Zeitenwende

[Cassian Khline]

Cassian stoppte den Schlag des Arbitrators mit einer beschwichtigenden Handbewegung und behielt ihn im Blick, bis er sich sicher war, dass er nicht doch zuschlagen würde. Erst dann wendete er seine Aufmerksamkeit Liux zu. Er machte keine Anstalten ihr aufzuhelfen und schaute ihr mitleidlos dabei zu wie sie sich mühsam wieder aufrichtete.
„Ja ich kenne dich. Liux nicht? Auf das hier“, er deutete kurz auf die Gefangenenkolonne „habe ich keinen Einfluss.“ Um sie nicht zu dummen Aktionen zu verführen, fuhr er in einem aufmunternden Tonfall fort. „Aber du musst dir keine Sorgen machen. In meinem Bericht lege ich deinen Fall da. Genauso wie alles passiert ist. Auch, dass du nicht geschossen hast. Alles weitere liegt dann nicht mehr in meinen Händen.“
Mit diesen Worten wandte er sich von ihr ab und marschierte zusammen mit seinem Begleiter weiter in Richtung des Bereichs für operative Einsätze. Hätte Liux gewusst, dass sein Versprechen eher Drohung als Rettung war, hätte es hier noch mal hässlich werden können. So blieb es aber erstmal halbwegs ruhig. Ja, sie hatte nicht auf imperiale Ordnungskräfte geschossen, aber ihre Anklageliste würde trotzdem lang werden. Mitgliedschaft in einer Terrororganisation, Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Paktiererei mit Mutanten, Bedrohung eines Arbites, besonders tückisch für sie, weil er ja verdeckt agiert hatte… Die Mühlen der Justiz würden unerbittlich mahlen. Von ihren Verbrechen als Piratin ganz abgesehen. Wenn sie aus dem ganzen hier mit dem Dienst in einer Straflegion herauskommen würde, könnte sie sich glücklich schätzen. Eine Hinrichtung war deutlich wahrscheinlicher. Aber jeder erntete am Ende immer, was er säte.
Und er selbst würde jetzt eine Beurteilung für seine Ermittlungen und sein Verhalten während dieser erhalten. Dabei waren auch einige Dinge vorgefallen, die unter anderen Umständen harsche Strafen nach sich gezogen hätten. Sich jetzt aber bequem auf die Position zurückzuziehen, dass verdeckte Ermittlungen alle Mittel rechtfertigten, war nicht möglich. Die Beurteilung darüber was gerechtfertigt war und was nicht lag in der Hand seiner Vorgesetzten, denen er einen schonungslosen Bericht präsentieren musste. Und Marschall Ludwig war zwar ein gerechter, aber in seiner Unerbittlichkeit auch erschreckender Vertreter des imperialen Rechts, der Cassian auch nach mehreren Begegnungen immer noch Furcht und Respekt einflößte. Auf dem Fundament des Gesetzes zu stehen, ist unsere große Pflicht. Die Anmaßung, darüber zu stehen, ist unsere schlimmste Ketzerei. So ging die Litanei, die man ihnen zu Beginn der Arbitesausbildung eingehämmert hatte. Grausam nach außen, aber auch nach innen. Nur durch stete Wachsamkeit und Härte, auch gegen sich selbst, konnte der Arbites das Imperium schützen.
Vor dem Besprechungsraum im Bereich für operative Einsätze musste er dann stehend darauf warten hinein gerufen zu werden. Eine Geste der Macht. Zwar wollte man seinen Bericht hören. Ab wann war dann aber eine wieder eine andere Frage. Marschall Ludwig kontrollierte hier die Zeit und alle die zu ihm wollten oder mussten. Nach langen Minuten des Wartens erhielt Cassian schließlich die Erlaubnis einzutreten.
Ein letztes Mal tief durchatmen, die Kleidung straffen und dann trat er ein, um seinen Bericht abzuliefern.