10-03-2009, 11:03 PM
Diospendes und Antrichonos, Algor-Nohak, Schu-Alayia, uralte Flurbezeichnungen verstaubter, teilweise eingestürzter Korridore, welche sich gleich einem unendlich vergrößerten Rattenbau unterhalb der Ras-an-Kur erstreckten, beherbergten neben möglicherweise einzigartigen, kultisch unvorstellbar kostbaren Folianten, archäologischen Dokumenten und Aufzeichnungen aus der prä-imperialen Zeit, auch geringere Objekte wie etwa Abbilder einstiger Monarchen, vergilbte Portraits, wohl vor wenigen Jahren erst erbeutet, Mobiliar, zerbrochen Datenscheiben, verrostete Küchenutensilien oder schlicht und einfach Moder und Kot verseuchte Massenfriedhöfe, aus welcher dunklen Epoche auch immer diese stammen mochten. Ras-an-Kur war alt, sehr alt, aus der archaischen Frühzeit, womöglich sogar noch bedeutend früher, doch soweit hatten nicht einmal ihre persönlichen Nachforschungen gereicht. Fest stand das es wenigstens eine antike Stätte war und ungezählte rituelle Räumlichkeiten enthielt, ebenso wie Schlafkammern, Gemächer und, was sie nun wohl aufsuchen sollten, Waffenkammern. Eine dieser war unterhalb der “Bibliothek” untergebracht, erstreckte sich grob unter dem westlichsten Flügel des Palastareals, darüber lag gewissermaßen der Springbrunnen des Gartenatriums. Zehn Menschen, neun davon in Ketten geschlagen, betraten diese verdrießliche nachtschwarze Halle, während ein Quartett aus vier voran geeilten “Jungfern”, wie drapiert an unterschiedlichen “Kontrollpunkten” der Kammer verharrte, ein in ein bronzenes Sturmglas eingemachtes Feuer erhellte jeweils die rechte Hand, während sie stillschweigend durch die unterschiedlich bezeichneten Regalkorridore schritten. Diese enthielten meist nutzlosen Plunder, etwa Talgkerzen, Signalfeuer, Brandkapseln, Schnürsenkel, anderer Kram, welcher einstmals wohl ein Reservemagazin erfüllt hätte. Es folgten uralte, zerfledderte Erstausgaben irgendeines kleingeistigen Sakralbandes, einer losen Sammlung abergläubischer Bauernbeschwörungen, welche dazu dienen mochten irgendwelche Geister zu besänftigen. Dann Wetzsteine, für Sensen, aber auch die bajonettartigen Khopeschklingen der Rasankuri und zerfallenes Verbandszeug. Es folgten metallische Klammern, um etwaige tiefer sitzende Fleischwunden zu kurieren, Nadeln für allgemeinen Gebrauch, sowie zusammen gewürfelter Krimskrams, Feldabzeichen, Standarte, Schwertscheiden, leere Magazine. Erst am End des circa dreihundert Meter langen Schachts stapelten sich einige sorgfältig präparierte “Seekisten”, gezimmert aus grobem einheimischen Holz, unterlegt mit Arbeiten aus Kupfer oder Zinn, eine jede Truhe wies persönliche Siegel eines einstmaligen Ahnherren auf. Oder es war lediglich eine Markenbezeichnung. Eine der Konkubinen streifte den anliegenden Staub ab, während sich quietschend die uralten Scharniere auseinander lebten, einen letzten, flüchtigen Kuss gewährend. Verstummendes Lebewohl. Antar mochte gleichermaßen verstummt sein, während seine regungslos gewordenen Pupillen lediglich die gähnende Schwärze innerhalb kartographierten, zog eine der vier Jungfern ein glänzendes Stück absonderlicher Bekleidung aus jener Untiefe hervor. Eine anregende Abwandlung eines militärischen “Stramplers“, jedenfalls wurde jenes Kleidungsstück in den imperialen Rängen derart bezeichnet. Im Gegensatz zu dem gewöhnlicher Weise aus speziellen Anti-Dehydrierungsstoffen hergestellten Kampfanzügen, war dieser allerdings aus der perlend schwarzen Elastizität herkömmlichen Latex gefertigt. Es waren enggeschnittene Overalls, welche gleichsam jedoch zusätzlich noch mit dünnen Handschuhen sowie angearbeiteten Strümpfen versehen waren. Wie eine herkömmliche Kapuze befand sich auf Höhe des Nackens ein Sack, welcher während des Anziehens über den Kopf gezogen wurde und anschließend eine entfremdende, detaillose Maske bildete. Aus diesem Anlass heraus waren den geketteten Männern kurzerhand die auffälligen Reiterbärte rasiert worden, ehe man ihnen die Halseisen abnahm und sie ein wenig seduktiv Zwang diese neue Garderobe anzuprobieren. Erst einmal durch den sogenannten Catsuit beengt, fanden sich alsbald die stählernen Ringe wieder an ihrem Platz ein, während die vier Mädchen unterschiedliche Tätigkeiten übernahmen. Eine versah jeden der neun Männer mit einem ebenso schwarzen Halfter, sowie einer geschwärzten Lederscheide, während eine andere sie umgürtete und ihnen die Taschen für Munition, sowie Klingen, Wetzstein und andere Behelfsmittel daran schnallte. Die Dritte beschäftigte sich damit, einem jedem Krieger eine makellos runde Kugel in den Mund zu stecken, welche alsdann mit Riemen am Hinterkopf so im Mund gehalten wurde, während eine Vierte ihnen “Gasmasken” anlegte, deren Filter eine speziell durch die Hexe gemischte Lösung beinhielten, ein starkes Aphrodisiakum, welches psychoreaktiv wirkte und Schmerzen hemmte aber auch auf andere Weise verstärkte. Derart ausgerüstet, erhielten sie das Vergnügen sich einen innseitig geschliffene Mondsichel auszusuchen, welche neben der regulären Funktion des Schwertes anhand eines Schaftes auch auf Hellebardenlänge ausgefahren werden konnte. Darüber hinaus fand auch eine abgewandelte Form einer Zackenpeitsche platz, deren Widerhaken offensichtlich zuvor in irgendeinem Toxin gebadet worden waren. Derart ausgestattet, wurde ihnen abschließend eine weitere Art “Sack”, gewissermaßen ein Rucksack, angelegt, in welchem sich neben einer reichhaltigen Nahrungs- und Flüssigkeitslösung, Drogenversetzt, auch einer der “Sprösslinge” tummelte, was im etwa soviel bedeutete wie, würde der “Mensch” sterben, würde sich die Kreatur unverzüglich seines noch kaum toten Leichnams bemächtigen, und somit einen Anschein des “Wiedergängers” erwecken, sofern man nicht allesamt zerfetzte. Über einen mit spitzen Nadeln versehenen Schlauch wurde durch eine Öffnung des Halsbandes hindurch, ein Injektionskanal in die Speiseröhre gelegt, eine überaus schmerzhafte Vorgehensweise, welcher allerdings durch alle fünf Damen sichtlich genossen wurde. Vor allem da sie diese Schmerzen zufügten. Inzwischen waren die bronzemaskierten Rasankuri ebenso herangekommen, führten in ihrem Tross weitere Stammeskrieger der Achamiden mit sich, welche alsbald ebenso versehen wurden. Binnen weniger Stunden wurde somit ein kleine Schar von Kriegern “ausgerüstet”, egal wie moralisch abwegig oder ethnisch unkorrekt man es auch betrachten wollte, erfüllten diese “Schwarzen Krieger” doch einen abwegigen Kult, einen der vergötterten Schmerzen und der grenzenlosen Ekstase, das Individuum war dabei irrelevant, den durch die injizierten Drogen schien dies sprichwörtlich jeder gänzlich zu genießen, während Frauen wie Männer gleichermaßen “depersonifiziert” wurden. Nach einer weile hatte man somit gut neunzig Männer und Frauen ausgerüstet und allein ein rotes Schlangenemblem stirnseitig gewisser “Gasmasken” wies einzelne Krieger als ranghöher aus. Einer derjenigen stand nun exakt neben Melanie, angeschnürt an eine silberne Kette, welche sicher in ihren verhüllten Fingern lag. Antar der Tapfere, ohne eine wahrhaftig unterscheidbare Persönlichkeit, geschweige den spezifische Merkmale.