seine erste Amtshandlung war gewesen, den Heermeister einsperren zu lassen. Er hatte es versäumt Balius als den Freund Rasankurs zu erkennen, der er war und als solches einen richtigen und legitimen Prozess behindert. 
Balius würde bei Zeiten entscheiden, was mit den kleinen Männchen passieren sollte. 
Im Augenblick ließ er seine Krieger neuralgische Stellen der Stadt besetzen und sich einen Überblick verschaffen mit welchen Kräften man rechnen musste. Händler und ihre Kämpfer, die Besatzungen der Gebirgsfestungen und die Wüstenstämme der näheren Umgebung. 
Das war der Stand der Dinge. Aber es gab auch eine kleine gute Nachricht.
Die dritte Bedienstete in Estelles Gefolge betrat die Räume. Sperling war schlank wie eine Gerte und hätte als das humoristische Gegenstück zu Dohle dienen können. In schwarzes Latex gehüllt, schien sie nicht mehr Brust und Hüfte zu haben als ein Knabe. Sie war außerdem groß, was ihre Spinnenartigkeit noch verstärkte. Hände, Füße und Kopf waren nicht von Kunststoff bedeckt und zeigten sich nicht nur weiß wie Milch sondern auch noch vollkommen haarlos. Als sie Selari anlächelte, als hätte eine Naschkatze eine Süßigkeit entdeckt, entblößte sie Reihen, nadelspitzer Zähne. Wichtiger war jedoch das was sie hereinrollte. Einen beräderten Käfig, an dessen Stangen sich die beiden Kindwesen klammerten und bösartig zwischen den Stäben hervorstarrten. Sperling gab einen schnalzenden Laut von sich, der um Anerkennung heischte.
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