08-15-2017, 08:57 PM
Als sich das Rolltor öffnete, schlug Aurelia der beißende Geruch von Müll, verfaulendem Müll und brennendem Müll entgegen.
Kein saurer Regen und so wenig Smog von der Stadt, dass man sogar ein wenig Sonne durch die dicken Wolken aus Abgasen sehen konnte, die Gohmor stets und ständig wie einen Brautschleier oder eher noch wie ein Leichentuch umgaben.
Ein wunderschöner Morgen in den Slums also.
Ein aufgemotztes Fahrzeug, Automobil wäre ein etwas hoch angesetzter Begriff, raste in einiger Entfernung vorbei und seine Insassen gaben Schüsse in die Luft ab und grölten irgendwelches unverständliche Zeug.
Es musste Partygänger der letzten Nacht sein, denn niemand bei Verstand oder im nüchternen Zustand würde derart kostbare Munition verschwenden.
Apropos Munition, wenn sie pünktlich sein wollte, dann musste sie sich beeilen. Also lenkte sie ihre Schritte in Richtung ihrer Arbeitsstätte, das aufragende, künstliche Gebirge der Makropole dabei im Rücken. Abgesehen von der kleinen Showeinlage war ihr Arbeitsweg relativ unspektakulär.
Keine wilden Schießereien zwischen verfeindeten Gangs, kein Mord auf offener Straße oder Leichen, die in der Gegend herumlagen und von Drogensüchtigen geplündert wurden.
Sicher, sicher, all das gab es dann und wann, aber hatte nicht jede Gesellschaft ihre kleinen Problemchen? Und meistens waren die Menschen in den Elendsvierteln stinknormale Leute, mit stinknormalen Problemen und Sorgen. Eine Schar Kinder rannte krakeelend an ihr vorbei, barfuß und dreckverkrustet. Händler boten Selbstgebrannten, Kleidung und Batterien an. Andere verkauften Lebensmittel, die sie aus den Müllbergen der Stadt geklaubt hatten und die noch immer essbar waren. Die Makros, wie die Slumbewohner die Städter nannten, warfen unglaublich viel Zeug weg, an dem nichts auszusetzen war. Sie mussten wirklich im Überfluss leben da drinnen, wenn sie Dinge, die kaum oder gar nicht beschädigt oder vergammelt waren, einfach in den Müll schmissen. Glück für die Slums.
Ein aufgeknüpfter Mutant störte das idyllische Bild ein wenig und erinnerte Aurelia, dass diese Gegend hier vor einigen Tagen von den "Konvertierten der Reinigung" erobert wurden war. Sie hatten in einer Nacht die bis dahin herrschende Gang ausgelöscht und gleich begonnen nach Mutanten zu suchen und mit ihnen kurzen Prozess zu machen. Eine üble Bande von Fanatikern, die sich selbst gern den Anschein von frommen Glaubenskriegern gaben, aber im Grunde nicht besser waren als jede andere Gang. Eher im Gegenteil, da sie ihre Gewaltausbrüche mit rechtschaffenen Sprüchen verschleierten. Als sie um ein zweistöckiges Gebäude aus Schrott Wellblech bog, sah sie zwei der Konvertierten, als hätten ihre Gedanken an sie, sie heraufbeschworen.
Zwei Männer, der eine hochgewachsen und sehr dünn, der andere breit und gedrungen, vollgestopft mit billigen Kunstmuskeln. Beide trugen fleckig, vormals weiße Tücher über dem Kopf, die am Hals mit groben Stricken verschnürt waren und so eng anlagen, dass man die Konturen der Gesichter darunter ausmachen konnte. Wie sie durch diese Lappen sehen, geschweige denn atmen konnten, blieb ein Rätsel.
Die beiden standen am Rand der Straße, wenn man denn den Schlammweg so nennen wollte. Der Breite interessierte sich nicht für Aurelia als sie vorbei ging. Der andere aber drehte ihr den Kopf nach und als sie schon fast vorbei war rief er sie an.
Mädchen!
Wenn du sündige Dirne anschaffen gehst, dann vergiss nicht wem du jetzt die Abgaben zu zahlen hast. Wir beten auch für deine verkommene Seele. Die Stimme kam gedämpft unter dem Tuch hervor und trotzdem konnte man den Hohn heraushören. Er tropfte geradezu durch den schmutzigen Stoff. Oder wie wäre es, wenn du gleich hier und jetzt ein wenig Abbitte leistest. Der Dienst an den Menschen ist schwer und verlangt ab und an etwas Zerstreuung. Die Daumen in den Gürtel gesteckt wollte er einen Schritt auf Aurelia zu machen, wurde jedoch im selben Moment von seinem Kumpanen an der Schulter zurückgehalten. Die künstliche Kraftverstärkung ließ den anderen sichtlich zusammenzucken. Zügle dich Bruder. Das Mädchen gehört zu den Flussmachern.
Der Andere schien sie zu mustern, auch wenn man das wegen der absonderlichen Maske nur ahnen konnte. Dann schnaubte er verächtlich, belästigte die junge Frau aber nicht weiter.
Ja sie gehörte irgendwie zu den Flussmachern und dieser Name hatte Gewicht. Dabei war die Gang nicht sonderlich groß oder überdurchschnittlich bewaffnet. Aber sie stellten Munition her und das gab ihnen einen unsagbaren Faktor der Macht an die Hand. Munition war nicht nur nötig um das eigene Gebiet zu schützen oder das anderer Gangs zu erobern, es war auch Währungsmittel und Statussymbol. Wer Munition machen konnte, konnte in den Slums Politik und Könige machen.
Woher der Name "Flussmacher" stammte wusste niemand ganz genau zu sagen. Einige behaupteten es sei der Nachname des ursprünglichen Gründers gewesen. Andere meinten es bezog sich darauf, dass die Lieferungen von Munition alles im Fluss hielten und wieder andere verwiesen darauf, dass ein Treffer mit einer Kugel einen roten Fluss erzeugte. Natürlich war Aurelia kein direktes Mitglied der Gang. Dazu musste man nicht nur den Anführer Mean Dean so beeindrucken, dass er einem die generelle Erlaubnis gab, sondern auch einige sehr spezielle Aufnahmeprüfungen erfüllen. Die Gang verstand sich als eine elitäre Gruppe, die Loyalität und Können über schiere Masse stellte. Immerhin mussten die Mitglieder Dean so ergeben sein, dass sie bereit waren im Falle eines Angriffes, welchen sie nicht mit bloßer Waffengewalt zurückschlagen konnten, die gesamte Fabrik in die Luft zu jagen. Nur das Wissen, dass die Flussmacher diesen letzten Schritt wenn nötig gehen würden, hielten andere Gruppierungen davon ab die Fabrik permanent anzugreifen und zu versuchen sie unter ihre Kontrolle zu bringen.
Aurelia war mehr so eine Art Angestellte. Sie und ihre Kollegen hatten alle ein paar ganz spezielle Fähigkeiten, welche sie für die Produktion von Kugeln, Raketen und Granaten wichtig machten. Sie selbst vereinte dabei gleich mehrere Kriterien in sich. Sie wusste wie man Kugeln für Handfeuerwaffen presste und sie war außerdem jung und gesund. Sie würde für die Gang also noch längere Zeit von Nutzen sein. Im Gegenzug bekam sie Schutz, jedenfalls solange sie sich auf dem Gelände der Fabrik aufhielt und wurde in mehr oder minder regelmäßigen Abständen mit Munition bezahlt, wodurch sie ein gutes Auskommen hatte.
Aurelia erreichte das Tor.
Die Fabrik war eines der wenigen Gebäude, das noch auch den Zeiten stand, in denen hier feste Bauwerke und keine windschiefen Hütten die Normalität gewesen waren. Es bestand aus zwei Hallen aus Backstein. Bis auf drei Meter Höhe waren die Hallen mit Metallschrott verkleidet, um gegen Beschuss geschützt zu sein. Wer wusste schon was früher in diesen Hallen gewesen war? Fischverarbeitung vielleicht oder eine Schlachterei. Das Verwaltungsgebäude, ebenfalls aus Backstein aber in einem etwas verspielteren Stil, war Wohnsitz und Hauptquartier von Mean Dean. In einem anderen Kontext wäre das Gebäude keinen zweiten Blick wert gewesen. In den Slums kam es einem Palast gleich. Um das gesamte Gelände erstreckte sich eine Mauer aus Schrott und Schutt, auf der Wachen patrouillieren konnten und die an den vier Eckpunkten Wachtürme aufwiesen. Eine regelrechte kleine Festung. In der vorderen Lagerhalle befanden sich die Produktionsstätten, in der hinteren lagerte die Gang ihre Ausrüstung und ihre Fahrzeuge.
Lauri und Iraf hatten heute Torwache. Beide musterten die Arbeiter ganz genau und kontrollierten nach dem Zufallsprinzip einige Taschen. Lauri nickte Aurelia zu, als diese passierte und sparte sich eine Kontrolle.
Ihre Schicht konnte beginnen.
Kein saurer Regen und so wenig Smog von der Stadt, dass man sogar ein wenig Sonne durch die dicken Wolken aus Abgasen sehen konnte, die Gohmor stets und ständig wie einen Brautschleier oder eher noch wie ein Leichentuch umgaben.
Ein wunderschöner Morgen in den Slums also.
Ein aufgemotztes Fahrzeug, Automobil wäre ein etwas hoch angesetzter Begriff, raste in einiger Entfernung vorbei und seine Insassen gaben Schüsse in die Luft ab und grölten irgendwelches unverständliche Zeug.
Es musste Partygänger der letzten Nacht sein, denn niemand bei Verstand oder im nüchternen Zustand würde derart kostbare Munition verschwenden.
Apropos Munition, wenn sie pünktlich sein wollte, dann musste sie sich beeilen. Also lenkte sie ihre Schritte in Richtung ihrer Arbeitsstätte, das aufragende, künstliche Gebirge der Makropole dabei im Rücken. Abgesehen von der kleinen Showeinlage war ihr Arbeitsweg relativ unspektakulär.
Keine wilden Schießereien zwischen verfeindeten Gangs, kein Mord auf offener Straße oder Leichen, die in der Gegend herumlagen und von Drogensüchtigen geplündert wurden.
Sicher, sicher, all das gab es dann und wann, aber hatte nicht jede Gesellschaft ihre kleinen Problemchen? Und meistens waren die Menschen in den Elendsvierteln stinknormale Leute, mit stinknormalen Problemen und Sorgen. Eine Schar Kinder rannte krakeelend an ihr vorbei, barfuß und dreckverkrustet. Händler boten Selbstgebrannten, Kleidung und Batterien an. Andere verkauften Lebensmittel, die sie aus den Müllbergen der Stadt geklaubt hatten und die noch immer essbar waren. Die Makros, wie die Slumbewohner die Städter nannten, warfen unglaublich viel Zeug weg, an dem nichts auszusetzen war. Sie mussten wirklich im Überfluss leben da drinnen, wenn sie Dinge, die kaum oder gar nicht beschädigt oder vergammelt waren, einfach in den Müll schmissen. Glück für die Slums.
Ein aufgeknüpfter Mutant störte das idyllische Bild ein wenig und erinnerte Aurelia, dass diese Gegend hier vor einigen Tagen von den "Konvertierten der Reinigung" erobert wurden war. Sie hatten in einer Nacht die bis dahin herrschende Gang ausgelöscht und gleich begonnen nach Mutanten zu suchen und mit ihnen kurzen Prozess zu machen. Eine üble Bande von Fanatikern, die sich selbst gern den Anschein von frommen Glaubenskriegern gaben, aber im Grunde nicht besser waren als jede andere Gang. Eher im Gegenteil, da sie ihre Gewaltausbrüche mit rechtschaffenen Sprüchen verschleierten. Als sie um ein zweistöckiges Gebäude aus Schrott Wellblech bog, sah sie zwei der Konvertierten, als hätten ihre Gedanken an sie, sie heraufbeschworen.
Zwei Männer, der eine hochgewachsen und sehr dünn, der andere breit und gedrungen, vollgestopft mit billigen Kunstmuskeln. Beide trugen fleckig, vormals weiße Tücher über dem Kopf, die am Hals mit groben Stricken verschnürt waren und so eng anlagen, dass man die Konturen der Gesichter darunter ausmachen konnte. Wie sie durch diese Lappen sehen, geschweige denn atmen konnten, blieb ein Rätsel.
Die beiden standen am Rand der Straße, wenn man denn den Schlammweg so nennen wollte. Der Breite interessierte sich nicht für Aurelia als sie vorbei ging. Der andere aber drehte ihr den Kopf nach und als sie schon fast vorbei war rief er sie an.
Mädchen!
Wenn du sündige Dirne anschaffen gehst, dann vergiss nicht wem du jetzt die Abgaben zu zahlen hast. Wir beten auch für deine verkommene Seele. Die Stimme kam gedämpft unter dem Tuch hervor und trotzdem konnte man den Hohn heraushören. Er tropfte geradezu durch den schmutzigen Stoff. Oder wie wäre es, wenn du gleich hier und jetzt ein wenig Abbitte leistest. Der Dienst an den Menschen ist schwer und verlangt ab und an etwas Zerstreuung. Die Daumen in den Gürtel gesteckt wollte er einen Schritt auf Aurelia zu machen, wurde jedoch im selben Moment von seinem Kumpanen an der Schulter zurückgehalten. Die künstliche Kraftverstärkung ließ den anderen sichtlich zusammenzucken. Zügle dich Bruder. Das Mädchen gehört zu den Flussmachern.
Der Andere schien sie zu mustern, auch wenn man das wegen der absonderlichen Maske nur ahnen konnte. Dann schnaubte er verächtlich, belästigte die junge Frau aber nicht weiter.
Ja sie gehörte irgendwie zu den Flussmachern und dieser Name hatte Gewicht. Dabei war die Gang nicht sonderlich groß oder überdurchschnittlich bewaffnet. Aber sie stellten Munition her und das gab ihnen einen unsagbaren Faktor der Macht an die Hand. Munition war nicht nur nötig um das eigene Gebiet zu schützen oder das anderer Gangs zu erobern, es war auch Währungsmittel und Statussymbol. Wer Munition machen konnte, konnte in den Slums Politik und Könige machen.
Woher der Name "Flussmacher" stammte wusste niemand ganz genau zu sagen. Einige behaupteten es sei der Nachname des ursprünglichen Gründers gewesen. Andere meinten es bezog sich darauf, dass die Lieferungen von Munition alles im Fluss hielten und wieder andere verwiesen darauf, dass ein Treffer mit einer Kugel einen roten Fluss erzeugte. Natürlich war Aurelia kein direktes Mitglied der Gang. Dazu musste man nicht nur den Anführer Mean Dean so beeindrucken, dass er einem die generelle Erlaubnis gab, sondern auch einige sehr spezielle Aufnahmeprüfungen erfüllen. Die Gang verstand sich als eine elitäre Gruppe, die Loyalität und Können über schiere Masse stellte. Immerhin mussten die Mitglieder Dean so ergeben sein, dass sie bereit waren im Falle eines Angriffes, welchen sie nicht mit bloßer Waffengewalt zurückschlagen konnten, die gesamte Fabrik in die Luft zu jagen. Nur das Wissen, dass die Flussmacher diesen letzten Schritt wenn nötig gehen würden, hielten andere Gruppierungen davon ab die Fabrik permanent anzugreifen und zu versuchen sie unter ihre Kontrolle zu bringen.
Aurelia war mehr so eine Art Angestellte. Sie und ihre Kollegen hatten alle ein paar ganz spezielle Fähigkeiten, welche sie für die Produktion von Kugeln, Raketen und Granaten wichtig machten. Sie selbst vereinte dabei gleich mehrere Kriterien in sich. Sie wusste wie man Kugeln für Handfeuerwaffen presste und sie war außerdem jung und gesund. Sie würde für die Gang also noch längere Zeit von Nutzen sein. Im Gegenzug bekam sie Schutz, jedenfalls solange sie sich auf dem Gelände der Fabrik aufhielt und wurde in mehr oder minder regelmäßigen Abständen mit Munition bezahlt, wodurch sie ein gutes Auskommen hatte.
Aurelia erreichte das Tor.
Die Fabrik war eines der wenigen Gebäude, das noch auch den Zeiten stand, in denen hier feste Bauwerke und keine windschiefen Hütten die Normalität gewesen waren. Es bestand aus zwei Hallen aus Backstein. Bis auf drei Meter Höhe waren die Hallen mit Metallschrott verkleidet, um gegen Beschuss geschützt zu sein. Wer wusste schon was früher in diesen Hallen gewesen war? Fischverarbeitung vielleicht oder eine Schlachterei. Das Verwaltungsgebäude, ebenfalls aus Backstein aber in einem etwas verspielteren Stil, war Wohnsitz und Hauptquartier von Mean Dean. In einem anderen Kontext wäre das Gebäude keinen zweiten Blick wert gewesen. In den Slums kam es einem Palast gleich. Um das gesamte Gelände erstreckte sich eine Mauer aus Schrott und Schutt, auf der Wachen patrouillieren konnten und die an den vier Eckpunkten Wachtürme aufwiesen. Eine regelrechte kleine Festung. In der vorderen Lagerhalle befanden sich die Produktionsstätten, in der hinteren lagerte die Gang ihre Ausrüstung und ihre Fahrzeuge.
Lauri und Iraf hatten heute Torwache. Beide musterten die Arbeiter ganz genau und kontrollierten nach dem Zufallsprinzip einige Taschen. Lauri nickte Aurelia zu, als diese passierte und sparte sich eine Kontrolle.
Ihre Schicht konnte beginnen.