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Kammern der Offenbarung
#44
Die Berührung, dem Kuss des Todes gleich, lies ihn von innen heraus frösteln und beraubte ihm jeglicher Gewalt seines eigenen Körpers. Erstarrt hauchte er einen vorsichtig geformten Atem, dessen winzig kleine Tröpfchen sich zu filigranen Kristallen wandelten und hinab segelten. Ein scheinbarer Moment der Ruhe, dann ein Rieseln hinter ihm, wie feiner Sand der aus einer zur Faust geballten Hand in eine metallene Schalle fiel. Der Verwunderung wegen hätte er sich sofort danach umgeschaut und doch steckte das gerade noch Erlebte zu tief in seinem Mark, als dass er sich dem nächsten Schrecken wirklich stellen wollte. Dennoch gab es keine Wahl, wenn er nicht nochmal mit seinem Leben handeln wollte und so sprang er so schnell es seine Glieder gerade vermochten von der Folterbank und landete mit begleitetem Knacken nicht auf dem erwarteten festen Boden, sondern in einer Anhäufung unterschiedlichster Krabbeltiere. Erschrocken wich er einen Schritt zurück, weichte mit Seitenbewegungen seines Kopfes umher flatternden Faltern und anderen Insekten aus und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die vielfältige Schar vor sich. Angewidert trat er weiter zurück, seine Fersen stießen dabei auf ein Hindernis, doch es war nicht der erwartete Alte. Leere Augen starrten ihm entgegen, die Kehle entblößt und blutverschmiert. Ein Blitz zuckte vor seinem geistigen Auge, katapultierte ihn zu einer Erinnerung derer er sich nicht bewusst war. Seine Zähne durchdrangen Haut und Fleisch, er zeigte kein schlechtes Gewissen, keine Abscheu als er sich in dem Körper festbiss und das blutig Rot verzehrte, es wahrlich genoss wie es seine eigene Kehle hinab lief. Kraft durchströmte fühlbar seine Venen, vergessen war Schmerz und Müdigkeit. Gier nach mehr trieb ihn weiter voran, einmal gekostet gab es nun kein zurück von diesem Verlangen.
Verstreut strich er sich mit dem Unterarm über Mund und Kinn und begutachtete was zu Tage gefördert wurde. Er sah was zuvor auch schon im Spiegel gesehen, doch nun ergab das Blut dort einen neuen Sinn, fügte sich der schmerzvollen Vision. Der Schluss lag nahe und doch wollte er verweigert werden. Den Gedanken abschüttelnd wendete er sich von dem Toten ab, suchte nach einer Bekleidung für seinen ausgekühlten Körper. Er fand zwar nichts dergleichen auf die Schnelle, aber dafür erspähte er die mitgenommenen Überreste seiner vertrauten Tasche, die auf einem Tisch in seiner Nähe ruhte. Trotz des robusten Materials war sie an vielen Stellen weit abgeschürft bis hin zu kleinen ausgefransten Löchern. Kurz huschte der Ansatz einer erleichterten Miene über seine Züge als er sie öffnete und darin zumindest noch seinen Klingenreif und den Drogeninjektor fand. Letzterer hatte auf einer Seite teils tiefe Kerben und das teure Material war durch die unzähligen Kratzer matt geschmirgelt worden, aber, und das erfreute Ad`razbe, wies die teuer angefertigte Konstruktion noch ihre volle Funktion auf. Beide Kammern waren noch fest versiegelt und ließen sich ohne Probleme öffnen. Die Ampullen darin wiesen keine Beschädigungen auf und waren fest angedockt. Als er über den innen liegenden Taster fuhr schnappten auf der nicht mitgenommen Seite zwei Haken hinaus. Leicht grinsend verschloss er das Gerät wieder und führte es mit beiden Händen über den Kopf zu seinem Rücken, wo er es knapp unterhalb des Nackens ansetzte und die Haken mit Druck in seinem Fleisch vergrub. Ein nur allzu bekannter stechender Schmerz durchzuckte seine Wirbelsäule, dann war es justiert und einsatzbereit. Nun widmete er sich wieder dem Toten, besser gesagt seiner stinkenden und dreckigen Kleidung, die er dem leblosen Körper entkleidete um sie selbst zu verwenden. Sicherlich hätte er Ekel empfinden können, doch nach dem was er bis jetzt durchgemacht hatte war dies ein kleines Übel, ein notwendiges sogar. Von dem Lumpen ein paar Insekten abschüttelnd fand er sich wenig später selbst darin wieder und die feuchte Kühle in diesem Gemäuern schien zumindest etwas gemildert. Zu guter Letzt nahm er noch seinen Klingenreif aus der Tasche, teilte ihn mittig zu den beiden Klingen und nahm sie ein jede fest in seine Hände.
Der Wegweiser sollte ihm ein dünnes Rinnsal geronnen Blutes sein, dem er durch die Gemäuer folgte. Die Spur hatte dort begonnen wo er gefangen gehalten worden war, deshalb war dies der einzigste Anhaltspunkt den er in diesem Labyrinth hatte, auch wenn es eine absichtlich gelegte Fährte zu einem Hinterhalt sein konnte. Selbst mit seinen so vertrauten Waffen ausgerüstet empfand er keine Sicherheit in dieser fremden und für ihn so gefahrvoll anmutenden Umgebung. Schritte hallten hinter ihm, doch auch wenn er sich hastig umdrehte, so fand er nichts als einen leeren Gang vor. Immer wieder lugten ihm seltsame Augenpaare entgegen, in dem sich das spärliche Licht widerspiegelte oder gar reflektiert wurde. Grunzende Laute hallten von weit her, ein paar Male meinte er sogar Schreie und Wehklagen zu hören, und doch rauschte hier unten trotz der modrig abgestandenen Luft der Wind seltsam um die Ecken und konnte mancher unheilvollen Geräusche Ursache sein. Zeit? Zeit spielte für ihn seit seinem Erwachen keine Rolle mehr. Es gab nur das hier und jetzt, die Aufmerksamkeit galt immer nur dem nächsten Schritt, kein vorausschauendes Denken, kein „Was wäre wenn...“. Umso überraschender sah er sich bald einer tief schwarzen Pforte gegenüber. Sie war geschlossen, ohne Muster oder erkennbaren Verzierungen, dafür prangte der Kopf einer dämonengleichen Bestie darauf, in dessen Maul ein goldener Ring. Kurz war er versucht seine Anwesenheit wirklich mit einem Klopfen anzukündigen, aber verwarf den Gedanken mit einem schmunzelnden Laut und zog es vor die Pforte erst vorsichtig einen Spalt weit zu öffnen. Das Tor saß erwartungsgemäß schwer in seinen Angeln und knarrte bereits als er es nur ein wenig weit aufzog und er entschloss sich deshalb es so weit zu öffnen, dass er eintreten konnte. Er widmete dem seltsamen Raum nur einen kurzen Blick, erfasste dabei seiner Meinung nach das Wichtigste, widmete sich aber dann nochmal dem Tor und verschloss es hinter sich wieder. Neugierig, aber bedacht und nicht tolpatschig wie ein kleines Kind, so hoffte er zumindest, umrundete er den Raum an den Wänden entlang, bewunderte den edel anmutenden Marmor, lies seinen Blick einmal an die Decke schweifen. Hauptaugenmerk lag aber bei seiner „Begehung“ auf dem einsame Stuhl in der Mitte. Einladend schien er ihm zuzurufen ihn zu berühren, ihn zu streicheln, ja sich gar auf ihn zu setzen und thronend Platz zu nehmen.
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