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Haus der Stürme
#6
Zeit ist kostbar. Ein Embryo strebt dem Wachsen nach, nur um Jahrzehnte später wieder zu verwelken wie eine Blume ohne Wasser. Zeit ist Geld. Doch sie spielt nur den Hochgeborenen und Reichen zu, während das arbeitende Volk unter deren gen Himmel ragenden Palästen im Dreck erstickt. So fechtet also jeder seinen eigenen Kampf gegen die Zeit, oder lässt sie im Gegenteil für sich arbeiten. Doch allem voran ist Zeit immer relativ. Minuten unter Anspannung konnten sich gefühlt wie Stunden ziehen, während eine Stunde voller Glück nur so an einem vorbeirauschen mag. Die Anderswelt hingegen verspottete die Zeit. Seit jeher richteten seine Bewohner ihre gierigen Augen auf die Grenzen ihres Raumes, amüsiert durch die quälend rudernden Bewegungen der minderwertigen Geschöpfe auf der anderen Seite. Viele wurden durch den Fluss der Zeit angespült und viele wurden von diesem wieder davon gerissen. Die Alten dieser anderen Welt hatten Sie alle gesehen. Sie hatten neugierig ihre Klauen durch die gemeinsame Grenze gereckt und nach willigen Körpern gegriffen. Durch sie durchstießen sie die natürliche Hürde und die ersten ihrer Art genossen die neuen Sinneseinflüsse der Welt hinter der Wand, die überall und doch nirgendwo existierte. Es kam einem Rausch gleich, weckte das Bedürfnis in der anderen Welt dauerhaft Fuß zu fassen und mit den dort existierenden Geschöpfen ihre Zeit zu vertreiben. Davon hatten sie schließlich genug, denn trotz all der Manifestationen lagen ihre Wurzeln nicht im Diesseits, sondern im Warp. Hier existierte keine Zeit. Zumindest nicht in diesem Sinne, wie man sie mit der anderen Seite - Kleingeister bezeichneten sie gerne als Realwelt - hätte vergleichen können. Nur Eingeweihte der Realwelt wissen um den dunklen Schleier der beide Welten voneinander trennt. Vielerorts stellt der Schleier eine Barriere dar, die in ihrer Festigkeit einer Felswand gleich kommt und nur an wenigen Stellen durchbrochen werden kann. Allein die talentiertesten Geschöpfe vermögen hier nach Belieben ein Fenster zur anderen Seite aufzustoßen und ihren Blick in die Ferne schweifen zu lassen, die dort vorherrschenden Energie in die reale Welt umzuleiten oder gar die fremde Welt mit ihrem Geist zu bereisen. Viele Narren hatten sich dabei schon versucht und verirrten sich in wirren Strängen. Während sie Minuten nach einem Pfad suchten war ihre sterbliche Hülle bereits zu Staub verfallen, nur um Augenblicke später ihre Seele an einen der Jäger zu verlieren, verschlungen in ewiger Finsternis.

Die Hülle des Schwarzkünstlers verharrte bereits seit mehreren Tagen in gleicher Pose. Niemand war in den Hallen zugegen. Niemand der ihn störte. Niemand der ihn in einem ausweglosen Versuch hätte retten können. Seit Tagen rief er einen Namen durch den Äther, doch der Ruf blieb unbeantwortet. Im seinem Empfinden verweilte er erst seit wenigen Augenblicken, doch war er erfahren genug zu wissen wann und wo er seine Reise abbrechen musste. Es war als tauche er durch ein endloses Meer, das schützende Land fest im Hinterkopf. Den Blick zur Wasseroberfläche gerichtet sah er endlose Lichtstrahlen in das Wasser einfallen, während die Tiefen unter ihm unheilvoll jedes Licht verschlangen. Er spürte dort unten verborgene Präsenzen, die geduldig ihre Kreise auf der Suche nach Beute zogen. Den Blick wieder gen Oberfläche gerichtet konnte er schließlich verschwommen die Bauten einer großen Stadt deuten. Jeder dünne Lichtstrahl den er dort passierte konnte er entfernt beobachten und vage dessen Emotionen aufnehmen. Auch hier blieb sein Ruf unbeantwortet. Das Licht tanzte weiter ungetrübt über ihn hinweg, ohne das eine Reaktion erfolgte.

"Wer bist du?" Die Stimme war tief und hallend, nicht wirklich gesprochen, als viel mehr in die Gedanken des Reisenden gepflanzt. Die Quelle war für ihn erst nicht auszumachen, ehe ein dünner aber heller Lichtstrahl sich von den anderen hervortat.
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