12-22-2022, 01:54 PM
In der fast zwei Jahrhunderte währenden Finsternis glomm ein einzelnes Lämpchen schwach und rot auf.
Es flackerte zaghaft, als ein Strom durch seine kupfernen Adern floss, wie eine längst vergangene Ahnung. Sich an seine Aufgabe erinnernd, wurde das Leuchten ein wenig stärker und nahm dann ein kraftvolles Rot an. Im absoluten Schwarz dieser Gruft genügte es, ein paar vage Umrisse zu enthüllen, wenn auch bei weitem nicht genug, um etwas genaueres erkennen zu können.
Gemeinsam mit dieser einsamen Diode erwachten auch die untoten Wächter dieses Grabes. Im Gegensatz zu dem Lämpchen erwachten sie jedoch nicht nur im übertragenen Sinne, sondern wortwörtlich.
Jene, die sie erschaffen hatten, selbst schon lange zu Staub zerfallen, waren der festen Überzeugung gewesen, dass ihre Geschöpfe nicht träumen konnten, dass sie tot auf den Zeitpunkt ihrer Erweckung warteten.
Da aber irrten sie.
Ihre Kreationen konnten träumen und es waren keine angenehmen Bilder die sie sahen. Es waren verwaschene Erinnerungen an ein früheres Leben, durch chirurgische Sühne weglobotomisiert. Die dafür verwendete Technik war jedoch alt und kaum noch verstanden. Mit der ewigen Wiederholung schlichen sich Fehler ein und machten unfachmännisch, was einst vielleicht wirklich ein traumloser Leichenschlummer gewesen sein mochte. Jetzt durchzuckten die bewegungslosen Dekaden der schmerzliche Wunsch endlich wirklich sterben zu können. Doch diese fromme Bitte, durch vernähte Münder gestammelt, verklang von allen Heiligen und Gottgleichen ungehört.
Die Servitoren, halb Mensch halb Waffe, würden ihren Dienst erfüllen, bis Rost und Verfall ihren balsamierten Körpern endlich die Gnade gewährte, die ihnen ihre grausamen Meister versagten. Durch Chemikalien und Defibration in ein schwachsinniges Halbbewustsein zurück gezerrt, durchspülte der Wunsch nach Töten dass, was man ihnen an Verstand gelassen hatte. Ihre Arme mündeten in Maschinengewehre und Laserwaffen, in Granaten- und Flammenwerfer, in Autokanonen und Bolter. Kein größeres Verlangen konnte es für sie geben, als ihre Verzweiflung und ihren Hass auf ihr Schicksal auf jene zu entladen, die durch die gewaltige Panzertür kommen würden, von der sie wussten, dass sie dort in der Dunkelheit lag und sie vom Rest der Welt trennte.
Dieser Wunsch nach Mord war ihnen allen eingepflanzt wurden und sie würden ihn bis zur Selbstauslöschung nachgehen, denn dies allein war der Sinn ihrer Existenz.
Dann kam die bodenlose Enttäuschung in Form eines kognitiven Blockadebefehls. Ein Code, der ihnen die Erleichterung verwehrte, alles abzufeuern was ihre Körper abzufeuern vermochten. Auf diese wunderbar weichen und verletzlichen Ziele, die da als schwarze Scherenschnitte im Gegenlicht standen, als das Stahltor sich öffnete und die kleine Lampe von Rot auf Grün umsprang.
Es hätte ein historischer Moment werden können. Keiner Festivität würdig, aber doch ein bescheidener Blick in die Vergangenheit, der an eine Zeit gemahnte, als die ganze Existenz des Planeten auf dem Spiel gestanden hatte.
Diese Depots waren eingerichtet worden, um den Verteidigern der Stadt ein Lager an Waffen und Material zuzusichern, auch wenn die heimische Produktion durch das Feuer des Krieges vernichtet sein sollte. Als die Männer und Frauen der PVS jetzt auftraten, waren sie in Eile und kamen doch nicht umhin, staunend innezuhalten. Als sie hinter der ersten Panzertür auf einen Raum trafen, dessen Wand mit einem makabren Wandbild verziert war. Dieses bestand aus leise stöhnenden und sich windenden Servitoren, die halb mit dem Untergrund und der darin eingebetteten Maschinerie verschmolzen waren. Jede dieser Kreaturen war eine Mischung aus Waffe, Gerät, menschlichen Überresten und Kunstwerk, wie es nur die Hochkultur des Imperiums zu schaffen vermochte.
Das Koronische lehnte sich in vielen Teilen daran an, erreichte aber doch nie die morbide Herrlichkeit des Ur-Imperialen. Wäre beim Eintreten nicht der richtige Code verwendet worden, hätte sich das sacht in Bewegung befindende Fresko in ein Tod spuckendes Tor zur Hölle verwandelt. So jedoch folgten Augen und Linsen zwar den Ruhestörung, die Mündungen blieben jedoch kalt.
Im Vergleich zu diesem ersten Raum, waren die folgenden sehr viel nüchterner. Weiß gekachelte, lange Funktionshallen, in denen sich Kisten um Kisten stapelten. Vornehmlich Grün und aus Kunststoff, den doppelköpfigen Adler auf Seite und Deckel gesprüht. Aber auch Vertreter aus Holz waren zu finden. Lange Bänke begannen summend hunderte und aberhunderte von Energiezellen für Laserwaffen zu laden. Diese allerdings würden ihnen nicht viel nutzen, denn Wartezeit blieb ihnen ganz gewiss nicht. So wurden Kisten und Kästen geöffnet, in denen sich Dinge vermuten ließen, die unverzüglicher eingesetzt werden konnten. Allen voran fanden sich dafür Feststoffprojektilgewehre oder wie es sich die erfreuten Soldaten kürzer zuriefen: “Thron verdammte Sturmgewehre”. Schwarz und glänzend von Waffenöl, hätte sie jemand, der sich damit auskannte und den es in diesem Moment interessiert hätte, als Massenware aus den niemals versiegenden Waffenmanufakturen Agripinaas erkennen können. Klobig und wenig ästhetisch, aber etwas, womit die, mit dem Zwo- Einer vertrauten Soldaten Gohmors etwas anfangen konnten. Auch Granaten gingen von Hand zu Hand, dazu lange Kampfmesser und Pistolen. Die höheren Dienstgrade mussten den Aktionismus bremsen als Maschinenkanonen und schwere Bolter entdeckt wurden. Ein paar dieser Unterstützungswaffen würden mitgehen, aber in einer Anzahl die verhinderte, dass allzu rachedurstige Soldaten dass in Schutt und Asche legten, was von Ratshalle und hohen Herrschaften noch übrig war. Hastig ging alles, im Laufschritt und in leidlich zielgerichtetem Durcheinander. Einige der Soldaten mussten ihre Sitzplätze auf den LKWs aufgeben, um Munitionskisten Platz zu machen. Man versprach den protestierenden Männern und Frauen, sie schnellstmöglich abzuholen.
Auf dem Hinweg zum Depot wäre der Konvoi aus überladenen, aber so gut wie unbewaffneten Armeelastwagen eine leichte Beute gewesen. Ein Maschinengewehr oder ein paar Automatikgewehre hätten diesen blutigen Tag mit einem weiteren Massaker beschweren können.
Das aber geschah nicht. Rückblickend wohl in erster Linie durch unverschämtes Glück und den Paragrafen 23.
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Hören Sie… General Lungerhausen versuchte sich gleichzeitig einen Reim auf das Kauderwelsch zu machen, den Mann am anderen Ende zu beruhigen und dazu zu bewegen, ihr verwertbare Informationen zu geben. Schwere Mutanten? Was sollte das sein? Ogryn ähnlich?
Hatte der Feind den Apparat in die Hände bekommen und trieb jetzt Spielchen? Auch von der Einheit, die der Mann am anderen Ende nannte, hatte sie noch nie etwas gehört. Jetzt diese Aussagen zu verifizieren, die ellenlangen Listen der bei der Veranstaltung beteiligten Organisationen durchzugehen, war ein Ding der Unmöglichkeit.
Dann sprach jemand anderes mit sich überschlagender Stimme, die Worte stoßweise zwischen heftigem Atmen hervor zwingend. So klang nur jemand, der unter starken Schmerzen redete. Es war kaum zu verstehen, war im Hintergrund und das Gerät versuchte ihn genauso herauszufiltern wie das Schreien und Schießen ringsherum.
Aber der Mann am Sprechgerät schien die ihm vorgesprochenen Worte nachzusagen. Etwas von der 8. Brigade. Diese Verschwundenen, die sich auf die Seite der Dschungelbewohner bei Huncal geschlagen hatten? Unmöglich.
Oder?
Die Zehnte sagte ihr auch etwas, da ein ziemliches Aufhebens um deren Nähe zum Gouverneur gemacht wurden war. Ebenso der Bulldog. Experimentelle Landungsflieger und Truppentransporter. Oberste Geheimhaltungsstufe. Das wusste man nicht einfach mal eben so aus der Zeitung, wie das mit der 8.
Die einzige wirklich verwertbare Nachricht, so sie denn stimmte, war dass die Angreifer noch keinen finalen Sieg errungen hatten und das vielleicht hieß, dass dort noch jemand von politischem Rang am Leben war.
Halten Sie aus. Unterstützung ist auf dem Weg. Viel mehr konnte sie gar nicht sagen. Sollte der Feind, wer immer genau das auch war, hier wirklich die Hände mit im Spiel haben, dann würde sie den Teufel tun, um ihm irgendetwas zu verraten, womit sie einen Vorteil erringen könnten. Sie fühlte sich unsäglich hilflos. Zu wissen, dass dort Soldaten kämpften und starben und sie nichts tun konnte, drehte ihr den Magen um.
Der Imperator beschützt! War alles was ihr noch einfiel, bevor sie das Sprechgerät an den Funker zurückgab und ihm den Auftrag erteilte, sich von dem Mann am anderen Ende weiterhin so viele Details geben zu lassen, wie er liefern konnte.
Was treiben die in diesem Depot? Blaffte sie ihren Frust, an niemand bestimmtes gerichtet, heraus. Die sollen sich ausrüsten und keine Inventur machen. So eruptiv, wie sie diesen Ausbruch zugelassen hatte, bekam sie sich auch wieder in den Griff. Man führte seine Leute nur effektiv, wenn man ihnen stets den Eindruck vermittelte, absolut Herr der Lage zu sein.
Schaffen sie mir eine Meldung über den Status der Einsatzkräfte heran. Ich will wissen wo die grade sind und wer das Kommando vor Ort hat. Informieren sie außerdem das Oberkommando darüber, dass die Reserven der Ehrenwache vor der Halle aufmunitioniert wurden und dabei sind in den Kampf einzugreifen. Ich will nicht, dass die Hundertzweiundreißigste Heimatschutzbirgade, wenn sie denn noch vor dem Tag der Helden dort eintreffen sollte, unseren eigenen Leuten in den Rücken schießt. Jetzt können wir nur hoffen, dass die Jungs und Mädels sich beeilen.
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Sie rückten in der Tat ein wie eine Befreiungsarmee. Die nicht enden wollende Kolonne aus Blau-grauen LKW, die auf den Vorplatz Halle zirkelten und von denen schon Männer und Frauen absprangen, noch bevor die Reifen ganz zum Stehen gekommen waren. Die ersten rannten in Richtung der Stufen, die hinauf zum Eingang führen. Andere nahmen sich die Zeit die schweren Waffen mit abzuladen oder hielten Ausschau nach alternativen Möglichkeiten des Hereinkommens. Kleine Gruppen schlossen sich zusammen. Individuen, die sich aus ihrer gemeinsamen Verwendung kannten oder um einen ihnen vertrauten Unteroffizier scharten. Der ganze Pulk aus tatendurstigen PVSlern war drauf und dran das Gebäude regelrecht zu überrennen, als ein einzelner Schuss krachte.
Aus dem Inneren der Halle drang eine dumpfe Kakophonie aus Salven und Schüssen, immer wieder unterlegt mit dem Krachen von Explosionen. Dieser eine Schuss aber war auf dem Vorplatz in unmittelbarer Nähe gebrochen und ließ die Köpfe herumschnellen.
Mit, gen Stahlhimmel weisender Pistole, stand ein Stabsfeldwebel auf der Motorhaube eines Fahrzeuges und funkelte böse in die Runde.
Sein Name war Hans Topner, was freilich nur die wenigsten der Anwesenden wussten und er war das, was man in Soldatenkreisen einen Eisenfresser nannte. Hier und jetzt sah er sein Lebenswerk zusammenbrechen, denn Topner rühmte sich einer der brutalsten Schleifer und gnadenlosesten Rekrutenschinder zu sein. All die Jahre seiner Bemühungen, aus verweichtlichen Muttersöhnchen und Papaprinzessinnen anständige und vor allem disziplinierte Soldaten zu machen, war in seinen Augen und im Angesicht dieser Meute hier vergebens gewesen.
Terras Gnaden! Brüllte er in einem Ton, der nicht nur mühelos über den gesamten Platz schallte, sondern dem auch das Kunststück glückte, eine Mischung aus unaussprechlicher Verblüffung und grenzenloser Wut zu sein. Wenn je ein Vulkan, der kurz vor einem Ausbruch stand, in menschliche Form gegossen worden war, dann mochte er genau so aussehen. Heiliges Terra was ist das denn? Was verfluchte Scheiße ist das denn? Haben sie euch allen samt und sonders in die Hohlräume geschissen, wo normale Angehörige der Spezies Mensch das Hirn haben? Der Sturm auf die Halle geriet ins Stocken. Dieser Slang und die Art und Weise wie sich das Donnerwetter aufbaute, weckte regelrechte Urängste in jedem, der die einjährige Grundausbildung der koronischen Armee durchlaufen hatte.
Entweder ihr seid eine stinkende Bande von Orks, die meint meine wunderschöne Heimatstadt mit ihrer Anwesenheit belästigen zu dürfen oder ihr seit der erbärmlichste Haufen Soldaten, der mir in meinen dreißig Jahren Dienstzeit je untergekommen ist.
Topner hätte gewiss noch mehr zu sagen gehabt. Wären diese Soldaten auf seinem Exerzierplatz abgesetzt worden, er hätte sie den Tag bereuen lassen, an dem sie ihre drei Kreuze unter den Verpflichtungsvertrag gesetzt hatten. Aber natürlich blieb dafür keine Zeit. Ihm war auch bewusst, dass unter der Horde vermutlich höhere Dienstgrade als sein eigener waren, wenn auch keine Offiziere. Aber er wollte auf der Stelle ins Auge des Chaos gesaugt werden, wenn auch nur einer von denen den erforderlichen Schneid aufwies, den die Situation bedingt hätte. Der Erste an der Front sein und sich ein goldenes Lametta verdienen. Das wollten sie. Eine Kugel zwischen die Augen würden sie stattdessen kriegen. Das niemand hervortrat und seiner Triade ein Ende machte, war der beste Beweis dafür. Später würde der eine oder andere verschämt sagen, dass nicht genügend Zeit gewesen war, um die Frage der Befehlsgewalt eingehend vor Ort zu diskutieren oder das er an der Front der Befreiung dabei sein wollte und nicht in den hinteren Reihen.
Die Wahrheit lag wohl eher in dem Umstand, dass sie froh waren, dass jemand das Heft in die Hand nahm und dass sie sich selber noch zu sehr an die eigene Grundausbildung erinnerten, um sich mit dem da anzulegen. Hier wird verflucht noch mal anständig angetreten. Ich habe Mutis gesehen mit mehr Disziplin und Schliff. Da drinnen sterben Menschen, weil ihr euch an die Grundlagen das Soldatseins nicht erinnert.
Die PVSler erinnerten sich an die Grundlagen des Soldatseins und in zwei Minuten standen sie so akkurat in Reih und Glied, als würde gleich der diensthabende Kommissar den Schuhputz kontrollieren. Immerhin hatten sie für die Ehrenwache vor der Halle trainiert, wenn sie eins konnten, dann wie die Zinnsoldaten aufgereiht werden. Topner überschlug die Zahl und kam auf etwa 300 Männer und Frauen.
Wir poltern da nicht rein wie die Rentner, wenn es Rente gibt. Wir machen das nach Lehrbuch und wenn es den Herren und Damen Offizieren genehm ist hier in Bälde zu erscheinen, dann werden sie sehen, wie Mannschaftsdienstgrade und Feldwebel befähigt sind so eine Sache Kraft ihres eigenen Vermögens anzugehen.
Dann legte Topner los. Er ließ das Gro der LKWs ordentlich abparken, während er einige davon zurück zum Depot schickte, um die dort zurückgelassenen Soldaten zu holen und das Lager wieder zu versiegeln. Eine weitere Gruppe hatte die Umgebung des Platzes zu sichern. Sanitäter organisierten die anwesenden, zivilen Rettungskräfte in einem Verwundetenbereich, damit nicht jeder sein eigenes Süppchen kochte und man sich gegenseitig im Wege stand. Dann wurden Gruppen für den direkten Einsatz gebildet. Einige hatten die wenig angenehme Aufgabe die Toten aus dem Eingangsbereich zu schleifen und so den Zugang zu ermöglichen.
Dem sollten bereits ein erster Trupp vorausgehen oder besser gesagt kriechen und den Kampf zum Feind tragen. Dafür wurden Soldaten ausgewählt, die Kampferfahrung hatten und wussten was sie taten. Andere Trupps sollten sich Zutritt über andere Eingänge für Personal und Material besorgen. Als Topner das Kommando etwa zehn Minuten später an Oberleutnant Turm von der Fernmeldekompanie 166A übergab, rollte die Aktion bereits.
Es flackerte zaghaft, als ein Strom durch seine kupfernen Adern floss, wie eine längst vergangene Ahnung. Sich an seine Aufgabe erinnernd, wurde das Leuchten ein wenig stärker und nahm dann ein kraftvolles Rot an. Im absoluten Schwarz dieser Gruft genügte es, ein paar vage Umrisse zu enthüllen, wenn auch bei weitem nicht genug, um etwas genaueres erkennen zu können.
Gemeinsam mit dieser einsamen Diode erwachten auch die untoten Wächter dieses Grabes. Im Gegensatz zu dem Lämpchen erwachten sie jedoch nicht nur im übertragenen Sinne, sondern wortwörtlich.
Jene, die sie erschaffen hatten, selbst schon lange zu Staub zerfallen, waren der festen Überzeugung gewesen, dass ihre Geschöpfe nicht träumen konnten, dass sie tot auf den Zeitpunkt ihrer Erweckung warteten.
Da aber irrten sie.
Ihre Kreationen konnten träumen und es waren keine angenehmen Bilder die sie sahen. Es waren verwaschene Erinnerungen an ein früheres Leben, durch chirurgische Sühne weglobotomisiert. Die dafür verwendete Technik war jedoch alt und kaum noch verstanden. Mit der ewigen Wiederholung schlichen sich Fehler ein und machten unfachmännisch, was einst vielleicht wirklich ein traumloser Leichenschlummer gewesen sein mochte. Jetzt durchzuckten die bewegungslosen Dekaden der schmerzliche Wunsch endlich wirklich sterben zu können. Doch diese fromme Bitte, durch vernähte Münder gestammelt, verklang von allen Heiligen und Gottgleichen ungehört.
Die Servitoren, halb Mensch halb Waffe, würden ihren Dienst erfüllen, bis Rost und Verfall ihren balsamierten Körpern endlich die Gnade gewährte, die ihnen ihre grausamen Meister versagten. Durch Chemikalien und Defibration in ein schwachsinniges Halbbewustsein zurück gezerrt, durchspülte der Wunsch nach Töten dass, was man ihnen an Verstand gelassen hatte. Ihre Arme mündeten in Maschinengewehre und Laserwaffen, in Granaten- und Flammenwerfer, in Autokanonen und Bolter. Kein größeres Verlangen konnte es für sie geben, als ihre Verzweiflung und ihren Hass auf ihr Schicksal auf jene zu entladen, die durch die gewaltige Panzertür kommen würden, von der sie wussten, dass sie dort in der Dunkelheit lag und sie vom Rest der Welt trennte.
Dieser Wunsch nach Mord war ihnen allen eingepflanzt wurden und sie würden ihn bis zur Selbstauslöschung nachgehen, denn dies allein war der Sinn ihrer Existenz.
Dann kam die bodenlose Enttäuschung in Form eines kognitiven Blockadebefehls. Ein Code, der ihnen die Erleichterung verwehrte, alles abzufeuern was ihre Körper abzufeuern vermochten. Auf diese wunderbar weichen und verletzlichen Ziele, die da als schwarze Scherenschnitte im Gegenlicht standen, als das Stahltor sich öffnete und die kleine Lampe von Rot auf Grün umsprang.
Es hätte ein historischer Moment werden können. Keiner Festivität würdig, aber doch ein bescheidener Blick in die Vergangenheit, der an eine Zeit gemahnte, als die ganze Existenz des Planeten auf dem Spiel gestanden hatte.
Diese Depots waren eingerichtet worden, um den Verteidigern der Stadt ein Lager an Waffen und Material zuzusichern, auch wenn die heimische Produktion durch das Feuer des Krieges vernichtet sein sollte. Als die Männer und Frauen der PVS jetzt auftraten, waren sie in Eile und kamen doch nicht umhin, staunend innezuhalten. Als sie hinter der ersten Panzertür auf einen Raum trafen, dessen Wand mit einem makabren Wandbild verziert war. Dieses bestand aus leise stöhnenden und sich windenden Servitoren, die halb mit dem Untergrund und der darin eingebetteten Maschinerie verschmolzen waren. Jede dieser Kreaturen war eine Mischung aus Waffe, Gerät, menschlichen Überresten und Kunstwerk, wie es nur die Hochkultur des Imperiums zu schaffen vermochte.
Das Koronische lehnte sich in vielen Teilen daran an, erreichte aber doch nie die morbide Herrlichkeit des Ur-Imperialen. Wäre beim Eintreten nicht der richtige Code verwendet worden, hätte sich das sacht in Bewegung befindende Fresko in ein Tod spuckendes Tor zur Hölle verwandelt. So jedoch folgten Augen und Linsen zwar den Ruhestörung, die Mündungen blieben jedoch kalt.
Im Vergleich zu diesem ersten Raum, waren die folgenden sehr viel nüchterner. Weiß gekachelte, lange Funktionshallen, in denen sich Kisten um Kisten stapelten. Vornehmlich Grün und aus Kunststoff, den doppelköpfigen Adler auf Seite und Deckel gesprüht. Aber auch Vertreter aus Holz waren zu finden. Lange Bänke begannen summend hunderte und aberhunderte von Energiezellen für Laserwaffen zu laden. Diese allerdings würden ihnen nicht viel nutzen, denn Wartezeit blieb ihnen ganz gewiss nicht. So wurden Kisten und Kästen geöffnet, in denen sich Dinge vermuten ließen, die unverzüglicher eingesetzt werden konnten. Allen voran fanden sich dafür Feststoffprojektilgewehre oder wie es sich die erfreuten Soldaten kürzer zuriefen: “Thron verdammte Sturmgewehre”. Schwarz und glänzend von Waffenöl, hätte sie jemand, der sich damit auskannte und den es in diesem Moment interessiert hätte, als Massenware aus den niemals versiegenden Waffenmanufakturen Agripinaas erkennen können. Klobig und wenig ästhetisch, aber etwas, womit die, mit dem Zwo- Einer vertrauten Soldaten Gohmors etwas anfangen konnten. Auch Granaten gingen von Hand zu Hand, dazu lange Kampfmesser und Pistolen. Die höheren Dienstgrade mussten den Aktionismus bremsen als Maschinenkanonen und schwere Bolter entdeckt wurden. Ein paar dieser Unterstützungswaffen würden mitgehen, aber in einer Anzahl die verhinderte, dass allzu rachedurstige Soldaten dass in Schutt und Asche legten, was von Ratshalle und hohen Herrschaften noch übrig war. Hastig ging alles, im Laufschritt und in leidlich zielgerichtetem Durcheinander. Einige der Soldaten mussten ihre Sitzplätze auf den LKWs aufgeben, um Munitionskisten Platz zu machen. Man versprach den protestierenden Männern und Frauen, sie schnellstmöglich abzuholen.
Auf dem Hinweg zum Depot wäre der Konvoi aus überladenen, aber so gut wie unbewaffneten Armeelastwagen eine leichte Beute gewesen. Ein Maschinengewehr oder ein paar Automatikgewehre hätten diesen blutigen Tag mit einem weiteren Massaker beschweren können.
Das aber geschah nicht. Rückblickend wohl in erster Linie durch unverschämtes Glück und den Paragrafen 23.
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Hören Sie… General Lungerhausen versuchte sich gleichzeitig einen Reim auf das Kauderwelsch zu machen, den Mann am anderen Ende zu beruhigen und dazu zu bewegen, ihr verwertbare Informationen zu geben. Schwere Mutanten? Was sollte das sein? Ogryn ähnlich?
Hatte der Feind den Apparat in die Hände bekommen und trieb jetzt Spielchen? Auch von der Einheit, die der Mann am anderen Ende nannte, hatte sie noch nie etwas gehört. Jetzt diese Aussagen zu verifizieren, die ellenlangen Listen der bei der Veranstaltung beteiligten Organisationen durchzugehen, war ein Ding der Unmöglichkeit.
Dann sprach jemand anderes mit sich überschlagender Stimme, die Worte stoßweise zwischen heftigem Atmen hervor zwingend. So klang nur jemand, der unter starken Schmerzen redete. Es war kaum zu verstehen, war im Hintergrund und das Gerät versuchte ihn genauso herauszufiltern wie das Schreien und Schießen ringsherum.
Aber der Mann am Sprechgerät schien die ihm vorgesprochenen Worte nachzusagen. Etwas von der 8. Brigade. Diese Verschwundenen, die sich auf die Seite der Dschungelbewohner bei Huncal geschlagen hatten? Unmöglich.
Oder?
Die Zehnte sagte ihr auch etwas, da ein ziemliches Aufhebens um deren Nähe zum Gouverneur gemacht wurden war. Ebenso der Bulldog. Experimentelle Landungsflieger und Truppentransporter. Oberste Geheimhaltungsstufe. Das wusste man nicht einfach mal eben so aus der Zeitung, wie das mit der 8.
Die einzige wirklich verwertbare Nachricht, so sie denn stimmte, war dass die Angreifer noch keinen finalen Sieg errungen hatten und das vielleicht hieß, dass dort noch jemand von politischem Rang am Leben war.
Halten Sie aus. Unterstützung ist auf dem Weg. Viel mehr konnte sie gar nicht sagen. Sollte der Feind, wer immer genau das auch war, hier wirklich die Hände mit im Spiel haben, dann würde sie den Teufel tun, um ihm irgendetwas zu verraten, womit sie einen Vorteil erringen könnten. Sie fühlte sich unsäglich hilflos. Zu wissen, dass dort Soldaten kämpften und starben und sie nichts tun konnte, drehte ihr den Magen um.
Der Imperator beschützt! War alles was ihr noch einfiel, bevor sie das Sprechgerät an den Funker zurückgab und ihm den Auftrag erteilte, sich von dem Mann am anderen Ende weiterhin so viele Details geben zu lassen, wie er liefern konnte.
Was treiben die in diesem Depot? Blaffte sie ihren Frust, an niemand bestimmtes gerichtet, heraus. Die sollen sich ausrüsten und keine Inventur machen. So eruptiv, wie sie diesen Ausbruch zugelassen hatte, bekam sie sich auch wieder in den Griff. Man führte seine Leute nur effektiv, wenn man ihnen stets den Eindruck vermittelte, absolut Herr der Lage zu sein.
Schaffen sie mir eine Meldung über den Status der Einsatzkräfte heran. Ich will wissen wo die grade sind und wer das Kommando vor Ort hat. Informieren sie außerdem das Oberkommando darüber, dass die Reserven der Ehrenwache vor der Halle aufmunitioniert wurden und dabei sind in den Kampf einzugreifen. Ich will nicht, dass die Hundertzweiundreißigste Heimatschutzbirgade, wenn sie denn noch vor dem Tag der Helden dort eintreffen sollte, unseren eigenen Leuten in den Rücken schießt. Jetzt können wir nur hoffen, dass die Jungs und Mädels sich beeilen.
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Sie rückten in der Tat ein wie eine Befreiungsarmee. Die nicht enden wollende Kolonne aus Blau-grauen LKW, die auf den Vorplatz Halle zirkelten und von denen schon Männer und Frauen absprangen, noch bevor die Reifen ganz zum Stehen gekommen waren. Die ersten rannten in Richtung der Stufen, die hinauf zum Eingang führen. Andere nahmen sich die Zeit die schweren Waffen mit abzuladen oder hielten Ausschau nach alternativen Möglichkeiten des Hereinkommens. Kleine Gruppen schlossen sich zusammen. Individuen, die sich aus ihrer gemeinsamen Verwendung kannten oder um einen ihnen vertrauten Unteroffizier scharten. Der ganze Pulk aus tatendurstigen PVSlern war drauf und dran das Gebäude regelrecht zu überrennen, als ein einzelner Schuss krachte.
Aus dem Inneren der Halle drang eine dumpfe Kakophonie aus Salven und Schüssen, immer wieder unterlegt mit dem Krachen von Explosionen. Dieser eine Schuss aber war auf dem Vorplatz in unmittelbarer Nähe gebrochen und ließ die Köpfe herumschnellen.
Mit, gen Stahlhimmel weisender Pistole, stand ein Stabsfeldwebel auf der Motorhaube eines Fahrzeuges und funkelte böse in die Runde.
Sein Name war Hans Topner, was freilich nur die wenigsten der Anwesenden wussten und er war das, was man in Soldatenkreisen einen Eisenfresser nannte. Hier und jetzt sah er sein Lebenswerk zusammenbrechen, denn Topner rühmte sich einer der brutalsten Schleifer und gnadenlosesten Rekrutenschinder zu sein. All die Jahre seiner Bemühungen, aus verweichtlichen Muttersöhnchen und Papaprinzessinnen anständige und vor allem disziplinierte Soldaten zu machen, war in seinen Augen und im Angesicht dieser Meute hier vergebens gewesen.
Terras Gnaden! Brüllte er in einem Ton, der nicht nur mühelos über den gesamten Platz schallte, sondern dem auch das Kunststück glückte, eine Mischung aus unaussprechlicher Verblüffung und grenzenloser Wut zu sein. Wenn je ein Vulkan, der kurz vor einem Ausbruch stand, in menschliche Form gegossen worden war, dann mochte er genau so aussehen. Heiliges Terra was ist das denn? Was verfluchte Scheiße ist das denn? Haben sie euch allen samt und sonders in die Hohlräume geschissen, wo normale Angehörige der Spezies Mensch das Hirn haben? Der Sturm auf die Halle geriet ins Stocken. Dieser Slang und die Art und Weise wie sich das Donnerwetter aufbaute, weckte regelrechte Urängste in jedem, der die einjährige Grundausbildung der koronischen Armee durchlaufen hatte.
Entweder ihr seid eine stinkende Bande von Orks, die meint meine wunderschöne Heimatstadt mit ihrer Anwesenheit belästigen zu dürfen oder ihr seit der erbärmlichste Haufen Soldaten, der mir in meinen dreißig Jahren Dienstzeit je untergekommen ist.
Topner hätte gewiss noch mehr zu sagen gehabt. Wären diese Soldaten auf seinem Exerzierplatz abgesetzt worden, er hätte sie den Tag bereuen lassen, an dem sie ihre drei Kreuze unter den Verpflichtungsvertrag gesetzt hatten. Aber natürlich blieb dafür keine Zeit. Ihm war auch bewusst, dass unter der Horde vermutlich höhere Dienstgrade als sein eigener waren, wenn auch keine Offiziere. Aber er wollte auf der Stelle ins Auge des Chaos gesaugt werden, wenn auch nur einer von denen den erforderlichen Schneid aufwies, den die Situation bedingt hätte. Der Erste an der Front sein und sich ein goldenes Lametta verdienen. Das wollten sie. Eine Kugel zwischen die Augen würden sie stattdessen kriegen. Das niemand hervortrat und seiner Triade ein Ende machte, war der beste Beweis dafür. Später würde der eine oder andere verschämt sagen, dass nicht genügend Zeit gewesen war, um die Frage der Befehlsgewalt eingehend vor Ort zu diskutieren oder das er an der Front der Befreiung dabei sein wollte und nicht in den hinteren Reihen.
Die Wahrheit lag wohl eher in dem Umstand, dass sie froh waren, dass jemand das Heft in die Hand nahm und dass sie sich selber noch zu sehr an die eigene Grundausbildung erinnerten, um sich mit dem da anzulegen. Hier wird verflucht noch mal anständig angetreten. Ich habe Mutis gesehen mit mehr Disziplin und Schliff. Da drinnen sterben Menschen, weil ihr euch an die Grundlagen das Soldatseins nicht erinnert.
Die PVSler erinnerten sich an die Grundlagen des Soldatseins und in zwei Minuten standen sie so akkurat in Reih und Glied, als würde gleich der diensthabende Kommissar den Schuhputz kontrollieren. Immerhin hatten sie für die Ehrenwache vor der Halle trainiert, wenn sie eins konnten, dann wie die Zinnsoldaten aufgereiht werden. Topner überschlug die Zahl und kam auf etwa 300 Männer und Frauen.
Wir poltern da nicht rein wie die Rentner, wenn es Rente gibt. Wir machen das nach Lehrbuch und wenn es den Herren und Damen Offizieren genehm ist hier in Bälde zu erscheinen, dann werden sie sehen, wie Mannschaftsdienstgrade und Feldwebel befähigt sind so eine Sache Kraft ihres eigenen Vermögens anzugehen.
Dann legte Topner los. Er ließ das Gro der LKWs ordentlich abparken, während er einige davon zurück zum Depot schickte, um die dort zurückgelassenen Soldaten zu holen und das Lager wieder zu versiegeln. Eine weitere Gruppe hatte die Umgebung des Platzes zu sichern. Sanitäter organisierten die anwesenden, zivilen Rettungskräfte in einem Verwundetenbereich, damit nicht jeder sein eigenes Süppchen kochte und man sich gegenseitig im Wege stand. Dann wurden Gruppen für den direkten Einsatz gebildet. Einige hatten die wenig angenehme Aufgabe die Toten aus dem Eingangsbereich zu schleifen und so den Zugang zu ermöglichen.
Dem sollten bereits ein erster Trupp vorausgehen oder besser gesagt kriechen und den Kampf zum Feind tragen. Dafür wurden Soldaten ausgewählt, die Kampferfahrung hatten und wussten was sie taten. Andere Trupps sollten sich Zutritt über andere Eingänge für Personal und Material besorgen. Als Topner das Kommando etwa zehn Minuten später an Oberleutnant Turm von der Fernmeldekompanie 166A übergab, rollte die Aktion bereits.