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Zeitenwende
#80
Ich fass das noch einmal zusammen… über seine kleine Brille und spitze Nase blickte der Schalterangestellte auf Katherine und Willis herab. Auch wenn sie sich auf gleicher Höhe befanden.
Sie wollen einen diplomatischen Ehrengast belästigen, der sich von einer schwersten Verletzung erholt. Nicht etwa weil sie im Auftrag des Kabinetts für außerplanetare Beziehungen kommen… welche ich im übrigen auch schon abgewiesen habe, so sie nicht mindestens im Rang eines Minsterialvertrauten standen. Auch seid ihre keine Abgesandten eines der großen Häuser, die ergebenst nachfragen lassen, ob vielleicht diese oder nächste Woche die Chance bestünde, eine Audienz bei einem Vertrauten der Majordoma zu erflehen. Ihr zwei Figuren taucht hier auf, schiebt mir eure speckigen Unterlagen rüber und verlangt allen Ernstes vorgelassen zu werden. Das… das… Er brach in ein asthmatisch klingendes Gelächter aus, welches vermuten ließ, dass Lachen ganz allgemein für ihn wohl nichts war, was er alle Tage zu tun pflegte. Suchend sah er sich nach links und rechts um, um zu sehen, ob seine angrenzenden Kolleginnen mitbekammen, mit welchen anmaßenden Schwachköpfen er es hier zutun hatte. Aber es war viel los und die Damen links und rechts von ihm zweiten sich sehr beschäftigt. Vielleicht wollten sie auch schlicht nicht involviert werden. Etwas enttäuscht wandte er sich wieder den Besuchern zu. Es sollte ihm ein Genuss sein, die beiden abzuwimmeln oder besser noch rauszuschmeißen. Rausschmeißen zu lassen. 
Vielleicht noch einmal ein kleiner Verweis auf die Sicherheitslage, die hier herrschte. Dass nicht jeder Dahergelaufene von der Straße die VIPs des Krankenhauses besuchen konnte. Naja ihren Papieren nach war zumindest die Frau eine angehörige der Armee und hatte wohl sogar mit der Einheit zutun, die nicht nur in der Halle selbst gewesen waren, sondern auf deren eines Mitglied es neulich diesen Mordanschlag gegeben hatte. Da konnte man ja nicht…
Hey! Mordanschlag.
War es möglich, dass diese beiden Gestalten hier so dreist waren, dass sie nach einem Besucherschein fragten, zu der Fremdweltgöre marschierten und ihr die Kehle durchschnitten? Bei dem Soldaten… Kruger, war es doch genauso gewesen. Inteviewanfrage, Presseausweis, Messer zwischen die Rippen, zack aus die Laus.
Also fast. Nur mal angenommen… dann hätte er zwei Attentäter zur Strecke gebracht. Natürlich nicht von eigener Hand, er war ja nicht lebensmüde. Aber er wäre der, der den Startschuss zur Verhaftung gegeben hätte. Da war ein Bonus drin. Mindestens! Außerdem eine Beförderung. Vielleicht Leiter des Empfangsbereichs oder gar der Besucherbetreuung.
Das hochnäsige Gebaren des Mannes wechselte von jetzt auf gleich. Als würden sich dräuende Gewitterwolken an einem sonnigen Tag unvermittelt verziehen.
Naja… wollen wir mal nicht so sein. Sie scheinen mir vertrauenswürdige Bürger, ihre Papiere sind soweit in Ordnung und das man sie mit unserer heldenhaften Armee in Verbindung bringen kann, die jeden Tag so tapfer gegen diese abstoßenden Terroristen kämpft… er hielt lauernd nach einem Anzeichen von Zorn oder unterdrücktem Hass Ausschau, aber nichts. Die beiden waren gut. ...sehe ich eigentlich nichts, was dagegen spricht ihnen eine Besuchserlaubnis auszustellen. Er riss zwei Stücken gelbes Papier von einer Roller mit vorgestanzten Risslöchern und stempelte sie bedeutungsschwer mit dem Siegel des Krankenhauses. Zwei Mal das rosa Formular A38… bitte sehr. Zusammen mit den Papieren und IDen schob er die dünnen Zettel zu ihnen durch. Dann jetzt einmal ganz durch und dann den letzten Aufzug auf der linken Seite. Dort sitzen zwei Herrschaften vom Sicherheitspersonal, denen sie einfach den A38 zeigen und die schließen ihnen dann den Aufzug in die entsprechende Etage frei. Ich wünsche Ihnen noch einen ereignisreichen Tag. Er faltete die Hände zu einem spitzen Zelt und grinste sie hinfortkomplimentierend an. Kaum dass sie ein paar Meter weg waren, knallte er das “Nicht besetzt” Schild auf seinen Schaltertisch und ignorierte die zeternde Großmutter, die sich auf der anderen Seite der Scheibe ungerecht behandelt fühlte. Der Eiferer hatte bereits das Telefon am Ohr und verlangte nach dem Sicherheitsdienst.

Als Willis und Katherine in den Gang traten und an den Gruppen vorbei schritten, welche auf die Aufzüge warteten, die sie in die verschiedenen Trakte des Krankenhauses bringen würden, erhoben sich am Ende des Ganges ein Mann und eine Frau. Sie war recht klein, er dafür umso korpulenter. Gemein war dem Duo, dass sie beide offensichtlich mit der unangenehmen Seite ihres Berufes bereits bekanntschaft gemacht hatten. Er trug unter seiner Schirmmütze mit dem Logo des Krankenhauses einen Verwand um den Kopf, sie stellte ein kapitales Veilchen zur Schau, und ein Handgelenk lag in einer Kunststoffschiene. Letzte schien sie immerhin nicht in ihrer Bewegung zu beeinträchtigen, denn sie legte die Hand geübt auf den Griff des Schlagstocks, während sie mit der anderen ein Empfänger ins Ohr drückte. Ja ich sehe die beiden… Konnte man mehr erahnen als wirklich hören. Auch aus der Richtung, aus welcher die Primarchenverehrer gekommen waren, folgten ihnen zwei Wachleute.
Was dann kam war ein Diskussion. Die Wachen umringten die zwei Verdächtigen und verlangten, ihre Ausweise zu ihren Passierschein zu sehen. Die Sicherheitsleute setzten ganz offenkundig auf körperlicher Einschüchterung, sprachen sehr zackig und rückten ihren Opfern auf die Pelle. Nur dumm, dass sie damit an die zwei völlig falschen geraten waren. Die hatten Salzkrieger, mörderische Kultisten und alle nur denkbaren anderen, sehr viel beeindruckenderen Schrecknisse er-, und überlebt. Diese Handvoll Aushilfsarbites vermochten es nicht so recht sie einzuschüchtern. Gerade Willis machte mit seiner schieren, körperlichen und stimmlichen Präsenz wohl mehr Eindruck auf sie, als sie auf ihn. Kam ihm jemand provokant zu nahe, rückte auch er einen halben Schritt vor, was den jeweiligen und lächelte dabei gleichsam mild, wie herausfordern. Eine stumme Frage danach, was der andere denn genau zu unternehmen gedachte und ob er sich das auch gründlich überlegt habe. Das reichte dann, um den Abstand wieder zu erhöhen. Katherine verlegte sich derweil mehr auf die logische Auseinandersetzung mit dem Problem. Sie verlangte zu wissen, was all das sollte und man antwortete ihr, dass es um den Verdacht ginge, sie wollen der diplomatischen Abgesandten Obsidains etwas zu leide tun. Auf welcher Grundlage diese Annahme beruhte, fragte die Predigerin.
Verdacht, antworteten die Wachen.
Aber sie hatten gültige Passierscheine.
Nur um sie von anderen Besuchern des Krankenhauses zu trennen. So ging es eine Weile hin und her. Die Wachen ließen sie nicht weiter, wussten aber auch nicht so recht, wie sie mit ihnen verfahren sollten. Tatsächlich hatten sie sich nichts zu Schulden kommen lassen, außer einen recht unüblichen Besuch zu verlangen. Es war eine unausgesprochene Allgemeingültigkeit, dass man keine Fremden zu wichtigen Personen vorließ, beziehungsweise diese es gar nicht erst grundlos verlangten. Aber wenn es dann doch passierte…
Katherine verlange das man sie durchlassen, die PVSP rufen möge oder die Leitung des Krankenhauses benachrichtigen, aber mit dieser Farce aufhöre. In diesem Moment gesellte sich ein Mann zu ihnen, der nach Erklärung verlangte. Das in einem Ton, der es nicht gewohnt schien, dass man seine Anweisungen auch nur in Frage stellte. Er war groß und sehnig, fast schon hager. Sein Haar war weiß. Nicht ergraut, sondern scheinbar von Natur aus bar jeder Farbe. Ebenso seine Haut, die ungemein bleich, ebenfalls annähernd weiß schien. Er trug einen engen schwarzen Ganzkörperanzug aus einer Art Spandexmaterial, auf dem an verschiedenen Stellen schwarz glitzernde Steinsplitter eingewoben waren. Man konnte darunter jeden einzelnen Muskelstrang spielen sehen. Die kleine Frau mit dem blauen Auge schilderte den Sachverhalt. Katherine fügte hinzu wer sie waren und was genau sie wollten. Einen schlichten Besuch bei einem verletzten Kind. 
Wieso werden diese Menschen dann nicht vorgelassen, um ihr Begehr vorzutragen? Er sprach ein hart akzentuiertes Hochgotisch. Es klang wie eine erlernte Zweitsprache.
Man kann nicht einfach zu einer so hochrangigen Person spazieren. Das ist ein Sicherheitsrisiko. Wir hatten vor einiger Zeit erst einen Mordanschlag auf einen Helden der Ratshalle. 
Sind sie Attentäter, meine Herrschaften? Wandte sich der Hellhäutige an Katherine und Willis.
Vulkans Hammer, nein.
Hat die vierte Tochter der Generalgouverneurin Gauss Ninky le Ninky un Wekk den Besuch dieser beiden Menschen abgelehnt?
Nun… ja… ich meine nein, ich meine, man hat sie nicht gefragt. Es ist doch offensichtlich das… 
Dann sollte man das doch vielleicht tun und diese ganze Verschwendung von Zeit und Personal schnellstmöglich beenden. 
Sie sind bewaffnet. Nahm einer der Wachen seine Zuflucht zu diesem letzten Argument.
Das sind Sie auch und ich ebenfalls. Man sah an seiner Gertengestalt keine offensichtliche Waffe. Meines Wissens nach ist dies in Gohmor nicht nur nicht verboten, sondern ein kultureller Brauch. Ich werde die Major Domus fragen, ob sie gewillt ist, Besuch zu empfangen. Damit machte er auf dem Absatz kehrt und verschwand in einem der Fahrstühle.
Die folgenden 10 Minuten waren durch unangenehmes Schweigen beherrscht. Alle schienen erleichtert, als der Weißhaarige zurückkehrte.
Die Majordoma ist gewillt, Sie zu empfangen. Ich muss den Bedenken der Bediensteten hier ein Stück weit Rechnung tragen und Sie bitten, ihre Waffen in den vertrauensvollen Händen dieser Herrschaften zu lassen. 
Danach folgen Sie mir bitte.
Als die Waffen vorübergehend ihre Besitzer gewechselt und ihren Platz auf dem kleinen Tisch der Wachleute gefunden hatten, betraten sie einen Fahrstuhl, der nur mittels eines Schlüssels gerufen werden konnte. Im Inneren drückte ihr Begleiter einen der drei einzigen Knöpfe auf der Schalttafel und faltete dann die Hände auf dem Rücken.
Mein Name ist Lak le Niff, Kommandant Sondergeleitformation Eins und persönlicher Gardewächter der Majordoma. Ich werde Ihnen ein paar Instruktionen zu ihrem Besuch geben. Tatsächlich lagen diese pflichtbewussten Krankenhausangestellten nicht völlig falsch, was ihre Vorsicht angeht. Unter anderen Umständen hätten wir niemanden einfach so vorgelassen. 
Aber die Majordoma… nun sie langweilt sich in den letzten Wochen. Die Zerstreuungsmöglichkeiten sind für eine Person ihres Charakters an diesem Ort allenfalls banal zu nennen. Sie ist für jede Ablenkung dankbar und hat ihrer unorthodoxen Art einen Besuch zu erwirken aus reiner Neugier zugestimmt. 
Der Gouverneur selbst hatte eine Wachmannschaft der PVS angeboten. Elitesoldaten. Hätte die Majordoma diese aus ökonomischen und öffentlichkeitswirksamen Gründen nicht abgelehnt, bin ich mir sicher, dass Sie jetzt in irgendeiner Form von Gewahrsam sitzen würden. Sind wir also froh, dass dem nicht so ist. 
Nun gut… es gibt noch ein paar Dinge, die es zu beachten gibt. Sie werden sich der Lagerstadt der Majordoma nicht weiter als fünf Meter nähern. Die Majordoma fordert sie zu sprechen auf und beendet das Gespräch. Wenn sie redet, wird sie auf gar keinen Fall unterbrochen. Sie werden die Majordoma auch nur so ansprechen, als Majordoma. Die Türen glitten auf.
Bitte. Auf der Etage herrschte fast vollkommene Dunkelheit. Nur beleuchtete Zimmernummern und Schilder mit Hinweisen auf die Notausgänge spendeten ein wenig Licht. Gerade genug um Umrisse auszumachen. Es war außerdem sehr still und ein merkwürdiger Geruch lag in der Luft. Wie nach Stein, der sich lange in der prallen Sonne aufgewärmt hatte und dann von einem Sommerregen abgekühlt worden war. Lak le Niff ging voran und sie folgten. Immer knapp am Rande des Erspähbaren waren Gestalten zu erahnen. Tieferes Schwarz im Dunkel der Gänge, abgehackte und absurd zackige Bewegungen. 
Schließlich langten sie am Ende des beschrittenen Korridors an, wo ein Servitor auf sie wartete. 
Die Menschmaschine war durch ihre Optimierung auf alle Viere gezwungen wie ein Hund. Das eingefallene Greisengesicht hatte versiegelte Augen und auch der Mund war verschlossen, bis auf einen kleinen Schlauch. Dafür war die Nase durch Operationen und Anbauteile zu etwas deformiert, das ein wenig an eine Fledermaus denken ließ. Die Kreatur kroch auf die Neuankömmlinge an. 
Nur ein Sprengstoffschnüffler. Der Servitor machte seinem Namen alle Ehre und beschnüffelte Katherine und Willis ausgiebig. Dann gab er einen wimmernden laut von sich und ein Lämpchen auf seinem Hinterkopf leuchtete grün. Sie gingen weiter und gelangten endlich im Krankenzimmer Ninky le Ninkysan. Das Zimmer war ebenso spärlich beleuchtet wie der Rest des Flügels, wenn das Licht hier auch von einigen Kerzen auf dem Nachttisch und den Dioden der medizinischen Geräte stammte. Bücher lagen um sie herum verteilt. Fast alles an ihr ließ sich mit dem Wort schlank beschreiben. Die langen weißen Finger, das schmale Gesicht und die hohe Stirn. Kurze schwarze Haare umrahmten dieses Gesicht und betonten nur noch die Farbe von Milch. 
Wie die meisten Bewohner Obsidians war sie von angesprochener Blässe, in der nur die rot geränderten Augen eine Ausnahme machten. Die schwarzen Pupillen ruhten in ihrem Antlitz, wie die namensgebenden Steine ihrer Heimatwelt. Ob man sie ein hübsches Kind genannt hätte, lag natürlich an der Definition dieser Bezeichnung und dem kulturellen Hintergrund desjenigen, der dieses Urteil vornahm. Schmerzlich auffällig waren natürlich die amputierten Beine. Knapp oberhalb der Gelenke fehlten sie und waren mit Bandagen umwickelt. Das Mädchen lag auf ihrer Decke und stellte die Verletzung ungeniert zur Schau. Dabei trug sie einen Patientenkittel, wie jeder andere unfreiwillige Bewohner des Hauses. Lak le Niff deutete eine Verbeugung an und trat dann neben die Tür. Dort vollführte er eine Drehung und stand dann mit dem Rücken zu ihnen. Jetzt, da sich die Augen auch mehr und mehr an das herrschende Dunkel zu gewöhnen begannen, bemerkten Willis und Kathernie, das auch in den Ecken schwarze Schemen standen. In Glasrüstungen gehüllte Wächter, die ebenfalls mit dem Rücken zu ihnen zu stehen schienen. Auch wenn das beim asymmetrischen Schnitt ihrer Schutzkleidung nicht ganz leicht zu bestimmen war. 
Das Mädchen ließ sich Zeit sie zu betrachten. Eine schweigende Minute verstrich, bevor sie im festen Ton sprach. 
Ich grüße Sie. Mein Gardewächter hat mich über Ihr hiersein informiert und mir davon abgeraten sie vorzulassen. Ihre Art sei verdächtig direkt. Ich habe ihm geantwortet, dass ich einen guten Teil des Bösen bereits abbekommen habe, welches Koron 3 für mich vorgesehen hat. Ich vertraue also darauf, dass es an der Zeit ist, die Menschen Korons von ihrer guten Seite kennenzulernen. Im Namen Obsidians und meiner eigenen Person, durch Schicksal und Geburt miteinander verwoben, heiße ich Sie willkommen. Was verschafft mir die Ehre ihres Besuchs? 
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