03-17-2010, 12:20 AM
Elysium. Der sanfte, verschmitzte Harfenschlag zarter Fingerchen, traumatisierend in seiner erquicklichen Poesie. Episch im Widerklang, harmonierend in seinen winzigsten, unscheinbarsten Ausprägungen, das wiederkehrende Motiv einer unerreichten Reinheit, einer huldvollen Absolution jeglicher schwammigen Sünde. Ebenen, nein, weitläufige, grasbewachsene, üppige Steppen, bevölkert von nomadisierend anmutenden Kreaturen einer nicht erklärbaren Zerrwelt. Sie galoppierten flinkfüßig dahin, während ihre kindlich zärtlichen Zehlein den jungfräulichen Weidengrund gerade einmal anzutippen schienen. Weiche, malerische Hügellandschaften erstrahlen in einem blassen Safran, während sich ein silbernes Bächlein gurgelnd durch die so entstehenden Vertiefung schlängelte. Farbenprächtige geschuppte Kreaturen, eingehüllte in goldene Fäden, Jaspiz, Lapislazuli, Rubin und Smaragd schlenderten zwischen altehrwürdigen, knorrigen Stämmen und Weilern, auf deren spiegelglatter Seefläche sich die umliegende Landschaft in noch abstrakteren Denkmustern reflektierte. Der wallende Himmel erinnerte an die urtümlichen Gezeiten, Ströme perlweißer, schnatternder Flugwesen zogen über den purpurnen Teppich welcher alles überspannte, während lieblich zwitschernde Vogelhybriden und beinahe nackte Nymphen entweder auf Zweigen oder vereinzelten Findlingen residierten und gegebenenfalls ein zwei lustvolle Strophen in einer fremdartigen Musik trällerten. Allem, selbst jener unscheinbarsten, geschicklosesten Verkrümmung derer Leiber, wohnte eine abstrakte Anmut inne, eine sagenhafte Perfektion nach welcher herkömmliche “Pilger” jahrtausende suchen mochten, ohne auch nur den winzigsten Anreiz dessen zu erhalten. In Mitten dieses paradiesischen Garten Eden, sofern man dieser immateriellen Zuflucht derartiges zuzusprechen erhoffte, hatten zweifellos exquisitere Geister einen lieblichen Pavillon ersonnen. Es war eine jener früh gotischen Ersinnungen, schlanker, weißer Marmor, umrandet durch eine halbe Bogen heroischer Bildnisse, welche allerdings nicht den allgegenwärtigen Imperator oder einen seiner rächenden Engel umfasste, sondern weitaus hübschere, lebendigere Motive. Gewundene, dekadent verworrene Schlingen, welche in sich selbst begriffen einen irisierenden Schlangenschweif symbolisierten, davon ausgehend ein verruchter, dennoch perfekt proportionierter männlicher Torso, dessen einzelne Muskeln facettenhaft hervorstachen. Ebenso wie jene elfenbeinernen Glieder, in ihrer beharrlichen Kraft an deutlich maskuline Prägungen erinnert und dennoch in einer femininen Zerbrechlichkeit verharrt, während ausladende Schwingen wie jene nächtlicher Räuber deutlich wie ein Mantel alles umfassten und umrahmten. Allein das Gesicht, das zierliche, weiche, fliehende Gesicht, mit seinen rundlichen Wangen wie Porzellan, dem spitzen, makellosen Lippen welche ein unverhohlenes, lüsternes Grinsen offerierten und die sinnlichen Linsen welche den Beobachter selbst wie hypnotisierende Onyxspiegel anstarrten. Verfangenheit wenn nicht gar absolute Unterwerfung waren die geringsten aller sich darbietenden Gedankenstränge, sofern man sich dessen erst einmal bewusst geworden war. Das unreine, kränkliche Menschenauge war nicht geschaffen für derartige Wesenheiten, welche ihre eigene Apotheose bereits vor Jahrtausenden vollzogen hatten. Sie kannte den Namen, kannte dessen Bedeutung, doch kannte sie ihn auch nicht, wie alles hier, von vergänglicher und dennoch endloser Pracht, ein vorüberschreitendes Momentum, ein Angedenken dessen, was allein durch sorgsame Empfindung zu erreichen war. Sie waren alle gescheitert und jeder Einzelne mochte ein verblendeter Ketzer oder gar schlimmeres sein, dennoch war dies ein neues Maß, eine neudefinierte Ära. Dies stand unmittelbar bevor, wie es prophezeit war, wie es all jenen treuen Seelen versprochen worden war, welche erstmals die flüsternde Stimme innerhalb der stummen Schöpfung vernommen hatten. Das Geschenk des Chaos. Der Segen der proklamierten Leere, sofern man nicht verstand worum es sich denn wahrhaftig handeln mochte. Nun erst sich die eigentümliche Beschaffenheit realisierend, ertappte sie sich bei abermaliger Unbedachtheit, doch nicht etwa Missgunst, sonder vielmehr blanke Überraschung setzte ein, während sich die Kreatur an ihrer Seite allmählich auf einem gepolsterten Diwan niederließ, welcher, so hätte sie wohl schwören können, vormals nicht an jenem Platz gestanden hatte. Junge Dirnen, von kaum mehr den sechzehn, vielleicht siebzehn Lenzen, posierten am Kopfende der Liegestätte und reichten dem strahlenden Wesen ausgerupfte Blütenblätter und Kelche von süß duftendem “Ambrosia”. Dieser hier war kein konventioneller Gott, aber auch etliche Äonen von blasphemischer Menschlichkeit entartet, ein Wandler zwischen den Welten, ein gehörnter, charmanter Satyr, welcher mit allen bekannten Verlockungen sterblicher Sinne seine ungeteilte Aufwartung machte.
“Wein und Spiele, lasst uns liegen, wo der Wonne huldvolle Pracht, sich entfaltet auf den Wiesen, kindlich unschuldigen Ungemachs, wo Sünde nicht zur Strafe, sondern Sünde nur der Wegbereiter. Tretet heran, setzt euch, trinkt mit mir, genießt die Muse und den Segen unseres hohen Herrn, ebenso wie ich dies tue. Komm liebes Kind, setzt euch an meine Seite…”
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Unstet bestenfalls, keinerlei absonderliche körperliche Reaktion, mit Ausnahme des aufgezwungenen Atemmechanismus zeichnete sich ab. In einer beinahe leichenhaften Starre schienen die Augen nicht einmal mehr zu blinzeln, vielmehr schien sich der waagrecht gen Saal gerichtete Blick irgendwo zwischen dem hier und jetzt gänzlich zu verlieren. Die gesamte, wenig komplexe Körperhaltung gab dies wieder, den nicht einmal das klirrende “rascheln” einzelner Kettenglieder war zu vernehmen, während noch des Fürsten tiefer Sopran erklang. Reglos, willenlos, gebunden und geknebelt, jedoch ohne das dies einer begreiflicheren Funktion gedient hätte, denn ohnedies schien ihr Leib geradezu losgelöst von dieser Welt zu sein. Und dennoch schien allem ein gewisses materielles Bewusstsein anzuhaften, wie in einem jener antiken Schaukästen, durch mehrere Ebenen dünnen Glases oder Eises, ohne das eine tatsächliche Manipulation möglich gewesen wäre. Nein, sie verharrte, Stille, Starre. Nichts.
“Wein und Spiele, lasst uns liegen, wo der Wonne huldvolle Pracht, sich entfaltet auf den Wiesen, kindlich unschuldigen Ungemachs, wo Sünde nicht zur Strafe, sondern Sünde nur der Wegbereiter. Tretet heran, setzt euch, trinkt mit mir, genießt die Muse und den Segen unseres hohen Herrn, ebenso wie ich dies tue. Komm liebes Kind, setzt euch an meine Seite…”
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Unstet bestenfalls, keinerlei absonderliche körperliche Reaktion, mit Ausnahme des aufgezwungenen Atemmechanismus zeichnete sich ab. In einer beinahe leichenhaften Starre schienen die Augen nicht einmal mehr zu blinzeln, vielmehr schien sich der waagrecht gen Saal gerichtete Blick irgendwo zwischen dem hier und jetzt gänzlich zu verlieren. Die gesamte, wenig komplexe Körperhaltung gab dies wieder, den nicht einmal das klirrende “rascheln” einzelner Kettenglieder war zu vernehmen, während noch des Fürsten tiefer Sopran erklang. Reglos, willenlos, gebunden und geknebelt, jedoch ohne das dies einer begreiflicheren Funktion gedient hätte, denn ohnedies schien ihr Leib geradezu losgelöst von dieser Welt zu sein. Und dennoch schien allem ein gewisses materielles Bewusstsein anzuhaften, wie in einem jener antiken Schaukästen, durch mehrere Ebenen dünnen Glases oder Eises, ohne das eine tatsächliche Manipulation möglich gewesen wäre. Nein, sie verharrte, Stille, Starre. Nichts.