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Appartment von Tarian Orsius
#23
(Wochen nach Tarians Verschwinden und Lysanders Folter vor der Architendes Prios)

Seit langem hatte Lysander ausreichend Dienstfrei bekommen, um sich den familiären Problemen zu widmen. Die Türme der Makropole waren im normalen Ramen der dienstfreien Zeit kaum zu erreichen. Zumindest nicht, wenn man nach etwas suchte. Und Fahnenjunker Yllyus Lysander hatte nach Vielem zu suchen. Vor allem nach reichlich Antworten. Was war hier geschehen?, war sein einzige Gedanke. Vor einigen Wochen hatte man es sich geleistet, ihn zu foltern. Irgendetwas war schief gelaufen. Was hatte Tarian getan? Wichtiger noch, was war mit seinem entfernten Onkel passiert? Ausser, dass man ihn augenscheinlich entfernt hatte. Die ganze Sache passte Lysander nicht. Was wusst wer über ihn? Für gewöhnlich zog er es vor, über andere etwas zu wissen, anstelle der zu sein, der im Dunklen tappte. Ungünstigerweise konnte Lysander in diesem Fall nicht sein Informantennetzwerk anzapfen. Das tat gute Dienste außerhalb der aristokratischen Welt Korons und war teuer genug, um auch verlässlich zu sein. Aber innerhalb der Mauern der Machtpolitik konnte Yllyus nicht darauf zurückgreifen. Sein Netz bestand aus Informationshändlern, Hackern, und Oligarchieanhängern, jedoch nicht aus Mitgliedern höhere Adelskreise. Die wären aber von Nöten gewesen, wenn man sich in dieser Verschwörung auch nur einen Schimmer von Ahnung erhoffen wollte. Deshalb musste Lysander die Sache nun schnellstmöglich selbst bereinigen. Um seinen Namen und Ruf zu wahren, war es unausweichlich, die eigenen Finger schmutzig zu machen. Er durfte nur nicht dabei auffallen. Denn Schmutz würde Lysander in dem Vermächtnis seines Onkels ohne Zweifel eimerweise zu Tage fördern. Allein die Tatsache von Tarians ominösen Verbindungen zum Höheren roch nach Hochverrat mit Todesstrafe. Das Problem war die Zeit. Das alles war schon zu lange her und viele wertvolle Spuren müssten mittlerweile tot sein. Mindestens andere würde dasselbe wissen, was Yllyus nun noch finden konnte. Es sei denn, Tarian war so weise gewesen, seine Angelegenheiten ausreichend zu verbergen und seine Spuren zu verwischen. Aber was durfte Lysander erwarten, wenn regelrecht ganze Suchtrupps zuvor stundenlang und Tage Zeit hatten, zu suchen, zu durchforsten, einzusehen und auszuwerten. Lysander musste dagegen zwischen den Abfällen und abgenagten Knochen der anderen nach Brauchbarem suchen. Negative Gefühle stiegen in ihm empor. Etwas Angst, Unsicherheit und Hass. Seine Hand wanderte an sein Holster und öffnete bereits den Druckknopf, der die Pistole im Holster verstaute. Er wollte jemanden erschießen. Er wollte jemanden hierfür bestrafen. Am besten die Verantwortlichen und alle, die davon wussten. Eine stattliche Menge Leichen, wie Lysander annahm. Momentan würde es aber auch jede beliebige andere erbärmliche Kreatur tun, der er ein künstlich angelegtes Loch verpassen konnte. Dann verschlossen Daumen und Zeigefinger wieder das Holster. Das würde ihm leider nichts helfen. Und einen Märtyrertod überließ der Fahnenjunker lieber anderen. Seine Feinde und die imperiale Regierung waren noch lebendig. Und Tarian mit aller Wahrscheinlichkeit nicht.

So stand Lysander schulterbreit einen Schritt im Arbeitszimmer seines Onkels. Die aristokratischen Maße und der Stil der Einrichtung behagten ihm. Das allgegenwärtige Durcheinander dagegen nicht. Typisches Aasgeierverhalten von Behörden und Adelsstand. Man hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, hier wirklich aufzuräumen. Pergamente und Datendisks lagen verteilt und sahen verbraucht aus. Eine leichte Staubschicht lag auf Schreibtisch und Regalen. Das Zimmer sah nicht weiter auffällig aus. Keine ketzerischen Symbole, keine Blutflecken, Brandstellen oder andere Gewalterscheinungen waren sichtbar. Es sah abgesehen von der Unordnung alles geordnet und legitim aus. Aber damit musste man rechnen, wenn einer der Ketzerei beschuldigter ein Aristokrat von nicht ganz unerheblicher Macht war. Seinen Helm trug Lysander unterm linken Arm verschränkt. Die Atemmaske baumelte um seinen Hals. Innerhalb der Türme brauchte er sie nicht und er wollte sich nichts wegen eines eingeschränkten Sichtfelds entgehen lassen. Dafür war das hier zu wichtig. Die Kameras im Appartment seines Onkels waren deaktiviert. Ein niederer Angestellter mit flüchtiger Verbindung zum Verschwundenen hatte gegen einen kleinen Obulus seine Brauchbarkeit unter Beweis gestellt und ein paar Sachen arrangiert. Die nahezu nicht nachweisbare Verbindung hatte ihn in dieser Sache wohl am Leben gehalten. Schließlich waren die Reierungsbehörden per Gesetz bevollmächtigt und die Adelshäuser zu sehr auf ihren Ruf bedacht, als dass sie sich um die Leben ihrer nicht übermäßig wesentlichen Mitglieder scherten. Und alles übrige konnte man mit den Hausressourcen regeln. So saß der Bedienstete nun an dem zentralen Empfangsschalter, der Besucher vermitteln und kontrollieren sollte. So konnte die Person ganz unauffällig seiner Arbeit nachgehen und durch ein kleines Empfangsgerät mit Lysander kommunizieren. Ein Knopfdruck würde reichen und ein kleines Lämpchen an Lysanders Gerät würde Ärger ankündigen. Wie herrlich doch die Bedürfnisse des kleinen Mannes waren. Von wegen, Geld regiere nicht die Welt! Und irgendwie schien der Bedienstete auch eingeweiht gewesen zu sein. Es sollte Lysander eigentlich misstrauisch machen, dass der Mann am Empfangsschalter sich indirekt geradezu angeboten hat, zu helfen. Das Tauschgeschäft von Information, Sicherheit und Geld diente quasi nur zur Wahrung der in Adelskreisen stets flüchtigen Loyalität. EIne Aussicht auf eine Zweitzahlung half dem gerne entgegen.

Das übrige Appartment sah so aus, als sei es unberührt und unangetastet geblieben. Das war natürlich nicht der Fall, aber augenscheinlich hatte man sich auf das Arbeitszimmer des alten Mannes konzentriert, in dem Lysander nun umherblickend stand. Vorsichtig und schleichend machte Lysander weitere Schritte in das Zimmer hinein, ganz so, als fürchte er, es würden immer noch Sicherheitskräfte in der Nähe sein. Seine sauberen Stiefelsohlen hinterließen jedes Mal einen kaum wahrnehmbaren Abdruck auf dem Teppich des Zimmers. Leise griff Lysander ein paar umherliegende Pergamentblätter nacheinander auf und überflog sie. Es handelte sich um ein paar alte Urkunden, die jedoch ohne Bedeutung waren. Keine Zeichen oder Anagramme konnte Yllyus auf Anhieb erkennen. Dann griff er sich ein paar Disks und legte sie in die dafür vorgesehene Maschine ein. Die Daten enthielten nur Scheinaktionen und Ablenkungsgeschäfte, die schon beinahe wieder zu unbedeutend für einen Mann von Tarians Stellung waren, um überhaupt getätigt zu werden. War das schon zu auffällig gewesen? Ganz auszuschließen war es nicht, aber dennoch nicht sehr wahrscheinlich. Hier muss doch irgendwo was sein...
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