02-07-2015, 01:20 AM
Unerwarteter Fang
Mit einiger Überraschung wurde der Brief wahrgenommen, welcher am heutigen Tage im Posteingang der Redaktion lag. Niemand anderes, als Professor Schnabelmayer, Zoologe und freier Autor für den Guardian, schrieb uns. Das Schreiben selbst, stammte dabei nur inhaltlich aus der Feder des Professors, denn seine Reise bedingt es, dass er seine Nachrichten per Impulssender an einen Empfänger schickt, von welchem aus das Gesendete auf altbekanntem Wege weitergeleitet wird.
Der Professor, bekannt durch die beliebte Rubrik „Die wunderbare Welt der Tiere“ befindet sich momentan auf seiner lange geplanten Weltreise. So erwarteten wir zwar Berichte von exotischen Erlebnissen und noch exotischeren Tieren zugesandt zu bekommen, doch dies kaum vor Beginn des neuen Jahres. Warum uns nun doch ein Schreiben erreichte, können sie den Zeilen des Professors nachstehend selber entnehmen.
gez. Die Red.
Wir glauben unsere Ozeane zu kennen, glauben zu wissen, dass sie auf Grund starker Verschmutzungen beinahe von tierischen Leben entvölkert sind und wir es lediglich der Gnade des Gottkaisers zu verdanken haben, dass der Nutzfisch Nummer Eins, der unverwüstliche Beißer, sich als stärker erweist, als unsere Rücksichtslosigkeit. Doch die Natur Korons ist widerstandsfähiger als wir, die wir in unseren Enklaven der Zivilisation sitzen, zu glauben meinen. Mir selbst hat sich diese Tatsache einmal mehr bewiesen und ist Grund genug, meine publizistische Abstinenz zu unterbrechen. Wie sich einige Leser erinnern mögen, beschäftigte sich meine Rubrik im Guardian mit der vielfältigen Tierwelt unseres Heimatplaneten. Persönliche Belange und die endlich angetretene Weltreise, zeichneten für mein langes Schweigen verantwortlich.
Tatsächlich hatte ich auch nicht vor, dieses zum jetzigen Zeitpunkt bereits zu brechen, sondern beabsichtigte mich in Gänze auf den wissenschaftlichen Hintergrund meiner Etappen zu konzentrieren. Ohnehin ging ich davon aus, dass es kaum etwas auf der ersten Teilstrecke zu berichten gäbe, das über einen simplen Reisebericht hinausginge. Fauna bot das Schiff, der schmucke Dampfsegler Burmelan, ohnehin nicht, sah man von Seevögeln und der ein oder anderen Ratte im Unterdeck einmal ab. Nichts was das Interesse potenzieller Leser fesseln mochte und so entschied ich mich dazu erst einen Artikel zu verfassen, wenn es denn etwas von Aufsehen zu vermelden gäbe.
In der zweiten Woche unserer Reise, die von den Inseln der Primus Egressus an die Küsten Trostheims führen sollte, brachte ein unverhoffter Zwischenfall mich dazu diese Zeilen niederzuschreiben.
Unser Schiff fing das S.O.S. eines Hochseefischers auf, der unweit unseres Kurses in Seenot geraten schien. Die wagemutigen Männer und Frauen, die auf solchen kleinen Schiffen ihr täglich Brot im Kampf mit den Wellen verdienen, operieren oft Wochen und Monate lang auf hoher See. Dies tun sie, um die begehrten Speisefische und Meeresfrüchte, abseits der stark frequentierten Fangrouten, auf welchen die gewaltigen Verarbeitungsschiffe kreuzen, in die Netze zu bekommen.
Das Signal stellte sich als automatisiert heraus. Funkkontakt konnte nicht hergestellt und somit auch nicht mehr über den Ursprung der Notlage herausgefunden werden.
Kapitän Braun entschloss zwei Matrosen übersetzen zu lassen, um die Sache zu untersuchen. Da es der Zufall wollte, war ich bei Ausgabe dieser Befehle zugegen, da ich in den Abendstunden mit dem formidablen Braun eine Pfeife und einen Drink zu nehmen pflegte. Ich sah hier ein Chance gegeben, die tödliche Langeweile der bisherigen Reise zu bezwingen und bat ebenfalls mit an Bord gehen zu dürfen. Anfangs äußerte Braun seine Bedenken, ob der Tatsache in mir einen Zivilisten zu sehen und auf die Gefahr der stürmischen See hinweisend. Meine Hartnäckigkeit und der Umstand, dass ich zu der Expedition meine alte Dienstwaffe beisteuern konnte, überzeugten ihn jedoch endlich mich mitgehen zu lassen. Zusammen mit dem Matrosen Tucson und Grauer, beides einfache aber grundehrliche Burschen, bestieg ich das Beiboot und wir ruderten Richtung Fischer.
Der Wellengang war ordentlich und um eine Kollision zu vermeiden, hatte die Burmelan in einiger Entfernung die Maschinen gestoppt. Ruder und Außenbord mussten bemüht werden, um uns nahe genug an den Hochseekutter heranzuführen, auf das wir aufentern konnten. Das Vertäuen unserer kleinen Nussschale und das anschließende Erklettern unseres Zieles fielen dabei wahrlich abenteuerlich aus. Hätte der gute Grauer nicht im rechten Moment zugepackt, meine eigene Ungeschicktheit hätte mich dem schäumenden Grünen der Wellen überantwortet.
So standen wir jedoch bald keuchend an Deck der schwankenden Anna- Marie, die weder beleuchtet war, noch irgendeine Spur der Besatzung offenbarte.
Tatsächlich verlieh diese Abwesenheit jeglicher Aktivität dem Fischer die morbide Schauerstimmung eines Geisterschiffes, von denen ich bereits manches Seegarn zu hören bekommen hatte.
Tucson mit einem alten AG-17, ich mit meiner Pistole und Grauer mit einer starken Taschenlampe bewaffnet, machten wir uns daran das Schicksal der Mannschaft zu erkunden. Der Seegang hatte einiges angerichtet und die Netzbäume pendelten gefährlich umher, als wir uns Richtung Aufbauten bewegten. Über dem verlassen wirkenden Schiff hing ein beinahe unerträglicher Gestank nach verdorbenem Fisch, was darauf schließen ließ, dass mit dem Dieselmotor auch die Versorgung der Kühlaggregate versagt hatte.
Wir bahnten uns zielstrebig einen Weg ins Schiffsinnere und während ich auf der Brücke nach dem Rechten sah, durchsuchten die beiden Seeleute die Kajüten. Wir fanden keine Menschenseele, wohl aber konnten wir die Zahl der Besatzungsmitglieder entdecken, welche sich auf fünf Personen belief. Offenbar eine Fischerfamilie. Darüber hinaus verriet mir das Logbuch, dass die Anne- Marie aus Brunsberg stammte und bereits seit fünf Wochen unterwegs war. Als letzte Eintragung fand ich die nüchterne Dokumentation eines Tiefseefangversuches und technische Probleme mit einer der Seilwinden. Das S.O.S musste sich eingeschaltet haben, als die Elektronik eine Veränderung des Kurses registriert hatte oder vielleicht als der Motor sich abschaltete. Mit derlei, technischen Aspekten kenne ich mich zugegebener Maßen nicht aus.
Wir trafen uns im Gang vor der Brücke und teilten unsere Erkenntnisse. Alsdann beschlossen wir, gemeinsam den Laderaum aufzusuchen, den einzigen Ort, an welchem wir noch nicht gesucht hatten.
Der Gestank war bestialisch und mit schwindelte einen Moment davon. Eine schwere Prüfung für unsere Nasen, doch bei weitem nicht die schwerste, die uns hier erwartete.
Der Raum lag in beinahe völliger Dunkelheit, abgesehen von dem kleinen Streifen grauen Abendlichtes, welches durch den Schlitz der nicht ganz geschlossenen Verladeluke hereinfiel. Grauers Taschenlampe leistete uns hier gute Dienste. Ihr Licht wurde von den verworrenen Maschen eines Netzes zerschnitten und überall auf dem Boden lagen Berge aus verrottenden Fischen und umgeworfenen Kisten herum. Das Eis, welches man zur Kühlung verwendet hatte, war längst geschmolzen und mischte sich mit den aufgedunsenen Resten der Tiere zu einem infernalischen Sud.
In dieser ekelerregenden Brühe fanden wir schließlich auch die erste Leiche.
Oder das was davon noch übrig war. Dem Körper fehlten beide Beine, bessergesagt das Fleisch an den Knochen der Beine. Die Verwesung hatte bereits eingesetzt, doch konnte sie kaum die schrecklichen Wunden erklären, welche dem Leib allerorten geschlagen waren. In der verkrampfen Hand hielt der Tote eine Pistole. Einen Amoklauf hätte man hier wohl vermuten können, doch erklärte dieser kaum die Verletzungen. Tatsächlich fanden wir kurz darauf einen weiteren Leichnam, dieses mal den einer jungen Frau. Auch sie wies bösartige Verletzungen auf, so trieben etwa ihre Eingeweide, aus der zerfetzten Bauchhöhle quellend, in langen Schlingen im Wasser. Dem armen Tucson versagten die Nerven und er erbrach sich mit mitleiderregender Heftigkeit.
Während ich noch versuchte aus den Wunden schlau zu werden, übertönte ein Entsetzensschrei Grauers die Würgegeräusche seines Kameraden. Dem Strahl der Lampe folgend, hatte der Matrose einen dritten Kadaver entdeckt, welcher mit dem Oberkörper unter einem Berg Fische begraben lag. In dem Moment, als er sich dem Körper näherte, wurde dieser in die Anhäufung aus toten Meerestieren hineingezogen. Der erschrockene Grauer taumelte zurück, während ich zu ihm eilte. Ich hatte die Bewegung nur aus dem Augenwinkel wahrgenommen und hegte die Hoffnung, hier einen Überlebenden entdeckt zu haben.
Ich irrte mich!
Der Berg aus gammelndem Fisch explodierte förmlich, als etwas aus ihm hervorbrach. Ein besonders großer Fisch, ich rede mir zumindest ein es sei ein Fisch gewesen und nicht die Beine des unseligen Toten, trafen mich vor die Brust und warfen mich um. Ich konnte von Glück sprechen, dass es mir gelang wenigstens den Kopf oberhalb des stinkenden Pfuhls zu halten, in den ich stürzte.
Ein Tier hatte unter dem Hügel aus Fischkörpern gelegen und nun ging es zum Angriff über.
Alles schien gleichzeitig zu geschehen, während ich versuchte wieder auf die Beine zu kommen. Das Wesen war so groß wie ein kleines Carnak, doch erschreckend schnell für diese Ausmaße. Es stieß ein sonderbares Zischen aus und ging auf Grauer los.
Der schrie jetzt nicht mehr aus Schreck, sondern aus Schmerz.
Das Geschöpf hatte nach ihm geschnappt, bevor es ihm mit seiner schieren Masse beiseite stieß. Der Biss hatte dem Mann den zwei Finger gekostet. Doch das sollten wir erst später erfahren. Fauliges Wasser und Fisch nach allen Seiten verspritzend, wandte sich die Kreatur nun mir zu. Der Körper war lang und gepanzert, unzählige Beinpaare wimmelten unter dem Leib und erklärten die Geschwindigkeit dieses Meeresbewohners hier an künstlichem Land. Trotz meiner Angst, die zu leugnen ich nicht wagen würde, faszinierte mich das Tier. Im Halbdunkel lief eine grünliche Lumineszenz durch den Körper und pulsierte durch den Carapax hindurch.
Ein schauerlich schöner Anblick.
Der jedoch nicht über das Maul hinwegtäuschen konnte, welches sich gierig öffnete und Reihen unregelmäßiger und überaus zahlreicher Zähne entblößten. Mein erster gedanklicher Vergleich, suchte eine Verwandtschaft dieses Tieres bei den Krebsen. Doch hatte ich nie von einer Art gehört, die solche Ausmaße annahm und über Zähne verfügte. Auch ließ dieses Exemplar Scheren vermissen. Die vorderen Gliedmaßen verfügten stattdessen über Dornen, welche nach mit stießen und gewiss die Kraft gehabt hätten mich zu durchbohren. Endlich fasste ich mir ein Herz und feuerte meine Pistole auf die Kreatur ab. Auch der Kapitän der Anne- Marie hatte dies wohl versucht, die Bemühungen seine Familie zu schützen aber mit dem Leben bezahlt. Ich feuerte fünf Schuss aus nächster Nähe ab, von denen drei tatsächlich an den Panzerplatten des Krebses, oder was immer es war abprallten. Eine Kugel riss eine Antenne ab und ein Geschoss grub sich in das geifernde Antlitz des Tieres. Der Treffer reichte nicht aus den Angreifer zu fällen, trieb ihn jedoch zurück und verschaffte Tucson genügend Zeit, sich in den Kampf zu stürzen.
Und wie er dies tat!
Man sagt den Männern aus Trigara, im Besonderen jenen Waldbewohnern mit schwarzer oder kupferfarbener Haut, heißes Blut und ein furchtloses Herz nach. Ein Gerücht, welches der hünenhafte Tucson allemal bestätigte. Mochte der Anblick der Toten zuvor seinen Magen auch in die Knie gezwungen haben, nun wo es drauf ankam, zeigte er keine Schwäche. Den Abzug seines Sturmgewehres durchreißend, stürzte er sich auf das Wesen. Die Patronen dieser Waffe zeigten sehr viel mehr Wirkung als meine Pistole. Teile des Exo- Panzers und darunter liegender Weichteile, spritzten nach allen Seiten. Das Wesen versuchte sich in Tucsons Richtung zu drehen, doch der Matrose ließ ihm keine Gelegenheit dazu. Er rammte dem Tier das Bajonett in die Seite und feuerte brüllend den Rest seines Magazins in den zuckenden Leib. Eines der wirbelnden Beine riss ihm böse die Haut über dem Bauch auf, doch Tucson gab nicht nach.
Sich am Gewehr festklammernd, verhinderte er, dass sich der Krebs ganz zu ihm herumdrehen konnte und ihn damit in die Reichweite seiner Zähne brachte. Gleich einem Hund, der den eigenen Schwanz jagt. Ich hatte mich derweil genähert und versuchte meinerseits einen weiteren Schuss anzubringen. Bei dem wilden Tanz, welchen Mann und Seegeschöpf aufführten, war dies allerdings alles andere als einfach.
Endlich gelang es mir, dem sich aufbäumenden Tier in die Weichen des Unterleibes zu feuern. Sie können mir glauben, ungern tue ich einem lebendigem Geschöpf Gewalt, doch die Sicherheit meiner Begleiter stand hier über dem Wohl der Kreatur. Letztlich brach das tödlich getroffene Tier zusammen, auch wenn wohl davon auszugehen ist, dass dies mehr der Wirkung der Schnellfeuerwaffe als meine Pistolenschüssen zu verdanken war.
Sei es wie es sei, wir kümmerten uns um den verwundeten Grauer, dem Ring- und kleiner Finger von dem Krebs abgebissen wurden waren. Unser größte Sorge bestand in einer Infektion durch das brackige Wasser, doch während ich diese Zeilen schreibe, kann ich berichten, dass sich der Matrose diesbezüglich außer Gefahr befindet. So jedenfalls bestätigte es mir unser Schiffsarzt. Grauer nimmt seinen Verlust mit Humor und scherzt, dass ihm diese „wild gewordene Languste“ auch gut und gerne den ganzen Arm hätte abbeißen können.
Nachdem wir von der Anne- Marie evakuiert wurden waren, bekniete ich Kapitän Braun, die Überreste des Wesens an Bord holen und untersuchen zu dürfen. Er weigerte sich und wollte diesen „Teufel aus den schwärzesten Abgründen der Tiefe“, wie er sich auszudrücken beliebte, nicht die Planken seines Schiffes berühren lassen. Ich setzte all meine Überredungskunst ein und beschwor ihn, dass ein solches Wesen noch niemals in der Literatur erwähnt wurde, jedenfalls nicht nach dem großen Krieg. Allein, es bedurfte des Versprechens einer Kiste besten Morrländer Brandwhiskys, um ihn endlich, grummelnd zustimmen zu lassen. Eine zweite Gruppe Matrosen setzt noch einmal über und barg meinen schauerlichen, aber gleichwohl wertvollen Schatz.
Er wurde in den Kühlraum des Schiffes verbracht und wenn es mir auch in den Fingern juckt meine Untersuchungen heute noch zu beginnen, so zwinge ich mich doch dazu bis morgen zu warten. Zum einen tue ich dies, indem ich Ihnen, werter Leser, diese Zeilen schreibe und zum anderen, indem ich mich anschließend zur Nachtruhe begebe. Gleich morgen werde ich dann unseren Besucher aus dem Dunkel des Ozeans näher in Augenschein nehmen. Dem Interessierten wird das Ergebnis natürlich nicht vorenthalten und ich werde meinen Einwegimpulssender schnellstmöglich aufladen und das Geschriebene an den Verteiler und somit an den Guardian weiterleiten.
Bis dahin verbleibe ich Ihr ergebener,
Ignatz Schnabelmayer
Das war sie also, die Schilderung unseres geschätzten Professors.
Sobald seine Ergebnisse bei uns eintreffen, werden sie unserer geneigten Leserschaft in einer Rubrik der „Wunderbaren Welt der Tiere“, selbstredend präsentiert.
Mit einiger Überraschung wurde der Brief wahrgenommen, welcher am heutigen Tage im Posteingang der Redaktion lag. Niemand anderes, als Professor Schnabelmayer, Zoologe und freier Autor für den Guardian, schrieb uns. Das Schreiben selbst, stammte dabei nur inhaltlich aus der Feder des Professors, denn seine Reise bedingt es, dass er seine Nachrichten per Impulssender an einen Empfänger schickt, von welchem aus das Gesendete auf altbekanntem Wege weitergeleitet wird.
Der Professor, bekannt durch die beliebte Rubrik „Die wunderbare Welt der Tiere“ befindet sich momentan auf seiner lange geplanten Weltreise. So erwarteten wir zwar Berichte von exotischen Erlebnissen und noch exotischeren Tieren zugesandt zu bekommen, doch dies kaum vor Beginn des neuen Jahres. Warum uns nun doch ein Schreiben erreichte, können sie den Zeilen des Professors nachstehend selber entnehmen.
gez. Die Red.
Wir glauben unsere Ozeane zu kennen, glauben zu wissen, dass sie auf Grund starker Verschmutzungen beinahe von tierischen Leben entvölkert sind und wir es lediglich der Gnade des Gottkaisers zu verdanken haben, dass der Nutzfisch Nummer Eins, der unverwüstliche Beißer, sich als stärker erweist, als unsere Rücksichtslosigkeit. Doch die Natur Korons ist widerstandsfähiger als wir, die wir in unseren Enklaven der Zivilisation sitzen, zu glauben meinen. Mir selbst hat sich diese Tatsache einmal mehr bewiesen und ist Grund genug, meine publizistische Abstinenz zu unterbrechen. Wie sich einige Leser erinnern mögen, beschäftigte sich meine Rubrik im Guardian mit der vielfältigen Tierwelt unseres Heimatplaneten. Persönliche Belange und die endlich angetretene Weltreise, zeichneten für mein langes Schweigen verantwortlich.
Tatsächlich hatte ich auch nicht vor, dieses zum jetzigen Zeitpunkt bereits zu brechen, sondern beabsichtigte mich in Gänze auf den wissenschaftlichen Hintergrund meiner Etappen zu konzentrieren. Ohnehin ging ich davon aus, dass es kaum etwas auf der ersten Teilstrecke zu berichten gäbe, das über einen simplen Reisebericht hinausginge. Fauna bot das Schiff, der schmucke Dampfsegler Burmelan, ohnehin nicht, sah man von Seevögeln und der ein oder anderen Ratte im Unterdeck einmal ab. Nichts was das Interesse potenzieller Leser fesseln mochte und so entschied ich mich dazu erst einen Artikel zu verfassen, wenn es denn etwas von Aufsehen zu vermelden gäbe.
In der zweiten Woche unserer Reise, die von den Inseln der Primus Egressus an die Küsten Trostheims führen sollte, brachte ein unverhoffter Zwischenfall mich dazu diese Zeilen niederzuschreiben.
Unser Schiff fing das S.O.S. eines Hochseefischers auf, der unweit unseres Kurses in Seenot geraten schien. Die wagemutigen Männer und Frauen, die auf solchen kleinen Schiffen ihr täglich Brot im Kampf mit den Wellen verdienen, operieren oft Wochen und Monate lang auf hoher See. Dies tun sie, um die begehrten Speisefische und Meeresfrüchte, abseits der stark frequentierten Fangrouten, auf welchen die gewaltigen Verarbeitungsschiffe kreuzen, in die Netze zu bekommen.
Das Signal stellte sich als automatisiert heraus. Funkkontakt konnte nicht hergestellt und somit auch nicht mehr über den Ursprung der Notlage herausgefunden werden.
Kapitän Braun entschloss zwei Matrosen übersetzen zu lassen, um die Sache zu untersuchen. Da es der Zufall wollte, war ich bei Ausgabe dieser Befehle zugegen, da ich in den Abendstunden mit dem formidablen Braun eine Pfeife und einen Drink zu nehmen pflegte. Ich sah hier ein Chance gegeben, die tödliche Langeweile der bisherigen Reise zu bezwingen und bat ebenfalls mit an Bord gehen zu dürfen. Anfangs äußerte Braun seine Bedenken, ob der Tatsache in mir einen Zivilisten zu sehen und auf die Gefahr der stürmischen See hinweisend. Meine Hartnäckigkeit und der Umstand, dass ich zu der Expedition meine alte Dienstwaffe beisteuern konnte, überzeugten ihn jedoch endlich mich mitgehen zu lassen. Zusammen mit dem Matrosen Tucson und Grauer, beides einfache aber grundehrliche Burschen, bestieg ich das Beiboot und wir ruderten Richtung Fischer.
Der Wellengang war ordentlich und um eine Kollision zu vermeiden, hatte die Burmelan in einiger Entfernung die Maschinen gestoppt. Ruder und Außenbord mussten bemüht werden, um uns nahe genug an den Hochseekutter heranzuführen, auf das wir aufentern konnten. Das Vertäuen unserer kleinen Nussschale und das anschließende Erklettern unseres Zieles fielen dabei wahrlich abenteuerlich aus. Hätte der gute Grauer nicht im rechten Moment zugepackt, meine eigene Ungeschicktheit hätte mich dem schäumenden Grünen der Wellen überantwortet.
So standen wir jedoch bald keuchend an Deck der schwankenden Anna- Marie, die weder beleuchtet war, noch irgendeine Spur der Besatzung offenbarte.
Tatsächlich verlieh diese Abwesenheit jeglicher Aktivität dem Fischer die morbide Schauerstimmung eines Geisterschiffes, von denen ich bereits manches Seegarn zu hören bekommen hatte.
Tucson mit einem alten AG-17, ich mit meiner Pistole und Grauer mit einer starken Taschenlampe bewaffnet, machten wir uns daran das Schicksal der Mannschaft zu erkunden. Der Seegang hatte einiges angerichtet und die Netzbäume pendelten gefährlich umher, als wir uns Richtung Aufbauten bewegten. Über dem verlassen wirkenden Schiff hing ein beinahe unerträglicher Gestank nach verdorbenem Fisch, was darauf schließen ließ, dass mit dem Dieselmotor auch die Versorgung der Kühlaggregate versagt hatte.
Wir bahnten uns zielstrebig einen Weg ins Schiffsinnere und während ich auf der Brücke nach dem Rechten sah, durchsuchten die beiden Seeleute die Kajüten. Wir fanden keine Menschenseele, wohl aber konnten wir die Zahl der Besatzungsmitglieder entdecken, welche sich auf fünf Personen belief. Offenbar eine Fischerfamilie. Darüber hinaus verriet mir das Logbuch, dass die Anne- Marie aus Brunsberg stammte und bereits seit fünf Wochen unterwegs war. Als letzte Eintragung fand ich die nüchterne Dokumentation eines Tiefseefangversuches und technische Probleme mit einer der Seilwinden. Das S.O.S musste sich eingeschaltet haben, als die Elektronik eine Veränderung des Kurses registriert hatte oder vielleicht als der Motor sich abschaltete. Mit derlei, technischen Aspekten kenne ich mich zugegebener Maßen nicht aus.
Wir trafen uns im Gang vor der Brücke und teilten unsere Erkenntnisse. Alsdann beschlossen wir, gemeinsam den Laderaum aufzusuchen, den einzigen Ort, an welchem wir noch nicht gesucht hatten.
Der Gestank war bestialisch und mit schwindelte einen Moment davon. Eine schwere Prüfung für unsere Nasen, doch bei weitem nicht die schwerste, die uns hier erwartete.
Der Raum lag in beinahe völliger Dunkelheit, abgesehen von dem kleinen Streifen grauen Abendlichtes, welches durch den Schlitz der nicht ganz geschlossenen Verladeluke hereinfiel. Grauers Taschenlampe leistete uns hier gute Dienste. Ihr Licht wurde von den verworrenen Maschen eines Netzes zerschnitten und überall auf dem Boden lagen Berge aus verrottenden Fischen und umgeworfenen Kisten herum. Das Eis, welches man zur Kühlung verwendet hatte, war längst geschmolzen und mischte sich mit den aufgedunsenen Resten der Tiere zu einem infernalischen Sud.
In dieser ekelerregenden Brühe fanden wir schließlich auch die erste Leiche.
Oder das was davon noch übrig war. Dem Körper fehlten beide Beine, bessergesagt das Fleisch an den Knochen der Beine. Die Verwesung hatte bereits eingesetzt, doch konnte sie kaum die schrecklichen Wunden erklären, welche dem Leib allerorten geschlagen waren. In der verkrampfen Hand hielt der Tote eine Pistole. Einen Amoklauf hätte man hier wohl vermuten können, doch erklärte dieser kaum die Verletzungen. Tatsächlich fanden wir kurz darauf einen weiteren Leichnam, dieses mal den einer jungen Frau. Auch sie wies bösartige Verletzungen auf, so trieben etwa ihre Eingeweide, aus der zerfetzten Bauchhöhle quellend, in langen Schlingen im Wasser. Dem armen Tucson versagten die Nerven und er erbrach sich mit mitleiderregender Heftigkeit.
Während ich noch versuchte aus den Wunden schlau zu werden, übertönte ein Entsetzensschrei Grauers die Würgegeräusche seines Kameraden. Dem Strahl der Lampe folgend, hatte der Matrose einen dritten Kadaver entdeckt, welcher mit dem Oberkörper unter einem Berg Fische begraben lag. In dem Moment, als er sich dem Körper näherte, wurde dieser in die Anhäufung aus toten Meerestieren hineingezogen. Der erschrockene Grauer taumelte zurück, während ich zu ihm eilte. Ich hatte die Bewegung nur aus dem Augenwinkel wahrgenommen und hegte die Hoffnung, hier einen Überlebenden entdeckt zu haben.
Ich irrte mich!
Der Berg aus gammelndem Fisch explodierte förmlich, als etwas aus ihm hervorbrach. Ein besonders großer Fisch, ich rede mir zumindest ein es sei ein Fisch gewesen und nicht die Beine des unseligen Toten, trafen mich vor die Brust und warfen mich um. Ich konnte von Glück sprechen, dass es mir gelang wenigstens den Kopf oberhalb des stinkenden Pfuhls zu halten, in den ich stürzte.
Ein Tier hatte unter dem Hügel aus Fischkörpern gelegen und nun ging es zum Angriff über.
Alles schien gleichzeitig zu geschehen, während ich versuchte wieder auf die Beine zu kommen. Das Wesen war so groß wie ein kleines Carnak, doch erschreckend schnell für diese Ausmaße. Es stieß ein sonderbares Zischen aus und ging auf Grauer los.
Der schrie jetzt nicht mehr aus Schreck, sondern aus Schmerz.
Das Geschöpf hatte nach ihm geschnappt, bevor es ihm mit seiner schieren Masse beiseite stieß. Der Biss hatte dem Mann den zwei Finger gekostet. Doch das sollten wir erst später erfahren. Fauliges Wasser und Fisch nach allen Seiten verspritzend, wandte sich die Kreatur nun mir zu. Der Körper war lang und gepanzert, unzählige Beinpaare wimmelten unter dem Leib und erklärten die Geschwindigkeit dieses Meeresbewohners hier an künstlichem Land. Trotz meiner Angst, die zu leugnen ich nicht wagen würde, faszinierte mich das Tier. Im Halbdunkel lief eine grünliche Lumineszenz durch den Körper und pulsierte durch den Carapax hindurch.
Ein schauerlich schöner Anblick.
Der jedoch nicht über das Maul hinwegtäuschen konnte, welches sich gierig öffnete und Reihen unregelmäßiger und überaus zahlreicher Zähne entblößten. Mein erster gedanklicher Vergleich, suchte eine Verwandtschaft dieses Tieres bei den Krebsen. Doch hatte ich nie von einer Art gehört, die solche Ausmaße annahm und über Zähne verfügte. Auch ließ dieses Exemplar Scheren vermissen. Die vorderen Gliedmaßen verfügten stattdessen über Dornen, welche nach mit stießen und gewiss die Kraft gehabt hätten mich zu durchbohren. Endlich fasste ich mir ein Herz und feuerte meine Pistole auf die Kreatur ab. Auch der Kapitän der Anne- Marie hatte dies wohl versucht, die Bemühungen seine Familie zu schützen aber mit dem Leben bezahlt. Ich feuerte fünf Schuss aus nächster Nähe ab, von denen drei tatsächlich an den Panzerplatten des Krebses, oder was immer es war abprallten. Eine Kugel riss eine Antenne ab und ein Geschoss grub sich in das geifernde Antlitz des Tieres. Der Treffer reichte nicht aus den Angreifer zu fällen, trieb ihn jedoch zurück und verschaffte Tucson genügend Zeit, sich in den Kampf zu stürzen.
Und wie er dies tat!
Man sagt den Männern aus Trigara, im Besonderen jenen Waldbewohnern mit schwarzer oder kupferfarbener Haut, heißes Blut und ein furchtloses Herz nach. Ein Gerücht, welches der hünenhafte Tucson allemal bestätigte. Mochte der Anblick der Toten zuvor seinen Magen auch in die Knie gezwungen haben, nun wo es drauf ankam, zeigte er keine Schwäche. Den Abzug seines Sturmgewehres durchreißend, stürzte er sich auf das Wesen. Die Patronen dieser Waffe zeigten sehr viel mehr Wirkung als meine Pistole. Teile des Exo- Panzers und darunter liegender Weichteile, spritzten nach allen Seiten. Das Wesen versuchte sich in Tucsons Richtung zu drehen, doch der Matrose ließ ihm keine Gelegenheit dazu. Er rammte dem Tier das Bajonett in die Seite und feuerte brüllend den Rest seines Magazins in den zuckenden Leib. Eines der wirbelnden Beine riss ihm böse die Haut über dem Bauch auf, doch Tucson gab nicht nach.
Sich am Gewehr festklammernd, verhinderte er, dass sich der Krebs ganz zu ihm herumdrehen konnte und ihn damit in die Reichweite seiner Zähne brachte. Gleich einem Hund, der den eigenen Schwanz jagt. Ich hatte mich derweil genähert und versuchte meinerseits einen weiteren Schuss anzubringen. Bei dem wilden Tanz, welchen Mann und Seegeschöpf aufführten, war dies allerdings alles andere als einfach.
Endlich gelang es mir, dem sich aufbäumenden Tier in die Weichen des Unterleibes zu feuern. Sie können mir glauben, ungern tue ich einem lebendigem Geschöpf Gewalt, doch die Sicherheit meiner Begleiter stand hier über dem Wohl der Kreatur. Letztlich brach das tödlich getroffene Tier zusammen, auch wenn wohl davon auszugehen ist, dass dies mehr der Wirkung der Schnellfeuerwaffe als meine Pistolenschüssen zu verdanken war.
Sei es wie es sei, wir kümmerten uns um den verwundeten Grauer, dem Ring- und kleiner Finger von dem Krebs abgebissen wurden waren. Unser größte Sorge bestand in einer Infektion durch das brackige Wasser, doch während ich diese Zeilen schreibe, kann ich berichten, dass sich der Matrose diesbezüglich außer Gefahr befindet. So jedenfalls bestätigte es mir unser Schiffsarzt. Grauer nimmt seinen Verlust mit Humor und scherzt, dass ihm diese „wild gewordene Languste“ auch gut und gerne den ganzen Arm hätte abbeißen können.
Nachdem wir von der Anne- Marie evakuiert wurden waren, bekniete ich Kapitän Braun, die Überreste des Wesens an Bord holen und untersuchen zu dürfen. Er weigerte sich und wollte diesen „Teufel aus den schwärzesten Abgründen der Tiefe“, wie er sich auszudrücken beliebte, nicht die Planken seines Schiffes berühren lassen. Ich setzte all meine Überredungskunst ein und beschwor ihn, dass ein solches Wesen noch niemals in der Literatur erwähnt wurde, jedenfalls nicht nach dem großen Krieg. Allein, es bedurfte des Versprechens einer Kiste besten Morrländer Brandwhiskys, um ihn endlich, grummelnd zustimmen zu lassen. Eine zweite Gruppe Matrosen setzt noch einmal über und barg meinen schauerlichen, aber gleichwohl wertvollen Schatz.
Er wurde in den Kühlraum des Schiffes verbracht und wenn es mir auch in den Fingern juckt meine Untersuchungen heute noch zu beginnen, so zwinge ich mich doch dazu bis morgen zu warten. Zum einen tue ich dies, indem ich Ihnen, werter Leser, diese Zeilen schreibe und zum anderen, indem ich mich anschließend zur Nachtruhe begebe. Gleich morgen werde ich dann unseren Besucher aus dem Dunkel des Ozeans näher in Augenschein nehmen. Dem Interessierten wird das Ergebnis natürlich nicht vorenthalten und ich werde meinen Einwegimpulssender schnellstmöglich aufladen und das Geschriebene an den Verteiler und somit an den Guardian weiterleiten.
Bis dahin verbleibe ich Ihr ergebener,
Ignatz Schnabelmayer
Das war sie also, die Schilderung unseres geschätzten Professors.
Sobald seine Ergebnisse bei uns eintreffen, werden sie unserer geneigten Leserschaft in einer Rubrik der „Wunderbaren Welt der Tiere“, selbstredend präsentiert.