Zeitenwende

[Cassian Khline]

Die freundlichen Wortes Elviras zur Begrüßung perlten an ihm ab und wurden nur mit Schweigen beantwortet. Bedeutungsloses Geplauder, um eine Nähe vorzutäuschen, die nicht zwischen ihnen bestand. Innerhalb des Arbites verzichtete man darauf. War es doch weder untereinander noch gegenüber dem Bürger oder dem Aufrührer, oft ein und dasselbe, notwendig.
In Elviras Laufbahn konnte man wohl auch darauf verzichten und die volle Macht der eigenen Organisation ausspielen. Aber ein paar warme Worte waren oft billiger, um sein Gegenüber in vermeintlicher Sicherheit zu wiegen. 
Er fiel nicht darauf rein. Sie waren keine Freunde, sondern Vorgesetzte und Untergebener kraft ihrer Angehörigkeit zur heiligen Inquisition.
Die beiden hätten, so wie sie sich hier gegenüber saßen nicht unterschiedlicher sein können. Cassian trug einen schlichten mattschwarzen Dienstanzug des Arbites für den Innendienst und überragte sie an Größe und Muskelmasse so sehr, dass er fast wie ein halber ungeschlachter Ogryn im Vergleich zu ihr war.
Elvira schien die angenehmen Seiten des Lebens zu genießen, die ihre die Arbeit bei der Inquisition bot. Wieder neue sündhaft teure Kleidung mit denen sie Reichtum und Macht projizieren konnte. Absolut Stilsicher, aber doch nicht ganz passend. Unter all den Lagen an Kleidung, Schönheitsoperationen und geschliffenem Verhalten steckte immer noch ehemaliger Bandenabschaum, der seine Herkunft nicht ganz abschütteln konnte. Das, was ihm bereits während der Dienstbesprechung an ihr aufgefallen war, bestätigte sich von Angesicht zu Angesicht. Ein Arbites kannte seine Klientel. Hoch aufgestiegen war sie und hatte Stil und Habitus der Oberschicht gut kopiert. Aber da war noch ein feiner Unterschied zum Original. Richtiger Makropoladel hatte das gewisse etwas im Verhalten und Auftreten, das ihr fehlte. Eine bestimmte Art von Arroganz und Selbstgefälligkeit, die man von Geburt an über die Muttermilch aufnehmen musste und nicht nachträglich lernen konnte. Genauso wie das Gebaren eines Arbites nur durch lange Jahre in der Schola Progenium und später den Ausbildungsanstalten der Hüter des Lex erlernt werden konnte.
Nach den Höflichkeiten kam eine Auflistung seines bisherigen Lebens, um ihm gegenüber zu begründen, weshalb er in den Dienst der Inquisition gestellt worden war. Knapp, präzise und vollumfänglich.
Ihre Anmerkungen zu seinem bisherigen Dienstweg überraschten ihn in keiner Weise und er nahm ihn stoisch schweigend zur Kenntnis. Ein Mitglied der Inquisition besaß schließlich die Menschenkenntnis jemanden wie ihn richtig einzuordnen. Die noch fehlenden Details konnten dann mit den endlosen Regalmetern an Dokumenten ausgefüllt werden, die der Adeptus Arbites auf Koron III, wie auf jeder Welt, penibel angelegt hatte. Mit etwas diplomatischer Höflichkeit und der eindrücklichen Wirkung einer Rosette der Inquisition ausgestattet ließ sich leicht auf diese gewaltigen Archive zugreifen, um alles über ihn selbst herauszufinden.
Das man ihn wieder so einsetzen wollte wie beim Arbites überraschte ihn nicht, da sie die Begründugn davor selbst geliefert hatte. Es barg natürlich ein gewisses Risiko. Er hatte zwar versucht alle losen Enden zu beseitigen, seine Truppe beim Baneblade, Pedwarsky und Renold am Boden des Transitcanyons, Soraya in der Haft der Arbites, aber ganz konnte nicht ausgeschlossen werden, dass man ihn bei einer erneuten Infiltration in den Genräuberkult wiedererkennen würde. Vielleicht gab es noch Überlebende und dumm war der Abschaum nicht.
Er räusperte sich kurz.
"Habe verstanden Elvira. Klingt nach den gleichen Aufgaben wie beim Arbites.
Der Rufname. Sie meinten kein Pathos… keine Legende… immer ein Comgerät zu Hand. Hm… Echo. Das sollte passen.“ 
Er nickte einmal, um das Gesagte zu unterstreichen.
„Gilt der auch meinen Kameraden gegenüber oder dürfen wir uns in der Gruppe mit unseren echten Namen ansprechen?“

Der Plan war von oben herab für sie aufgestellt worden, Cassian fiel es aber nicht leicht den befohlenen Plan einfach nur stumpf entgegenzunehmen.
„Ich verstehe den Zweck der Mission. Meine Zeit unter den Kultisten hat mir gezeigt, dass Louise eine gefährliche Frau ist. Sie besitzt Psionische Fähigkeiten, die sie in verschiedenster Form anwenden kann. Das ganze Spektrum von ihnen habe ich vielleicht gar nicht gesehen. Das sind Unbekannten, die unser Handeln beeinflussen. Ist sie ausreichend sediert? Bei ihrer Gefangennahme hat sie mir beinahe das Gehirn gekocht. Das Risiko würde ich gerne für uns vermeiden. Ich hatte wenigstens eine kleine Chance mich dagegen zu wehren, da wir beim Arbites darauf vorbereitet werden. Meine Kameraden werden wahrscheinlich nicht mal das haben. Richtig?
Ich würde daher gerne weitere Betäubungsmittel mitführen, die wir ihr bei Bedarf verabreichen, um sie ruhig zu stellen.
Nicht das sie uns in den Rücken fällt und uns ausschaltet, während wir von einem Überfallkommando angegriffen werden.“
Er starrte sie unverwandt an.
Achja… Sind die anderen drei überhaupt über diese Gefahren informiert? Kennen sie sich mit Psionikern aus? Oder fällt die Aufklärung dazu in meinen Bereich?“
Gedanklich hakte er diesen Punkt auf seiner Liste ab und ging nun zu den Details des Einsatzes über. Auch hier wieder die Frage nach dem Rahmen in dessen Grenzen sie handeln würden.
„Und wie sehen die einzelnen Parameter des Einsatzes aus? Welche Art von Bewaffnung ist vorgesehen? Arbitesausrüstung wäre beim Treffpunkt zu auffällig. Sie wünschen sich wahrscheinlich Unauffälligkeit Elvira.
Das gleiche dürfte auch für meine Kameraden gelten. Reicht deren Bewaffnung, um einen Überfall zurückzuschlagen oder soll ich noch zusätzliche Ausrüstung für sie einpacken? Das Risiko für einen Angriff ist ja anscheinend vorhanden.
Und muss ich etwas bei den drei beachten? Verhalten, Erfahrung und ähnliches. Irgendwelche Auffälligkeiten?“
Ratterte er seine sonstigen Fragen herunter und lehnte sich dann auf dem leise unter seinem Gewicht knarzenden Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor seiner Brust.