01-12-2014, 11:04 PM
Nach dem Lärm eines sich bewegenden Heerwurms waren die zwei folgenden Tage von Ruhe eingerahmt.
Der heißere Schrei eines Greifvogels oder das Rieseln losen Gesteins war alles, was an ihre Ohre drang. Abgesehen von dem steten Klappern der Carnakhufe, denn seit einiger Zeit reisten sie auf einer verlassenen Straße, die ihr Vorankommen deutlich erleichterte. Zwar gab es immer wieder die Zeugen von niedergegangenen Erdrutschen, doch da der Bewuchs auch weiterhin eher karg blieb, mussten sie sich nicht auch noch damit auseinandersetzen. So lenkten sie ihre Tier über den rissigen Asphalt, um Steinhaufen herum und von Zeit zu Zeit an den Überresten von Fahrzeugen vorbei. Letzte mussten hier schon Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte liegen und drohten zu rostigem Staub zu zerfallen, wenn man sie berührte.
Die Reisegemeinschaft blieb wortkarg, auch während der Rast des ersten Abends.
Die beiden Krieger hielten sich abseits, wohl um ihre Augen durch das Dungfeuer nicht für die Sicht bei Dunkelheit zu verderben. Die anderen schienen eine Art der Meditation zu praktizieren, lasen in altertümlich wirkenden Schriften oder waren untereinander in kurze, geflüsterte Dispute verwickelt. Allgemein schienen sie sehr unter sich zu bleiben und begegneten Juliette mit Geringschätzung, unverhohlener Arroganz oder gar mit völliger Missachtung ihrer Existenz. Dabei waren sie im Großteil nicht viel älter als die imperiale Wissenschaftlerin, einige sogar offenkundig jünger. Obendrein schien einer von ihnen aus Gohmor zu stammen, zumindest seinem Dialekt nach zu schließen. Er hörte auf den Namen Theobald, erübrige für Juliette jedoch nicht einmal einen missbilligenden Seitenblick. Auf welcher Grundlage ihre Überheblichkeit fußte blieb dabei unausgesprochen.
Am abendlichen Feuer war es Magal der die Flammen gelegentlich anfachte, den Blick in die Glut richtete und die Augen dann sinnend zum Firmament erhob. Sein Blick war dabei mal ausdruckslos, dann wieder konzentriert, oder gar heiter lächelnd.
Einer der Rasankuri hatten sie kurz vor der Dämmerung allein gelassen, um nach einer Stunde mit einer Erweiterung des Speiseplanes zurückzukehren. Sie hatten ein mageres Tier, von der Größe einer Beutelratte, erlegt. Es besaß kein Fell und hatte einen überflüssigen und verkümmerten, zusätzlichen Hinterlauf. Ungewürzt und zäh nicht gerade ein Hochgenuss, doch als Plus zu den jämmerlicher werdenden Rationen beschwerte sich keiner der Anwesenden laut. Einige lehnten das Fleisch ab, doch die Rasankuri schienen eher froh darüber, als aufgebracht über die Geringschätzung ihrer Fähigkeiten. So jedenfalls blieb mehr für sie.
Tagsüber rasteten sie kaum, wenn überhaupt um den Vierbeinern Ruhe zu gönnen.
Allein, als sie am Nachmittag des zweiten Tages einen Tunnel erreichten, stoppten sie. Die Betonröhre hatte in früheren Zeiten gewiss täglich viele hundert Automobile die Passage durch die Eingeweide des Berges gewährt, jetzt jedoch war es ein bedrohlich gähnender Schlund, still und lauernd. Immerhin gab die Beschriftung über und neben der Röhre einen Hinweis auf menschliche Erbauer. Kein Ungeheuer aus dem Märchen hatte hier einen Tunnel geschaffen, nur um Wegzoll zu erpressen oder den Reisenden letztlich sogar zu verschlingen. Eine alberne Vorstellung und doch... wirklich so abwegig? Stellte man sich nur vor, wie sich etwas Gewaltiges dort im Dunkeln zum Sprung nieder geduckt hatte, gerade außerhalb des Sichtbaren und mit aller Zeit der Welt auf den ersten Wagemutigen wartend.
Aber es gab sie ja, die Hinterlassenschaften der Erbauer.
"Öffentliche Straße 666 Landunterführung A-12" war da über dem Bogen zu lesen. Darunter stand im Relief und in gotischen Buchstaben ein Sinnspruch.
"Der kürzeste Weg zu dir selbst führt einmal um die Welt"
Ein erbauliches Sätzlein für Reisende, doch gewiss aus einer Zeit als der Stiefel des Imperiums weniger schwer auf Koron lastete. Auch gab es ein Verkehrsschild, welches Entfernungen mit der Abkürzung ELM angab. Geschichtsbewanderte erkannten darin das Kürzel für das lange außer Gebrauch seiende Einheitliche-Längenmaß.
Die ausgeschriebenen Städte am rechten Rand des Schildes waren jedoch von der hungerlosen Gier des Rostes unleserlich gemacht wurden.
Die beiden Rasankuri fertigten Fackeln, während der Rest sich zur erzwungen Pause vom Rücken der Tiere gleiten ließ. Nachdem die Krieger ihre Lichtquellen hergestellt und entzündet hatten, entsicherten sie ihre Waffen und schritten zur Erkundung in die Finsternis. Ihre flackernd erhellten Silhouetten waren zu erkennen bis eine Biegung sie auslöschte. Gut fünf Minuten blieben die maskierten Kämpfer unter dem Berg und als sie zurück kamen um Magal Bericht zu erstatten, hörte man sie, oder besser gesagt einen von ihnen, zum ersten Mal seit Beginn der Bergetappe sprechen.
Der Gang, dem Eingeweide nahe, ist frei und doch Herberge verwehter Schatten. Tode und ruhmreiches Sterben. Der Heer des Mordens hat dort gefeiert. Die Wand ist dünn, der Weg so sicher wie gefahrvoll. So wir gehen, schreiten wir tief. Es war der mit jener mutierten Haarpracht, der gesprochen hatte.
Wohl ohne diese Begrifflichkeit zu kennen, war Juliette soeben Zeuge des Klanges der dunklen Sprache geworden. Die Worte waren merkwürdig verworren und verschnörkelt und wollten weder in eine sinnhafte Aussprache passen, noch schienen sie in der Kehle dieses Mordbuben geboren. Auch waren nicht alle Worte auf Anhieb verständlich. Einige hatten beim Hören wie die gekrächzten Laute von Tieren geklungen und fast schon körperlich geschmerzt, nur um dann, so man einen Wimpernschlag später über das Vernommene nachsann, völlig klar und in ihrer merkwürdig theatralischen Art fast schon lyrisch zu erscheinen.
wird fortgesetzt...
Der heißere Schrei eines Greifvogels oder das Rieseln losen Gesteins war alles, was an ihre Ohre drang. Abgesehen von dem steten Klappern der Carnakhufe, denn seit einiger Zeit reisten sie auf einer verlassenen Straße, die ihr Vorankommen deutlich erleichterte. Zwar gab es immer wieder die Zeugen von niedergegangenen Erdrutschen, doch da der Bewuchs auch weiterhin eher karg blieb, mussten sie sich nicht auch noch damit auseinandersetzen. So lenkten sie ihre Tier über den rissigen Asphalt, um Steinhaufen herum und von Zeit zu Zeit an den Überresten von Fahrzeugen vorbei. Letzte mussten hier schon Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte liegen und drohten zu rostigem Staub zu zerfallen, wenn man sie berührte.
Die Reisegemeinschaft blieb wortkarg, auch während der Rast des ersten Abends.
Die beiden Krieger hielten sich abseits, wohl um ihre Augen durch das Dungfeuer nicht für die Sicht bei Dunkelheit zu verderben. Die anderen schienen eine Art der Meditation zu praktizieren, lasen in altertümlich wirkenden Schriften oder waren untereinander in kurze, geflüsterte Dispute verwickelt. Allgemein schienen sie sehr unter sich zu bleiben und begegneten Juliette mit Geringschätzung, unverhohlener Arroganz oder gar mit völliger Missachtung ihrer Existenz. Dabei waren sie im Großteil nicht viel älter als die imperiale Wissenschaftlerin, einige sogar offenkundig jünger. Obendrein schien einer von ihnen aus Gohmor zu stammen, zumindest seinem Dialekt nach zu schließen. Er hörte auf den Namen Theobald, erübrige für Juliette jedoch nicht einmal einen missbilligenden Seitenblick. Auf welcher Grundlage ihre Überheblichkeit fußte blieb dabei unausgesprochen.
Am abendlichen Feuer war es Magal der die Flammen gelegentlich anfachte, den Blick in die Glut richtete und die Augen dann sinnend zum Firmament erhob. Sein Blick war dabei mal ausdruckslos, dann wieder konzentriert, oder gar heiter lächelnd.
Einer der Rasankuri hatten sie kurz vor der Dämmerung allein gelassen, um nach einer Stunde mit einer Erweiterung des Speiseplanes zurückzukehren. Sie hatten ein mageres Tier, von der Größe einer Beutelratte, erlegt. Es besaß kein Fell und hatte einen überflüssigen und verkümmerten, zusätzlichen Hinterlauf. Ungewürzt und zäh nicht gerade ein Hochgenuss, doch als Plus zu den jämmerlicher werdenden Rationen beschwerte sich keiner der Anwesenden laut. Einige lehnten das Fleisch ab, doch die Rasankuri schienen eher froh darüber, als aufgebracht über die Geringschätzung ihrer Fähigkeiten. So jedenfalls blieb mehr für sie.
Tagsüber rasteten sie kaum, wenn überhaupt um den Vierbeinern Ruhe zu gönnen.
Allein, als sie am Nachmittag des zweiten Tages einen Tunnel erreichten, stoppten sie. Die Betonröhre hatte in früheren Zeiten gewiss täglich viele hundert Automobile die Passage durch die Eingeweide des Berges gewährt, jetzt jedoch war es ein bedrohlich gähnender Schlund, still und lauernd. Immerhin gab die Beschriftung über und neben der Röhre einen Hinweis auf menschliche Erbauer. Kein Ungeheuer aus dem Märchen hatte hier einen Tunnel geschaffen, nur um Wegzoll zu erpressen oder den Reisenden letztlich sogar zu verschlingen. Eine alberne Vorstellung und doch... wirklich so abwegig? Stellte man sich nur vor, wie sich etwas Gewaltiges dort im Dunkeln zum Sprung nieder geduckt hatte, gerade außerhalb des Sichtbaren und mit aller Zeit der Welt auf den ersten Wagemutigen wartend.
Aber es gab sie ja, die Hinterlassenschaften der Erbauer.
"Öffentliche Straße 666 Landunterführung A-12" war da über dem Bogen zu lesen. Darunter stand im Relief und in gotischen Buchstaben ein Sinnspruch.
"Der kürzeste Weg zu dir selbst führt einmal um die Welt"
Ein erbauliches Sätzlein für Reisende, doch gewiss aus einer Zeit als der Stiefel des Imperiums weniger schwer auf Koron lastete. Auch gab es ein Verkehrsschild, welches Entfernungen mit der Abkürzung ELM angab. Geschichtsbewanderte erkannten darin das Kürzel für das lange außer Gebrauch seiende Einheitliche-Längenmaß.
Die ausgeschriebenen Städte am rechten Rand des Schildes waren jedoch von der hungerlosen Gier des Rostes unleserlich gemacht wurden.
Die beiden Rasankuri fertigten Fackeln, während der Rest sich zur erzwungen Pause vom Rücken der Tiere gleiten ließ. Nachdem die Krieger ihre Lichtquellen hergestellt und entzündet hatten, entsicherten sie ihre Waffen und schritten zur Erkundung in die Finsternis. Ihre flackernd erhellten Silhouetten waren zu erkennen bis eine Biegung sie auslöschte. Gut fünf Minuten blieben die maskierten Kämpfer unter dem Berg und als sie zurück kamen um Magal Bericht zu erstatten, hörte man sie, oder besser gesagt einen von ihnen, zum ersten Mal seit Beginn der Bergetappe sprechen.
Der Gang, dem Eingeweide nahe, ist frei und doch Herberge verwehter Schatten. Tode und ruhmreiches Sterben. Der Heer des Mordens hat dort gefeiert. Die Wand ist dünn, der Weg so sicher wie gefahrvoll. So wir gehen, schreiten wir tief. Es war der mit jener mutierten Haarpracht, der gesprochen hatte.
Wohl ohne diese Begrifflichkeit zu kennen, war Juliette soeben Zeuge des Klanges der dunklen Sprache geworden. Die Worte waren merkwürdig verworren und verschnörkelt und wollten weder in eine sinnhafte Aussprache passen, noch schienen sie in der Kehle dieses Mordbuben geboren. Auch waren nicht alle Worte auf Anhieb verständlich. Einige hatten beim Hören wie die gekrächzten Laute von Tieren geklungen und fast schon körperlich geschmerzt, nur um dann, so man einen Wimpernschlag später über das Vernommene nachsann, völlig klar und in ihrer merkwürdig theatralischen Art fast schon lyrisch zu erscheinen.
wird fortgesetzt...