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Die Schlangengrube
#75
In ihrem Nest gestört oder entzückt darüber, dass ihnen die Mahlzeit frei Haus geliefert wurde, stürzten sich die Wesen auf ihre vermeintliche Beute. Wie überrascht und zornig waren sie dann, als eines der Opfer alles andere als das war.
Die grobe Klinge spaltete die vorwitzigste Kreatur auf Höhe ihrer dünnen Hüfte und ließ sie als zwei strampelnde, fuchtelnde Teile davonfliegen. Stinkendes, salziges Blut bespritzte den Bhrak im heißen Schwall. Ein zweites Ungeheuer drängte nach und spießte sich auf dem Schwert des Alphas auf.
Nach diesem unerwarteten Widerstand wurden die Bestien vorsichtiger und nutzten erst einmal was da war, indem sie sich auf die Überreste ihrer Artgenossen stürzten und sich an dem noch zuckenden Fleisch gütlich taten.
Das erkaufte Yok und seinem Begleiter wertvolle Sekunden, in denen sie den Weg nach unten suchten. Flüssige Dunkelheit schwappte ihnen wie ein Sturzbach die Treppe nach. Die Unterkellerung schien weit geräumiger zu sein, als das Gebäude darüber. Auch möglich, dass sich mehrere Bauten die Untergeschosse teilten. Staubige Korridore gingen in verschiedene Richtungen. Die meisten Alkoven und Räume waren leer. Ab und an stand Gerümpel und Unrat darinnen, das Jahrhunderte überdauert haben mochte. Was greifbar war schleuderten sie hinter sich, um so eine Barriere zwischen ihnen und den Monstern zu schaffen, auch wenn dies bei der Agilität dieser Kreaturen wohl eher Wunsch als Effizienz war.
Zwei Wesen hatten die Verfolgung aufgenommen und krochen an der Decke entlang, als gelten für sie die Regeln von Insekten und nicht die von menschenähnlichen Geschöpfen. Das Vorderste, das geifernde Maul noch feucht und schäumend vom Fleisch der eigenen Art, stürzte sich mit der Sprungkraft einer Raubkatze auf ihn.
Der Gang war zu eng, um das Schwert effizient zu nutzen und so fing Yok seinen Angreifer mit der freien Hand am Hals. Es zuckte und wand sich in seinem Griff, Krallen kreischten über die Rüstung des Bhrak, schlitzten die lederne Haut des Biestmannes auf, ohne dass der davon mehr Notiz nahm als vom Stich einer Mücke. Für eine Kreatur, die vielleicht einmal etwas mit einem Menschen gemein gehabt haben mochte, war dieses dürre Gerippe kräftig. Jedenfalls so weit, wie der Alpha das beurteilen konnte. Schließlich verglich man dabei Schwäche mit Schwäche. Er brach das Genick des Wesens wie einen Hühnerknochen und die Wolke aus Schwärze um sie her wurde dünner. Die verbleibende Kreatur machte an der Decke ein paar Schritte zurück und fauchte, zornig und ängstlich zugleich.
Hier ist es Herr! Rief der Junge, der bereits ein paar Schritte die Treppe hinter ihnen herunter gelaufen war und hörbar erleichtert klang, dass er den Anforderungen gerecht wurde. Andernfalls hatten seine Alternativen zwischen diesem Monster verseuchten Gewölbe und dem Zorn seines ebenso monströsen Begleiters gependelt.
Er drückte an einer steinernen Tür herum, welche das Abbild eines Tieres, einer Art Bock zeigte. Yok drückte die Tür für den Jungen auf und Flugsand knirschte unter der passgenauen Schwelle.
Dahinter lag Grabesschwärze.
Man konnte nur hoffen, dass die Kreaturen hier nicht auch schon nisteten. Der Geruch jedenfalls deutete darauf hin, dass dem nicht so war. Allerdings gab es hier andere Dünste, die sich für eine menschliche Nase unter Staub verbargen. Etwas Raubtierhaftes, anders als der Geruch der Kreaturen, mehr dem Schimmelpilz verwandt, als etwas tierischem. Dennoch lag darin eine Gefahr, die nicht mit Wucherungen in Ecken und auf altem Holz zu tun hatte. Schwach und abgründig, aber doch nicht zu leugnen.
Es gibt eine falsche Bodenplatte… ich kann es nicht sehen, aber es heißt ein Hund bewacht den Eingang. Diese Beschreibung schien anfangs rechtunsinnig, bis sich den Augen Yoks, wie auch den tastenden Händen offenbarte, dass um das Gewölbe, etwa auf Brusthöhe, eine steinerne Zierleiste verlief, die auf der Breite einer Handspanne Tierapplikationen zeigte. Insekten, Echsen und Geflügel und endlich auch einen Hund mit heraushängender, steinerner Zunge. Yok sah für sie beide und führte den Jungen an die entsprechende Stelle. Er wollte sich gerade bücken, um die Steinplatte zu untersuchen, als diese sich zu bewegen begann.

Was… Die Pranke des Kriegers legte sich über den Mund des Jungen und brachte ihn damit nicht nur zum Verstummen, sondern gab ihm unfreiwillig auch etwas von dem Bestienblut zu kosten. Gedämpftes Glucksen des Eckels.
Die Steinplatte hob sich und ein Lichtschein tastete sich wie ein suchender Finger daraus hervor. Ihm folgte der markant ummantelte Lauf einer Laserpistole.
Yok und das Menschlein standen hinter der Platte, so dass sie im toten Winkel desjenigen waren, der da von unten herausspähte, die Umgebung dilettantisch zu sichern.
Unvermittelt sprang der Bhrak vor, schleuderte die Platte beiseite, als bestünde sie aus Pappe und nicht aus Stein. Er langte in das Loch. Ein spitzer Schrei, zuckendes Licht. Yok hatte ein dünnes Handgelenk umklammert, so dass er bestimmte in welche Richtung der Lauf der Waffe zeigte. Er zerrte den heraus, der an jenem Handgelenkt dranhing. Dieser schrie, als wäre ihm dass schon passiert, was der Bhrak mit ihm vor hatte.
Ein zappeldürrer Knabe, kaum anders als sein eigener. Scheinbar waren die heute Nacht besonders zahlreich unterwegs. Er holte mit dem Schwert aus, um dem Geschrei ein Ende zu bereiten, als nun sein kleiner Spürhund seinerseits anfing zu schreien.
Yok war wahrlich gestraft.
Verschont ihn Herr, verschont ihn… ich kenne ihn.
Warum der Umstand, dass ein Floh den anderen kannte, ihn darin hindern sollte selbigen zu zerquetschen, erschloss sich Yok nicht wirklich. Allerdings kam ihm der Gedanke, dass dieser Bursche etwas über die Gänge wissen mochte, durch die er gekommen war, was ihm vielleicht einen Vorteil und wenn nur ein Zeitersparnis bedeuten mochte. Er wand ihm die Laserpistole aus der Hand und setzte ihn relativ sanft ab, indem er ihn dem anderen Burschen vor die Füße schleuderte.
Das Licht stammte von einer Öllampe, wie man sie in Rasankur allerorten fand. Sie war auf die Seite gefallen, aber noch nicht erloschen. Sein Wegweiser nahm sie auf und erleuchtete den anderen, der rückwärts und auf allen Vieren von Yok fortzukommen versuchte.
Es ist gut Nomo… ich bin es, Saan. Der andere schaffte es mit Mühe und Not seinen Blick von dem Ungeheuer zu reißen, das über ihm aufragte wie ein Turm, vom flackernden Licht der Lampe unheildräuend beschienen. Dann schaffte er es und mit flatternden Augen erkannte er schließlich den Sprecher.
Hichamm? Bei den Geistern der Wüste, bist du es?
Ja! Glaube es ruhig. Dieser Krieger hat mich vor dem Zorn Kinil dem Fetten errettet. Er hat ihn getötet.
Der Fette ist tot? Dann bist du frei!

Der Blick des Jungen namens Hichamm zuckte kurz zu Yok, als wisse er nicht recht um die Antwort auf diese Frage.
Ich habe mich dem Krieger verschworen, muss ihm mein Leben aufwiegen. Was ist mit dir? Bist du im Dienst der Schlange unterwegs?
Die Schlange ist tot. Die Kämpfer Knochenbackes haben die Grube überfallen. Der Schlange haben sie den Kopf abgeschlagen. Viele haben sie getötet, uns wollten sie in die Sklaverei treiben. Dann kam Sie und hat uns gerettet!
Sie?
Sie hat ein Dämon herbeigerufen. Zumindest habe ich das hinterher gehört. Ich konnte nichts sehen zu diesem Zeitpunkt. Der Dämon hat die Krieger Knochenbackes besiegt und uns befreit. Sie heißt Selari und Mandias sagt, der Prinz hat sie auserwählt das Erbe der Schlange anzutreten.

Hichamm hätte gern noch mehr erfahren, doch man musste kein langjähriger Kenner der Bhrak sein um zu begreifen, dass Geduld nicht ihre bestechenste Eigenschaft war. Entsprechend versuchte er das Gespräch in eine praktischere Richtung zu lenken.
Wieso bist du in den Tunneln unterwegs?
Ich habe einen Auftrag von Selari, soll in die Berge und eine Botschaft überbringen.
Hier kommst du nicht raus. Hinter dieser Tür sind Verteidiger und ich glaube sie sind ziemlich sauer.
Es gibt noch einen anderen Weg. Wenn man dahinten lang geht kommt man bei der Karawanserei und dem Tuchmarkt raus.
Versuch dein Glück und möge Mutter Nacht dich behüten. Aber wie sieht es auf dem Weg aus, den du gekommen bist. Können wir ihn nutzen?
Er führt euch direkt in die Kavernen unter dem Palast. Gebt acht vor dem Sandgebläse.
Was ist das?
All der menschliche Unflat der Aborte wird auf diese Weise hinausgeblasen. Steht ihr in den Sandstrom ist es um euch geschehen. So weit aber müsst ihr gar nicht. Der Turm liegt ein Stück weiter vorne, vor dem eigentlichen Palast. Folgt dem Gang, an dem die Speier wie Vogelköpfe aussehen. Aber geht nicht tiefer nach unten. Niemals geht tiefer.
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