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Die Eisenbahnstation
#13
Zitat:Alle sagen immer ich sei verrückt, aber das bin ich ganz und gar nicht.
Ich tät sogar sagen, dass ich derjenige bin, der die Dinge ganz klar sieht. Jedenfalls habe ich sie klar gesehen, als ich getan habe weshalb mich alle für verrückt halten.
Ich sag es ihnen. Ich kann keiner Fliege was zuleide tun, vom Prinzip her.
Ne ist falsch, ich kann schon aber vom Prinzip her tu ich es nicht.
Aber manchmal gibt es Sachen, die einfach getan werden müssen, auch wenn sie nicht schön sind.
Das was ich gemacht habe war genau so eine Sache. Da waren ganz andere Kräfte am Werk als ich oder sie, mit ihren Zellen und Schlössern. Ich weiß das ich hingerichtet werde und ich bin ihnen nicht böse drum.
Sie tun was sie tun müssen, wie ich getan hab was ich tun musste. Keiner kann aus seiner Haut. Alle haben sie ihre eigenen Aufgaben im Großen und im Ganzen.
Ich sag ihnen wie es war.
Es war die verdammte Kirche, mit ihren schwarzen Mauern. Stand da auf dem Hügel.
Hat einen immer so angesehen.
Schon klar das sich das wie bei nem Irren anhört, war aber trotzdem so. Egal wie man sich gedreht oder gewendet hat, man hat sie immer irgendwie gesehen, selbst wenn man sie nicht gesehen hat... ach das ist so schwer zu erklären.
Es lag an dem Boden. Ich bin kein gebildeter Mann und daran hab ich nie was gefunden. Gibt sowieso zu viele die schlau daherreden und sich groß tun, am Ende aber nur von der Hände Arbeit anderer leben. Der Laden hier, mit all diesen Nervenärzten und so, der hat auch einiges davon zu bieten.
Na, wie auch immer.
Der Schekel hat sich lange gedreht, bis er auf dem Tisch klimperte, wie man so sagt. Ich hab meinen Pflug geschoben und jeden Frühling das Land bestellt. Dieses von allem Guten verlassene Land.
Wissen sie, woanders gräbt man Findlinge aus. Ich hatte nie Probleme mit Steinen auf dem Acker. Ich hatte immer nur Knochen. Knochen von Menschen. Knochen, Knochen und noch mal Knochen. Körbeweise, Anhängerweise.
Böser Grund, böse Saat.
Und diese verdammte Kirche stand auf ihrem Hügel und hat feist grinsend zugesehen. Der Prediger war nur das Gesicht zu der Kirche. Wie der Wurm nicht der Haken und nicht die Angel ist. Hat von seiner Kanzel runter gepredigt wie es sich gehört, oh ja. Fromme Worte, wie Septinanus die Wilden besiegt hat und wie er ihre Götzen zerschlug und all das. Es waren die Worte, genau wie sie in den Büchern stehen, aber sie waren irgendwie falsch... irgendwie... naja höhnisch.
Wie solls einem auch fromm ums Herz sein, wenn der Pflug schon bei einer Handbreit Schädel aus dem Boden wühlt und der Schatten vom Kirchturm viel zu schwarz auf einen fällt? Wenn er einem die Seele verdunkelt.
Die Leute im Dorf die wurden immer seltsamer und haben immer mehr von diesen falschen Worten für bare Münze genommen. Aber ich habe es bemerkt. Nicht weil ich schlauer war als die anderen, sondern weil dich der war, denn man ausgesucht hatte um dieser Falschheit einen Riegel vorzuschieben.
Ich steh so auf meinem Acker und wisch mir den Schweiß von der Stirn, gucke hoch zur Kirche und da wurde es mir klar. Das war gar keine Kirche, kein Gebäude. Es war wie eine Rückenflosse von einem großen Fisch, der unter den Wellen auf was lauert. Ein giftiger Fisch war das, ein verdammtes giftiges Monster. Und der Hügel, der war nicht aus Sand und Erde, dass waren alles Knochen. Ein heiliges Haus steht auf heiligem Boden. Was aber steht für ein Haus auf solchem Boden? Einem Boden aus uraltem Verderben?
Sie wissen was für ein Haus da steht und ich wusste es in diesem Moment auch. Eine Offenbarung, wenn sie so wollen, auch wenn das hochtrabender klingt als es eigentlich war. Ich wusste nur schlicht und ergreifend was zu tun war. Ich wusste es würde nicht schön werden, aber es gab mir Kraft das ich in der Sache nicht der Verantwortliche war, sondern nur der Ausführende. Das Werkzeug wenn sie so wollen.
Zu Einigkeit Dank bin ich also hoch zur Kirche. Hab sie schon singen hören, die ganze Gemeinde. Ein schöner Chor und alle aus voller Kehle. „Göttlich Kaiser leite uns“, aber das war nur an der Oberfläche. Darunter haben sie wild gekreischt und geheult wie die Tiere.
Böser Boden, böse Saat.
Ich hab dann selber das „Göttlich Kaiser leite uns“ gepfiffen, aber richtig. So wie als Gegengewicht.
Die Seitentore von außen verschlossen, dann durchs Haupttor rein und auch hinter mir zugemacht. Die Leute haben mich gar nicht bemerkt. Bis ich angefangen habe.
So eine Kingfisher ist fatal auf engem Raum und ich bin die Reihen abgegangen.
Ein Schritt, ein Schuss, durchladen, ein Schritt ein Schuss durchladen. Haben sie schon mal mit der Sense geerntet? Nein das haben sie natürlich noch nicht. Es kommt nicht so sehr auf Kraft oder weite Schwünge an. Man muss einen Rhythmus finden, eine Harmonie aus Bewegung. Man schwingt die Sense, macht einen Schritt, schwingt, macht einen Schritt und so weiter. Das Blatt muss dabei im richtigen Abstand über den Boden gleiten. Zu tief und man fährt in die Erde, wirbelt Dreck auf und macht das Blatt stumpf. Zu hoch und man lässt zu viel stehen, was gutes Heu sein könnte. Genau so war es.
Die hinteren Reihen habe ich gemäht und Patronen nachgeschoben während sie alle zur Seitentür rannten. Ich konnte weitermachen als sie erkannten, dass so kein Rauskommen war und es bei der gegenüberliegenden Tür versuchten.
Ein Schritt, ein Schuss, durchladen.
Am schwersten war es bei den Kindern. Ich bin ein gewöhnlicher Mann und nicht aus Stein, wissen sie? Das war nicht schön, das will ich ihnen sagen. Die ganz Kleinen... aber sie waren böse Saat. Es musste getan werden. Nein, Freude hatte ich bei der Sache nicht.
Die zuerst, die genug Mut hatten sich vor ihre Familien zu stellen, dann die nicht vor Angst gelähmt waren und versuchten raus zu kommen.
Ein Schritt, ein Schuss, durchladen. Eine schwere Arbeit. Im Schweiße meines Angesichts. Aber ich will bei der Wahrheit bleiben. Eine Sache hat mich doch mit Freude erfüllt.
Nein nicht Freude, das ist das falsche Wort.
Mit Genugtuung!
Als ich diesem fetten Prediger den Schädel weg geschossen habe. Dieser Moment indem er erkannt hat, dass hier einer ist bei dem sein Gift nicht wirkt. Bei dem das Wort vom großen, giftigen Fisch auf taube Ohren stößt. Das war wohl getan.
Als alles vorbei war und ich noch einmal durch die Reihen ging um sicher zu sein, dass ein jeder erlöst wurde, zitterten mir die Knie. Hier und da wimmerte noch jemand und ihr Stöhnen und Weinen waren die wahren Gebete dieses Ortes. Selbst so kurz vor der Auslöschung sangen sie noch ihr unheiliges Lied. Ich ließ es verstummen, setzte mich auf eine der klebrigen Gebetsbänke und atmete die Luft, die so nach Pulverdampf und Blut schmeckte.
Wie schwer das gewesen war. Welche Kraft mussten die Heiligen gehabt haben, die eine ganze Welt solcher Verirrten erlöst hatten?
Auch ich war noch nicht fertig. Ich war dabei die Kirche niederzubrennen und zumindest diesen Pilz des Bösen auszurotten, wenn ich schon nicht das ganze Geflecht seines Wurzelwerkes ausmerzen konnte.
Hier nun scheiterte ich.
Denn nicht alle waren in der Kirche gewesen und die, die von außen Zeuge meiner Arbeit wurden alarmierten Büttel und Ordnungsmacht. Ich versuchte ihnen die Wichtigkeit meiner Aufgabe zu erklären, aber sie konnten nicht sehen und nicht begreifen. Ich nehme es ihnen nicht übel, denn jeder hat seine Aufgabe. Ihre war es einen vermeintlich Wahnsinnigen niederzustrecken. Doch sie verhinderten damit, dass ich mehr vom guten Werk vollbringen konnte.
Ein wenig welkes Laub habe ich zusammengekehrt, doch der Baum mit den vertrockneten Blättern steht nach wie vor. Sie verpassten mir einen Bauchschuss und darum bin ich noch hier um darauf zu warten was doch nur aufgeschoben wurde. Ich rede mit den Herren Doktoren und Analysatoren. Ich sage ihnen was sie wissen wollen bevor man mich enthauptet.
Ich fürchte mich nicht, denn ich weiß dass ich ein Gerechter unter den Menschen bin. Das Einzige was mich nachts wach hält ist die Gewissheit dass die Kirche, die eigentlich eine Flosse ist, noch steht und ihr Schatten länger wird.

Victor Kromsbach / Zwei Monate vor seiner Hinrichtung

Natürlich fiel es mir nicht schwer daraus Rückschlüsse zu ziehen. Der Farmer Victor Kromsbach, der als sanftmütiger, arbeitsamer und unauffälliger Bürger galt und der 44 Menschen seiner Gemeinde erschoss, stammte aus dem kleinen Ort Welchhain, im unabhängigen Peripheriestaat zwischen Rasankur und Kotai. Ich bin mir absolut sicher, dass die Kirche, die diesem verwirrten Mann so schwer auf dem Gemüt lastete, dass es ihn in den Wahnsinn trieb, auf dem künstlichen Hügel steht, unter welchem die Lichthammer ruht.
Anfangs sah ich sogar ein Indiz in den Knochen, welche Kromsbach erwähnte und von denen er behauptete sie immer wieder zutage gefördert zu haben. Mein erster Gedanke war, dass es sich um Überbleibsel der Schlacht zwischen den Wilden und den Recken um den heiligen Septinaus handeln musste. Doch das ist unmöglich. Die Region weißt keine geologischen Besonderheiten auf, die eine Konservierung der Überreste jener Schlacht, über eine solche Zeitspanne begünstigen würde. Die Knochen müssen also anderen Ursprungs sein oder sie entsprangen schlicht dem wahnsinnigen Geist des Farmers.

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Ein wahrhaft abgelegener Ort aber dennoch bestechend durch die Freundlichkeit seiner Bewohner und dem, für eine derart isolierte Siedlung, hohen Standard an Komfort und Annehmlichkeiten.
Die Menschen machen kein Geheimnis um das schreckliche Verbrechen, welches Kromsbach ihrer Gemeinde angetan hat. Selbst nach all diesen Jahren, die kaum noch lebende Zeitzeugen des Ereignisses zurückgelassen haben, scheint der Schmerz hier sehr tief zu sitzen. Die Kirche auf dem Hügel wird nicht mehr benutzt, denn die Bluttat des Wahnsinnigen hat sie ein für alle Mal entweiht.
Man ist auf einen Neubau im Dorf ausgewichen, hält das alte Gebäude jedoch in Stand und leidlicher Sauberkeit. Die Präsenz dieses Baus ist bemerkenswert und es fällt nicht allzu schwer nachzuvollziehen, wie über die Jahre ein anfälliger Verstand davon negativ beeinflusst werden kann. Der Bau ist im klassischen Stil der Barockgotik gehalten, wie sie in der Epoche Gouverneur Edwards des Ergrauten von Obsidian nach Koron 3 schwappte und in der lokalen Architektur manch bizarre Kapriolen schlug. Der Turm wirkt für den Rest des Gebäudes zu dünn und hoch, als müsste er jeden Moment unter einer Windbö umstürzen. Dadurch täuscht die Optik über die eigentliche Größe des Kapitels und des Seitenschiffes hinweg. Ungewöhnlich ist die Verkleidung mit Metall, wie man es von Wehrkirchen aus Horning kennt. Die Oxidation hat diese Platten nachdunkeln lassen, weswegen zuweilen der Begriff der schwarzen Kirche zu finden ist.
Ich wollte mich nach dem einstigen Feld des Amokläufers erkundigen um zu sehen, ob es stimmte was er von den leicht zu bergenden Knochen berichtete. Letztlich entschied ich mich jedoch dagegen um nicht die Gastfreundschaft der Dörfler auf die Probe zu stellen und den Eindruck zu erwecken, ich sei ein Tourist des Makaberen. Ohnehin sind das nur Nebensächlichkeiten. Mein eigentliches Ziel ist natürlich die Lichthammer und ich brenne darauf sie zu lokalisieren.
Natürlich muss ich vorsichtig vorgehen, schließlich kann ich den Einwohnern Welchhains nicht sagen, dass ich nach einem antiken Raumschiff des größten Heiligen des Planeten suchen und es unter ihrem leidgeprüften Gotteshaus vermute.
Ich werde im Rahmen meines Inkognitos als Bauhistoriker morgen zur Kirche hinauf steigen um zu sehen, ob es nicht möglich ist von dort einen ungesehenen Weg in die Tiefe zu beschreiten.
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