10-01-2022, 04:57 PM
In der surrealen Landschaft der zerschmetterten Ratshalle tobte der Kampf unvermittelt weiter. In der Hügellandschaft zertrümmerter Pulte und Bankreihen aus Edelholz, aus denen kleinere und größere Gebirge aus Gesteinsbrocken ragten, überspannt von einem Teppich aus Leichen und beschneit mit alles gleichmachendem Staub. Im Auge des Terrors mochte es Welten geben, deren geisteskranke Architekten es sich nicht besser hätten ausdenken können. Gleichwohl hätten sich die Entitäten des Chaos vielleicht daran gestört, dass hier nicht reine Verzweiflung herrschte, sondern ein grimmiger, ein verbissener Widerstandswille. Ein Aufbegehren, welches das Gemetzel zu einem Kampf hatte werden lassen.
Da war zuallererst die Leibwache des Gouverneurs. Jeder gefallene Kamerad, jede leergeschossene Energiezelle schmerzte diese unnachgiebigen Kämpfer wie eine Amputation. Aber sie wichen nicht und wankten nicht und sie forderten von den Angreifern einen blutigen Tribut für ihren Frevel.
Auch die Angreifer verfügten nicht über endlose Ressourcen.
Gewiss, der Bulldock war vollgestopft mit Kriegern und sie konnten Verluste besser verkraften als die Opritschniki. Doch sie hatten keinen Entsatz und keinen Nachschub, auf den sie bauen konnten.
Diese Hoffnung blieb den Verteidigern. Hielten sie lange genug durch, würde Hilfe kommen.
Hinzu kam ein weiterer Faktor, den die Angreifer entweder nicht bedacht oder geflissentlich ignoriert hatten. Neben den Massen an Ministern, Industriellen und Würdenträgern, die fielen wie das Korn unter der Sense, waren auch tausende Veteranen in der Halle gewesen. Waffenlos, aber nicht gewillt wehrlos zu sein. Einige bemächtigten sich der Pistolen der niedergemachten Personenschützer. Andere gingen mit abgebrochenen Stuhlbeinen und Holzlatten auf Angreifer los. Diese verzweifelt Tapferen fielen in Massen und schwärmten dann doch über einzelne Feinde her, wenn diese ihre Munition verfeuert hatten. Sie rammten, den hastig nach neuen Magazinen Fingernden, splitterndes Holz in die Leiber oder droschen sie mit Knüppeln und Fäusten zu Tode. Sie schlichen sich durch die Grabengänge der Sitzreihen an, schlugen, würgten, bissen und rangen. Es waren heroische Taten, wenn auch keine, die für ein heldenhaftes Schlachtengemälde geeignet gewesen wären.
Außerdem gelangte jetzt vereinzelt bewaffnetes Personal von außen in die Halle. Sie kamen auf die obere Galerie und versuchten gleichwohl Menschen zu retten und herauszuschaffen, wie sie die Angreifer unter Feuer nahmen. Angehörige des Wachbataillons waren es. Nicht viele, nicht schwer bewaffnet, aber Vorboten dafür, dass die Außenwelt in die Mordgrube vordrang.
In Gohmor gab es derweil eine zweite Ratshalle. Weit unter der, die zum Schlachtfeld geworden war.
Sie war in gewisser Weise ein Äquivalent zu all dem, was die große Halle darstellte. In vielen Aspekten eine Entsprechung, in ebenso vielen eine radikale Abweichung.
Nicht prächtig, sondern düster, schmutzig, feucht und in schwitzender Hitze brütend. Nicht Deflektoren und uralte Traditionen bargen diese Halle, sondern Heimlichkeit, Verschwiegenheit und Vergessen. Beschützt war auch sie von Soldaten, wenn auch nicht von solchen, die einen Schwur auf Imperium und Koron geleistet hatten. Und hatten sie es doch getan, so fühlten sie sich nicht im Mindesten daran gebunden. Auch hier waren viele Tausend versammelt, ein Ozean aus Leibern im Halbdunkeln, flüsternd und wartend.
Die schiere Macht des Beisammenseins ballte sich als greifbare, verdichtete Energie, die die Luft dick wie Sirup machte, die alle Anwesenden in die wohlige Wärme des Uterus der Gemeinschaft hüllte. Die, die sich in dem Wissen wiegten, dass sie Schulter an Schulter mit Brüdern und Schwestern standen, zogen Kraft und grenzenloses Vertrauen aus ihrem Beisammensein. Die, die noch nicht in den Kreis der Verwandtschaft aufgenommen worden waren, wünschten sich sehnsüchtig es zu sein.
Sie alle warteten in Zuversicht und Hingabe, den Blick auf die Stelle gerichtet, wo ihr Verwandter erscheinen würde. Ein Teil ihres Leibes, ihrer Gemeinschaft, der mit Worten wie Vater, Mutter, Bruder oder Schwester nur so unendlich unzulänglich beschrieben werden konnte.
Der Mann legte einen halbautomatischen Karabiner auf Kruger an und gab eine kurze Salve ab.
Die Kugeln schlugen in das dicke Holz eines Pultes ein und ließen kleine Splitter herumfliegen, blieben aber ansonsten wirkungslos. Der Schütze musste seinerseits den Kopf runter nehmen, als er ebenso beschossen wurde. Mehr und mehr Männer und Frauen der Streitkräfte hatten sich bewaffnet und richteten die Mordwerkzeuge aus den erkaltenden Händen toter Angreifer gegen die noch lebenden Spießgesellen.
Es hatte sich ein Patt entwickelt, der so aussah, dass um den Bulldock herum ein grober Halbkreis aus Angreifern entstanden war, die sowohl gegen die Opritschniki kämpften, wie auch gegen die widerborstigen Veteranen verschiedenster Schlachten. Die Angreifer hatten dabei den Vorteil der besseren Bewaffnung. Die Verteidiger feuerten von den Oberen Rängen und Gallerien und negierten die meiste Deckung. Selbst Nahkämpfe hatten sie den dem Feind aufgezwungen.
In diesen waren die Angreifer freilich auch nicht unbewandert. Nicht nur richteten ihre Schusswaffen aus nächster Nähe ein Blutbad unter den Anstürmenden an, viele von ihnen schienen auch über erschreckende Kräfte zu verfügen. Ein stämmiger Soldat der PVS zerdrosch einen Stuhl auf dem Helm eines Angreifers, der diese Gelegenheit dadurch bot, dass er den verklemmten Verschluss seiner Waffe freizubekommen versuchte und seine Umgebung dabei mit Unaufmerksamkeit bedachte. Der Schlag mit dem Möbel hätte genügt, bulligere Männer mit gebrochenem Schädel zu Boden gehen zu lassen. Der Getroffene aber richtete sich nur zornig auf und hieb seinerseits mit dem Gewehrkolben auf den verdatterten Soldaten ein.
An anderer Stelle stand ein Angreifer auf einem Haufen toter Ratsmitglieder und eigner Kameraden und feuerte sein Sturmgewehr aus der Hüfte ab. Das Bajonett, welches bis zum Heft zwischen Schulter und Hals in ihm steckte, schien er nicht einmal zu bemerken.
Die ganze Szenerie wurde dadurch noch alptraumhafter, dass sie sich den Beteiligten immer nur in kurzen Episoden präsentierte, ehe der Vorhang aus Qualm, Schmauch und Rauch wieder zuzog, nur um gleich darauf eine weitere Seite im Album des Schrecklichen aufzuschlagen.
Eine Angreiferin, die sich über den Boden schleppte. Ihre Beine und ihr Unterleib fehlten zwar, doch die breiige Masse an heraushängenden Därmen, die sie hinter sich her schliff, ließen sie auch ohne untere Extremitäten länger aussehen als mit.
Über Waldorfs Deckung kam eine Handgranate geflogen und landete höhnisch klappernd mehr oder weniger in seinem Schoß. Keine Stielhandgranate, wie sie die PVS verwendete, sondern eine faustgroße, eierförmige. Wenn der Werfende sich an die gebräuchliche Art des Schleuderns hielt, so wie sie auf den meisten Übungsständen ausgebildet wurde und nicht die Verwegenheit besessen hatte nach dem Wegfliegen des Bügels einige Sekunden vor dem Wurf zu warten, dann blieben dem Ranger drei, vielleicht vier Sekunden bevor er zerrissen werden würde.
In der Richtung, aus der die Granate geflogen kam, hatte sich ein kleine Traube aus Gegnern festgesetzt. Wie beharkten sich mit Kruger, Waldorf und zwei oder drei anderen Verteidigern, die in ihrer mehr oder weniger unmittelbaren Nähe ebenfalls Widerstand leisteten.
Die, die die beiden sehen konnten waren zum einen eine Frau in einem bestickten Anzug, einst rot, jetzt grau. Sie schoss mit einem fauchenden Nadler, dessen lächerlich wirkende Größe über seine Tödlichkeit hinwegtäuschte. Entweder war sie selber eine Personenschützerin oder eine Würdenträgerin, die diese Waffe einem solchen abgenommen hatte. Des Weiteren war da ein korpulenter Mann mit Halbglatze und dicker Hornbrille, dem man mehr die Karriere eines Verwaltungsbeamten andichten mochte. Jedenfalls bis man den Umstand wahrnahm, dass er sich irgendwie ein Lasergewehr erobert hatte und dieses zu nutzen verstand. Die weiter unten verschanzten Angreifer versuchten mit Salven und Granaten, das Feuer des Widerstands auf dieser Seite zu ersticken, bevor es noch richtig auflodern konnte. Einer von ihnen rief immer wieder etwas nach hinten. Aus dem, was man über den allgegenwärtigen Lärm heraushören und was man Tenor und Stimmlage entnehmen konnte, handelte es sich um Befehle oder Anfragen. Es waren Worte in imperialem Gotisch, aber sinnentfremdet. Ein eigener Kampfdialekt vielleicht. Aber auch ohne zu verstehen, worum es genau ging, wurde kurz darauf klar, dass er eine schwere Waffe anforderte, um die Gegenwehr zu brechen. Wenn auch keine Waffe mit Lauf und Munitionszufuhr.
Wer hungert, meine Brüder und Schwestern, wer hungert, der fragt nicht. In ihren Reihen war die Gleichheit eines der höchsten Güter. Sie waren einander Geschwister und Eltern, standen einer für den anderen ein, waren bereit für den anderen zu leben und das Leben zu geben.
Ränge gab es nicht. Zumindest fast nicht. Sie waren alle gleich in ihrem Streben, ihrer Überzeugung und ihrer Entschlossenheit. Dennoch gab es die, die aus diesem Heer der Gleichen durch Tat und Präsenz herausstachen.
Da waren die Alten, die viele von ihnen nur gerüchteweise kannten und denen mit besonderer Verehrung begegnet wurde. Außerdem jene, die durch ihr Geschick und ihre besonderen Aufgaben ihren Geschwistern als leuchtendes Vorbild dienten. Einer von diesen war der, den die meisten nur als den Orchestrator kannten. Der große Planer, der der den Überblick über die Dinge hatte.
Wer hungert fragt nicht wer ihm die Hand mit dem Brot hinstreckt und warum diese Hand mit Blut besudelt ist.
Wer hungert neigt das Haupt in Demut uns sagt Danke.
Danke, dass du mich nährst großer Wohltäter.
Wer hungert, der blickt nicht auf um das falsche Grinsen zu sehen, mit dem dieser Wohltäter ihn bedenkt. Wohl wissend, dass er dem Darbenden nur eben so viel Brot gibt, dass er das Rückgrat brechende Tagewerk zu verrichten vermag und doch schwach genug bleibt, die Hand nur im Flehen zu erheben, niemals aber im Zorn.
Wer hungert fragt nicht, warum der Wohltäter feist ist und warum an den Fingern, die das harte Brot halten, Gold und Protz prangen.
Wer hungert bleibt klein. Der Ochestrator war bedächtig auf das Podium getreten, die einzige Stelle in der ganzen Halle, die großzügig ausgeleuchtet war. Er war nicht prätentiös gekleidet, sondern funktional. Ein einfacher Arbeitsanzug im schlichten Braun, darüber einen PVS- Brustpanzer, so wie Schulterpanzer. Allein, dass diese gelb angesprüht und mit einem schwarzen Rorschachmuster verziert waren, stellten ein kleines Eingeständnis an Schmuck dar. Über allem trug er einen schweren ledernen Mantel, wie man ihn in der Vorwüste verwendete, wenn man sich gegen die aggressiven Staubstürme zu schützen trachtete. Er hatte die voluminöse Kapuze hochgeschlagen, so dass nur der untere Teil seines Gesichtes nicht im Schatten lag.
Fleischige Lippen, ein breiter Mund, von tiefen Furchen in kränklich grauer Haut umrahmt. Mit hoher, aber voll klingender Stimme hatte er angehoben, zu den Versammelten zu sprechen.
In der Schwebe muss der Hungernde gehalten werden. Zu Schwach um aufzubegehren, zu stark um sich durch den Tod der Knechtschaft zu entziehen.
Darum ist das Bort karg, darum sagt der grinsende Wohltäter: Sieh, dieser dein Bruder möchte dir deine Brotrinde entreißen, geh und schlag ihn nieder. Zustimmendes Gemurmel aus den Reihen der schattenhaften, der gesichtslosen Tausenden.
Wehe aber dem grinsenden Wohltäter, wenn der Hungernde den Blick hebt. Auf dem Podium standen neben dem Rednerpult, von welchem er zum versammelten Volk sprach, eine Handvoll einfacher Stühle. Dort nahm eine hochgewachsene, sehr dünne Frau in der gelben Robe der Kirche der göttlichen Transformation. Ein seliges Lächeln lag auf ihren fahlen Zügen. Die anderen Stühle blieben demonstrativ leer.
Wehe wenn ihm einer die Kraft spendet, den Blick zu heben und zu sehen. Uns, meine Brüder und Schwestern ist diese Kraft gegeben wurden. Die Kraft um zu sehen und um die flehend ausgestreckte Hand zur Faust zu ballen. Aber er hob mahnend den Finger, der in einem langen, schwarzen Fingernagel endete. sie wurde uns nicht geschenkt, diese Kraft.. Oh nein… sie wurde uns im Tausch gegeben. Als die Alten zu uns kamen und sahen, dass wir hungerten, da sagten Sie: Wir geben nicht euch die Kraft aufzubegehren. Wir geben sie euren Kindern und deren Kindeskindern.
Von euch, von euch verlangen wir im Austausch nur eins. Er ließ eine lange Pause, die sich still und schwer über die Anwesenden legte.
Geduld!
Beweist uns, so sagte sie, dass ihr bereit seid euer eigenes Wohl zu opfern, um das Wohl euer Nachkommenschaft zu sichern.
Senkt den Blick und nehmt das Brot des grinsenden Wohltäters in dem Wissen, dass dereinst eure Nachkommen sich erheben werden.
Unsere Altvorderen aber waren ängstlich.
Gern, so sprachen sie, würden wir für das Gedeihen unserer Nachkommen alles geben. Aber wie sollen sie dereinst stärker sein als wir es sind?
Da… und ihr kennt diese Geschichte alle meine Brüder und Schwestern, da lächelten die Alten und erzählten uns von der Transzendenz, von der göttlichen Transformation. Von der Einswerdung mit dem Universum und der Urform der Familie.
Auch gaben sie unseren Vorfahren den Samen der Stärke als ein Geschenk des Vertrauens. Sie machten unsere Altvorderen zu ihren Kindern und die Schatten in denen sie sich verbergen mussten, wurden zu hell erleuchteten Kathedralen der Zuversicht. Wenn unsere Eltern und Großeltern jetzt das Haupt vor dem falschen Wohltäter senkten und sein hartes Brot nahmen, so taten sie es in der Gewissheit, dass die Ihren diese Hand eines Tages beißen würden.
Mein Vater besaß die Stärke von vier Männern. Aber nutzte er sie um die Schädel der Aufseher der Kohlemine, in welcher er Tag und Nacht schuftete, zu zerbrechen? Nein er nutzte sie um die Normvorgaben der Fabrik zu erfüllen. Seine Stärke war größer als seine pure Muskelkraft. Seine Stärke lag im Dulden.
Müde vom Tagewerk brachte er mich und meine Brüder und Schwestern zu Bett. Dann trafen er und meine Mutter sich im Geheimen mit ihren Brüdern und Schwestern. Sie schufen das Netzwerk, sie klaubten die Waffen zusammen, die heute in unseren Fäusten liegen.
Sie pflanzten den Samen der Hoffnung in die Hoffnungslosen. Sie brachten die Dämmerung der Transzendenz in das dunkle Herz der Makropole. Das Raunen der Anwesenden wurde lauter, so wie sich auch die Stimme des Orchestrators in die Höhe schraubte.
Wir führten ihre Mission fort, machten sie zu unserer Mission. Wir brachten das Licht in die Reihen der arbeitenden Massen, in Parteien, in Firmen und Wohnviertel, in die Armee, die Adelshäuser, ja selbst in andere Länder und die wildesten Winkel Korons. Seine Stimme wurde wieder ruhiger und senkte sich. Wieder warteten wir, wieder hungerten wir. Aber unser Hunger ist jetzt einer, den hartes Brot nicht mehr wird stillen können. Die meisten von uns sind inzwischen selbst die Eltern vieler Kinder und nicht wenige stellten sich darauf ein, die Fackel an ihre Nachkommen weiterzugeben.
Nachkommen, die nicht immer dem Ideal entsprechen, dass uns von Vid- Sendungen und der Gehirnwäsche der Konsumindustrie, von den Marionetten des grinsenden Wohltäters vorgeschrieben wird…
Aus dem hinteren Teil des gestrandeten Bulldog erschollen dumpfe Laute. Als versuche ein Squam-Squam Hirsch oder Grox sich an der menschlichen Sprache.
Allemal wurden diese Geräusche von Lungen befeuert, die gewaltig wie Blasebälge sein mussten, denn sie schnitten leicht durch den Lärm der Schlacht. Wie leidlich klang dagegen das Rasseln gelöster Ketten und das stampfen und Klicken schwerer Schritte auf Panzerstahl?
Was dann ins Freie polterte ließ die Angreifer aufjubeln und die Verteidiger der Ratshalle verzweifelt aufstöhnen.
Es war eine deformierte Schar. Ein Haufen aus falsch zusammengesetzten und proportionierten Dingern.
Keines dieser Wesen sah aus wie das andere und doch besaßen sie eine verstörende Uniformität. Inzestuöses Gezücht, degeneriert ab er dadurch nicht mit Schwäche geschlagen.
Diese Kreaturen waren groß wie Ogryns oder wären es gewesen, wenn sie nicht gebeugt und verkrümmt gegangen wären. Was sie einte waren etwa die aufgedunsenen Schädel, die gleich überdimensionalen Zecken zwischen den hohen Schultern hingen. In diesen Köpfen saßen kleine, gleichzeitig verwirrt und wütend starrende Augen, in die sich wenig Intelligenz verirrte.
Einer hatte ein rudimentäres, drittes Auge. Ein anderer ein Gesicht aus zwei Gesichtern, als hätten sich Zwillinge während des Heranreifens im Mutterleib dazu entschieden, doch zu nur einer Kreatur zu verschmelzen. Einem stand der Mund schwachsinnig offen und eine lange spitze Zunge hing aufgabenlos daraus hervor.
Alle hatten sie eine verknöcherte Platte auf der Stirn, mal schwächer, mal stärker ausgeprägt. Diese Verknöcherungen waren ein weiteres, einendes Merkmal. Bei einigen schützten sie Stellen an Schultern, Nacken oder Brust. Dann wieder umschlossen sie Arme und Beine vollständig, so dass sie wie die ausgeliehenen Gliedmaßen von Kurstentieren aussahen. Ein paar der Abnormitäten hatten der Arme gleich drei mit auf den Lebensweg bekommen.
Lieben wir sie deswegen auch nur einen Deut weniger? Sind sie deswegen weniger unsere Kinder? Nein! Erscholl es aus der Menge. Entschlossene Rufe von den Müttern und Vätern dieser Kinder, die nicht nur sie, sondern auch die anderen Angehörigen ihrer Gemeinschaft für besonders und wunderschön hielten.
Und für nützlich.
Sind sie deswegen nicht ebenso wertvoll für die Erfüllung dessen, was uns die Alten vor so langer Zeit zugesagt haben? Sind nicht auch sie Diener unserer Sache?
Ob nun zwei oder drei Hände, jede umklammerte eine Waffe. Gewaltige Hämmer, die speziell für ihre Proportionen angefertigt wurden waren, denn kein gewöhnlicher Mensch hätte sie auch nur heben können. Andere hatten nutzten Moniereisenstangen. Einige schwangen Gesteins- Kreissägen, eigentlich dazu gedacht an Fahrzeugen montiert zu sein.
Einer, wohl geistig zur Nutzung befähigt, hielt mit seinen drei Armen einen Industrieschmelzer. Ein Werkzeug, eigentlich dazu gedacht, Gestein zu verflüssigen und es dann in gewünschter Form erkalten zu lassen. Straßenbau hatte die Monstrosität jedoch nicht im Sinn.
Monstrositäten, das sind unsere Kinder für die Gesellschaft und auch uns wird man diese Schmähungen entgegenschleudern. Ich aber sagen Euch die Monster sind die. Er deutete nach oben in Richtung der stählernen Decke. Wer die knechtet und bluten lässt, denen er Vater und Mutter sein sollte, dem muss die Verantwortung für das Wohl seines Volkes entrissen werden. Auch wenn unsere lieblichen Kinder für diese schwere Aufgabe ihr Leben wagen und vielleicht sogar geben müssen.
So ist die Sache doch gerecht und gut.
Die deformierten Riesen hatten sich kurz blinzelnd in der neuen Umgebung orientiert. Tod und Zerstörung schienen sie weniger zu irritieren, als der Umstand, dass sie die Ihren nicht sogleich erspähten. Als sie das vertraute Rufen hörten und die vertrauten Gesichter sahen stahl sich ein seliges Lächeln auf ihre stumpfen Gesichter und sie stapften los. Mit Händen und Füßen bedeuteten ihre Mitstreiter ihn, was sie von ihnen erwarteten und das Dutzend wurde aufgeteilt und in den Kampf geschickt. Sechs der Hünen gingen den Kreis um die Nadel an, die anderen sechs hatten die Aufgabe den Widerstand in Richtung Eingang wortwörtlich zu zerbrechen.
Da war zuallererst die Leibwache des Gouverneurs. Jeder gefallene Kamerad, jede leergeschossene Energiezelle schmerzte diese unnachgiebigen Kämpfer wie eine Amputation. Aber sie wichen nicht und wankten nicht und sie forderten von den Angreifern einen blutigen Tribut für ihren Frevel.
Auch die Angreifer verfügten nicht über endlose Ressourcen.
Gewiss, der Bulldock war vollgestopft mit Kriegern und sie konnten Verluste besser verkraften als die Opritschniki. Doch sie hatten keinen Entsatz und keinen Nachschub, auf den sie bauen konnten.
Diese Hoffnung blieb den Verteidigern. Hielten sie lange genug durch, würde Hilfe kommen.
Hinzu kam ein weiterer Faktor, den die Angreifer entweder nicht bedacht oder geflissentlich ignoriert hatten. Neben den Massen an Ministern, Industriellen und Würdenträgern, die fielen wie das Korn unter der Sense, waren auch tausende Veteranen in der Halle gewesen. Waffenlos, aber nicht gewillt wehrlos zu sein. Einige bemächtigten sich der Pistolen der niedergemachten Personenschützer. Andere gingen mit abgebrochenen Stuhlbeinen und Holzlatten auf Angreifer los. Diese verzweifelt Tapferen fielen in Massen und schwärmten dann doch über einzelne Feinde her, wenn diese ihre Munition verfeuert hatten. Sie rammten, den hastig nach neuen Magazinen Fingernden, splitterndes Holz in die Leiber oder droschen sie mit Knüppeln und Fäusten zu Tode. Sie schlichen sich durch die Grabengänge der Sitzreihen an, schlugen, würgten, bissen und rangen. Es waren heroische Taten, wenn auch keine, die für ein heldenhaftes Schlachtengemälde geeignet gewesen wären.
Außerdem gelangte jetzt vereinzelt bewaffnetes Personal von außen in die Halle. Sie kamen auf die obere Galerie und versuchten gleichwohl Menschen zu retten und herauszuschaffen, wie sie die Angreifer unter Feuer nahmen. Angehörige des Wachbataillons waren es. Nicht viele, nicht schwer bewaffnet, aber Vorboten dafür, dass die Außenwelt in die Mordgrube vordrang.
In Gohmor gab es derweil eine zweite Ratshalle. Weit unter der, die zum Schlachtfeld geworden war.
Sie war in gewisser Weise ein Äquivalent zu all dem, was die große Halle darstellte. In vielen Aspekten eine Entsprechung, in ebenso vielen eine radikale Abweichung.
Nicht prächtig, sondern düster, schmutzig, feucht und in schwitzender Hitze brütend. Nicht Deflektoren und uralte Traditionen bargen diese Halle, sondern Heimlichkeit, Verschwiegenheit und Vergessen. Beschützt war auch sie von Soldaten, wenn auch nicht von solchen, die einen Schwur auf Imperium und Koron geleistet hatten. Und hatten sie es doch getan, so fühlten sie sich nicht im Mindesten daran gebunden. Auch hier waren viele Tausend versammelt, ein Ozean aus Leibern im Halbdunkeln, flüsternd und wartend.
Die schiere Macht des Beisammenseins ballte sich als greifbare, verdichtete Energie, die die Luft dick wie Sirup machte, die alle Anwesenden in die wohlige Wärme des Uterus der Gemeinschaft hüllte. Die, die sich in dem Wissen wiegten, dass sie Schulter an Schulter mit Brüdern und Schwestern standen, zogen Kraft und grenzenloses Vertrauen aus ihrem Beisammensein. Die, die noch nicht in den Kreis der Verwandtschaft aufgenommen worden waren, wünschten sich sehnsüchtig es zu sein.
Sie alle warteten in Zuversicht und Hingabe, den Blick auf die Stelle gerichtet, wo ihr Verwandter erscheinen würde. Ein Teil ihres Leibes, ihrer Gemeinschaft, der mit Worten wie Vater, Mutter, Bruder oder Schwester nur so unendlich unzulänglich beschrieben werden konnte.
Der Mann legte einen halbautomatischen Karabiner auf Kruger an und gab eine kurze Salve ab.
Die Kugeln schlugen in das dicke Holz eines Pultes ein und ließen kleine Splitter herumfliegen, blieben aber ansonsten wirkungslos. Der Schütze musste seinerseits den Kopf runter nehmen, als er ebenso beschossen wurde. Mehr und mehr Männer und Frauen der Streitkräfte hatten sich bewaffnet und richteten die Mordwerkzeuge aus den erkaltenden Händen toter Angreifer gegen die noch lebenden Spießgesellen.
Es hatte sich ein Patt entwickelt, der so aussah, dass um den Bulldock herum ein grober Halbkreis aus Angreifern entstanden war, die sowohl gegen die Opritschniki kämpften, wie auch gegen die widerborstigen Veteranen verschiedenster Schlachten. Die Angreifer hatten dabei den Vorteil der besseren Bewaffnung. Die Verteidiger feuerten von den Oberen Rängen und Gallerien und negierten die meiste Deckung. Selbst Nahkämpfe hatten sie den dem Feind aufgezwungen.
In diesen waren die Angreifer freilich auch nicht unbewandert. Nicht nur richteten ihre Schusswaffen aus nächster Nähe ein Blutbad unter den Anstürmenden an, viele von ihnen schienen auch über erschreckende Kräfte zu verfügen. Ein stämmiger Soldat der PVS zerdrosch einen Stuhl auf dem Helm eines Angreifers, der diese Gelegenheit dadurch bot, dass er den verklemmten Verschluss seiner Waffe freizubekommen versuchte und seine Umgebung dabei mit Unaufmerksamkeit bedachte. Der Schlag mit dem Möbel hätte genügt, bulligere Männer mit gebrochenem Schädel zu Boden gehen zu lassen. Der Getroffene aber richtete sich nur zornig auf und hieb seinerseits mit dem Gewehrkolben auf den verdatterten Soldaten ein.
An anderer Stelle stand ein Angreifer auf einem Haufen toter Ratsmitglieder und eigner Kameraden und feuerte sein Sturmgewehr aus der Hüfte ab. Das Bajonett, welches bis zum Heft zwischen Schulter und Hals in ihm steckte, schien er nicht einmal zu bemerken.
Die ganze Szenerie wurde dadurch noch alptraumhafter, dass sie sich den Beteiligten immer nur in kurzen Episoden präsentierte, ehe der Vorhang aus Qualm, Schmauch und Rauch wieder zuzog, nur um gleich darauf eine weitere Seite im Album des Schrecklichen aufzuschlagen.
Eine Angreiferin, die sich über den Boden schleppte. Ihre Beine und ihr Unterleib fehlten zwar, doch die breiige Masse an heraushängenden Därmen, die sie hinter sich her schliff, ließen sie auch ohne untere Extremitäten länger aussehen als mit.
Über Waldorfs Deckung kam eine Handgranate geflogen und landete höhnisch klappernd mehr oder weniger in seinem Schoß. Keine Stielhandgranate, wie sie die PVS verwendete, sondern eine faustgroße, eierförmige. Wenn der Werfende sich an die gebräuchliche Art des Schleuderns hielt, so wie sie auf den meisten Übungsständen ausgebildet wurde und nicht die Verwegenheit besessen hatte nach dem Wegfliegen des Bügels einige Sekunden vor dem Wurf zu warten, dann blieben dem Ranger drei, vielleicht vier Sekunden bevor er zerrissen werden würde.
In der Richtung, aus der die Granate geflogen kam, hatte sich ein kleine Traube aus Gegnern festgesetzt. Wie beharkten sich mit Kruger, Waldorf und zwei oder drei anderen Verteidigern, die in ihrer mehr oder weniger unmittelbaren Nähe ebenfalls Widerstand leisteten.
Die, die die beiden sehen konnten waren zum einen eine Frau in einem bestickten Anzug, einst rot, jetzt grau. Sie schoss mit einem fauchenden Nadler, dessen lächerlich wirkende Größe über seine Tödlichkeit hinwegtäuschte. Entweder war sie selber eine Personenschützerin oder eine Würdenträgerin, die diese Waffe einem solchen abgenommen hatte. Des Weiteren war da ein korpulenter Mann mit Halbglatze und dicker Hornbrille, dem man mehr die Karriere eines Verwaltungsbeamten andichten mochte. Jedenfalls bis man den Umstand wahrnahm, dass er sich irgendwie ein Lasergewehr erobert hatte und dieses zu nutzen verstand. Die weiter unten verschanzten Angreifer versuchten mit Salven und Granaten, das Feuer des Widerstands auf dieser Seite zu ersticken, bevor es noch richtig auflodern konnte. Einer von ihnen rief immer wieder etwas nach hinten. Aus dem, was man über den allgegenwärtigen Lärm heraushören und was man Tenor und Stimmlage entnehmen konnte, handelte es sich um Befehle oder Anfragen. Es waren Worte in imperialem Gotisch, aber sinnentfremdet. Ein eigener Kampfdialekt vielleicht. Aber auch ohne zu verstehen, worum es genau ging, wurde kurz darauf klar, dass er eine schwere Waffe anforderte, um die Gegenwehr zu brechen. Wenn auch keine Waffe mit Lauf und Munitionszufuhr.
Wer hungert, meine Brüder und Schwestern, wer hungert, der fragt nicht. In ihren Reihen war die Gleichheit eines der höchsten Güter. Sie waren einander Geschwister und Eltern, standen einer für den anderen ein, waren bereit für den anderen zu leben und das Leben zu geben.
Ränge gab es nicht. Zumindest fast nicht. Sie waren alle gleich in ihrem Streben, ihrer Überzeugung und ihrer Entschlossenheit. Dennoch gab es die, die aus diesem Heer der Gleichen durch Tat und Präsenz herausstachen.
Da waren die Alten, die viele von ihnen nur gerüchteweise kannten und denen mit besonderer Verehrung begegnet wurde. Außerdem jene, die durch ihr Geschick und ihre besonderen Aufgaben ihren Geschwistern als leuchtendes Vorbild dienten. Einer von diesen war der, den die meisten nur als den Orchestrator kannten. Der große Planer, der der den Überblick über die Dinge hatte.
Wer hungert fragt nicht wer ihm die Hand mit dem Brot hinstreckt und warum diese Hand mit Blut besudelt ist.
Wer hungert neigt das Haupt in Demut uns sagt Danke.
Danke, dass du mich nährst großer Wohltäter.
Wer hungert, der blickt nicht auf um das falsche Grinsen zu sehen, mit dem dieser Wohltäter ihn bedenkt. Wohl wissend, dass er dem Darbenden nur eben so viel Brot gibt, dass er das Rückgrat brechende Tagewerk zu verrichten vermag und doch schwach genug bleibt, die Hand nur im Flehen zu erheben, niemals aber im Zorn.
Wer hungert fragt nicht, warum der Wohltäter feist ist und warum an den Fingern, die das harte Brot halten, Gold und Protz prangen.
Wer hungert bleibt klein. Der Ochestrator war bedächtig auf das Podium getreten, die einzige Stelle in der ganzen Halle, die großzügig ausgeleuchtet war. Er war nicht prätentiös gekleidet, sondern funktional. Ein einfacher Arbeitsanzug im schlichten Braun, darüber einen PVS- Brustpanzer, so wie Schulterpanzer. Allein, dass diese gelb angesprüht und mit einem schwarzen Rorschachmuster verziert waren, stellten ein kleines Eingeständnis an Schmuck dar. Über allem trug er einen schweren ledernen Mantel, wie man ihn in der Vorwüste verwendete, wenn man sich gegen die aggressiven Staubstürme zu schützen trachtete. Er hatte die voluminöse Kapuze hochgeschlagen, so dass nur der untere Teil seines Gesichtes nicht im Schatten lag.
Fleischige Lippen, ein breiter Mund, von tiefen Furchen in kränklich grauer Haut umrahmt. Mit hoher, aber voll klingender Stimme hatte er angehoben, zu den Versammelten zu sprechen.
In der Schwebe muss der Hungernde gehalten werden. Zu Schwach um aufzubegehren, zu stark um sich durch den Tod der Knechtschaft zu entziehen.
Darum ist das Bort karg, darum sagt der grinsende Wohltäter: Sieh, dieser dein Bruder möchte dir deine Brotrinde entreißen, geh und schlag ihn nieder. Zustimmendes Gemurmel aus den Reihen der schattenhaften, der gesichtslosen Tausenden.
Wehe aber dem grinsenden Wohltäter, wenn der Hungernde den Blick hebt. Auf dem Podium standen neben dem Rednerpult, von welchem er zum versammelten Volk sprach, eine Handvoll einfacher Stühle. Dort nahm eine hochgewachsene, sehr dünne Frau in der gelben Robe der Kirche der göttlichen Transformation. Ein seliges Lächeln lag auf ihren fahlen Zügen. Die anderen Stühle blieben demonstrativ leer.
Wehe wenn ihm einer die Kraft spendet, den Blick zu heben und zu sehen. Uns, meine Brüder und Schwestern ist diese Kraft gegeben wurden. Die Kraft um zu sehen und um die flehend ausgestreckte Hand zur Faust zu ballen. Aber er hob mahnend den Finger, der in einem langen, schwarzen Fingernagel endete. sie wurde uns nicht geschenkt, diese Kraft.. Oh nein… sie wurde uns im Tausch gegeben. Als die Alten zu uns kamen und sahen, dass wir hungerten, da sagten Sie: Wir geben nicht euch die Kraft aufzubegehren. Wir geben sie euren Kindern und deren Kindeskindern.
Von euch, von euch verlangen wir im Austausch nur eins. Er ließ eine lange Pause, die sich still und schwer über die Anwesenden legte.
Geduld!
Beweist uns, so sagte sie, dass ihr bereit seid euer eigenes Wohl zu opfern, um das Wohl euer Nachkommenschaft zu sichern.
Senkt den Blick und nehmt das Brot des grinsenden Wohltäters in dem Wissen, dass dereinst eure Nachkommen sich erheben werden.
Unsere Altvorderen aber waren ängstlich.
Gern, so sprachen sie, würden wir für das Gedeihen unserer Nachkommen alles geben. Aber wie sollen sie dereinst stärker sein als wir es sind?
Da… und ihr kennt diese Geschichte alle meine Brüder und Schwestern, da lächelten die Alten und erzählten uns von der Transzendenz, von der göttlichen Transformation. Von der Einswerdung mit dem Universum und der Urform der Familie.
Auch gaben sie unseren Vorfahren den Samen der Stärke als ein Geschenk des Vertrauens. Sie machten unsere Altvorderen zu ihren Kindern und die Schatten in denen sie sich verbergen mussten, wurden zu hell erleuchteten Kathedralen der Zuversicht. Wenn unsere Eltern und Großeltern jetzt das Haupt vor dem falschen Wohltäter senkten und sein hartes Brot nahmen, so taten sie es in der Gewissheit, dass die Ihren diese Hand eines Tages beißen würden.
Mein Vater besaß die Stärke von vier Männern. Aber nutzte er sie um die Schädel der Aufseher der Kohlemine, in welcher er Tag und Nacht schuftete, zu zerbrechen? Nein er nutzte sie um die Normvorgaben der Fabrik zu erfüllen. Seine Stärke war größer als seine pure Muskelkraft. Seine Stärke lag im Dulden.
Müde vom Tagewerk brachte er mich und meine Brüder und Schwestern zu Bett. Dann trafen er und meine Mutter sich im Geheimen mit ihren Brüdern und Schwestern. Sie schufen das Netzwerk, sie klaubten die Waffen zusammen, die heute in unseren Fäusten liegen.
Sie pflanzten den Samen der Hoffnung in die Hoffnungslosen. Sie brachten die Dämmerung der Transzendenz in das dunkle Herz der Makropole. Das Raunen der Anwesenden wurde lauter, so wie sich auch die Stimme des Orchestrators in die Höhe schraubte.
Wir führten ihre Mission fort, machten sie zu unserer Mission. Wir brachten das Licht in die Reihen der arbeitenden Massen, in Parteien, in Firmen und Wohnviertel, in die Armee, die Adelshäuser, ja selbst in andere Länder und die wildesten Winkel Korons. Seine Stimme wurde wieder ruhiger und senkte sich. Wieder warteten wir, wieder hungerten wir. Aber unser Hunger ist jetzt einer, den hartes Brot nicht mehr wird stillen können. Die meisten von uns sind inzwischen selbst die Eltern vieler Kinder und nicht wenige stellten sich darauf ein, die Fackel an ihre Nachkommen weiterzugeben.
Nachkommen, die nicht immer dem Ideal entsprechen, dass uns von Vid- Sendungen und der Gehirnwäsche der Konsumindustrie, von den Marionetten des grinsenden Wohltäters vorgeschrieben wird…
Aus dem hinteren Teil des gestrandeten Bulldog erschollen dumpfe Laute. Als versuche ein Squam-Squam Hirsch oder Grox sich an der menschlichen Sprache.
Allemal wurden diese Geräusche von Lungen befeuert, die gewaltig wie Blasebälge sein mussten, denn sie schnitten leicht durch den Lärm der Schlacht. Wie leidlich klang dagegen das Rasseln gelöster Ketten und das stampfen und Klicken schwerer Schritte auf Panzerstahl?
Was dann ins Freie polterte ließ die Angreifer aufjubeln und die Verteidiger der Ratshalle verzweifelt aufstöhnen.
Es war eine deformierte Schar. Ein Haufen aus falsch zusammengesetzten und proportionierten Dingern.
Keines dieser Wesen sah aus wie das andere und doch besaßen sie eine verstörende Uniformität. Inzestuöses Gezücht, degeneriert ab er dadurch nicht mit Schwäche geschlagen.
Diese Kreaturen waren groß wie Ogryns oder wären es gewesen, wenn sie nicht gebeugt und verkrümmt gegangen wären. Was sie einte waren etwa die aufgedunsenen Schädel, die gleich überdimensionalen Zecken zwischen den hohen Schultern hingen. In diesen Köpfen saßen kleine, gleichzeitig verwirrt und wütend starrende Augen, in die sich wenig Intelligenz verirrte.
Einer hatte ein rudimentäres, drittes Auge. Ein anderer ein Gesicht aus zwei Gesichtern, als hätten sich Zwillinge während des Heranreifens im Mutterleib dazu entschieden, doch zu nur einer Kreatur zu verschmelzen. Einem stand der Mund schwachsinnig offen und eine lange spitze Zunge hing aufgabenlos daraus hervor.
Alle hatten sie eine verknöcherte Platte auf der Stirn, mal schwächer, mal stärker ausgeprägt. Diese Verknöcherungen waren ein weiteres, einendes Merkmal. Bei einigen schützten sie Stellen an Schultern, Nacken oder Brust. Dann wieder umschlossen sie Arme und Beine vollständig, so dass sie wie die ausgeliehenen Gliedmaßen von Kurstentieren aussahen. Ein paar der Abnormitäten hatten der Arme gleich drei mit auf den Lebensweg bekommen.
Lieben wir sie deswegen auch nur einen Deut weniger? Sind sie deswegen weniger unsere Kinder? Nein! Erscholl es aus der Menge. Entschlossene Rufe von den Müttern und Vätern dieser Kinder, die nicht nur sie, sondern auch die anderen Angehörigen ihrer Gemeinschaft für besonders und wunderschön hielten.
Und für nützlich.
Sind sie deswegen nicht ebenso wertvoll für die Erfüllung dessen, was uns die Alten vor so langer Zeit zugesagt haben? Sind nicht auch sie Diener unserer Sache?
Ob nun zwei oder drei Hände, jede umklammerte eine Waffe. Gewaltige Hämmer, die speziell für ihre Proportionen angefertigt wurden waren, denn kein gewöhnlicher Mensch hätte sie auch nur heben können. Andere hatten nutzten Moniereisenstangen. Einige schwangen Gesteins- Kreissägen, eigentlich dazu gedacht an Fahrzeugen montiert zu sein.
Einer, wohl geistig zur Nutzung befähigt, hielt mit seinen drei Armen einen Industrieschmelzer. Ein Werkzeug, eigentlich dazu gedacht, Gestein zu verflüssigen und es dann in gewünschter Form erkalten zu lassen. Straßenbau hatte die Monstrosität jedoch nicht im Sinn.
Monstrositäten, das sind unsere Kinder für die Gesellschaft und auch uns wird man diese Schmähungen entgegenschleudern. Ich aber sagen Euch die Monster sind die. Er deutete nach oben in Richtung der stählernen Decke. Wer die knechtet und bluten lässt, denen er Vater und Mutter sein sollte, dem muss die Verantwortung für das Wohl seines Volkes entrissen werden. Auch wenn unsere lieblichen Kinder für diese schwere Aufgabe ihr Leben wagen und vielleicht sogar geben müssen.
So ist die Sache doch gerecht und gut.
Die deformierten Riesen hatten sich kurz blinzelnd in der neuen Umgebung orientiert. Tod und Zerstörung schienen sie weniger zu irritieren, als der Umstand, dass sie die Ihren nicht sogleich erspähten. Als sie das vertraute Rufen hörten und die vertrauten Gesichter sahen stahl sich ein seliges Lächeln auf ihre stumpfen Gesichter und sie stapften los. Mit Händen und Füßen bedeuteten ihre Mitstreiter ihn, was sie von ihnen erwarteten und das Dutzend wurde aufgeteilt und in den Kampf geschickt. Sechs der Hünen gingen den Kreis um die Nadel an, die anderen sechs hatten die Aufgabe den Widerstand in Richtung Eingang wortwörtlich zu zerbrechen.