09-26-2008, 12:52 AM
Ystiryan versank. Was verblieben war, vom griesgrämigen Alten, dessen silberner Opplanten-Stab, sowie dessen zusammengefaltete Ehrenroben, das Lederduftene goldgerahmte Manuskript und einiges an Halbkostbarkeiten. Darunter ein Hühnereigroßes Juwel, mattsilbern, Diamant, “Auge von Rasankur” getauft. Noch nestelten die uralten brüchigen Finger seiner ausgezehrten Hand im weißen Bettlaken, doch der Opplant aller geheiligten Stätten, bereits im fortgeschrittenen ehrwürdigen Alter von hundertsiebenundachtzig Jahren, welkte zusehends unter der drückenden Bürde seines Amtes. Schon vor anderthalb Monaten, waren erste Symptome seiner lange verschleppten Tuberkulose deutlicher denn jemals hervorgetreten. Ein perlfarbenes Tüchlein war in den dahinrasenden Wochen seines Siechtums treuester Gefährte geworden, doch schon hatte es Reinheit wie Jungfräulichkeit verloren, denn obgleich keine Wunden seinen Leib geißelten, klebte eitriges Blut verpestend in den Verwerfungen. Sein Novize, Belichondrus Deodiktus, saß kältestarr am kunstvoll geschwungenen Fußabsatz seiner Liegestatt, spaltweise waren die wuchtig gedrechselten Fensterläden geöffnet, knisternd blies der Weltenatem beseelend in das Kaminfeuer. Grübelnd strich beschwichtigend Ystiryans eigne Hand durch das ergraute Schwarz seines Bartes, wie es eben derart würdevoll gealterte oft zu tun pflegten. Das goldene Bändchen, ein zusammen geflochtener Schlangenschweif, dessen Schuppen sich zum Wappen Rasankurs überlappten, zierte den untersten Knöchel seines Ringfingers aufs schicklichste. Indes schmauchte Rizend, dritter Knecht im Bunde, kehlig ein Meerschaumpfeifchen, raubtiergleich grinsend eines alten Mannes ausgemergeltes Gesicht zum “Tabakkopf”. Unter dem Türbogen stand er, überkreuzte Beine, die Spitze seines rechten Stiefels berührte den anderen Pfosten um haaresbreite dennoch nicht.
“Ich sinnierte dieser jüngsten Morgenstunden gar, über menschlichen Sinn und Lebensfrage.” , erhob sich krächzend des Uralten Stimme, zitternd wie das Espenlaub, der Befähigung zum starken Klange seit langem schon beraubt, “Warum also Leben, wenn des Lebens kurzer Zweck es ist, an des Grabes kühler Schwelle, sich umzudrehen, und eben diese kummervolle Frage sich selbst zu stellen? Betrachten wir, objektiv, des Lebens eignen Wandel, von der Wiege an, bis zur Bahre, so erkennen wir, sofern reinen Herzens, woran wir uns verschwendet. Vom Tage an, da wir geboren, greifen wir, obgleich kindlich noch vom Gemüt und Wuchs, nach fernen Sternen, so unsagbar fern von unsrem Griffe, doch dennoch haschen wir danach, wie nach dem Apfel, welcher unerreichbar auf eines Baumes Ast hängt. Was folgt, eine beschwichtigende, humanistische Ära kühner Studien, Gelehrsamkeit und bürgerlicher Einfalt, in welcher wir, abermals vom kindlichen Gemüt, nicht jedoch vom Wuchs, gar meinen, unser kurzes, möglicherweise tausend Jahre währendes Leben, würde irgendjemanden, irgendwann etwas bedeuten. Darin irren wir. Gewaltig.” , begriffen sich an der Rückenlehne hoch zurappeln, “Was wir vielleicht verstehen ist, das es von unsrer “Spezies”, dem emporstrebenden Menschen, mehrere Billiarden gibt, welche den uns bekannten Makrokosmus wie eine frühzeitliche Seuche heimsucht. Jeder für sich, ein perfektes Individuum, jeder für sich, reinster Gedanken, unberührt von jeglichem Makel, frei von Entstellung und natürlich auch Korruption. Kindlich wie wir sind. Im hohen Alter dann, wenn wir für wenige Atemzüge noch aus des kindlichen Gemüts Fängen entwachsen, werfen wir reumütig Erinnerungen zurück. Unserem Verstand erschließt sich, so das Universum will, ein Spektrum unendlicher Parallelmöglichkeiten, dem menschlichen Ich entsprechend, jede freilich süßer als die Gegenwärtige oder damals gewählte. Dennoch, vermögen wir weder das “Geschehene” zu revidieren, noch, wiedereinzuholen, wie etwa ein Fischer sein Netz. Nun lacht ihr freilich über des alten Narren Brabbelei, Novizen, doch wenn euch erst gewahr wurde, was mir im hohen Alter gewahr wurde, so werdet auch ihr, unendlich weiser den dieser Tage, meine letzten, großen Schritte nachvollziehen, mit welchen ich, gleichsam euch wie mich, auf alle Ewigkeit verdamme. Doch zweifelt nicht, Novizen, zweifelt nicht allzu rasch, denn was begonnen wart, muss auch enden, und was endet, von neuem emporwachsen, wie der Wald, vom Feuer dahingerafft, erneut ersprießen mag…”
Was von blendhaften Fragmenten, weiß und schwarz, vorüber glitt, entsprach im geistigen Auge, jenen vormaligen Worten und Gebräuchen, wo von Händen, Herzen und auch Schädeln reden war. Nicht konkurrierend oder disharmonierend, wohl mehr wie eine zerbrochene Ikone, deren vollständige “Reinheit” sich erst selbst entschlüsselte, wenn sie als ganzes, gegossen vor des Betrachters Sinnen lag. Einzelne prägende Wortfetzen auflesend, mochte man “Puzzleteile” ordnen, um von Vers zu Vers weiterzuleben, was einst hier durchlebt worden sein mochte. Szenerie waren hohe Schäfte, Pfeilspitzen die wie Dornen aus einem Rosengewelk emporstiegen, um des Horizontes Schenkel blutig zukratzen. Doch von alledem mochten jene umstehenden wenig bemerkt haben, sofern es sie anging, mochte sie unvermittelt im selben Tempo, an deren Seite weitergeeilt sein, selbst wenn sie nun vom schmutzstarrenden Morast des todgeweihten Untergrundes, ein winziges “Karfunkel”, oder doch eher Katzengold löste, dessen Oberfläche geschuppt wie eines Fisches Leib war. Erst vom Unrat gesäubert, erkannte sie dessen reptilienhaften Schlangenkreis und steckte diesen rasch an die eine Hand.
“Ich sinnierte dieser jüngsten Morgenstunden gar, über menschlichen Sinn und Lebensfrage.” , erhob sich krächzend des Uralten Stimme, zitternd wie das Espenlaub, der Befähigung zum starken Klange seit langem schon beraubt, “Warum also Leben, wenn des Lebens kurzer Zweck es ist, an des Grabes kühler Schwelle, sich umzudrehen, und eben diese kummervolle Frage sich selbst zu stellen? Betrachten wir, objektiv, des Lebens eignen Wandel, von der Wiege an, bis zur Bahre, so erkennen wir, sofern reinen Herzens, woran wir uns verschwendet. Vom Tage an, da wir geboren, greifen wir, obgleich kindlich noch vom Gemüt und Wuchs, nach fernen Sternen, so unsagbar fern von unsrem Griffe, doch dennoch haschen wir danach, wie nach dem Apfel, welcher unerreichbar auf eines Baumes Ast hängt. Was folgt, eine beschwichtigende, humanistische Ära kühner Studien, Gelehrsamkeit und bürgerlicher Einfalt, in welcher wir, abermals vom kindlichen Gemüt, nicht jedoch vom Wuchs, gar meinen, unser kurzes, möglicherweise tausend Jahre währendes Leben, würde irgendjemanden, irgendwann etwas bedeuten. Darin irren wir. Gewaltig.” , begriffen sich an der Rückenlehne hoch zurappeln, “Was wir vielleicht verstehen ist, das es von unsrer “Spezies”, dem emporstrebenden Menschen, mehrere Billiarden gibt, welche den uns bekannten Makrokosmus wie eine frühzeitliche Seuche heimsucht. Jeder für sich, ein perfektes Individuum, jeder für sich, reinster Gedanken, unberührt von jeglichem Makel, frei von Entstellung und natürlich auch Korruption. Kindlich wie wir sind. Im hohen Alter dann, wenn wir für wenige Atemzüge noch aus des kindlichen Gemüts Fängen entwachsen, werfen wir reumütig Erinnerungen zurück. Unserem Verstand erschließt sich, so das Universum will, ein Spektrum unendlicher Parallelmöglichkeiten, dem menschlichen Ich entsprechend, jede freilich süßer als die Gegenwärtige oder damals gewählte. Dennoch, vermögen wir weder das “Geschehene” zu revidieren, noch, wiedereinzuholen, wie etwa ein Fischer sein Netz. Nun lacht ihr freilich über des alten Narren Brabbelei, Novizen, doch wenn euch erst gewahr wurde, was mir im hohen Alter gewahr wurde, so werdet auch ihr, unendlich weiser den dieser Tage, meine letzten, großen Schritte nachvollziehen, mit welchen ich, gleichsam euch wie mich, auf alle Ewigkeit verdamme. Doch zweifelt nicht, Novizen, zweifelt nicht allzu rasch, denn was begonnen wart, muss auch enden, und was endet, von neuem emporwachsen, wie der Wald, vom Feuer dahingerafft, erneut ersprießen mag…”
Was von blendhaften Fragmenten, weiß und schwarz, vorüber glitt, entsprach im geistigen Auge, jenen vormaligen Worten und Gebräuchen, wo von Händen, Herzen und auch Schädeln reden war. Nicht konkurrierend oder disharmonierend, wohl mehr wie eine zerbrochene Ikone, deren vollständige “Reinheit” sich erst selbst entschlüsselte, wenn sie als ganzes, gegossen vor des Betrachters Sinnen lag. Einzelne prägende Wortfetzen auflesend, mochte man “Puzzleteile” ordnen, um von Vers zu Vers weiterzuleben, was einst hier durchlebt worden sein mochte. Szenerie waren hohe Schäfte, Pfeilspitzen die wie Dornen aus einem Rosengewelk emporstiegen, um des Horizontes Schenkel blutig zukratzen. Doch von alledem mochten jene umstehenden wenig bemerkt haben, sofern es sie anging, mochte sie unvermittelt im selben Tempo, an deren Seite weitergeeilt sein, selbst wenn sie nun vom schmutzstarrenden Morast des todgeweihten Untergrundes, ein winziges “Karfunkel”, oder doch eher Katzengold löste, dessen Oberfläche geschuppt wie eines Fisches Leib war. Erst vom Unrat gesäubert, erkannte sie dessen reptilienhaften Schlangenkreis und steckte diesen rasch an die eine Hand.