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Der Glassaal
#4
Hector lies das Lob geduldig über sich ergehen und nahm es mit einem bescheidenen Nicken entgegen. Trotz der wohl gewählten Worte beunruhigte die deutlich kleinere Priesterin ihn. Zwar konnte er nicht genau sagen warum, aber irgendwie drängte sich der Eindruck auf, dass sie in dieser ganzen Umgebung deutlich mehr Einfluss hatte, als ihr Rang vermuten ließ.
Als die Rede unversehens auf „personelle und technische Unterstützung“ kam, konnte er nur schwer ein Stirnrunzeln unterdrücken. Fast ein Jahrhundert stand er nun im Dienste des Omnissiah und obwohl der Einfluss seines Ranges ihn stets mit dem Notwendigsten versorgt hatte, wäre kein lokaler Magos je auf die Idee gekommen, einem fremden Techarchäologen mehr als ebendies zur Verfügung zu stellen. Seine letzte Entdeckung war innerhalb des Mechanicus zwar durchaus von Bedeutung gewesen, aber rechtfertigte keinesfalls eine solche Sonderbehandlung. Als logische Folge der weit verbreiteten Ablehnung von Emotionen, tat der Mechanicus sich mit dem Konzept von Heldentum und -verehrung sehr schwer, sofern der entsprechende Priester nicht gerade mit einem halbwegs funktionalen STC auftrumpfen konnte. Trotz des andauernden militärischen Konflikts zwischen Menschheit, Xenos und den verderbten Kreaturen des Immatereums, war es doch ein tragischer Umstand, dass eine derart revolutionäre Technologie wie die Noosphäre es gewesen war, niemals dieselbe Aufmerksamkeit erhalten würde wie die Aussicht auf einen neuen Panzer für die imperiale Armee…
Seine Skepsis wuchs weiter als zusätzlich noch ein „Begleiter“ ins Spiel kam. Ein Elektropriester als Beschützer… oder Aufseher? Die teilweise zum Fanatismus neigenden Diener der Antriebskraft waren inspirierende Lehrer und viele zudem noch herausragende Krieger, jedoch war Hector noch nie einem begegnet, der ein gesteigertes Interesse an den Wundern antiker Technologie gehabt hätte. Ich muss mich vorsehen, dachte er bei sich. Scheinbar habe ich es geschafft, ohne jede Anstrengung in irgendetwas verwickelt zu werden, mit dem ich ziemlich sicher nichts zu tun haben will…
Er hatte kaum den Gedanken zu Ende gebracht, als ihn eine, für einen solchen Anlass unerhört leicht bekleidete Dame von der Seite her ansprach. Das Interesse der Gäste, das für eine kurze Zeit deutlich abgeflaut war, stieg durch die Ansammlung an Vertretern des Mechanicus plötzlich wieder auf ein unangenehmes Niveau an. Doch auch diese zweite Welle war nur von kurzer Dauer denn die Ankunft der Frau des Gouverneurs war mehr als genug, um die Aufmerksamkeit der Adligen völlig zu vereinnahmen. Insbesondere die Reaktionen der Frauen waren faszinierend: Die Emotionen auf ihren Gesichtern reichten von atemloser Bewunderung bis zu kaum verhohlenem Hass. Ganz offensichtlich war diese Empore der Platz auf dem jede von ihnen stehen wollte. Hector musterte die junge Gattin von Korons oberstem Beamten, während sie durch die Menge glitt und hier und da kurze Höflichkeiten und Konversationen austauschte. Mit einem kurzen mentalen Befehl rief er Nand zurück an seine Seite, der in der letzten halben Stunde im oberen Bereich des Saals umhergeschwebt und Bilder von interessanter Kunstwerke und Personen aufgenommen hatte. Neben seinen generellen Vorzügen reichte die stille Präsenz des lautlos umherschwebenden Schädels mit seiner rot leuchtenden Auspexlinse meistens aus, um fremde Leute auf Abstand zu halten und glücklicherweise galt dies ebenso für den Adel von Koron…
Natürlich ließ es sich nicht vermeiden, dass Elisabeth de Wajari nach gut einer halben Stunde auch die Gruppe der Techpriester erreichte. Ein weiteres Mal nahm Hector das Lob mit einer leichten, bescheidenen Verbeugung entgegen und erwiderte das Lächeln. Als Bewahrer und Progressoren des technologischen Fortschritts der Menschheit, obläge es in diesem Falle dem Mechanicus, die Relikte zu untersuchen und sicherzustellen, dass sämtliches verlorenes Wissen, das womöglich noch zu bergen ist, evaluiert und nach Bestätigung seiner Unbedenklichkeit wieder seinem, vom Maschinengott zugedachten Zweck im Dienst des Imperiums zugeführt wird. Erläuterte er höflich. Es gäbe wohl kaum einen besseren Weg, das Andenken des heiligen Septimamus zu ehren, als das materielle und geistige Erbe seiner großen Epoche erneut zum Wohle der Menscheit zu nutzen. Sollten zu diesem Zweck eine Relokation von Objekten auf eine entsprechend ausgestattete Fabrikwelt nötig sein, würde Koron eine angemessene Kompensation durch den Mechanicus erhalten. Sobald unsere Aufgabe erledigt ist, läge die Entscheidung über die weitere Nutzung und Verwaltung etwaiger Artefakte in den fähigen Händen der planetaren Regierung und des örtlichen Adeptus Ministorum. Er neigte noch einmal leicht den Kopf vor de Wajari. Solche Fragen musste er vor ausnahmslos jedem Projekt auf einer imperialen Welt beantworten. Am Ende hatten die lokalen Autoritäten äußerst selten ein ehrliches Interesse an seinen Funden und ihrem Nutzen für die Allgemeinheit, sondern lediglich an deren materiellem Wert. Glücklicherweise war Geld eine der Ressourcen, die der Mechanicus nicht nur im Überfluss besaß, sondern auch großzügig auszugeben bereit. Mit ausreichenden Mengen marsianischer Wertpapiere lies sich in der Regel jeder planetare Gouverneur von den gegenseitigen Vorteilen einer Kooperation überzeugen. Hector seufzte innerlich bei der Aussicht auf die Masse an Bürokratie und Korruption, durch die er sich auf einem derart autoritären Planeten wie Koron würde graben müssen, wenn seine Suche tatsächlich erfolgreich wäre…
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