06-19-2024, 02:37 PM
Die kleine Heerschar hatte sich noch vor dem Verlassen der Kanalisation aufgeteilt. Manidias würde die Anhänger Selaris in Gruppen ordnen und im Verborgenen halten. Ungenutzte und unbeachtete Gebäude, ja ganze Viertel gab es in Rasankur genug, um dies in die Tat umzusetzen.
Das hielten alle momentan für das beste Vorgehen. Ein möglichst geringes Profil zeigen und bei Bedarf zusammenfließen und gemeinsam agieren. Jetzt im einstiegen Turm der Seherin zu bleiben würde sie, für alle zur Zielscheibe machen, die etwas gegen eine mögliche Erbfolge der Hexenkönigin hatten. Gleich ob die Mätressen aus dem Inneren oder Balius aus dem Äußeren. Der Pferdeköpfige schlug Carba als Kontaktperson vor. Sie war im Palast keine Unbekannte aber auch nicht so oft gesehen, dass man sie in Erinnerung behielt. Ein Vorwand für ihr Kommen und Gehen würde sich finden lassen.
Also kehrten die beiden Frauen allein in den Palast zurück. Auch wenn sie sich dabei abseits der größeren Straßen und durch, in der Hitze des Tages still vor sich hin brütende Areale bewegten, konnten doch beide die veränderte Stimmung in der Stadt spüren. Die Anspannung schien ein wenig gewichen zu sein und als sie durch eine Querstraße hindurch eine Gruppe Rasankuri beobachteten, die relativ gelassen zu einem unbekannten Ziel schlenderten, ahnten sie bereits die Bewandtnis hinter diesem Gefühl. Es ließ sich vermuten, dass die Belagerung, wenn man den merkwürdigen Zustand denn so nennen wollte, beendet war.
Da es unwahrscheinlich erschien, das der Usurpator friedlich wieder abgezogen war, konnte das nur bedeuten, dass er auf die eine oder andere Weise gesiegt hatte und in den Palast eingezogen war.
Sie selbst drangen auf geheimen Pfaden durch die Mauern des rasankurischen Regierungssitzes. Es mochte aussehen, als sei der Palast bewacht und uneinnehmbar, aber das war mehr Schein als Sein. Selbst wenn die geballte Macht der Armee nicht am anderen Ende des Universums festgesessen hätte. Wer wusste wo er wann zu sein hatte, der konnte geheime Pfade und die Gunst bestechlicher Wachen nutzen, um ungesehen hineinzuschlüpfen.
So taten es Selari und Estelle.
Den Leichnam der Seherin hatten sie bei Mandias gelassen. Den Stab, in staubige Lumpen gewickelt, die sie auf einem verlassenen Hinterhof gefunden hatten, konnte man hineinschmuggeln. Bei einem blondgelockten, halben Frauenskellet war das schon schwieriger und daher nicht angeraten.
Die gedrückte Stimmung, die sich draußen einigermaßen verflüchtigt hatte, war in der halbdunklen Kühle des Palastes nur noch intensiver wahrzunehmen. Auch wenn Estelle sie durch die verlassensten und abgelegensten Gänge und Korridore führte, um zu ihren Gemächern zu gelangen, so war doch ein Abweichen von dem zu spüren, was man hier gewöhnlich als Normal betrachtete. Einmal spähten sie von einer Galerie in einen kariert gefliesten Innenbereich hinab und sahen einen der grauen Riesen im Gespräch mit zwei Palastbediensteten. Es konnte also kein Zweifel darüber bestehen, das die Schergen des Balius den Sieg davongetragen hatten.
Finale Gewissheit erhielten sie schließlich durch die Dohle. Ihre Dienerin berichtete mit sich überschlagender Stimme, wie der Einmarsch des Usurpators abgelaufen war. Weit weniger spektakulär als man vielleicht denken sollte und bestimmt auch weniger spektakulär, als es Geschichtenerzähler später berichten würden.
Man hatte ihnen schlicht die Tore geöffnet.
Balius war mit den Heermeister übereingekommen, dass die Stadt nicht nur einen Verwalter, sondern auch einen militärischen Beschützer brauchte. Der Drachen war fort und niemand konnte wissen wann und ob er überhaupt zurückkehren würde. Da war es nur naheliegend, dass ein Verbündeter, ja ein Freund aus frühen Tagen, der überdies noch über eine beachtliche Streitmacht verfügte, den Platz des Drachens einnahm.
Als Verweser, verstand sich.
Dohle berichtete, dass ein Seufzer der Empörung, wie sie es zumindest aufgefasst hatte, durch die Versammelten im Thronsaal gegangen war, als sich der Mann auf den schwarzen Thron gesetzt hatte. Die Akustik des Saals hatte das Geräusch aufgegriffen und missbilligend verzerrt.
Estelle fragte nach den Mätressen und wie sie sich bei diesem Schauspiel verhalten hatten. So nichtssagend wie möglich, berichtete Dohle. Sie gaben nicht von vornherein Preis, das sie die eigentlichen Spinnen im Netz der Intrigen waren. Diese Offenbarung sparten sie sich auf.
Ob Balius als selbsternannte Vertretung des Drachens auch ihre Vorzüge zu gebrauchen gedachte blieb abzuwarten. Das dem so sei konnten sich die Vier nur wünschen. Eine bessere Gelegenheit ihren Einfluss auszuüben konnten sie kaum herbeiführen. Ambitionen und künstliche Muskeln hin oder her, ein Mann blieb ein Mann und konnte leicht dazu verleitet werden mit dem zu denken, was ihm zwischen den Beinen hing. Immer vorausgesetzt Balius hatte in seinem ausgehöhlten Berg, umgeben von halbnackten Muskelmännern, seine Präferenzen nicht abgeändert.
So oder so, seine erste Amtshandlung war gewesen, den Heermeister einsperren zu lassen. Er hatte es versäumt Balius als den Freund Rasankurs zu erkennen, der er war und als solches einen richtigen und legitimen Prozess behindert.
Balius würde bei Zeiten entscheiden, was mit den kleinen Männchen passieren sollte.
Im Augenblick ließ er seine Krieger neuralgische Stellen der Stadt besetzen und sich einen Überblick verschaffen mit welchen Kräften man rechnen musste. Händler und ihre Kämpfer, die Besatzungen der Gebirgsfestungen und die Wüstenstämme der näheren Umgebung.
Das war der Stand der Dinge. Aber es gab auch eine kleine gute Nachricht.
Die dritte Bedienstete in Estelles Gefolge betrat die Räume. Sperling war schlank wie eine Gerte und hätte als das humoristische Gegenstück zu Dohle dienen können. In schwarzes Latex gehüllt, schien sie nicht mehr Brust und Hüfte zu haben als ein Knabe. Sie war außerdem groß, was ihre Spinnenartigkeit noch verstärkte. Hände, Füße und Kopf waren nicht von Kunststoff bedeckt und zeigten sich nicht nur weiß wie Milch sondern auch noch vollkommen haarlos. Als sie Selari anlächelte, als hätte eine Naschkatze eine Süßigkeit entdeckt, entblößte sie Reihen, nadelspitzer Zähne. Wichtiger war jedoch das was sie hereinrollte. Einen beräderten Käfig, an dessen Stangen sich die beiden Kindwesen klammerten und bösartig zwischen den Stäben hervorstarrten. Sperling gab einen schnalzenden Laut von sich, der um Anerkennung heischte.
Das hielten alle momentan für das beste Vorgehen. Ein möglichst geringes Profil zeigen und bei Bedarf zusammenfließen und gemeinsam agieren. Jetzt im einstiegen Turm der Seherin zu bleiben würde sie, für alle zur Zielscheibe machen, die etwas gegen eine mögliche Erbfolge der Hexenkönigin hatten. Gleich ob die Mätressen aus dem Inneren oder Balius aus dem Äußeren. Der Pferdeköpfige schlug Carba als Kontaktperson vor. Sie war im Palast keine Unbekannte aber auch nicht so oft gesehen, dass man sie in Erinnerung behielt. Ein Vorwand für ihr Kommen und Gehen würde sich finden lassen.
Also kehrten die beiden Frauen allein in den Palast zurück. Auch wenn sie sich dabei abseits der größeren Straßen und durch, in der Hitze des Tages still vor sich hin brütende Areale bewegten, konnten doch beide die veränderte Stimmung in der Stadt spüren. Die Anspannung schien ein wenig gewichen zu sein und als sie durch eine Querstraße hindurch eine Gruppe Rasankuri beobachteten, die relativ gelassen zu einem unbekannten Ziel schlenderten, ahnten sie bereits die Bewandtnis hinter diesem Gefühl. Es ließ sich vermuten, dass die Belagerung, wenn man den merkwürdigen Zustand denn so nennen wollte, beendet war.
Da es unwahrscheinlich erschien, das der Usurpator friedlich wieder abgezogen war, konnte das nur bedeuten, dass er auf die eine oder andere Weise gesiegt hatte und in den Palast eingezogen war.
Sie selbst drangen auf geheimen Pfaden durch die Mauern des rasankurischen Regierungssitzes. Es mochte aussehen, als sei der Palast bewacht und uneinnehmbar, aber das war mehr Schein als Sein. Selbst wenn die geballte Macht der Armee nicht am anderen Ende des Universums festgesessen hätte. Wer wusste wo er wann zu sein hatte, der konnte geheime Pfade und die Gunst bestechlicher Wachen nutzen, um ungesehen hineinzuschlüpfen.
So taten es Selari und Estelle.
Den Leichnam der Seherin hatten sie bei Mandias gelassen. Den Stab, in staubige Lumpen gewickelt, die sie auf einem verlassenen Hinterhof gefunden hatten, konnte man hineinschmuggeln. Bei einem blondgelockten, halben Frauenskellet war das schon schwieriger und daher nicht angeraten.
Die gedrückte Stimmung, die sich draußen einigermaßen verflüchtigt hatte, war in der halbdunklen Kühle des Palastes nur noch intensiver wahrzunehmen. Auch wenn Estelle sie durch die verlassensten und abgelegensten Gänge und Korridore führte, um zu ihren Gemächern zu gelangen, so war doch ein Abweichen von dem zu spüren, was man hier gewöhnlich als Normal betrachtete. Einmal spähten sie von einer Galerie in einen kariert gefliesten Innenbereich hinab und sahen einen der grauen Riesen im Gespräch mit zwei Palastbediensteten. Es konnte also kein Zweifel darüber bestehen, das die Schergen des Balius den Sieg davongetragen hatten.
Finale Gewissheit erhielten sie schließlich durch die Dohle. Ihre Dienerin berichtete mit sich überschlagender Stimme, wie der Einmarsch des Usurpators abgelaufen war. Weit weniger spektakulär als man vielleicht denken sollte und bestimmt auch weniger spektakulär, als es Geschichtenerzähler später berichten würden.
Man hatte ihnen schlicht die Tore geöffnet.
Balius war mit den Heermeister übereingekommen, dass die Stadt nicht nur einen Verwalter, sondern auch einen militärischen Beschützer brauchte. Der Drachen war fort und niemand konnte wissen wann und ob er überhaupt zurückkehren würde. Da war es nur naheliegend, dass ein Verbündeter, ja ein Freund aus frühen Tagen, der überdies noch über eine beachtliche Streitmacht verfügte, den Platz des Drachens einnahm.
Als Verweser, verstand sich.
Dohle berichtete, dass ein Seufzer der Empörung, wie sie es zumindest aufgefasst hatte, durch die Versammelten im Thronsaal gegangen war, als sich der Mann auf den schwarzen Thron gesetzt hatte. Die Akustik des Saals hatte das Geräusch aufgegriffen und missbilligend verzerrt.
Estelle fragte nach den Mätressen und wie sie sich bei diesem Schauspiel verhalten hatten. So nichtssagend wie möglich, berichtete Dohle. Sie gaben nicht von vornherein Preis, das sie die eigentlichen Spinnen im Netz der Intrigen waren. Diese Offenbarung sparten sie sich auf.
Ob Balius als selbsternannte Vertretung des Drachens auch ihre Vorzüge zu gebrauchen gedachte blieb abzuwarten. Das dem so sei konnten sich die Vier nur wünschen. Eine bessere Gelegenheit ihren Einfluss auszuüben konnten sie kaum herbeiführen. Ambitionen und künstliche Muskeln hin oder her, ein Mann blieb ein Mann und konnte leicht dazu verleitet werden mit dem zu denken, was ihm zwischen den Beinen hing. Immer vorausgesetzt Balius hatte in seinem ausgehöhlten Berg, umgeben von halbnackten Muskelmännern, seine Präferenzen nicht abgeändert.
So oder so, seine erste Amtshandlung war gewesen, den Heermeister einsperren zu lassen. Er hatte es versäumt Balius als den Freund Rasankurs zu erkennen, der er war und als solches einen richtigen und legitimen Prozess behindert.
Balius würde bei Zeiten entscheiden, was mit den kleinen Männchen passieren sollte.
Im Augenblick ließ er seine Krieger neuralgische Stellen der Stadt besetzen und sich einen Überblick verschaffen mit welchen Kräften man rechnen musste. Händler und ihre Kämpfer, die Besatzungen der Gebirgsfestungen und die Wüstenstämme der näheren Umgebung.
Das war der Stand der Dinge. Aber es gab auch eine kleine gute Nachricht.
Die dritte Bedienstete in Estelles Gefolge betrat die Räume. Sperling war schlank wie eine Gerte und hätte als das humoristische Gegenstück zu Dohle dienen können. In schwarzes Latex gehüllt, schien sie nicht mehr Brust und Hüfte zu haben als ein Knabe. Sie war außerdem groß, was ihre Spinnenartigkeit noch verstärkte. Hände, Füße und Kopf waren nicht von Kunststoff bedeckt und zeigten sich nicht nur weiß wie Milch sondern auch noch vollkommen haarlos. Als sie Selari anlächelte, als hätte eine Naschkatze eine Süßigkeit entdeckt, entblößte sie Reihen, nadelspitzer Zähne. Wichtiger war jedoch das was sie hereinrollte. Einen beräderten Käfig, an dessen Stangen sich die beiden Kindwesen klammerten und bösartig zwischen den Stäben hervorstarrten. Sperling gab einen schnalzenden Laut von sich, der um Anerkennung heischte.