09-02-2008, 11:47 PM
Keuchend, wie der ertrinkende Mensch japsend, schnappte sie nach der kühlen Atemluft der Nacht. Es war als erfülle ein geweihtes Sanktuarium ihre gemarterte Lunge, eine kalkulierende, gleichmäßige Reinheit erfüllte sie mit einem Mal, wie ein frisch gewonnener Gedanke, nach einer apathischen Zeit nichtsnutziger Lethargie. Was zuvor lose, ungeordnete Strukturierungen waren, entpuppte sich in eben diesen Herzschlägen als klares, offenkundiges Geschehen. Das “absolute” Chaos kannte also sehr wohl eine grundsätzliche Gesetzmäßigkeit, zumindest in dieser simplen Angelegenheit. Von einem Atemzug auf den nächsten aus den Klauen ihrer Begegnung entrissen, starrte sie mehr sinnlos den sinnvoll in die geraume Unendlichkeit einer sternenlosen Finsternis. Irgendwo in jener schlicht unbegreiflichen Weite, war ein vollkommen widernatürliches Phänomen, eine blutende Wunde der Realität. Der Mensch dachte, fühlte, begehrte, sinnierte, empfand… alles kehrte auf mythischen Pfaden fernab der physischen Existenz in ein Stadium eigenen Intellekts, dämonischer Verstand… und, so lehrten es die chaotischen Schriften, fand über ungenannten Irrpfade, wieder zu seinem “Schöpfer” zurück. Sollte dieses einfache, nachvollziehbare Grundkonstrukt also der unumstößlichen Wahrheit entsprechen, so hieße dies, irgendwo in den surrealen Untiefen des Warp, würde sich ein exaktes Ebenbild, ein Duplikat, des gesammelten Hasses aller Menschen befinden… Seltsamerweise kaute ein unbekanntes Wort, Bluttrinker, an der Wurzel ihres Bewusstseins, während sie in den fahlen, ausdruckslosen Seelenspiegeln ihres Gegenübers versank. Khorne, Herr der blutigen Schlachten, Sammler der Schädel, Säufer des Weltenblutes… Ehrenbezeichnungen. Verwunderlich… Geistlose Berserker gaben ehrenwerte Namen an ihren Gott, welcher von selbiger Geistlosigkeit war. Irgendjemand erhob seine schwere Zunge, kühle Worte, denen es an tatkräftigem Hintergrund mangelte, gesprochen mit einer gemütsruhigen Geistesträgheit. Sie verspürte nicht den geringsten Reiz, sich verbal auch nur mit einem dieser Menschen auseinanderzusetzen. Ihr fröstelte. Noch dazu spürte sie einen unwirklichen Schmerz, welcher sie durchfaserte, gerade zwischen den oft unklaren Grenzen von Realität und Einbildung. Ätzendes Gift zerfraß ihr den menschlichen Sinn, winzige Geschöpfe, geschuppt, haarlos, krochen über ihre nackte Haut. An manchen Stellen fühlte sich ihre Gewebe wie aufgerissen an, sie meinte, ihr Herz würde nicht regelmäßig schlagen, ihr stocke der Atem. In einer nüchternen Ewigkeit, mochte dies vielleicht sinn ergeben, vielleicht auch nicht, doch gerade schmerzte ihr jedes Glied, jeder Muskel, jeder Millimeter sensitiver, organischer Materie. Liederliche Feuersbrunst, winzige, scharfkantige Streu in den Fasern ihres Fleisches, filigrane, abgefeilte Nadelspitzen in ihren erweiterten Nerven. Zum ersten Male in ihrem geplagten Leben, strich der Warp merklich über ihre ausgestreckten Sinne, liebkoste und geißelte zugleich jegliche Empfindung. Atemzüge lang ertrank sie förmlich in kryptischer Erkenntnis, füllten sich die aufgeblähten Zellkerne ihres Organismus mit Essenzen jenseits des begreiflichen Raums. Doch noch ehe es begann, war es auch schon vollendet. Ihr war als würden ihre Lippen, spröde und vereist, kreischend zerplatzen, zu zehntausend unsinnig kleinen Kristallen. Wie überflüssiger Laub, schuppte das ohnehin verschlissene Gewand von ihrem Leib, als sie sich zu voller Größe aufrichtete, weder Kogan, noch Jack, noch den Schweinehund oder gar den Neuankömmling wirklich wahrnehmend. Ein augenblicklich finsteres Lächeln umspielte ihre ansonsten sanftmütigen Züge, ein dünnes Rinnsaal klaren, rosenroten Blutes tröpfelte von zwei Stellen nahe der Schulterblätter über ihren Leib herab. Mitternächtliche Kälte legte sich als lebloser Schleier trauernd um sie, in jedem ihrer Schritte lag einen unnatürlicher Verkehrtheit, während sie merklich geistesabwesend in eine unbestimmte und dennoch klar vorgezeichnete Himmelsregion stolperte. Weder das fern drohende Aufheulen irgendwelcher sonnenscheuen Jäger, noch das unruhige Treiben des Sande zu ihren Füßen mochte sie abbringen. Es war als schreite sie durch eine sich krümmende Welt, deren einzige Konstante letztlich sie selbst war, umgeben von lächerlichen Unwahrheiten, schnöden Lügen und verachtenswerter Häresie. Nichts hatte bestand, denn wahrlich alles, musste dereinst verfaulen, verrotten oder schlicht zu Grunde gehen. Mensch, Xeno, Maschine und selbst trügerisch zeitloses Gestein. Nichts war vor den nimmermüden Augen der göttlichen Gebieter von Bedeutung, einzig das Voranschreiten eines unendlichen Konflikts, wie er schon vor der Geburt aller existierenden Völker ausgetragen wurde. Ihre nackten Fußsohlen waren blutbeschmiert, sie schritt wie auf flockigen Wolken dahin, glitt förmlich über den zerstaubenden Sandpfad, während sich von nah und fern, Zungen aus der Erstarrung lösten. Sie kündeten von der einen, großen Wahrheit, von der letztendlichen Erlösung von der Sinnlosigkeit. So wurde es ihr auch nicht gewahr, wie der sandige, schlüpfrige Untergrund, langsam um sie herum versank, einem dünnen Nebelschleier gleich, zur Nichtigkeit verdammt. Und so erhoben sich, zum ersten Male wohl seit Äonen, gezeichnete Hexenreliefs aus der sonst verschwiegenen Wüste, während ringsherum mondgetränkte Schatten emporragten, archaische Monolithen, vom Menschenauge lange Zeit versteckt, nun wieder von der alten Ära kündend. Inmitten eines verschollenen, eben freigelegten chaotischen Oktagons, an jeder Ecke eine rostige Lanze, deutlich vom Zahn der Zeit mitgenommen, kniete sie nieder. Das langsam fließende Blut ihrer geöffneten Wunden, schien sich mit den geschnittenen Linien des okkulten Zeichens allmählich zu vereinen, währenddessen der nächtlich heulende Sturm, kindlich mit ihren Haaren spielte…