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Subsektor 501, Unterebene 1
#2
[CENTER]Ebene 501 U1 ist auch als Gillmens Gabe bekannt.
Baltasar Gillmen war ein Großindustrieller, welcher um den Zeitraum 320 v.k.H. ein Vermögen mit dem Überseehandel machte.
Sein Bestreben, etwas von seinem enormen Erfolg an seine Heimat zurückzugeben, mündete in Gillmens Gabe.
Er gründete nicht nur eine Stiftung, welche sich in Quartiersmanagement und Sozialraumfragen anagierte, sondern steckte auch beachtliche Summen in die Erneuerung und den Ausbau bestehender Baumaterie. Dazu gelang es ihm seinen persönlichen Freund, den weltbekannten Stararchitekt, Walter zu Hohentaub als federführenden Planer zu gewinnen.
Hohentaub schuf eine einmalige Wohn- und Lebenswelt, indem er den klassizistischen Baustil imperialer Hochkultur mit dem verspielten Überbarock und Prärokoko der koronischen Expansionsära des späten Naturalismus verband. Geschwungene und verschnörkelte Lieblichkeit geht eine Symbiose mit der unnachgiebigen Strenge imperialen Wucht ein.
Was gegensätzlicher kaum anmuten mag, verquickt sich hier zu einem Ouvre, wie es nur Hohentaub auf dem Zenit seines Schaffens erdenken und umsetzen konnte. Die Anwohner dieses verzauberten Ortes scheinen selbst Teil des Kunstwerkes zu sein, dass… [/CENTER]


Mehr ließ sich nicht lesen, denn das gesprühte Zeichen irgendeiner Gang hatte den unteren Teil farbenfroh ausgelöscht. Was noch zu lesen war, gab Einblick in eine Geschichte, die genau das war: Geschichte.
Zwar ließ sich die einstige Schönheit dieses Ortes noch hier und da erkennen, doch es war nur ein goldenes Glitzern, in einem grau-braunen Komposthaufen.
Nicht das 501 U1 sich dadurch von anderen Unterebenen des Fünfhunderterbereiches unterschieden hätte. Im Gegenteil, sie galt noch als eine der besser situierten Gegenden. Anständige Bürger, größtenteils Arbeiter, die es so weit gebracht hatten, dass sie aus den staatlichen Wohnhabitaten ausziehen und sich ein bescheidendes privates Glück leisten konnten.
Die Verkehrsanbindung funktionierte, Drogen- und Bandenkriminalität verlief in vertretbaren Bahnen und man konnte obendrein von sich behaupten, in den Resten einer architektonischen Sehenswürdigkeit zu leben.
Leider hatte sich der Erhalt der extravaganten Fassaden und zusätzlichen, kulturellen Einrichtungen als sehr kostspielig herausgestellt. Nachdem die Stiftung irgendwann während des Krieges nicht mehr anständig wirtschaftete, sei es aus Inkompetenz oder schlichter Unrealisierbarkeit, ging es zügig den Bach runter. Die Verwaltung fiel wieder gänzlich der öffentlichen Hand zu und die hatte keinen Sinn für Schöngeistigkeit. Wasser- und Stromversorgung waren einigermaßen gewährleistet und es gab zwei Konsumgüterstellen.
Mehr war nicht drin.
Entsprechend veränderte sich die Klientel der Bewohner. Wohlhabende und Künstler wurden Generation für Generation von Arbeitern abgelöst. Der anfängliche Schick des Verfalls und des morbid Ruinösen reizte Poeten und Maler bald nicht mehr und sie sahen sich nach pittoreskeren Domizilen um.
Die, die zurück blieben waren dem Praktischen verhaftet und mochten sie sich auch an Wasserspeiern, Ornamenten und Balkonen haltenden Atlanten leidlich erfreuen, so hatte doch niemand Muße und Kapital, diese verblassende Pracht zu erhalten.
Dadurch war Gillmens Gabe dort wo es heute eben war. Eine nette Anekdote und hier und dort eine Erinnerung unter schmierigem Ruß, Propagandaplakaten und Graffitis.
Melancholie zum drin wohnen.

Das Alles hatte Willis von Rob erfahren. Abgesehen von den paar Informationsbrocken, welche er den Resten des Schildes entnommen hatte.
Rob seinerseits war ein Gillmens Gabe Urgestein und obendrein Verwalter des Theaters am Gillmenplatz.
Der Prediger hatte geklingelt, nachdem er das vergilbte Schilde "zu vermieten“ in dem Kassenhäuschen gesehen hatte, in dem jetzt nur noch Spinnen ihr Auskommen hatten.
Viel Hoffnung hatte er freilich nicht gehabt, als ihm ein runzeliges kleines Männchen, mit Maulwurfsgesicht und gebeugtem Gang geöffnet hatte. Nachdem sich dieser Troglodyt vergewisserte, dass ihm hier kein dummer Scherz gespielt wurde, stellte er sich als sehr kommunikativ heraus.
Jetzt grade durchschritten sie die geräumige Vorhalle, die dereinst Gästen und Garderobe Platz geboten hatte und wo eine kleine Bar Erfrischungen vor den Aufführungen kredenzte. Dunkle Holzvertäfelung hatten dereinst die Aura von Würde und Bedeutungsschwere vermittelt, waren jetzt jedoch stockfleckig und lösten sich an nicht wenigen Stellen.
Ratten quietschten, erbost über die ungewohnte Störung.
Hab die kleinen Bastarde früher vergiftet. Aber als die Verwaltung mir die Mittel gekürzt hat und es ohnehin nicht danach aussah, dass sich noch mal einer für den Kasten interessieren würde, hab ich es aufgegeben. Sollen doch die Schädlinge hier ihre Stücke aufführen. Mir ist es gleich. Weil es nichts zu Essen hier gibt, werdens nicht zu viele und sie greifen nicht auf die Nachbarschaft über. Also beschwert sich auch keiner und ich muss auf meine alten Tage nicht mit dem giftigen Zeug rumhantieren.
Kommen Sie, da geht’s zum Saal hoch.

Sie erklommen die linksseitige Flucht einer ausladenden Treppe, die sich links und rechts um ein großes Standbild aus Gußmarmor wandte. Die Statur bildete einen Mimen ab, in der einen Hand eine lachende Tragödienmaske, in der anderen eine trauernde.
Das müssen herrliche Zeiten gewesen sein. Robs Stimme klang fehl am Platz dieses Ortes, der doch zum Beherbergen hunderter Stimmen erbaut, ja ihr Tempel gewesen war.
Meine Mutter hat die letzten Aufführungen noch gesehen. Als sie versucht haben das Theater noch einmal zu beleben. Passen Sie auf, der Teppich ist glitschig wie Schmierseife. Verrottet!
Ganz früher lief alles noch über die Stiftung. Dann wurden nur sporadisch Stücke aufgeführt, dann nur noch zum Tag der Helden oder anderen Feiertagen. Schließlich dann gar nicht mehr.

Sie waren oben angekommen und Rob deutete auf einige Türen, die sich beabsichtigt unscheinbar in die Vertäfelung einfügten.
Toiletten und ein Materialraum.
Zum Saal geht es dort lang.

Sie passierten die geräumige Galerie, die auf der einen Seite einen Blick hinab in die Vorhalle erlaubte, auf der anderen Seite von Gemälden und verblichenen, gerahmten Fotografien gesäumt wurde. Ein paar der gewaltigen Bilder, die Damen und Herren in der wechselnden Mode der Epochen zeigten, waren abgenommen wurden und lehnten an der Wand. Habe vor Jahren mal versucht ein paar der Schinken zu verkaufen. Liebhaberstücke, die hier nur verschimmeln und mir die Haushaltskasse aufgebessert hätten. Aber keiner wollte angegammelte Bilder von Schauspielern, die heute kein Schwein mehr kennt.
Tja… Ruhm und was am Ende davon übrig bleibt.
So da wären wir.

Sie hatten die großen Flügeltüren erreicht, welche von Rob unter Anstrengung aufgestemmt wurden. Dahinter lag das abschüssige Gefälle des Theatersaales. Es gab Loggen und Parkettplätze, einen Orchestergraben und, von Stuck und Zierrat umgebene Bühne. Das gemalte Bühnenbild eines Waldes war noch als Hintergrund des letzten Spieles zu erkennen. Ein Kronleuchter hing schief und trostlos über allem. Da verfaulen sie, die Bretter die die Welt bedeuten. Robs Stimme trug weit, die Akustik war großartig.
Dreihundert Plätze hier, hundert Plätze Logge. Ich würde ihnen noch die Garderoben, das Requisitenlager und die Büroräume zeigen, aber ich bin ein alter Mann und so ein Rundgang schlaucht. Daher würde ich den Aufwand nur betreiben, wenn sie sich tatsächlich zu einer Mietsache entscheiden.
Nehme mal nicht an, dass Sie den Kasten kaufen wollen. Wenn doch muss ich erst mal Erkundigungen bei der Verwaltung einholen.
Miete ist 2000 Schekel für ein Jahr. So war es zumindest immer. Denke nicht das sich daran was geändert hat.
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Nachrichten in diesem Thema
[Kein Betreff] - von - 12-03-2020, 10:59 PM
RE: Subsektor 501, Unterebene 1 - von Willis - 11-30-2023, 10:23 PM
RE: Subsektor 501, Unterebene 1 - von Kurt Messer - 02-02-2024, 09:47 PM
[Kein Betreff] - von - 12-23-2020, 03:53 PM
[Kein Betreff] - von - 02-14-2021, 11:08 PM
[Kein Betreff] - von - 02-20-2021, 09:06 PM
[Kein Betreff] - von - 04-03-2021, 05:32 PM
[Kein Betreff] - von - 07-30-2021, 10:14 PM
[Kein Betreff] - von - 10-19-2021, 09:33 PM
RE: Subsektor 501, Unterebene 1 - von - 01-16-2022, 11:22 PM

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