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Die Schlangengrube
#53
Ob Selaris sonderbaren Einsichten, die sich irgendwie auf die militärischen Unternehmungen des Fürsten bezogen, hob Mandias nur verwirrt die Augenbrauen.
Das man sich mit ihr in körperlichen Belangen ganz prächtig vergnügen konnte stand inzwischen außer Frage. Das sie darüber hinaus möglicherweise nicht ganz bei sich war mochte gut sein. So gut kannte er sie schließlich nicht. Um so verwunderter zeigte er sich, als der Diener, der ihnen vor der Kaverne aufgeregt entgegen eilte, die seltsamen Aussagen der Mutantin ein Stück weit bestätigte.
Was für eine Form der Hellsichtigkeit dies auch sein mochte, es galt sie als potenzielle Ressource gedanklich zu vermerken und bei Bedarf einzusetzen. Jetzt jedoch musste diese nächtlich störende Situation erst einmal geklärt werden. Sehr unerfreulich, hatte er doch bereits den Plan gefasst bei einer Priese Staub die Nacht ruhig ausklingen zu lassen. Nun daraus wurde wohl nicht.
Er hatte nicht einmal gewusst, dass der Plast Glocken hatte. Das war… er schnaubte angewidert… so imperial. Während er sich hastig ankleidete befragte er den Diener mit barscher Stimme.
Wer verleiht diesen Lautsprecherdurchsagen Autorität? Der Diener, ein Jüngling mit kahl geschorenem Kopf und einer, mittels Tätowierungen pittoresk verzierten Brust, antwortete eilfertig.
Der Heermeister. Er ließ auch Worte in der wirren Kampfsprache der Rasankuri durchgeben, die er jedoch nicht selber sprach.
Was geschah darauf hin?
Das kann ich nicht sagen Herr, ich eilte mich euch die Kunde zu geben.
Wieso bist du draußen unterwegs gewesen? Du weißt dass ihr bei Nacht nicht allein durch die Gassen stromern sollt. Es gibt Fänger und Verteidiger, auch in diesem Teil der Stadt.
Eine späte Anfrage des Palastes, Herr. Die Schlange bestand darauf die Lieferung noch vor dem Sonnenaufgang zu überbringen.
Und dieser sonderbare Alarm geschah als du bereits auf dem Rückweg warst?
Ja Herr!
Mandias murmelte etwas und befahl dann, man möge ihm alles bringen, damit er in die Nacht hinaus könne. Sein Blick fiel auf Selari, die neben ihm stand und ganz selbstverständlich davon auszugehen schien, dass auch sie Teil dieser Sache war. Mandias überlegte kurz und entschied dann, dass ihre Fähigkeiten von Nutzen sein mochten.
Willst du mit?
Wohin? Zum Palast?
Fragte das Mädchen.
Erst einmal nicht.
Was immer es auch ist man wird uns im Augenblick vermutlich nicht vorlassen. Nein, wie gehen an einen Ort, von aus dem wir einen besseren Blick haben. Das Schlangennest erstreckt sich in die Tiefe und die Breite. Es gibt keinen wirklichen Aussichtspunkt, keinen Turm oder so etwas. Aber ich weiß von wo aus wir den Blick schweifen lassen können.

Wieder an den Diener gerichtet sagte er. Bring auch ihr alles, als würden wir Blutgeschäften in der Nacht nachgehen. Und sag Carba und Fahl sie sollen am Ausgang in selbiger Ausstattung auf uns warten. Ich muss mich in Eile mit der Herrin beraten. Daraufhin verschwand er schnellen Fußes und Selari war in der Vorkammer der Kaverne allein, da auch der Diener sich befleißigte die gewünschten Dinge zu besorgen.
Nach einiger Zeit kehrte er zurück und brachte der Mutantin einen nachtfarbene Schabari. Dieses eigentümliche Kleidungsstück wurde gänzlich über den Körper gezogen und ließ lediglich Platz für die Arme, Augen und das Gesicht bis unter die Nasenspitze. Bei den Beduinen der Wüste eine traditionelle Bekleidung, allerdings eine, die dadurch ihren praktischen Charakter nicht einbüste. Sie schützte vor Erkennen von Person, wie auch verborgenen Waffen. Vor dem schneidenden Nachtwind und dem Sandatem der Wüste.
Ein Schabari macht allen Menschen das Geschenk der möglichen Gleichheit, so sagten die Stämme. Unter ihm war jeder vielleicht Freund, vielleicht Feind, vielleicht bewaffnet, vielleicht friedvoll, vielleicht hässlich, vielleicht lieblich.
Auf das Gewand legte der Diener eine Flasche Wasser und einen ledernen Holster, in welchem eine Laserpistole steckte. Ein Standardmodell der Armee, außer dass man die Kunstsoffverschalung entfernt und durch eine aus knochenfarbenen Holz ersetzt hatte. Kunstvolle Schnitzereien zeigten Schlangen, die sich ineinander verbissen und umwanden. Die Bewaffnung wurde von einem gewellten Dolch abgelöst, lang, sehr dünn und mit einem Griff aus dem Zahn irgendeiner Bestie versehen. Wie das Gewand ebenfalls ein hoch traditionelles Objekt. Ein Kalaff. Was so viel bedeutete wie Messer, dass zwei Mal beißt.
Da die Urheber all dieser Dinge keine Verwendung für Unpraktisches hatten, war das Anlegen der Kleidung und das Umgürten von Waffen und Flasche ein leichtes Unterfangen.
Der Diener führte Selari in den Eingangsbereich des Schlangennestes, wo bereits zwei weitere, schwarz gekleidete Phantome wartete. Das eine mochte von der Statur her die Mannfrau namens Carba sein, der andere war um einiges schlanker und vermutlich eben jener Fahl. Beide hatten Lasergewehre geschultert und trugen Sichelschwerter an den Hüften. Sie musterten Selari, hielten sich mit ihrer Meinung über ihr Beisein jedoch zurück. Bald stieß auch Mandias zu ihnen. Er war wie alle anderen gewandet, doch die ausladende Form seines Kopfes und die schiere Größe seines Leibes machten ihn unverkennbar.
Soviel zur Gleichmacherei des Schabari und zur Weisheit der Wüstenstämme. Er war auf die gleiche Art gewappnet wie Selari.
Hat man euch unterbrochen? Ätzte Carba mit unverhohlener Häme.
Wir konnten die wenigen Stunden recht ausgiebig nutzen. Bevor die Sklaventrainerin etwas entgegnen konnte schnitt ihr Mandias mit einer herrischen Geste das Wort ab. Er war ganz eindeutig nicht zu derartigem Geplänkel aufgelegt. Schweigend führte er die Gruppe aus der tropischen Wärme des Schlangennestes in die Eiseskälte der Nacht hinaus. Fahl übernahm die Führung und Carba deckte mit ihrem Gewehr nach hinten. Einige Fenster waren erleuchtet und hier und da huschte ein Schatten umher oder blitzten wachsame Augen, doch es gab keine Nachtschwärmer, niemanden der einfach nur so auf den Straßen unterwegs war.
In der Dunkelheit gehörte Rasankur den jagenden Schrecken und namenlosen Wesenheiten.
Sie gingen zügig, schienen alle bis auf Selari den Weg zu kennen. Als sie schon drauf und dran waren in eine Gasse einzubiegen, die links und rechts überhängende Gebäude in einen Tunnel verwandelten, hob Fahl die Hand und bedeutete sie anhalten zu lassen. Er ging in die Knie und befühlte den staubigen Boden, blickte dann mit zusammengekniffenen Augen in die tintige Schwärze voraus. Verteidiger! Murmelte er unheilsschwer und trat einen Schritt zurück. Tatsächlich schien sich die Dunkelheit des Tunnels in ihre Richtung auszudehnen.
Durch die Gasse am bleichen Mann. Wies Mandias an und sie nahmen einen anderen Weg.
Durch verwaiste Straßen und über leere Plätze führte sie ihr weg, bis sie schließlich an etwas anlangten, das wie eine Karawanserei aussah. Der untere Teil war offen und ruhte nur auf einigen bröckelnden Säulen. Das eigentliche Merkmal dieses aufgegebenen Gebäudes war jedoch sein hoher, schlanker Turm, der wie eine Klinge in den dunklen Himmel schnitt. Die beiden Gewehrträger sicherten die düstere Halle, doch wenn sich hier jemand oder etwas versteckte, dann zeigte der- oder dasjenige sich nicht. Mandias und seine Getreuen schienen nicht das erste Mal hier zu sein. Zielstrebig begaben sie sich in eine Ecke, wo hinter einer maroden Tür der Treppenaufgang verborgen lag.
Die Wärme, die sie alle durch den beschwerlichen Aufstieg über die enge Wendeltreppe erfasste, wurde oben sogleich fortgeweht. Der Nachtwind war kalt und unbarmherzig.
Alle blickten angestrengt nach Nord-ost, wo das Tal des namenlosen Flusses lag, das Warptor und das Aufmarschgebiet der rasankurischen Streitmacht Kogans.
Müsste es nicht leuchten? Fragte Carba
Ich habe mal gehört diese Portale würden leuchten.
Von einem Leuchten war nichts zu sehen, abgesehen einmal von den flackernden Lichtern, bei denen es sich wohl um die Lagerfeuer des Heeres handelte.
Vielleicht sind schon alle durch. Murmelte der Pferdeköpfige, doch in seiner Stimme lag keine rechte Überzeugung.
Denn natürlich war es das Gespräch der Stadt gewesen und jeder wusste, dass der Durchmarsch der Armee die ganze Nacht und den Anfang des folgenden Tages dauern sollte.
Dann gab es ein Licht, doch alles andere als ein außerweltliches.
Eine Explosion, gefolgt von einer Kleineren. Nun konnte man auch Nadelstiche aus kleinen Lichtreflexen ausmachen, die stroboskopartig durch das Dunkel zuckten.
Mündungsfeuer! Sagte Fahl und brach damit sein bisheriges Schweigen.
Gohmor greift an.
Unsinn! Das ist ein hausgemachtes Sterben.
Das Tor erloschen, der Fürst vielleicht schon fort. Kampf und Rebellion in den Reihen der Gläubigen.

Lauschte man ganz aufmerksam, so mochte es scheinen, dass man über das Brausen des Windes hinaus den fernen Kampflärm hören konnte. Aber dies konnte auch Suggestion sein.
Wir müssen das Nest warnen.
Carba machte Anstalten die Treppe hinunter zu eilen, aber Mandias legte ihr eine Hand auf die Schulter. Panik ist ein schlechter Ratgeber, Sklavenzüchtigerin.
Ich bin nicht panisch!
Ertappt verschränkte sie die Arme vor der Brust.
Lasst erst sehen was noch vor sich geht.
Die Kunde darüber, dass etwas vor sich ging, hatte bereits andere Haushalte alarmiert. Die Lautsprecherdurchsagen durften dafür in der Hauptsache ursächlich gewesen sein. In den größeren Anwesen brannte Licht und es waren die Silhouetten von Bewaffneten auf den Mauern zu sehen.
Außerdem und das war für Mandias sehr viel interessanter, bewegten sich zwei große Kontingente und mehrere kleinere Gruppen Rasankuri von den Rändern der Stadt weg, Richtung Palast.
Dies taten sie in ziemlicher Eile, wenn auch koordiniert und keinesfalls überhastet. Es schien sich um Angehöriger jener Reserveeinheiten zu handeln, die mit dem Schutz Rasankurs beauftragt wurden waren.
Der Schwarze Drachen hatte fast neunzig Prozent der Krieger mitgenommen und selbst wenn man jeden verbleibenden Einwohner der Stadt bewaffnen würde, würde dies kaum ausreichen um etwas abzuwehren, was über einen bloßen Banditenüberfall hinausginge.
Sehr interessante Entwicklungen, in der Tat.
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