08-24-2015, 10:00 PM
Die wunderbare Welt der Tiere!
Von Prof. Ignatz Schnabelmayer
(Fortsetzung von "Unerwarteter Fang")
Die Untersuchung des geborgenen Meerestier findet nicht unter idealen Bedingungen statt, soviel sei vorweg gesagt. Trotz der niedrigen Temperaturen im Kühlraum unseres Schiffes, weist der Körper bereits eindeutige Spuren des Verfalls auf und ich versuche daher soviel Informationen wie möglich zu sichern. Bei mir ist Dr. Smolled, der Schiffsarzt. Zum einen assestiert er mir aus wissenschaftlichem Interesse, zum anderen dient er als akademischer Beisitzer, welcher die Entdeckung bezeugen kann. Bei diesen Aufzeichnungen handelt es sich um den verschriftlichten Text einer Tonaufnahme, welche während der Autopsie gemacht wurde. Die Anpassungen für den Guardian, zum Zwecke der besseren Verständlichkeit für den Leser, wurden anschließend von mir vorgenommen. Die Namensgebung fällt zugegebener Maßen recht martialisch aus und entstand unter dem Eindruck des überlebten Kampfes mit der Kreatur. Auch ist die Benennung eine kleine Anerkennung des Opfers des braven Grauer, der immerhin zwei Finger an das Tier verlor.
Anthropophagus Gigas / Tiefenschrecken
(Die Zeichnung wurde nach groben Skizzen des Professors von unserem hauseigenen Künstler angefertigt)
Es sei dem Lesenden gesagt, dass er sich glücklich schätzen kann, nicht dem infernalischem Gestank ausgesetzt zu sein, mit dem sich Dr. Smolled und Ich konfrontiert sahen. Uns beiden waren wir die Gerüche der Verwesung keineswegs fremd, doch dieses Konglomerat aus Miasmen führt selbst unsere Mägen an die Grenze des Erträglichen. Mit Mundschutz und Richsalbe unter der Nase machen wir uns alsdann ans Werk.
Als äußere Merkmale dokumentierten wir sechs Beinpaare, wie man sie bei vielen Krebsartiegen finden kann. Der Körper ist lange streckt und in einen unbeweglichen Vorderleib und in einen beweglichen Hinterleib gegliedert. Beides ist von einem starken, am Hinterleib segmentierten Carapax, schildartig umschlossen. Wie robust dieser Körperpanzer ist haben wir am eigenen Leib erfahren, als er sogar Pistolenkugeln standhielt. Das Tier verfügt über keine Scheren. Vielmehr sind die vorderen Beinpaare extrem verstärkt und laufen in verhärtete Spitzen aus. Das diese zur Verteidigung bzw. zum Erlegen von Beute dienen scheint offensichtlich, griff uns der Meeresbewohner doch mit diesen Waffen ebenso an, wie mit seinen Zähnen. Das hier Zähne zu finden sind kann wohl auf das Fehlen von Zangen zurückgeführt werden. Da Beute nicht durch die gezahnten Kanten von Scheren zerkleinert werden können, muss diese Arbeit von den Zähnen übernommen werden. Tatsächlich musste unsere Untersuchung des Mundraumes mit äußerster Bedachtheit vorgenommen werden, da die Zähne die Schärfe von Rasiermessern aufwiesen und wir uns noch immer schlimm hätten verletzen können. Bei der Begrifflichkeit sei hier erwähnt, dass die Zähne nicht mit denen von Fischen oder Säugetieren verglichen werden können. Vielmehr handelt es sich um Auswüchse des Carapax, welch starr dem Schild entsprießen und nicht separat im Kiefer verankert sind. Unterstützt wird dies durch zwei kleine Mundwerkzeuge, welche eine Beute festhalten können und das Zerkleinern so erleichtern. Die Augen sind interessanterweise voll entwickelt, verhältnismäßig klein und von runder Form. Da das Geschöpf wohl an der Peripherie zur Tiefsee beheimatetet sein dürfte, kommt den Augen dennoch eher keine allzu wichtige Funktion bei der Jagd zu. Dies obliegt eher den Antennen. Von diesen gibt es sechs in unterschiedlicher Länge. Es ist nicht ganz ersichtlich, ob das Tier die Antennen aus eigener Kraft bewegen konnte, bzw. wie stark es das konnte. Der Aufbau der Antennen erinnert in erster Linie an Anhängsel, welche durch Strömung in Bewegung versetzt wird. Ob dies der Wahrheit entspricht lässt sich allerdings anhand des toten Tieres nicht mehr feststellen. Ein weiterer und offensichtlich festzustellender Faktor ist die starke Biolumineszenz. Ich meine mich zu entsinnen, dass schon während unserer unheimlichen Kampfes mit der lebendigen Kreatur ein Leuchten festzustellen war. Inzwischen ist dieser Effekt nur noch schwach wahrnehmbar. Hier haben wir es wohl mit symbiotischen Leuchtbakterien zu tun, die in großflächigen Membranen am Unterbauch konzentriert sind. Die Funktion scheint klar. Das Anlocken von Beutetieren zu einer Stelle nah der Beine und des Mauls.
Im Folgenden öffnete ich mit Hilfe Dr. Smolleds den Kadaver an der Unterseite. Trotz der Weichheit der Unterseite benötigten wir brachiales Werkzeug um den Körper zu öffnen. Die Entnahme der Organe und ihre detaillierte Beschreibung spare ich für den Bericht des Artikels aus und verweise auf spätere, wissenschaftliche Publikationen und möchte an dieser Stelle lieber einige Überlegungen anstellen, welche sich auf die pure Existenz dieses Wesens beziehen.
In der Geschichte der koronischen Seefahrt lassen sich immer wieder Legenden und vermeintliche Augenzeugenberichte von gigantischen Meereskreaturen finden. Allzu oft werden diese Erzählungen von der Wissenschaft als Fantasie oder Seemanssgarn abgetan. Dem gegenüber steht die Tatsache, dass die Erforschung des Planeten und gerade die der Ozeane lückenhaft genannt werden kann. Bedenkt man die schiere Größe des Wesens und spinnt diesen Faden weiter, dann muss man davon ausgehen, dass das Tier nicht an der Spitze der Nahrungskette stehen muss. Die Fressfeinde unseres Gastes aus der Tiefe müssen wahrhaft fantastische Ausmaße aufweisen. Lässt man den Gedanken in diese Richtung freien Lauf, so wird man unweigerlich bei den horniger Schöpfungsmythen landen, welche immerhin ein titanisches Seeungeheuer zum Inhalt haben. Auch die Berichte von Anomalocaris, groß genug um ganze Schiffe in ihr nasses Verderben zu ziehen, werden zwar von Wissenschaftlern belächelt, unter Seeleuten aber nicht einmal in Frage gestellt. Die akademische Elite Korons muss sich leider in der Mehrzahl den Vorwurf gefallen lassen, es sich im Elfenbeinturm sehr bequem gemacht zu haben und die Feldforschung zusehends zu scheuen. Gewiss, die Erkenntnisse sind hier in der Lage einem die Finger von der neugierig ausgestreckten Hand abzubeißen. Doch der Erkenntnisdrang darf sich von solchen Risiken niemals bremsten lassen. Ich jedenfalls bin auf die Dinge gespannt, welche des Aufspürens noch harren.
Bis dahin verbleibe ich Ihr ergebener,
Ignatz Schnabelmayer
Bleiben Sie wissbegierig
Art by Yefim Kligerman
Von Prof. Ignatz Schnabelmayer
(Fortsetzung von "Unerwarteter Fang")
Die Untersuchung des geborgenen Meerestier findet nicht unter idealen Bedingungen statt, soviel sei vorweg gesagt. Trotz der niedrigen Temperaturen im Kühlraum unseres Schiffes, weist der Körper bereits eindeutige Spuren des Verfalls auf und ich versuche daher soviel Informationen wie möglich zu sichern. Bei mir ist Dr. Smolled, der Schiffsarzt. Zum einen assestiert er mir aus wissenschaftlichem Interesse, zum anderen dient er als akademischer Beisitzer, welcher die Entdeckung bezeugen kann. Bei diesen Aufzeichnungen handelt es sich um den verschriftlichten Text einer Tonaufnahme, welche während der Autopsie gemacht wurde. Die Anpassungen für den Guardian, zum Zwecke der besseren Verständlichkeit für den Leser, wurden anschließend von mir vorgenommen. Die Namensgebung fällt zugegebener Maßen recht martialisch aus und entstand unter dem Eindruck des überlebten Kampfes mit der Kreatur. Auch ist die Benennung eine kleine Anerkennung des Opfers des braven Grauer, der immerhin zwei Finger an das Tier verlor.
Anthropophagus Gigas / Tiefenschrecken
(Die Zeichnung wurde nach groben Skizzen des Professors von unserem hauseigenen Künstler angefertigt)
Es sei dem Lesenden gesagt, dass er sich glücklich schätzen kann, nicht dem infernalischem Gestank ausgesetzt zu sein, mit dem sich Dr. Smolled und Ich konfrontiert sahen. Uns beiden waren wir die Gerüche der Verwesung keineswegs fremd, doch dieses Konglomerat aus Miasmen führt selbst unsere Mägen an die Grenze des Erträglichen. Mit Mundschutz und Richsalbe unter der Nase machen wir uns alsdann ans Werk.
Als äußere Merkmale dokumentierten wir sechs Beinpaare, wie man sie bei vielen Krebsartiegen finden kann. Der Körper ist lange streckt und in einen unbeweglichen Vorderleib und in einen beweglichen Hinterleib gegliedert. Beides ist von einem starken, am Hinterleib segmentierten Carapax, schildartig umschlossen. Wie robust dieser Körperpanzer ist haben wir am eigenen Leib erfahren, als er sogar Pistolenkugeln standhielt. Das Tier verfügt über keine Scheren. Vielmehr sind die vorderen Beinpaare extrem verstärkt und laufen in verhärtete Spitzen aus. Das diese zur Verteidigung bzw. zum Erlegen von Beute dienen scheint offensichtlich, griff uns der Meeresbewohner doch mit diesen Waffen ebenso an, wie mit seinen Zähnen. Das hier Zähne zu finden sind kann wohl auf das Fehlen von Zangen zurückgeführt werden. Da Beute nicht durch die gezahnten Kanten von Scheren zerkleinert werden können, muss diese Arbeit von den Zähnen übernommen werden. Tatsächlich musste unsere Untersuchung des Mundraumes mit äußerster Bedachtheit vorgenommen werden, da die Zähne die Schärfe von Rasiermessern aufwiesen und wir uns noch immer schlimm hätten verletzen können. Bei der Begrifflichkeit sei hier erwähnt, dass die Zähne nicht mit denen von Fischen oder Säugetieren verglichen werden können. Vielmehr handelt es sich um Auswüchse des Carapax, welch starr dem Schild entsprießen und nicht separat im Kiefer verankert sind. Unterstützt wird dies durch zwei kleine Mundwerkzeuge, welche eine Beute festhalten können und das Zerkleinern so erleichtern. Die Augen sind interessanterweise voll entwickelt, verhältnismäßig klein und von runder Form. Da das Geschöpf wohl an der Peripherie zur Tiefsee beheimatetet sein dürfte, kommt den Augen dennoch eher keine allzu wichtige Funktion bei der Jagd zu. Dies obliegt eher den Antennen. Von diesen gibt es sechs in unterschiedlicher Länge. Es ist nicht ganz ersichtlich, ob das Tier die Antennen aus eigener Kraft bewegen konnte, bzw. wie stark es das konnte. Der Aufbau der Antennen erinnert in erster Linie an Anhängsel, welche durch Strömung in Bewegung versetzt wird. Ob dies der Wahrheit entspricht lässt sich allerdings anhand des toten Tieres nicht mehr feststellen. Ein weiterer und offensichtlich festzustellender Faktor ist die starke Biolumineszenz. Ich meine mich zu entsinnen, dass schon während unserer unheimlichen Kampfes mit der lebendigen Kreatur ein Leuchten festzustellen war. Inzwischen ist dieser Effekt nur noch schwach wahrnehmbar. Hier haben wir es wohl mit symbiotischen Leuchtbakterien zu tun, die in großflächigen Membranen am Unterbauch konzentriert sind. Die Funktion scheint klar. Das Anlocken von Beutetieren zu einer Stelle nah der Beine und des Mauls.
Im Folgenden öffnete ich mit Hilfe Dr. Smolleds den Kadaver an der Unterseite. Trotz der Weichheit der Unterseite benötigten wir brachiales Werkzeug um den Körper zu öffnen. Die Entnahme der Organe und ihre detaillierte Beschreibung spare ich für den Bericht des Artikels aus und verweise auf spätere, wissenschaftliche Publikationen und möchte an dieser Stelle lieber einige Überlegungen anstellen, welche sich auf die pure Existenz dieses Wesens beziehen.
In der Geschichte der koronischen Seefahrt lassen sich immer wieder Legenden und vermeintliche Augenzeugenberichte von gigantischen Meereskreaturen finden. Allzu oft werden diese Erzählungen von der Wissenschaft als Fantasie oder Seemanssgarn abgetan. Dem gegenüber steht die Tatsache, dass die Erforschung des Planeten und gerade die der Ozeane lückenhaft genannt werden kann. Bedenkt man die schiere Größe des Wesens und spinnt diesen Faden weiter, dann muss man davon ausgehen, dass das Tier nicht an der Spitze der Nahrungskette stehen muss. Die Fressfeinde unseres Gastes aus der Tiefe müssen wahrhaft fantastische Ausmaße aufweisen. Lässt man den Gedanken in diese Richtung freien Lauf, so wird man unweigerlich bei den horniger Schöpfungsmythen landen, welche immerhin ein titanisches Seeungeheuer zum Inhalt haben. Auch die Berichte von Anomalocaris, groß genug um ganze Schiffe in ihr nasses Verderben zu ziehen, werden zwar von Wissenschaftlern belächelt, unter Seeleuten aber nicht einmal in Frage gestellt. Die akademische Elite Korons muss sich leider in der Mehrzahl den Vorwurf gefallen lassen, es sich im Elfenbeinturm sehr bequem gemacht zu haben und die Feldforschung zusehends zu scheuen. Gewiss, die Erkenntnisse sind hier in der Lage einem die Finger von der neugierig ausgestreckten Hand abzubeißen. Doch der Erkenntnisdrang darf sich von solchen Risiken niemals bremsten lassen. Ich jedenfalls bin auf die Dinge gespannt, welche des Aufspürens noch harren.
Bis dahin verbleibe ich Ihr ergebener,
Ignatz Schnabelmayer
Bleiben Sie wissbegierig
Art by Yefim Kligerman