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Luftlandeparkhaus
#8
Erst begann es als formloses Gebilde am Horizont. Vordringlich ein schwarzer Flecken inmitten der öden Landmasse die es umschloss, doch je mehr sie sich ihm näherten, je mehr die Meilen unter den dröhnenden Triebwerksrotoren zusammenschrumpften und die Schnauze ihrer Flugmaschine sich gen ihrem Ziel entgegen reckte, umso mehr wuchs es heran zu einem Moloch aus Stahl, Travertin, Panzerglas, Beton, Alunoid und dutzenden anderen Baustoffen. Gleich einer urgewaltigen Bestie lag die Kontinentalmakropole, das glitzernde Juwel Koron III’s, vor ihnen in all seiner Riesenhaftigkeit und Ausdehnung abnormen, unbegreiflichen Ausmaßes. Den Leib ausgedunsen im Zentrum, dort wo wohl die Hochkarätigsten und Opulentesten der gohmorischen Gesellschaft ihr Dasein fristeten in gigantischen runden Wohntürmen, verschachtelten Villenkomplexen, bienenstockartigen Edelhabitaten und durchscheinenden Pyramidenbauten hinter dickwandigen Schutzwällen verborgen, indessen sich nach außen hin die Proportionen ausdünnten und sich mehr auf Fläche konzentrierten, denn auf Fokussierung. Hier ragten die metallenen Gestelle von Fördertürmen, die rotierenden und von bläulichen Energien umzuckten Generatorenblöcke, die qualmenden Kamine und Ablüftungsrohre der Schmelz und Verbrennungsöfen und Abfertigungsanlagen sowie die spindeldürren Spiralen und Windungen diverser Sendemasten und primitiver, überholter Stromverteilerpfahle in die Höhe wie das urbane Stachelkleid eines monumentalen Weltentieres.

Der Moloch Gohmor lag erschlafft am Rande einer Küste, die exorbitanten Klauen der Industrie führten zu tausenden in das Wasser das an die Strände und Ufer gespült wurde und vergifteten es. Unzählige Fabriken, Werkstätten und Manufakturen übersäten über viele Meilen das Umland und niemand vermochte zu unterscheiden wo die Grenzen zwischen Wohn und Arbeitssektoren verliefen, mutmaßlich existierten diese nicht einmal oder waren mit der Zeit verwischt. Immer schon galt das Credo, arbeite und lebe demütig im Schatten des All-Einen-Gottimperators. Jene Metropole schien da kein Gegenstück zu bilden, sie war wie alle ihrer Art. Altertümlich und modern zugleich, eine Heimstätte für Milliarden Lebewesen, ein Schmelztiegel der unterschiedlichsten Kulturen und Rassen, eine Mixtur aus Fortschritt, Entwicklung, Degeneration und Rückfall. Ein Ort der Gegenüberstellungen, der Divergenzen und Abweichungen vom normalen. Hier fand und gab es alles was man begehrte, alles was die Galaxie in einundvierzigtausend Jahren der Zeitrechnung erreicht hatte und ebenso viel was sie in der Spanne wieder verloren hatte. Jede Ebene der Megastadt pulsierte vor blühendem oder verwelkendem Leben, billionen Ideen entflammten in den Köpfen der Bewohnern, eine Minderzahl davon erfuhr die Umsetzung, deutlich mehr gerieten der Vergessenheit anheim, ganz ähnlich den Millionen von Schuftenden und Gebeutelten die ebenfalls einfach so vergessen wurden wenn sie zuhauf in den verpesteten Vierteln für den Reichtum der Wohlhabenden starben ohne je das „glitzernde“ Licht ihrer Stadt erblickt zu haben, ohne je den Traum von Freiheit in sich gehegt zu haben.

Schwermütige Gedanken kreisten in Ayris Kopf als sie das blinkende und funkelnde Punktemeer unter sich gewahr, welches sie nun überflogen. In Wahrheit hatte sie sich in CitySphären von Vesapae, der Hauptmakropole von Azazer Decimus stets geborgen gefühlt, doch das war in einem anderen Abschnitt ihres Lebens gewesen, damals hatte sie noch der privilegierten sozialen Schicht des Planeten angehört, Preispolitik, sinkende wirtschaftliche Zweige, aufdringliche Junggesellen konkurrierender Firmen oder die Frage nach dem passenden Abendkleid für die nächste Cocktailparty oder Geschäftsessen waren ihre überwiegenden Probleme gewesen, wie hätte sie anno dazumal auch nur daran denken können das dies eines Tages urplötzlich alles wegfallen würde, das sie verstoßen und zu einer Gejagten werden würde, das sie zu einer Ketzerin vor dem Gottimperator erklärt würde und dadurch gezwungen wurde Zuflucht in den entwürdigensten Gegenden solch einer Stadt zu suchen. Jetzt, wo sie so über die Slums Gohmors flogen, stiegen all diese Erinnerungen wieder in ihr auf, sie hatte sowohl die schillernde Seite des Universums gesehen wie auch die furchtbarste durchlebt. Das Leuchtende war nur Fassade, errichtet auf dem Schweiß, Blut, Tränen und den Leichen unversiegbarer Fremdenlegionen von namelosen Schaffenden.

Zu wissen dass sie in eben diese Hölle zurückkehren würde, auch wenn es nicht die einstige war, erfüllte ihre Brust mit einem Gefühl der Beklemmung. Was wenn ihr vieles was ihr dort begegnete nur allzu bekannt vorkam? Was wenn gewisse Erlebnisse Dinge in ihr wachrüttelten die sie gerne tief begraben in sich wusste? Sie hatte Naradas versprochen den Drogen abzuschwören und ohne sie klarzukommen, sie hoffte und bangte darum diese Zusicherung einhalten zu können wenn sie sich erstmals wieder innerhalb der baufälligen Häuser, Schutthalden und Müllgruben bewegte. Die Geister der Vergangenheit wurde man so leicht nicht los, trotzdem hieß dass nicht das es sich hier widerholen würde. Sie war nicht mehr so naiv wie früher, keine verwundete Seele mehr die verzweifelt nach jedem Strohhalm der Hoffnung und Abschirmung griff. Hier gab es keinen Hal Nguyen, keinen Prinz des schlummernden Glücks. Und selbst wenn, sie war in Begleitung von weit gefährlicheren und von der Andersartigkeit gezeichneten Geschöpfen, einer blinden Versuchung Opfer würde sie wohl kaum mehr werden, viel eher waren sie es die als die Verführer auftraten, eine betont definierte Ironie des Schicksals wie sie sich eingestehen musste.

Nach einigen Minuten schwenkte das Luftgefährt zur Seite, die Lichter verschwammen und die Pilotin leitete das Landemanöver ein. Erstaunt registrierte Ayris das die Sicherheitsprotokolle der Flugüberwachung sie ohne Aufhebens passieren ließen, ein Teil von ihr hatte erwartet das es endete wie mit ihrer Flucht von der Gefängnisinsel, wo sie mit dem Shuttle unter Magaris Lansings Navigation von zwei imperialen Jägern über der Wüste abgeschossen worden waren. Aber nichts dergleichen geschah, ihre Bilderbuchlandung erfolgte wie angedacht und Lyra führte sie qualifiziert aus. Bald darauf setzten die Kufen in einer Landebucht auf und die erhitzten Turbinen röchelten nebelige Schwaden. Die Ex-Schwarzklinge ließ sich nicht lange bitten, rüstete sich aus und sprang aus dem Rotorenmaschinerie, dicht gefolgt von der Hohepriesterin, die den gesamten Flug über seltsam still und abwesend gewirkt hatte. Gegenüber den anderen hätte man vermuten können dass sie gleich einem ätherischen Wesen aus dem Vehikel zum Boden herabschwebte, derart gentil und anmutig vermochte sie sich zu bewegen. Der Schwarze Drache hingegen war ein Beispiel animalischer Kraft, nicht nur in seinem natürlichen Gehabe, sondern auch wie er augenblicklich darauf mit seiner treuen Pilotin verfuhr. Warum er sie so hart zurechtwies war der Fremdweltlerin ein Rätsel, aber der Fürst hatte wohl seine profunden Gründe… schätzte sie. Einmischen würde sie sich jedenfalls nicht, die kleine Schlampe war ihr in Rasankur unangenehm aufgefallen und auch wenn sie als einzige fliegen konnte, Schmerzen würden ihr gut tun.

Was ihnen jedoch in der Luft noch vorenthalten worden war, entspann sich nun auf Erden. Eine Wacheinheit störte ihr fideles Beisammensein und erkundigte überraschenderweise nach dem Gesundheitszustand der jungen Fliegerin. Das roch nach Ärger. Ayris, bis dato die letzte Insassin in der Maschine, warf die Gurte von sich, packte ihre Ausrüstung und schwang sie ins Freie. Schließlich musste sie ihrer Rolle gebührend nachkommen und das bewaffnete Kammermädchen ihrer Herrin spielen. Aber noch bevor sie Position hinter der Mystikerin bezogen und die Umgebung einmal vollständig ausgekundschaftet hatte, fiel ein Schuss und eine Sekunde später suhlte sich einer der Wachmänner in seinem Blut am Boden. Erst ungläubig, dann vorwurfsvoll und kochend vor Wut wandte sie sich dem Knecht des Seuchenkults zu und schrie:
Was sollte das du Madenfresser? Bist du von Sinnen? Nennst du das etwa subtil? Willst du uns alle gleich beim ersten Streich ins Grab befördern? Colchis – ich sollte dich sofort für deine…“ Sie war ernsthaft versucht den durchgeknallten Pestilenzkranken von seinem geistigen Leiden zu erlösen, so wie er sie in die Bredouille geritten hatte. Schon schallten die Sirenen los und panisches Geschrei erhob sich rings sie herum. Blitzartig war überall Bewegung. Etliche Menschen spritzten auseinander und strömten in Richtung der Ausgänge der Bucht. Mit einem Male tobte der Ausnahmezustand und keine zivilisierte Regel hatte mehr Bestand. In ihrer Not und Angst traten sich die Massen sogar zu Tode als sich die massiven Sicherheitsschotts hinab senkten damit keine aufrührerischen Subjekte entwischen konnten. Umgehend erschienen schwer unter Waffen stehende Wachkommandos und verteilten sich auf Anlegebrücken, Laufstegen und den Stiegen der Torsegmente. Gehetzten Blickes nahm Ayris dies wahr und ihre Finger klammerten sich um ihr Lasergewehr, im selbstquälerischen Ringen eigens das Feuer zu eröffnen oder der Gegenseite den ersten Schlag einzuräumen. Die Entscheidung wurde ihr abgenommen, denn offensichtlich führte die blonde Psionikerin etwas im Schilde, schritt sie doch zielstrebig und irgendwie siegesgewiss auf die Wachleute zu.
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