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Hauptquartier der Havoc Rangers
#1
Um einen Weltraumflug angenehm zu gestalten, musste man schon zu den Privilegierten zählen, die sich, zumindest gefühlt, sowieso ein eigenes Raumschiff leisten konnten. Flüge für normal Sterbliche bedeuteten fast immer Enge, Unannehmlichkeiten und Tuchfühlung mit Personen, die man unter normalen Umständen mit dem Lasergewehr auf Abstand halten würde.
Die Verlegung der Ranger in ihre neuen Wirkungsbereiche stellte von diesem Fakt keine Ausnahme dar. Das Unterwarp- Schiff, mit dem das Kontingent, zu welchem auch Waldorf und Glen gehörten, die Reise nach Koron antrat, beherbergte alles, vom Söldner, über Händler, bis zu Flüchtlingen.
Drei Monate dauerte die Passage, in welcher das Schiff auf einem warpfähigen Träger wartete, es Verzögerungen durch Fluktuationen im Warp gab, welche einen Austritt irgendwo im Nirgendwo bedingten und eine Kontrolle durch eine Patrouille der Sektorenflotte überstanden werden musste.
Das Ausschiffen der Ausrüstung und das Warten auf Landegenehmigung im Orbit des Planeten, waren die abschließenden Strapazen. Dem folgte die unausweichliche Bürokratie beim Betreten Korons, über den zentralen Raumhafen der Hauptstadt. Gesundheitschecks, Papiere und vor allem die Kontrolle und Registrierung der importierten Fahrzeuge und Waffen. Ein Tag eine Nacht und der gute Teil des folgenden Tages ging darüber ins Land. Auch wenn von diesem Wechsel der Tageszeiten nicht viel kündete, in einer Makropole.
Endlich war Gerät und Personal freigegeben. Zwei Ranger, welche schon länger vor Ort waren übernahmen die Führung der Fahrzeugkolonne und man stürzte sich in den Verkehr der mittleren Ebene.
Die Faszination all jener, die noch nie die Erfahrung gemacht hatten, sich im Inneren eines, von Menschenhand erschaffenen Gebirges aus bewohntem Stahl, Beton und Glas gewesen zu sein, wich schnell dem zermürbenden Eindruck von Langsamkeit und Schmutz.
Der Verkehr auf den Straßen staute sich, es stank nach Abgasen, Müll und zu vielen Menschen auf engstem Raum. Alles war Laut und reizüberflutend. Von den Straßenhändlern, die hinter dem Raumhafen auf jedes Fahrzeug in Schrittgeschwindigkeit einstürmten, um ihre Waren an den Mann zu bringen, bis zu den dicht an dicht stehenden Fahrzeugen auf den “Schnellstraßen“, die sinnlos hupten und Dreck in die ewig umgewälzte Luft bliesen. Prediger schrien ihre Botschaften von Kanzeln herunter, Züge kreuzten, in Dampf und schwarzen Qualm gehüllt, auf Brücken über und unter den Straßen, Bettler flehten um Allmosen und ein Quäntchen Gnade. Alles was der Mensch je erschaffen hatte, wie primitiv oder hoch entwickelt es war, schien hier eingesperrt zu sein. Fluggeräte dröhnten über Karren, von apathischen Carnaks gezogen, Werbetafeln, so groß wie ganze Häuserblöcke, konkurrierten mit der düster strengen Gotik von Sakral- und Verwaltungsgebäuden. Für Fremdweltler ein phantasmagorischer Fiebertraum, für Gohmorer ein normaler Werktag.
Nach Stunden im Kriechtempo erreichte der Konvoi eine Subebene. Hauptsächlich Wohn- Habs und Lagerhallen, ein paar kleinere Fabriken dazwischen. „Klein“ beschrieb dabei in Gohmor, wo alles megalithisch und Superlativ war, etwas, dass auf anderen Welten das Zentrum ganzer Industrieviertel ausgemacht hätte.
Weder gab es hier natürliches Tageslicht, noch ein Grün, dass von Chlorophyll herrührte. In den Straßen stand trotz der Abwesenheit einer natürlichen Biosphäre ein klammer Nebel. Eine Mischung aus Kondensat und Smog. Die Gestalten die durch diese Suppe eilten trugen Gesichtsmasken und Ponchos aus Kunststoff.

Endlich gelangten sie an ihr offensichtliches Ziel. Eine Ansammlung aus nüchternen Ziegelbauten, die einstmals gelb gewesen sein mochten, jetzt nur noch in Schattierungen unterschiedlichen, schmierigen Schwarz schillerten. Über de schmiedeeisernden Tor prangte in rostigen Lettern der Schriftzug: „Schola Plenarius - Obet Ballus“. Am Tor wartete eine Wache, die mit Schutzmaske vor dem Gesicht kurz mit den Insassen des ersten Fahrzeuges sprach und dann alle durchwinkte.
Auf dem ehemaligen Schulhof standen bereits lange Reihen aus Fahrzeugen aller Art. Ebenso Zelte der Armee, gleichwohl mit der Symbolik der HRs besprüht. Techs machten sich an den Fahrzeugen zu schaffen. Die Neuankömmlinge wurden knapp begrüßt und so sie nicht ohnehin wussten, wohn sie zu gehen hatten, entsprechend eingewiesen.
Glen und Waldorf wurden von einer gestresst aussehenden Frau mit Klemmbrett in Empfang genommen. Sie verlangte Namen und Dienstnummer zu wissen und durchwühlte dann die Papiere auf ihrem Brett.
Ah hier seid hier… schönen Flug gehabt? Weder sah sie bei dieser lustlosen Frage auf, noch schien sie an irgendeiner Antwort interessiert. Ihr seht ja selber, dass hier alles noch drunter und drüber geht. Die die zuerst ankommen sollten kommen zuletzt und umgekehrt. Scheiß Warp, wie soll man da… naja egal. Also ihr könnt eure Zimmer im Wohngebäude 3 beziehen. Es folgte eine kurze Wegbeschreibung. Kantine hat offen, aber erwartet noch keine kulinarischen Höhenflüge. Wer sich wo zu melden hat steht auf der Liste am Hauptgebäude.
Aber erst mal müssen die Fahrzeuge registriert werden. Erst das „Gescherr, dann der Herr!“
, nutzte sie eine reichlich überstrapazierte Phrase der Havocs weiter ab. Nummer und taktische Zeichen müssen neu gemacht werden. Dann komplette Bordausstattung raus, überprüfen und auflisten. Füllstand, Motor und so weiter. Kennt ihr ja. Waffen, alles über Pistole, in die Waffenkammer, bis unser Status mit den lokalen Gesetzen geklärt ist. Medizinischer Checkup ist morgen früh. Dann persönliche Ausrüstung sichten und ergänzen. Stramm zutun also. Sie wollte es damit gut sein lassen und sich schon den nächsten zuwenden, als sie noch etwas auf ihrer Liste entdeckte.
Ach… Scheiße. Bist du VON Bersting? Sie ärgerte sich sichtlich über sich selber. Dein Kumpel kann mit all dem anfangen was ich gerade runtergerattert habe. Du sollst zum Chef. Sie deutete auf das Hauptgebäude.
Der größte der Bauten auf dem umzäunten Gelände, bestehend aus einem dreistöckigen Haus, flankiert von zwei zweistöckigen Flügeln. Die symmetrische Mitte nahm ein Uhrenturm ein.
Ein Schulgebäude wie aus dem Lehrbuch.
Drinnen herrschte nicht weniger reges Treiben als draußen. Die Flure standen voll mit Kisten und Tonnen. In einem der ehemaligen Klassenräume war eine Krankenstation eingerichtet, in einem anderen stapelten sich Akten und Papiere, zwischen denen die beiden Ranger, die hier Ordnung zu schaffen versuchten, recht hilflos aussahen.
Aufgeklebte Zettel an den Wänden stellten behelfsmäßige Beschilderung dar und so fand Waldorf den Weg zum Raum der Leitung.

Ringsherum prangten Karten. Geländekarten wohl gemerkt, keine Stadtkarten. Eine Wand war mit Funkeinheiten zugestellt, vor denen zwei Funker ihren Dienst taten. Mehrere Offiziere Besprachen sich oder leisteten ihren Teil im ewigen Krieg gegen das Papier.
Die Frau Mitte Vierzig, die hier offensichtlich das Sagen hatte, beendete gerade sichtlich genervt ein Gespräch mittels eines lokalen Sprachgeräts. Sie murmelte etwas, was nach ausgewählten Flüchen klang und machte sich einige Notizen. Sie war hoch gewachsen und sehr schlank, hatte kurze Haare und ein Gesicht, welches nicht eben zum Ausdrücken vieler Emotionen gemacht zu sein schien.
Sie sah Waldorf. Erkennen schlich sich in ihren Blick und auch der Neuankömmling erkannte sie. Waldorf und Hanna Enoh hatten früher schon zusammengearbeitet. Freundschaft wäre das falsche Wort gewesen um ihre Beziehung dabei zu beschreiben, aber ihre Zusammenarbeit hatte stets reibungslos funktioniert und war auf gegenseitigem Respekt aufgebaut.
Terra sei gepriesen, ein Lichtblick im Dunkel der Nacht. Sie kam um den großen Tisch in der Mitte des Raumes und bedachte ihn mit einem festen Händedruck. Einige Floskeln über Befinden und die überstandene Reise wechselten zwischen ihnen. Dann kam sie zum Wesentlichen.
Ich habe deinen Namen auf der Liste der Neuankömmlinge gesehen. Aber nach meinen Informationen hättest du schon bei der ersten Ladung dabei sein sollen, nicht bei der vierten. Darum hatte ich dich gar nicht mehr auf dem Schirm.
Du siehst ja was hier los ist. Wir versuchen seit sechs Wochen irgendeine Struktur in das Durcheinander hier zu kriegen.
Der komplette Orga. Stab fehlt noch. Hängt an einem Sprungpunkt fest, sitzt in Quarantäne oder wurde von Weltraummonstern gefressen. Keiner weiß es.
Ist man erst mal unterwegs, sind die Schiffe in einer Blackbox. Keiner weiß wo sie sind, wann sie ankommen oder warum sie es nicht tun.
Jedenfalls nicht auf der Ebene, auf der wir uns als Reisende bewegen.
Ich habe hier einige fähige Leute, aber niemanden der sowas auf dem Level schon mal gemacht hat.
Ich ehrlich gesagt auch nicht. Bin froh das die Kameraden ein Dach über dem Kopf haben und wenigstens zwei Mahlzeiten am Tag kriegen.
Sie schenkte ein grünlich braunes Getränk aus einer großen Pumpkanne in zwei Becher ein. Es roch bitter und schimmerte leicht ölig. Hanna schob ihm einen der Becher hinüber. An das Dreckszeug kannst du dich schon mal gewöhnen. Nennt sich Tangkaveh oder so. Die machen das hier aus Koffeinhaltigen Algen oder Fischen glaub ich. Klingt eklig, ist es auch! Aber es hält wach. Ich trinke meinen mit Milch und drei Tonnen Zucker. Tatsächlich schaufelte sie mehrere Löffel Zucker in ihre Tasse.
Weiß gerade wirklich nicht, welches Feuer ich zuerst löschen soll. Unsere Waffen müssen registriert werden, unsere Organisation als Ganzes muss zertifiziert und in irgendwelchen Registern eingetragen werden. Jede verdammte Sub- Ebene hier hat die Formulare gerade soweit angepasst und abgeändert, dass man alles fünfzig Mal braucht, wenn man nur die Stadt mit einem LKW verlassen will. Mir steht das Wasser gerade bis zum Hals von Bersting.
Darum musst du mir einen Gefallen tun. Wir haben einen ganzen Stapel potenzieller Kunden. Immerhin das ging schnell. Aber die verweisen natürlich alle darauf, dass sie mit uns keine Geschäfte machen können, wenn wir nicht ordentlich eingetragen und katalogisiert sind.
Einzige Ausnahme ist Haus Siris. Die scheinen eine ziemlich große Nummer hier zu sein und was noch wichtiger ist, sie wollen unsere Dienste sofort in Anspruch nehmen.
Die Regularien könne man nachträglich bearbeiten, meinen sie. Klingt gut wenn du mich fragst. Aber ich kann hier nicht weg. Ich halte das Kartenhaus gerade schon mit mehr Händen als ich habe und von den anderen würde ich keinem Vertragsverhandlungen zutrauen. Kannst du nicht mit deren Vertretern reden?
Du weißt doch was wir ermöglichen können und was nicht. Bist lang genug dabei. Du musst ja keine konkreten Zusagen machen, was Personalstärke und sowas angeht.
Aber dir wenigstens anhören was sie wollen und vor allem was sie zahlen. Ich gebe dir ein bisschen was aus der Spesenkasse, Adresse und Ansprechpartner und die wenigen Infos die wir über das Haus haben. Du machst dich frisch, schläfst ein bisschen und fährst da hin.
Hast dann was gut bei mir.
Sie sah ihn erwartungsvoll an.
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