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Die Eisenbahnstation
#20
<-- Die Waffenfabrik der "Flussmacher" Gang

Der letzte Schuss war klar und feurig.
Kurt ließ einen kleinen Rest des billigen Fusels im Glas, um den Anschein zu erwecken noch nicht fertig zu sein und so noch etwas Zeit auf dem Barhocker zu erkaufen. Der Mann hinter dem Tresen nickte ihm in einer fragenden „Noch einen?“ Geste zu.
Kurt hob das Schnapsglas mit der Pfütze am Grund und murmelte Hab noch!
Der Barkeeper schaute wenig begeistert, schien aber noch nicht entschlossen genug den zerlumpten Kerl wegen eines überzogenen Schnaps rauszuschmeißen. Kurt drehte das Glas zwischen den Handflächen und starrte in den öligen Inhalt.
Leider nur billig in der Verarbeitung aber nicht im Verkauf.
Seine Finanzen derweil waren erschöpft um nicht zu sagen aufgebraucht. Der letzte Schekel war für den Doppelten über die Theke gegangen.

War alles nicht so gelaufen wie geplant.
Na das stimmte nicht ganz. Immerhin hatte der Gedrungene sein Versprechen wahr gemacht und ihn für das Schmuggeln seiner Kisten über einen schwarzen Pfad in die Stadt gebracht.
Damit endete die Nächstenliebe des Waffenhändlers dann aber auch schon.
Nach ihrem Zwischenfall mit den Drückern war der Rest der Nacht relativ ruhig verlaufen. Ein paar halbherzige Versuche anderer Slumgangs konnten durch Chandras Lasergewehr und die schnelle Fahrt des LKWs abgewendet werden.
Sie erreichten ihr Ziel und trennten sich dort von den Slumbewohnern. Die Wanderung durch den illegalen Zugang in die Makropole war kein Zuckerschlecken, zumal sie die verdammten Waffenkisten schleppen mussten. Es kostete sie fast zwei weitere Tage des Kriechens durch uralte Wartungsschächte und Versorgungsebene. Kurze Pausen in lichtloser und bewegt stickiger Enge. Schales Wasser und widerliche Nährriegel händigte Drudox und die ihn begleitenden zwei Spießgesellen an sie aus.
Dann und wann verharrten sie in ihrem keuchenden und fluchenden Zerren der Kisten und horchten auf ferne Geräusche, die Waffen im Anschlag. Kurt wollte lieber nicht wissen was hier zwischen den Ebenen außer ihnen noch herumasselte und dafür sorgte den Waffen starrenden Squat und sein ebenso hochgerüsteten Kumpels unbehaglich werden zu lassen. Was immer da auf der Jagd war verschonte sie und endlich schienen sie in funktionellere Gefilde zu kommen, wo die Leitungen, Rohre und Kabel tatsächlich noch eine Aufgabe zu erfüllen schienen.
Hier mussten sie nur Sensoren und Wartungsservitoren ausweichen um schließlich einen Ausstieg zu erreichen. Irgendwo an der Grenze von unterer zu mittlerer Ebene schienen sie zu sein.
Zu Fuß näherten sie sich einem der gepanzerten und bewachten Treppenaufgänge, die für den regulären Personenverkehr nicht zugänglich waren. Durch diese Aufgänge bewegten sich nur Einsatzkräfte und Offizielle. Doch jetzt stand die Panzertür einen Spalt weit offen und der stummelige Lauf des schweren Bolters in einigen Metern darüber, zeigte harmlos nach oben. Sie gingen durch das Schott ohne einen PVS-Soldaten zu Gesicht zu bekommen. Drudox schloss den Durchgang hinter ihnen, verriegelte ihn und klemmte dann ein braunes Päckchen hinter das Sperrrad. Ein lukrativer kleiner Nebenverdienst für die Wachhabenden. Auch die Treppe und der obere Ausgang waren verwaist und stellten kein Hindernis dar.
Unweit davon wartete ein weiterer Lastwagen auf sie und ihr Abenteuer näherte sich dem Ende.
Sie lieferten Chandra an einer von ihr benannten Adresse ab und mit einer knappen Verabschiedung verschwand sie aus Kurts Leben. Er selbst brummte ein paar Straßen weiter Hier muss ich raus!, ohne genau zu wissen wo er überhaut war. Die Sprosse der sozialen Leiter lag tief genug in dieser Gegend, dass er mit seinem Lumpengewand, an dem noch Schlamm und Blut von Übersee klebte, nicht weiter auffiel. Selbst die krude Donnerbüchse die er geschultert hatte ließ bestenfalls eine Augenbraue in die Höhe wandern.
Zu diesem Zeitpunkt standen die Dinge wie gesagt noch nicht mal so schlecht. Er war in Gohmor, er lebte noch und hatte einen Stapel uneingelöster Gehaltsscheine von Drüben in der Tasche. So weit so gut, doch von da an verließ ihn sein sprichwörtliches Idiotenglück.

Fedor war nicht am vereinbarten Treffpunkt. Das konnte natürlich hunderte Gründe haben. So profane wie das er irgendwo im Stau steckte oder das ihn die Bullen hops genommen hatten.
Vielleicht war er auch tot oder hatte entschieden, dass er alleine besser dran sei.
Vielleicht ja, vielleicht nein.
Aber letztlich scheißegal. Kurt jedenfalls trauerte nur kurz. Der Riesenaffe hatte ihm das Leben gerettet, aber wer nicht da war, der konnte aus so einer Schuld auch keinen Profit schlagen.
Immer positiv denken.
Trotzdem wartete er noch eine Weile am vereinbarten Treffpunkt bis er schließlich auf eigene Faust in eine Auszahlungszweigstelle marschierte und einen der Scheine einzulösen verlangte. Das Gehalt eines Waldarbeiters, sechzig Schekel. Am Anfang immer kleine Brötchen backen. Der Schalterangestellte besah sich den Schein mit gerunzelter Stirn und bemerkte, mit hoher Stimme, dass dieser Auszahlungsbeleg aus Auerhain, einer Niederlassung in Horning stammen würde.
Ja was du nich sagst, Schweinchen Schlau. Ich habe da gearbeitet, aber meinen rechten Glauben deswegen nie verloren. Bei der Befreiung durch die Helden aus Gohmor habe ich mich den Pilgern angeschlossen und bin jetzt dreckig aber siegreich hier. Mein Geld habe ich trotzdem mit ehrlicher Arbeit verdient und will es gefälligst auch ausgezahlt bekommen. Also nicht so gemütlich junger Freund.
Heute noch wenns geht.

Der Angestellte hatte ihm einen langen Blick geschenkt und war dann in einen angrenzenden Raum verschwunden. Durch die offene Tür konnte Kurt beobachten wie er mit jemanden Sprach der der offensichtlich der Vorgesetzte des Burschen war, der seinerseits nach einem Fernsprechhörer griff, worauf Kurt schnellen Schrittes die Auszahlungsstelle verlassen hatte.
Er hatte es noch bei zwei anderen Niederlassungen versucht und war ohne Geld, einmal aber nur um Haaresbreite entkommen, als zwei stämmige Wachleute ihn auf den Wink einer dämlichen Schalterschlampe hin hatten festhalten wollen.
Frustriert und durstig war er in die erstbeste Kneipe geflüchtet die ihm untergekommen war.
Der „Zapfhahn“ an einem Ebenenbahnhof für Schienenverkehr. Mit Blick auf die Gleise, die Ankommenden und Abfahrenden, Pendler und Reisenden ertränkte er sich, wenn schon nicht in Fusel, dann doch wenigstens in Selbstmitleid.
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