09-25-2025, 08:44 PM
Es pochte wieder.
Immer dieselbe Stelle, direkt am Mundwinkel, wo das Eiterding saß. Diggi zog den Finger weg, als er merkte, dass er schon wieder dran herumdrückte – die Nägel nikotingelb, die Finger schmutzig.
Er wusste, dass er es lassen sollte. Jeder Arzt, jeder Straßenheiler hätte ihm dasselbe gesagt. Aber das Ding zog ihn an wollte ausgequetscht werden.
Er knurrte leise, griff nach einer der grauen Pillen aus dem Blechdöschen. "Oxyderm-Plus" stand da drauf, ein Schmerzmittel, das er mehr aus Gewohnheit als aus Vertrauen schluckte. Es nahm den Druck ein bisschen raus, ließ ihn vergessen, dass auch sein Magen schon wieder rumorte wie ein alter Heizkessel.
Stress, zu viel Schnaps und noch mehr Koffein, das war seine Diagnose. Er wusste selbst, dass er nicht gesünder lebte als die Kakerlaken draußen auf der Gasse.
Ein Urlaub wäre die Lösung. Zwei Wochen irgendwo, vielleicht in einer dieser Lagonencenter in Gohmor, mit echtem Sonnenlicht, Stille und einem Glas, das so ein junges Ding im kleinen Kurzen immer wieder auffüllt.
Er schnaubte.
Lächerlich. Urlaub. Als würde er wegkönnen. Wenn er nicht aufpasste, fiel das ganze kleine Reich zusammen, das er sich aufgebaut hatte. Einer musste der König bleiben, einer musste die Kontrolle behalten – und das war er. Punkt.
Darum saß er auch nicht in seinem Büro, wo man ihn mit Anliegen und Gejammer nervte, sondern hier, im Videoüberwachungsraum.
Das war seine Art der Meditation. Auf die Screens starren, das große Ganze im Blick behalten. Nicht jeder winzige Scheiß, sondern die Muster, die Bewegungen, wie die Leute liefen, kamen, gingen. Von oben aus dem Blickwinke der Kameras wirkte alles kleiner, ein gnädiger Gott, der jedwede Verfehlung sehen konnte. Das war er. Seine Herrschaftsdomäne in der einen, symbolischen Hand, und in der anderen, sehr realen, eine Dose mit „Stahlkoff“, dieser ekelhaft süßen Energie-Brühe, die mehr Koffein als Geschmack hatte. Daneben stand noch die Flasche „Goldzunge“, mit der er die bitteren Ränder seiner Gedanken glättete. Ein Schluck da, ein Schluck hier, genug, um weiterzumachen.
Ein Stück hinter ihm hockte Kralov, der eigentliche Videoaufseher. Bemüht seinen Stuhl nicht quitschen zu lassen und damit seinen Boss zu nerven. Ein schmaler, blasser Typ mit fettigen Haaren, der es hasste, wenn der Chef mit ihm im Raum saß. Diggi wusste genau, warum: Der Bengel musste so tun, als sei er plötzlich fleißig, anstatt in seinen Tittenheften zu blättern oder auf Telespiele zu zocken. Diggi grinste schief. Soll er ruhig schwitzen. Soll er ruhig so tun, als wäre er ein wertvoller Angestellter.
Manchmal schickte er Kralov auch raus – in den Aufenthaltsraum oder für eine kleine Runde ums Haus. Aber selten. Soll arbeiten für sein Geld, der kleine Scheißer. Diggi ließ die Bilder träge über die Monitore gleiten. Er hatte mehr Kameras als Monitore und musste dann und wann den Ausschnitt wechseln. Das bedeutete blinde Flecken, aber das machte nichts.
Er mochte es, wenn die Ameisen sich nie sicher sein konnten, was er sah und was nicht. Einigen hatte er das mit den Kameras erzählt, anderen log er vor, dass einige Geräte nicht funktionierten, wieder andere glaubten, er sah immer alles.
Die kleinen Freuden im Leben.
Heute gab es nichts, was ihn groß interessierte. Dieselben Nasen wie immer: Stammkunden, die ihre Schichtkohle gleich wieder im Automaten versenkten, ein paar Kartenhaie am Tisch. Dann blieb sein Blick hängen. Einer, den er noch nie gesehen hatte, betrat das Casino.
Nicht sehr breit gebaut, aber drahtig. Ruhige Bewegungen. Was Diggi sofort auffiel, war die Gasmaske. So ein Ding trug keiner von den üblichen Spielern. Das war Arbeiterkram. Diggi verzog den Mundwinkel, was sofort das Pochen des Geschwürs wieder aufflammen ließ, als würde ihm einer einen Nagel ins Gesicht treiben.
Er rieb mit dem Daumen daran herum, fluchte leise und dachte: Giftmüllschieber. So sehen die aus. Wahrscheinlich einer von denen, die die Schiffsbäuche ausräumen. Giftgas, Chemiesiff, irgendso ein Dreck, den man mit bloßen Händen nicht anfassen will. Die kamen eigentlich nicht her. Waren eher im BennBi oder bei Sally unten am Dock 133. Musste ja nix heißen... aber trotzdem.
Maske war ein gutes Stück von zuhause weg.
Unwillkürlich huschte sein Gedanke zu den Kisten hinten im Lagerraum. Schutzmasken, ordnungsgemäß eingelagert, eigentlich gedacht für die Smogtage, wenn die Makropole den Himmel verdunkelt und der Regen wie die ätzende Pisse eines Mutanten runterkommt. Tage, an denen selbst die Ratten in den Rohren blieben. Er hatte ursprünglich vorgehabt, die Dinger zu verkaufen, hatte aber nie wirklich Abnehmer dafür gefunden. Ach nicht so richtig nach welchen gesucht. Also fingen sie Staub.
Das hieß… nicht alle.
Ein paar hatte er an seine Jungs verteilt, damit sie nicht rummotzen, wenn sie bei Ätzregen raus mussten. Sie motzen trotzdem und er schickte sie trotzdem. Außerdem hatte er noch welche für den Fall der Fälle.
Seine Hand sank von der Wunde, er atmete schwer durch und nahm einen Schluck Goldzunge. Das Pochen beruhigte sich ein wenig. Neben ihm regte sich Kralov. Aber nicht weil er das gleiche Gesehen hatte wie Diggi. Der Köter spürte nur die Regung seines Herrchens.
Dieser Fremde – er blieb im Bild wie ein Splitter im Auge. Auch wenn andere Gäste die Aufmerksamkeit auf sich zogen, die Automaten geräuschlos blinken und leuchteten und das Gravballspiel über der Bar flimmerte, ließ Diggi ihn nie ganz aus dem Blick. Es war kein bewusstes Beobachten, eher dieses Gespür, das sich in der Magengrube breitmacht. Gleich neben dem dreimal verfluchten Geschwür. Die Art von Gefühl, die man nur hat, wenn man zu lange im Milieu gearbeitet hat, zu lange unter Gaunern, Killern und Durchgeknallten. Man musste nicht wissen, warum was falsch war – man spürte es, und das reichte.
Der Typ bewegte sich ruhig, fast beiläufig, bestellte ein Bier, wechselte Scheine in Münzen, setzte sich. Doch dazwischen – kurze Pausen, prüfende Blicke, dieses Ausloten der Umgebung. Einer, der fas schon zu entspannt war, für jemanden, der hier sein sauer verdientes Geld verspielte.
Dann ging er aufs Scheißhaus.
Nur ein paar Minuten.
Am Kartentisch war was los. Einer schob seinen Stuhl zurück, zu hastig.
Diggi zoomte.
Der Zocker beugte sich über einen der anderen, der scheinbar zusammengebrochen war. Ein Anfall vielleicht? An den Automaten fiel die dicke Anne aus der Wäscherei mit samt ihrem Automaten um. Münzen flogen in alle Richtungen davon.
Diggi hatte ein Kratzen im Hals, trocken und brennend.
Warum unternahm Borris nichts? Pennte der auf seinem Stuhl?
Scheiß drauf, murmelte er und griff unter die Konsole. Ein Klick, die kleine Schublade sprang auf. Darin ein Viererpack kompakte Masken, dunkelgrau, mit den austauschbaren Filtern an der Seite. Für Smogtage, für giftige Regenfälle, klar.
Aber auch für das Unausgesprochene: Falls mal einer auf die Idee kam, Giftgas oder eingeleitete Abgase einzusetzen. Sowas hatte es schon gegeben. Vor zwölf... nein dreizehn Jahren. Die Rostmäuler hatten die Nebelrinne auf die Art ausgeräuchert.
Heute zum ersten Mal dachte er, dass er verdammt froh war, die eine Kiste aus dem Lageraum aufgemacht zu haben.
Maske auf, Kralov, knurrte er, ohne den Blick vom Bildschirm zu nehmen. Der andere zögerte keine Sekunde, riss die Larve aus der Schublade und zog sie sich hastig über. Er war ein Drecksack, aber kein Idiot – wenn der Chef so ernst klang, dann war was im Busch.
Das war alles kein Zufall, kein epileptischer Anfall, keine Sauerei. Das war Aktion. Berechnete, schnelle, gefährliche Aktion. Weitere Männer – nicht die üblichen Schläger, sondern solche in Arbeiterjacken, mit militärisch geschnittener Haltung – stürmten durchs Foyer. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr. Das war kein rauschhafter Überfall, das war gezieltes Ausschalten. Konkurrenz? Eine verpfuschte Lieferung? Oder jene merkwürdigen Sektenkerle, mit denen er vor kurzem verhandelt hatte? Ein flauer Käfer lief ihm den Rücken hinauf und wieder hinunter. Seine Eier zogen sich zu kleinen, harten Bällen zusammen.
Ohne lang zu überlegen, griff er nach der Vollautomatik an seinem Oberschenkel, zog sie aus dem Holster und reichte sie Kralov. Er packte seinen Untergebenen am Kragen und buchsierte ihn auf eine genaue Position im Raum, wobei er immer wieder die Monitore begutachtete, als wolle er etwas in Einklang bringen.
Hier, brummte er. Widerrede oder Erklärungen gab es nicht
Wenn ich ruf – ballerst du durch die Wand. Genau da! Er zeigte auf eine Stelle. Das ganze Magazin. Mach den Prügel leer. Kralov nickte, die Maske war ihm noch halb über die Lippen gerutscht, die Finger zitterten kaum merklich nach. Er war kein Held, aber Angst vor seinem Boss machte ihn verlässlich, und das reichte.
Diggi zog sich die Hose zurecht, prüfte mit einem letzten Blick die Monitore. Für einen Herzschlag hing alles in der Luft – der dumpfe Pulsschlag, das leise Summen der Lampe, das ferne Grollen eines LKWs draußen, das gedämpfte Dudeln der Automaten hinter der Wand.
Jetzt. Seine Stimme war kaum mehr als ein Zischen.
Kralov gehorchte.
Ohrenbetäubender Lärm machte sie taub. Putz, Funken, Mörtel und herumfliegende Hülsen fluteten den Raum gemeinsam mit Schmach und Pulverdampf.
Diggi brachte seine Masse in Bewegung. Die Ohren klingelten ihm. Er riss die Tür auf und stürmte durch den Waschbereich des Klo, rammte schmerzhaft mit der Schulter gegen den Kondomautomaten.
Er warf sich gegen die nächste Tür, die aus dem WC herausführte und hechtete auf den VIP-Bereich zu.
Immer dieselbe Stelle, direkt am Mundwinkel, wo das Eiterding saß. Diggi zog den Finger weg, als er merkte, dass er schon wieder dran herumdrückte – die Nägel nikotingelb, die Finger schmutzig.
Er wusste, dass er es lassen sollte. Jeder Arzt, jeder Straßenheiler hätte ihm dasselbe gesagt. Aber das Ding zog ihn an wollte ausgequetscht werden.
Er knurrte leise, griff nach einer der grauen Pillen aus dem Blechdöschen. "Oxyderm-Plus" stand da drauf, ein Schmerzmittel, das er mehr aus Gewohnheit als aus Vertrauen schluckte. Es nahm den Druck ein bisschen raus, ließ ihn vergessen, dass auch sein Magen schon wieder rumorte wie ein alter Heizkessel.
Stress, zu viel Schnaps und noch mehr Koffein, das war seine Diagnose. Er wusste selbst, dass er nicht gesünder lebte als die Kakerlaken draußen auf der Gasse.
Ein Urlaub wäre die Lösung. Zwei Wochen irgendwo, vielleicht in einer dieser Lagonencenter in Gohmor, mit echtem Sonnenlicht, Stille und einem Glas, das so ein junges Ding im kleinen Kurzen immer wieder auffüllt.
Er schnaubte.
Lächerlich. Urlaub. Als würde er wegkönnen. Wenn er nicht aufpasste, fiel das ganze kleine Reich zusammen, das er sich aufgebaut hatte. Einer musste der König bleiben, einer musste die Kontrolle behalten – und das war er. Punkt.
Darum saß er auch nicht in seinem Büro, wo man ihn mit Anliegen und Gejammer nervte, sondern hier, im Videoüberwachungsraum.
Das war seine Art der Meditation. Auf die Screens starren, das große Ganze im Blick behalten. Nicht jeder winzige Scheiß, sondern die Muster, die Bewegungen, wie die Leute liefen, kamen, gingen. Von oben aus dem Blickwinke der Kameras wirkte alles kleiner, ein gnädiger Gott, der jedwede Verfehlung sehen konnte. Das war er. Seine Herrschaftsdomäne in der einen, symbolischen Hand, und in der anderen, sehr realen, eine Dose mit „Stahlkoff“, dieser ekelhaft süßen Energie-Brühe, die mehr Koffein als Geschmack hatte. Daneben stand noch die Flasche „Goldzunge“, mit der er die bitteren Ränder seiner Gedanken glättete. Ein Schluck da, ein Schluck hier, genug, um weiterzumachen.
Ein Stück hinter ihm hockte Kralov, der eigentliche Videoaufseher. Bemüht seinen Stuhl nicht quitschen zu lassen und damit seinen Boss zu nerven. Ein schmaler, blasser Typ mit fettigen Haaren, der es hasste, wenn der Chef mit ihm im Raum saß. Diggi wusste genau, warum: Der Bengel musste so tun, als sei er plötzlich fleißig, anstatt in seinen Tittenheften zu blättern oder auf Telespiele zu zocken. Diggi grinste schief. Soll er ruhig schwitzen. Soll er ruhig so tun, als wäre er ein wertvoller Angestellter.
Manchmal schickte er Kralov auch raus – in den Aufenthaltsraum oder für eine kleine Runde ums Haus. Aber selten. Soll arbeiten für sein Geld, der kleine Scheißer. Diggi ließ die Bilder träge über die Monitore gleiten. Er hatte mehr Kameras als Monitore und musste dann und wann den Ausschnitt wechseln. Das bedeutete blinde Flecken, aber das machte nichts.
Er mochte es, wenn die Ameisen sich nie sicher sein konnten, was er sah und was nicht. Einigen hatte er das mit den Kameras erzählt, anderen log er vor, dass einige Geräte nicht funktionierten, wieder andere glaubten, er sah immer alles.
Die kleinen Freuden im Leben.
Heute gab es nichts, was ihn groß interessierte. Dieselben Nasen wie immer: Stammkunden, die ihre Schichtkohle gleich wieder im Automaten versenkten, ein paar Kartenhaie am Tisch. Dann blieb sein Blick hängen. Einer, den er noch nie gesehen hatte, betrat das Casino.
Nicht sehr breit gebaut, aber drahtig. Ruhige Bewegungen. Was Diggi sofort auffiel, war die Gasmaske. So ein Ding trug keiner von den üblichen Spielern. Das war Arbeiterkram. Diggi verzog den Mundwinkel, was sofort das Pochen des Geschwürs wieder aufflammen ließ, als würde ihm einer einen Nagel ins Gesicht treiben.
Er rieb mit dem Daumen daran herum, fluchte leise und dachte: Giftmüllschieber. So sehen die aus. Wahrscheinlich einer von denen, die die Schiffsbäuche ausräumen. Giftgas, Chemiesiff, irgendso ein Dreck, den man mit bloßen Händen nicht anfassen will. Die kamen eigentlich nicht her. Waren eher im BennBi oder bei Sally unten am Dock 133. Musste ja nix heißen... aber trotzdem.
Maske war ein gutes Stück von zuhause weg.
Unwillkürlich huschte sein Gedanke zu den Kisten hinten im Lagerraum. Schutzmasken, ordnungsgemäß eingelagert, eigentlich gedacht für die Smogtage, wenn die Makropole den Himmel verdunkelt und der Regen wie die ätzende Pisse eines Mutanten runterkommt. Tage, an denen selbst die Ratten in den Rohren blieben. Er hatte ursprünglich vorgehabt, die Dinger zu verkaufen, hatte aber nie wirklich Abnehmer dafür gefunden. Ach nicht so richtig nach welchen gesucht. Also fingen sie Staub.
Das hieß… nicht alle.
Ein paar hatte er an seine Jungs verteilt, damit sie nicht rummotzen, wenn sie bei Ätzregen raus mussten. Sie motzen trotzdem und er schickte sie trotzdem. Außerdem hatte er noch welche für den Fall der Fälle.
Seine Hand sank von der Wunde, er atmete schwer durch und nahm einen Schluck Goldzunge. Das Pochen beruhigte sich ein wenig. Neben ihm regte sich Kralov. Aber nicht weil er das gleiche Gesehen hatte wie Diggi. Der Köter spürte nur die Regung seines Herrchens.
Dieser Fremde – er blieb im Bild wie ein Splitter im Auge. Auch wenn andere Gäste die Aufmerksamkeit auf sich zogen, die Automaten geräuschlos blinken und leuchteten und das Gravballspiel über der Bar flimmerte, ließ Diggi ihn nie ganz aus dem Blick. Es war kein bewusstes Beobachten, eher dieses Gespür, das sich in der Magengrube breitmacht. Gleich neben dem dreimal verfluchten Geschwür. Die Art von Gefühl, die man nur hat, wenn man zu lange im Milieu gearbeitet hat, zu lange unter Gaunern, Killern und Durchgeknallten. Man musste nicht wissen, warum was falsch war – man spürte es, und das reichte.
Der Typ bewegte sich ruhig, fast beiläufig, bestellte ein Bier, wechselte Scheine in Münzen, setzte sich. Doch dazwischen – kurze Pausen, prüfende Blicke, dieses Ausloten der Umgebung. Einer, der fas schon zu entspannt war, für jemanden, der hier sein sauer verdientes Geld verspielte.
Dann ging er aufs Scheißhaus.
Nur ein paar Minuten.
Am Kartentisch war was los. Einer schob seinen Stuhl zurück, zu hastig.
Diggi zoomte.
Der Zocker beugte sich über einen der anderen, der scheinbar zusammengebrochen war. Ein Anfall vielleicht? An den Automaten fiel die dicke Anne aus der Wäscherei mit samt ihrem Automaten um. Münzen flogen in alle Richtungen davon.
Diggi hatte ein Kratzen im Hals, trocken und brennend.
Warum unternahm Borris nichts? Pennte der auf seinem Stuhl?
Scheiß drauf, murmelte er und griff unter die Konsole. Ein Klick, die kleine Schublade sprang auf. Darin ein Viererpack kompakte Masken, dunkelgrau, mit den austauschbaren Filtern an der Seite. Für Smogtage, für giftige Regenfälle, klar.
Aber auch für das Unausgesprochene: Falls mal einer auf die Idee kam, Giftgas oder eingeleitete Abgase einzusetzen. Sowas hatte es schon gegeben. Vor zwölf... nein dreizehn Jahren. Die Rostmäuler hatten die Nebelrinne auf die Art ausgeräuchert.
Heute zum ersten Mal dachte er, dass er verdammt froh war, die eine Kiste aus dem Lageraum aufgemacht zu haben.
Maske auf, Kralov, knurrte er, ohne den Blick vom Bildschirm zu nehmen. Der andere zögerte keine Sekunde, riss die Larve aus der Schublade und zog sie sich hastig über. Er war ein Drecksack, aber kein Idiot – wenn der Chef so ernst klang, dann war was im Busch.
Das war alles kein Zufall, kein epileptischer Anfall, keine Sauerei. Das war Aktion. Berechnete, schnelle, gefährliche Aktion. Weitere Männer – nicht die üblichen Schläger, sondern solche in Arbeiterjacken, mit militärisch geschnittener Haltung – stürmten durchs Foyer. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr. Das war kein rauschhafter Überfall, das war gezieltes Ausschalten. Konkurrenz? Eine verpfuschte Lieferung? Oder jene merkwürdigen Sektenkerle, mit denen er vor kurzem verhandelt hatte? Ein flauer Käfer lief ihm den Rücken hinauf und wieder hinunter. Seine Eier zogen sich zu kleinen, harten Bällen zusammen.
Ohne lang zu überlegen, griff er nach der Vollautomatik an seinem Oberschenkel, zog sie aus dem Holster und reichte sie Kralov. Er packte seinen Untergebenen am Kragen und buchsierte ihn auf eine genaue Position im Raum, wobei er immer wieder die Monitore begutachtete, als wolle er etwas in Einklang bringen.
Hier, brummte er. Widerrede oder Erklärungen gab es nicht
Wenn ich ruf – ballerst du durch die Wand. Genau da! Er zeigte auf eine Stelle. Das ganze Magazin. Mach den Prügel leer. Kralov nickte, die Maske war ihm noch halb über die Lippen gerutscht, die Finger zitterten kaum merklich nach. Er war kein Held, aber Angst vor seinem Boss machte ihn verlässlich, und das reichte.
Diggi zog sich die Hose zurecht, prüfte mit einem letzten Blick die Monitore. Für einen Herzschlag hing alles in der Luft – der dumpfe Pulsschlag, das leise Summen der Lampe, das ferne Grollen eines LKWs draußen, das gedämpfte Dudeln der Automaten hinter der Wand.
Jetzt. Seine Stimme war kaum mehr als ein Zischen.
Kralov gehorchte.
Ohrenbetäubender Lärm machte sie taub. Putz, Funken, Mörtel und herumfliegende Hülsen fluteten den Raum gemeinsam mit Schmach und Pulverdampf.
Diggi brachte seine Masse in Bewegung. Die Ohren klingelten ihm. Er riss die Tür auf und stürmte durch den Waschbereich des Klo, rammte schmerzhaft mit der Schulter gegen den Kondomautomaten.
Er warf sich gegen die nächste Tür, die aus dem WC herausführte und hechtete auf den VIP-Bereich zu.