07-06-2010, 10:50 PM
Chaos, wie sehr sie es verehrten, nun dennoch verdammten da es sie in all seiner unnachgiebigen Herrlichkeit endlich eingeholt hatte. Der Glanz, die schier unglaubliche Glorie, der Ruhm eines huldvollen Schlachtfeldes, alles dies waren stumpfe Illusionen, verweichlichte Tagträumereien irgendwelcher Waschweiber, welche nicht das Angesicht, das hier und jetzt genießen durften. Sirenengleiches Gekreische mischte sich unter keifenden Befehlsgewalten, während sich irrsinniges Kichern, qualvolles Gestammel und heulendes Fluchen vermengte, überall das dröhnende Stampfen einzelner Schritte, verfestigt zu einer ausgewachsenen Stampede menschlicher Rindviecher. Die Unvorhersehbarkeit einer derartigen Reaktion seitens des Großväterchens Vasallen erwies sich als dornenhafter Makel innerhalb des meisterlichen Fürstenplans, ebenso wie sich schrittweise der dünne Zwirn seinem Zugriff entzog, denn jede Sekunde die nun verstrich erwies sich als tödlicher für das grundsätzliche Anliegen. Ein rascher Blick entpuppte die Szenerie als beinahe hoffnungslos, die barbarisch geschmiedeten Schotten hatten sich herabgesenkt, das Tageslicht abisoliert, während das emsige Trappeln der Militärstiefel über die “Aussichtsplattform” deutlich denn jedes andere Geräusch hervortrat, sofern man sich konzentrieren mochte. Binnen weniger Atemzüge wären sie ohnedies gänzlich eingekesselt und alles vereitelt was sie bis dato erreicht hatten, in weiter ferne eine annehmbare Heerschar zu kommandieren brachte in diesem engen Korridor wohl ebensoviel wie in einer Wüste in Anwesen an den weiten Seen des Nordens zu besitzen. Grüblerisch sinnierte sie, warf dem offensichtlich aufgebrachten Regenten einen nachdenklichen Blick zu, dann dem entschwindenden Jünger, anschließend dem Rest der Meute, wie sich scheinbar jeder aus der Situation selbst ein Bild generieren mochte. Es bestanden durchaus mehrere Optionen, unterschiedliche Handlungsstränge und Vorgehensweisen, doch welche war effizient, welche beherbergte ein minimales Risiko für das größere Ziel? Ein weiteres Mal streifte ihr persönliches Augenmerk jenes des Fürsten, er stand wohl gut eine halbe Spanne des himmlischen Gefährts von ihr entfernt, gestikulierte irgendetwas, während sich seine aufgerissenen, deutlich gezeichneten Lippen unverständlich krümmten und nicht vernehmbare Silben bildeten, zu groß der dröhnende Lärm in ihrer unmittelbaren Nähe, zumindest jetzt, da sich die Welt allmählich selbst zu entziehen drohte. Das nächste was sie eindringlicher betrachtete war der zurückgewichene Wachmann mit angeschlagener Automatikwaffe. Ohne weiteres Zögern, geschweige denn sonderliches Bedauern, hauchte sie dem Despoten mit der stählernen Maske einen flüchtigen Kuss über die Handfläche hin zu, ehedem sie den Folianten langsam auf den Riffelblech verkleideten Flur positionierte und sich dann mit ausgestreckten Armen diagonal zur Schusslinie des Wachmanns auf jenen zu bewegte. Wie zu erwarten schien er sie dadurch als unmittelbarere Bedrohung anzuerkennen, schwenkte kurz ab, was dem vormals angesprochenen allerdings wohl genug Zeit verschaffen hatte um zu entschwinden, wie sie es dem Gebaren des Wächters entnehmen konnte, der sich im Training einstudierten Schrittes behutsam näherte.