09-16-2020, 10:46 AM
Kurt stellte einen Becher Tangkahve vor sich auf den Besprechungstisch und seinen beiden Arbeitgebern jeweils einen Blechnapf mit etwas, dass er ölig und schwer darin hin und her schwappte.
Tatsächlich hatte Kurt anfangs geglaubt, es handle sich um Schmieröl, welches sich die Techpriester da in die Figur schütteten. In Wirklichkeit war es ein Cocktail aus Nährstoffen, Eiweißen und anderen Substanzen, die in der Tat der Pflege von bionischen Teilen dienten. So jedenfalls hatte Hector es ihm erklärt.
Diese stinkende, zähflüssige Brühe, mit dem klingenden Namen: Ergänzungssubstanz C.3, kam unter den Priestern einem entspannenden Longdrink noch am nächsten. Anfangs hatte der Söldner gedacht, die beiden würden gar nicht essen oder trinken. Aber so entmenschlicht waren sie dann am Ende doch nicht. Noch nicht...
Die Nahrungsaufnahme schien für sie schlicht und ergreifenden von untergeordneter Wichtigkeit.
Kurt, der seinerseits viel Zeit auf dem Donnerbalken verbrachte, da ihn die Fertignahrung und die Langeweile dazu trieben, fragte sich nicht zum ersten Mal, ob Techpriester auch Scheißen gingen und ob sie dabei die Roben reffen mussten. Er jedenfalls würde sich nach einem Schluck C.3 höchstwahrscheinlich die Hacken schwärzen.
Langeweile, ja das war das Stichwort.
Der Zwischenfall mit den Motorbarbaren lag jetzt fast eine Woche zurück. Von diesem Abenteuer abgesehen, hatten sie lediglich einen einzelnen, kurzen Zwischenstopp eingelegt, um die Verschmutzungen durch den Sandsturm zu beseitigen. Die aufragenden Steine, bei denen die nächsten Irren hausen sollten, waren von ihnen weiträumig umfahren wurden.
Gut so!
Dann allerdings waren sie in ein Meer der Öde abgetaucht und das wortwörtlich. Eine schier ungreifbare Weite an wüstem Land. Kurt war zum ersten Mal wirklich bewusst geworden, wie viel Koron durch seinen unseligen Bürgerkrieg verloren hatte.
In dieser staubigen, vergifteten Fläche, die der Blaine wie eine Klinge durchschnitt, hatten sich Länder, Reiche und Nationen erstreckt. Landwirtschaft und Industrie, Wälder, Dörfer und Städte.
Jetzt war da nichts mehr.
Kurt neigte nicht zur Schwermut. Bei dem, was er in seinem Leben gesehen und getan hatte, wäre eine solche Tendenz tödlich gewesen. Er hatte das schon bei Kameraden oder Männern und Frauen seiner “Professur“ erlebt. Erst begannen sie zu saufen, dann starrten sie Löcher in die Luft und schossen sich final in den Kopf. Nun war gegen einen ordentlichen Suff nichts einzuwenden und Kurt griff auch dazu, wenn die Träume zu schlimm oder die Erinnerungen überhandnahmen.
Dazwischen konzentrierte er sich auf das Hier und Jetzt und bewahrte sein liebenswertes und heiteres Gemüt.
In dieser verfluchten Wüste gab es jedoch kein Hier und Jetzt. Nur Stile, Kälte oder Hitze. Ein Dauerzustand des Nichtsgeschehens.
Es war ein Grab in der Größe eines Kontinents und nur dann und wann heulten die wahnwitzigen Wetterphänomene wie Klageweiter über den Genozid. Diese Leere, diese schwere Traurigkeit schlich sich in seine unterforderten Gedanken, begann an ihm zu nagen und ihn Dinge denken zu lassen, die er nicht denken wollte.
Männer und Frauen, Freunde und Mitstreiter, an die er seit Jahren keinen Gedanken verschwendet hatte, liefen vor seinem geistigen Auge Spalier. Die meisten zerschossen, zerhackt und vom Fleischwolf des Krieges reduziert und verdreht. Nur wenige waren nicht in diesem Zustand, sondern allein durch das Vergessen ganz blass und vergilbt.
Dieser Ort gehörte den Toten und sie schienen sich den Lebenden, den Eindringlingen, aufzudrängen.
Sie flüstern ihm, dass seine Zeit schon lange überschritten sei. Wie viele Male war er dem Tod von der Schippe gesprungen und aus Situationen entkommen, in denen andere liegengeblieben waren?
War es da nicht recht und billig, ja seine Pflicht, sich den Toten anzuschließen?
Eine der meisterhaften Pistolen, die ihm Hector gefertigt hatte, wäre ein angemessenes Werkzeug dafür.
Als er sich gestern Abend dabei ertappt hatte, wie er beim Reinigen der Pistolen in den Lauf der Waffe geschaute, in diesen schwarzen, Frieden verheißenden Abgrund, da war er mit einem erschrockenen Ruck zurückgewichen.
Dieses Land war schlimm und es machte schlimme Dinge mit einem.
Kurzentschlossen hatte er beim Expeditionsleiter angefragt, ob man sich zu einer Art Dienstbesprechung zusammenfinden könnte. Hector schien etwas verwundert über das Ersuchen, hatte dann jedoch zugestimmt.
Mit Hector hatte er in der vergangenen Woche ein paar kurze Gespräche geführt. Nichts Tiefgreifendes, aber immerhin doch genug um zu erfahren, dass sie auf ihrer Reise einige Ruinenstädte passiert hatten. Von diesen hatte Kurt bei seiner Routine auf der Geschützplattform nichts gesehen, aber er verfügte auch nicht über die Mittel, die der Techpriester besaß. In einem beiläufigen Nebensatz hatte Hector erwähnt, dass er diese Zeugnisse des Krieges gerne, aus historischem Interesse heraus, besucht hätte, der Erfüllung ihrer Mission aber Vorrang einräumte.
Vielleicht war hier ein Hebel, den Kurt gegen die bleierne Last der Untätigkeit ansetzen konnte.
Er selbst eröffnete die Sitzung. Ein Unding, in jedwedem anderen Kreis, sei es Militär, Wirtschaft oder Kirche. Eine Zusammenkunft wurde vom Ranghöchsten eingeleitet. Hier jedoch waren die absonderlichen Gepflogenheiten des Adeptus einmal mehr die Ausnahme von der Regel. Wenn sich Löwen dazu herabließen mit Insekten zu konferieren, geschah dies sowieso nicht auf Augenhöhe und so konnte das Insekt auch den ersten Ton von sich geben. Kurt gab einige belanglose Statusberichte über die wenigen Aufgaben, die er an Bord des Blaine erfüllte. Dann kam er an den Punkt, um den es ihm wirklich ging.
Ihr Herren, wie ihr wisst… oder eher noch nicht wisst, bin ich kein gebürtiger Koroner. Ich stamme von einer Welt… ach Welt… ein Mond sogar nur, namens Macharian Gestirn. Ich bin viel im Imperium rumgekommen. Nicht so viel wie ein Freihändler oder einer von euch Herren, wie ich mal annehme. Aber für einen einfachen Sandlatscher ganz ordentlich. Jedenfalls habe ich mich mit Koron ganz gut arrangiert. Die kriegerischen Auseinandersetzungen sind überschaubar, Xenos sind ein fernes Gerücht und das Klima ist weder im dreistelligen Bereich unter, noch über Null. Man könnte also sagen, ich fühle mich hier ganz zuhause, so weit. Die Gesichter seiner beiden Vorgesetzen waren ausdruckslos wie eh und je. Kein Indikator, ob er sie mit seinen weitschweifigen Ausführungen langweilte oder nicht. Tatsächlich war dieser Redeschwall für gewöhnlich nicht seine Art, doch nach einer Woche Selbstgespräche und drückenden Grübelns, tat ihm das Erzählen gut.
Natürlich beschäftigt man sich auch mit der Geschichte seiner Heimat und wenn ich auch keine Bücher dazu gelesen habe, kriegt man doch so hier und da was mit. Vom Krieg der Häuser und wie hoch der technische Stand des Planeten war, bevor sie sich selbst zu einer Feudalwelt zurückgebombt haben.
Nun hat Herr Aruken vor einigen Tagen erwähnt, dass es in der Umgebung Ruinen geben soll.
Da habe ich mich gefragt, ob das nicht eine Gelegenheit wäre, den Schleier das Leichentuch über dieser Gegend ein bisschen zu lüften?
Ein kleiner Abstecher im Dienste der Wissenschaft. Ihr seid doch schließlich der Expeditionsleiter und habt daher doch bestimmt einen gewissen Ermessensspielraum. Das was am Ende unserer Reise liegt, liegt dort doch schon eine ganze Weile, wie ich mal vermute. Es wird also bestimmt auch noch daliegen, wenn wir einen oder zwei Tage später ankommen. Er nippte an seinem Heißgetränk und hoffte, das die Saat aufging, die er in den Nährboden Hectors Neugier gesetzt hatte.
Tatsächlich hatte Kurt anfangs geglaubt, es handle sich um Schmieröl, welches sich die Techpriester da in die Figur schütteten. In Wirklichkeit war es ein Cocktail aus Nährstoffen, Eiweißen und anderen Substanzen, die in der Tat der Pflege von bionischen Teilen dienten. So jedenfalls hatte Hector es ihm erklärt.
Diese stinkende, zähflüssige Brühe, mit dem klingenden Namen: Ergänzungssubstanz C.3, kam unter den Priestern einem entspannenden Longdrink noch am nächsten. Anfangs hatte der Söldner gedacht, die beiden würden gar nicht essen oder trinken. Aber so entmenschlicht waren sie dann am Ende doch nicht. Noch nicht...
Die Nahrungsaufnahme schien für sie schlicht und ergreifenden von untergeordneter Wichtigkeit.
Kurt, der seinerseits viel Zeit auf dem Donnerbalken verbrachte, da ihn die Fertignahrung und die Langeweile dazu trieben, fragte sich nicht zum ersten Mal, ob Techpriester auch Scheißen gingen und ob sie dabei die Roben reffen mussten. Er jedenfalls würde sich nach einem Schluck C.3 höchstwahrscheinlich die Hacken schwärzen.
Langeweile, ja das war das Stichwort.
Der Zwischenfall mit den Motorbarbaren lag jetzt fast eine Woche zurück. Von diesem Abenteuer abgesehen, hatten sie lediglich einen einzelnen, kurzen Zwischenstopp eingelegt, um die Verschmutzungen durch den Sandsturm zu beseitigen. Die aufragenden Steine, bei denen die nächsten Irren hausen sollten, waren von ihnen weiträumig umfahren wurden.
Gut so!
Dann allerdings waren sie in ein Meer der Öde abgetaucht und das wortwörtlich. Eine schier ungreifbare Weite an wüstem Land. Kurt war zum ersten Mal wirklich bewusst geworden, wie viel Koron durch seinen unseligen Bürgerkrieg verloren hatte.
In dieser staubigen, vergifteten Fläche, die der Blaine wie eine Klinge durchschnitt, hatten sich Länder, Reiche und Nationen erstreckt. Landwirtschaft und Industrie, Wälder, Dörfer und Städte.
Jetzt war da nichts mehr.
Kurt neigte nicht zur Schwermut. Bei dem, was er in seinem Leben gesehen und getan hatte, wäre eine solche Tendenz tödlich gewesen. Er hatte das schon bei Kameraden oder Männern und Frauen seiner “Professur“ erlebt. Erst begannen sie zu saufen, dann starrten sie Löcher in die Luft und schossen sich final in den Kopf. Nun war gegen einen ordentlichen Suff nichts einzuwenden und Kurt griff auch dazu, wenn die Träume zu schlimm oder die Erinnerungen überhandnahmen.
Dazwischen konzentrierte er sich auf das Hier und Jetzt und bewahrte sein liebenswertes und heiteres Gemüt.
In dieser verfluchten Wüste gab es jedoch kein Hier und Jetzt. Nur Stile, Kälte oder Hitze. Ein Dauerzustand des Nichtsgeschehens.
Es war ein Grab in der Größe eines Kontinents und nur dann und wann heulten die wahnwitzigen Wetterphänomene wie Klageweiter über den Genozid. Diese Leere, diese schwere Traurigkeit schlich sich in seine unterforderten Gedanken, begann an ihm zu nagen und ihn Dinge denken zu lassen, die er nicht denken wollte.
Männer und Frauen, Freunde und Mitstreiter, an die er seit Jahren keinen Gedanken verschwendet hatte, liefen vor seinem geistigen Auge Spalier. Die meisten zerschossen, zerhackt und vom Fleischwolf des Krieges reduziert und verdreht. Nur wenige waren nicht in diesem Zustand, sondern allein durch das Vergessen ganz blass und vergilbt.
Dieser Ort gehörte den Toten und sie schienen sich den Lebenden, den Eindringlingen, aufzudrängen.
Sie flüstern ihm, dass seine Zeit schon lange überschritten sei. Wie viele Male war er dem Tod von der Schippe gesprungen und aus Situationen entkommen, in denen andere liegengeblieben waren?
War es da nicht recht und billig, ja seine Pflicht, sich den Toten anzuschließen?
Eine der meisterhaften Pistolen, die ihm Hector gefertigt hatte, wäre ein angemessenes Werkzeug dafür.
Als er sich gestern Abend dabei ertappt hatte, wie er beim Reinigen der Pistolen in den Lauf der Waffe geschaute, in diesen schwarzen, Frieden verheißenden Abgrund, da war er mit einem erschrockenen Ruck zurückgewichen.
Dieses Land war schlimm und es machte schlimme Dinge mit einem.
Kurzentschlossen hatte er beim Expeditionsleiter angefragt, ob man sich zu einer Art Dienstbesprechung zusammenfinden könnte. Hector schien etwas verwundert über das Ersuchen, hatte dann jedoch zugestimmt.
Mit Hector hatte er in der vergangenen Woche ein paar kurze Gespräche geführt. Nichts Tiefgreifendes, aber immerhin doch genug um zu erfahren, dass sie auf ihrer Reise einige Ruinenstädte passiert hatten. Von diesen hatte Kurt bei seiner Routine auf der Geschützplattform nichts gesehen, aber er verfügte auch nicht über die Mittel, die der Techpriester besaß. In einem beiläufigen Nebensatz hatte Hector erwähnt, dass er diese Zeugnisse des Krieges gerne, aus historischem Interesse heraus, besucht hätte, der Erfüllung ihrer Mission aber Vorrang einräumte.
Vielleicht war hier ein Hebel, den Kurt gegen die bleierne Last der Untätigkeit ansetzen konnte.
Er selbst eröffnete die Sitzung. Ein Unding, in jedwedem anderen Kreis, sei es Militär, Wirtschaft oder Kirche. Eine Zusammenkunft wurde vom Ranghöchsten eingeleitet. Hier jedoch waren die absonderlichen Gepflogenheiten des Adeptus einmal mehr die Ausnahme von der Regel. Wenn sich Löwen dazu herabließen mit Insekten zu konferieren, geschah dies sowieso nicht auf Augenhöhe und so konnte das Insekt auch den ersten Ton von sich geben. Kurt gab einige belanglose Statusberichte über die wenigen Aufgaben, die er an Bord des Blaine erfüllte. Dann kam er an den Punkt, um den es ihm wirklich ging.
Ihr Herren, wie ihr wisst… oder eher noch nicht wisst, bin ich kein gebürtiger Koroner. Ich stamme von einer Welt… ach Welt… ein Mond sogar nur, namens Macharian Gestirn. Ich bin viel im Imperium rumgekommen. Nicht so viel wie ein Freihändler oder einer von euch Herren, wie ich mal annehme. Aber für einen einfachen Sandlatscher ganz ordentlich. Jedenfalls habe ich mich mit Koron ganz gut arrangiert. Die kriegerischen Auseinandersetzungen sind überschaubar, Xenos sind ein fernes Gerücht und das Klima ist weder im dreistelligen Bereich unter, noch über Null. Man könnte also sagen, ich fühle mich hier ganz zuhause, so weit. Die Gesichter seiner beiden Vorgesetzen waren ausdruckslos wie eh und je. Kein Indikator, ob er sie mit seinen weitschweifigen Ausführungen langweilte oder nicht. Tatsächlich war dieser Redeschwall für gewöhnlich nicht seine Art, doch nach einer Woche Selbstgespräche und drückenden Grübelns, tat ihm das Erzählen gut.
Natürlich beschäftigt man sich auch mit der Geschichte seiner Heimat und wenn ich auch keine Bücher dazu gelesen habe, kriegt man doch so hier und da was mit. Vom Krieg der Häuser und wie hoch der technische Stand des Planeten war, bevor sie sich selbst zu einer Feudalwelt zurückgebombt haben.
Nun hat Herr Aruken vor einigen Tagen erwähnt, dass es in der Umgebung Ruinen geben soll.
Da habe ich mich gefragt, ob das nicht eine Gelegenheit wäre, den Schleier das Leichentuch über dieser Gegend ein bisschen zu lüften?
Ein kleiner Abstecher im Dienste der Wissenschaft. Ihr seid doch schließlich der Expeditionsleiter und habt daher doch bestimmt einen gewissen Ermessensspielraum. Das was am Ende unserer Reise liegt, liegt dort doch schon eine ganze Weile, wie ich mal vermute. Es wird also bestimmt auch noch daliegen, wenn wir einen oder zwei Tage später ankommen. Er nippte an seinem Heißgetränk und hoffte, das die Saat aufging, die er in den Nährboden Hectors Neugier gesetzt hatte.