09-02-2008, 04:53 PM
von --> Häftlingstrakt, Disciplina Custodia, Untere Ebenen
Eigentlich war es nach ihrem Stilgefühl viel zu früh um dem unerträglichen Jaulen des Weckrufes schon nachzugeben und sich aus der süßen- wenn auch kaum vorhanden gewesenen – Umarmung des Schlafes zu räkeln, aber was tat man nicht alles für die Pflicht. Zumindest für die eigens auferlegte. Nach der ereignisreichen Nacht mit all ihren Zwischenfällen, die sie erfolgreich von einer längeren Ruheperiode abgehalten hatte, war sie nur noch äußerst schwerlich zurück in den entspannenden Schlummer gefallen. Zwar hatte sie weniger die potenzielle Möglichkeit befürchtet dass ein weiterer Widerling sie aufsuchen könnte, dennoch war die Beunruhigung dessen durchaus da, ebenso das sie jemand auf ihrem nächtlichen Rundgang hatte beobachten können und nun eine Entschädigung für sein Schweigen oder gleichartiges von ihr einforderte. Aber entgegen ihren inneren Besorgnissen ergab sich nichts von dem und so kam sie in die Nutznießung von einigen erholsamen, wenn auch extrem kurzen Stunden. Ob der Besuch bei Sarg Früchte tragen würde, vermochte Ayris noch nicht ausbedingen zu können, zu viele Eventualitäten spukten ihr dafür im Geiste herum.
Auf den ersten Eindruck hin schien sie der vernarbten Gardisten trauen zu können, obwohl Vertrauen ein zu großes Wort für ihre Art der Beziehung vermeintlich war, einander nützlich sein traf es wohl es besser. Die Andere hatte sich nicht gerade einer Informationsflut hingegeben und Ayris erläutert was man von ihr erwartete, stattdessen wurde sie noch auf knapper Flamme gehalten und sollte erst in den Minen zu ihren Antworten kommen. Ausgerechnet die Minen. Karrte man sie also noch tiefer in den Magen dieses verdammten Planeten. Nicht gerade das Plätzchen was sie sich insgeheim erhofft hatte, noch ferner von der Oberfläche zu sein als ohnedies bereits, allerdings was durfte sie sich in ihrer Lage schon erhoffen? Realistisch gesehen, weniger als nichts. Weswegen sich also beschweren? Sie hatte darum gebeten, nun musste sie die vorgesetzte Suppe auch auslöffeln.
Noch leicht in den dämmrigen Nachhall des Schlafes gefangen, trottete Ayris zur Tür ihrer sparsamen Unterkunft, deren Magnetverrieglung nach wie vor außer Kraft war, lauschte dem schlurfenden und fast einheitlichen Tritt der Aber dutzenden von Arbeitern die an ihrer Zelle vorbeimarschierten, welche das beständiges Gesäusel von Morgengemurmel umfing und gliederte sich schließlich zwischen einer Gruppe älterer und von der Knochenarbeit geprägte Schürfer ein. Umsichtig hielt sie den Kopf gesenkt um niemanden unnötigerweise auf sich aufmerksam zu machen, trotzdem konnte sie sich zu ihrem Bedauern nicht gänzlich vor den Blicken anderer verbergen, sodass sie während ihres Marsches doch das eine oder andere brennende Augenmerk auf sich spürte. Immer wieder kam ihr der bildhafte Vergleich von einer Maus in einer Grube voller Schakale in den Sinn. Nun gut, mit einer Maus wollte sie sich nicht unbedingt auf das gleiche Treppchen stellen aber ihr fiel in der Frühe nichts Poetischeres ein. Den abgehärmten Gesichtern die sie umringten war deutlich auszusehen was in ihren Trägern vor sich ging. Tag aus Tag ein, waren sie an diesen Ort gekettet, es lagen zwar keine eisernen Banden um ihre Gelenke und sie konnten sich in den Stollen frei bewegen und sogar ihr Umfeld bestimmen, beides in beschränkten Maße, aber dennoch hatte sie dieser Ort gebrochen. Es gab kein Entkommen. Keine Aussicht auf eine Steigerung des Wohlbefindens, es sei den man konnte sich über jemanden anderen erheben der schwächer war als man selbst. Die Mehrung des Leids anderer, war womöglich das einzigste was die meisten hier als Emotionsschub oder sowas wie Glück empfinden ließen. Innerlich schauderte Ayris vor jenen Mienen, solange sie sich noch im mehr oder minder überwachten Trakt befanden, würde noch keiner einen Unverfrorenheit begehen, aber wenn sie erst einmal dort unten wären… sie verdrängte den Gedanken.
Sei nicht so ein elender Feigling Grover, demnächst fängst du noch an mit den Zähnen zu klappern oder heulend in einer Ecke zu sitzen und dich darüber zu beklagen warum das Universum so schlecht ist. Kehr mal endlich die harte Schale raus, sonst kannst du denen gleich alle eine Einladung in die Hand drücken.
Schweigend folgte sie der Prozession, die sich langsam durch den gesamten Komplex schlängelte wie ein vielköpfiges Ungeheuer. Irgendwann stromerten sie auch an der Zelle des ominösen Psychos vorbei, aber die Azazernerin mied den Blickkontakt. Wollte sie nur geschwind hinter sich lassen und schalt sie im nächsten Augenblick dafür überhaupt nur daran zu denken. Gebündelte Gedankenstränge waren ein Signalfeuer für Psi-Sensitive. Aber nichts geschah, die beinahe schon erwartete Stimme in ihrem Kopf blieb aus. Immerhin für diesen Segen dankbar, seufzte sie leise und starrte weiter auf den breiten Rücken ihres Vordermanns. Nicht mehr allzu lange danach passierten sie Sargs „Kabine“. Die Ex-Soldatin lehnte bereits wartend im Türrahmen und paffte einen ihrer Glimmstängel, frei nach dem Motto was die Front nicht schafft, bewerkstelligen später die Drogen. Als sie Ayris im Trott der Kolonne erspähte, reihte sie sich flugs an ihre Seite ein und fing ohne Umschweife an ihr etwas über die Gegebenheiten in den Schächten zu erzählen. Mit geradlinigen ungenierten Sätzen schilderte sie der ursprünglichen Kombüsengehilfin wie hoch die Überlebenschancen in den Minen stünden, auf wie vielen Wegen man in das Licht des Imperators eingehen könnte, welchen derzeitigen Kurs die Wetteinsätze bezüglich Neulinge und ihre Stehvermögen inne hatten, oder wie man mit den unzureichenden, bruchgefährdeten Werkzeugen hantieren müsse um sich nicht selbst, sondern das Gestein zu bearbeiten.
Ayris hörte dem nur mit halbem Ohr zu, obwohl sich zweifelsfrei wichtige Informationen darunter befanden. Trotz und alledem hatte sie nicht vor sich einschüchtern zu lassen. Viel mehr wollte sie endlich erfahren was sie denn nun in der Grube für Sarg ausführen sollte. Aber jene ließ sich Zeit mit ihren Erklärungen, schließlich erreichten sie einen Fahrstuhlkäfig titanischen Fassungsvermögens. Eine Kontrollmannschaft von vier Soldaten in kompletter Montur und schwer bewaffnet, überwachten das Verfahren das „Abseilens“. Sie zwängten fünfzig Seelen in den Aufzug und schlossen dann scheppernd die dichte Maschendrahttür. Ein autonomer Betrieb schaltete die Blinklichter im Inneren des Käfigs daraufhin von Grün auf Rot, läutete eine 5-sekündige synthetische Warnung, ehe es dann einmal kurz rumpelte als die Motorik ansprang und die übergroße Transportkapsel in die unauslotbare Tiefe schoss. An Stahlseilen und Verstrebungen raste der Käfig quietschend und jaulend hinab, dem Schlund der Hölle entgegen, wie es Ayris vorkam. Bleiche Lampenringe huschten in rhythmischen Abständen an den verschmutzten Schutzfenstern vorbei und gaben eine gewisse Ahnung von der Unergründlichkeit preis der sie entgegen fielen. Sie hatte beinahe das Gefühl jeden Moment abzuheben, so schnell ging es abwärts und war froh das Frühstück verpasst zu haben, ansonsten hätte sie es vermutlich nicht länger bei sich behalten können. Aber das wäre bei dem Gestank der sich hier auf engsten Raum von eingepferchten ungewaschenen Leibern zusammenbraute wohl kaum des Aufhebens wert gewesen.
Sarg beendete ihre Plauderstunde auch innerhalb des Rasant-Transportes nicht, erst als der Fahrstuhl sich seiner Zielebene annäherte und ziemlich abrupt zum Stillstand kam, unterbrach sie sich kurz um mit einer ihrer Hände nach einer Haltestange zu greifen um nicht wie Ayris gegen die benachbarten Personen zu stolpern oder von anderen Schwankenden halb zerquetscht zu werden. Sich kaum der erdrückenden Körper errettet, wurde auch schon ein paar Sekunden darauf im vorderen Teil des Lifts die Tür aufgeschoben und die eingesperrte Horde Sträflinge hinausgelassen. Brummelnd und fluchend verstreute sich ihre Gruppe in eine riesigen Kaverne die sich über etliche Rangstufen in die Höhe schraubte, der nackte Fels der Höhle war löchrig wie ein gidonischer Käse und Arbeiter schwirrten gleich Termiten in ihrem Königsbau umher.
Provisorische Gerüste zur Stabilisierung von Hängen oder zum Erreichen besonders steiler oder anderweitig gefährlicher Kluften hafteten überall wie künstliche Gerippe an dem dunklen Gestein. Ein komplexes oder eher verwinkelt willkürliches Netz aus grellen Scheinwerfern am Boden der Flachheit, sowie entlang der schroffen Wände der Grotte sorgten für ausreichende Beleuchtung. Vereinzelt standen brummende Energiegeneratoren, die wie matte schiefergraue Klötze wirkten, zwischen den Stalagmiten und sonstigen Felsauswüschen und speisten die Lichtquellen und wenigen elektronischen Hilfsmittel mit Strom. Akustisch vernahm Ayris die übliche Bandbreite eines Abbaustollens; hämmern, hacken, bohren, das Geräusch splitternden Steins, das entfernte Poltern von Gerätschaften die sich aus einer Verankerung gelöst hatten oder das Brüllen von Anweisungen. Nach letztem (den Anweisungen) verzehrte sie sich immer mehr, aber Sarg spannte sie weiterhin auf die Folter. Und das noch bis nach dem Mittagslunch. Weder die Handvoll Soldaten noch die amtierenden Aufseher achteten sonderlich auf sie, noch trieben sie sie zur Arbeit an, solange sie an der Seite von Sarg weilte und sich von ihr das ein oder andere erzählen ließ. Wahrscheinlich aus dem Grunde weil ihre neue Mentorin dieselbe Position ausübte wie die anderen Inspektoren. Wie dem auch sein mochte, jedenfalls machte einer ihrer Adlaten Sarg nach Einnahme des Mittagsbuffets eine knappe Aufwartung, indem er ihr nur eine minimalitische mündliche Botschaft überbrachte, die jedoch Wunder und bewirkte und einen Auslöser aktivierte.
Mit Ayris im Schlepptau betrat Sarg einen der Schächte und führte sie durch eine verwirrende Anzahl verschiedenster Tunnel und Durchbrüche, erklärte dabei immer wieder woran man sich anhand von Bagatellen und Banalem in den verzweigten Gängen zurechtfinden konnte. Nur Hirngeschädigte verliefen sich hier, jeder andere mit ein bisschen Verstandsmasse und natürlichem Orientierungssinn fand seinen Pfad zurück zur „Oberfläche“. Doch jenes war nur das Vorgerede, alsbald kam Sarg zu den wirklich wichtigen Dingen und ließ endlich den Lakaati aus dem Sack. Ayris horchte ihr zum ersten Mal mit voller Aufmerksamkeit und war aufrichtig verblüfft von der Tragweite und der außerordentlichen Brisanz des Vorhabens. Sie hatte zunächst mit etwas lakaienhafterem gerechnet, etwa einen Dienstbotenauftrag auszuführen oder für Sarg irgendwelche Sachen von unten nach oben zu schmuggeln, aber nicht gleich ein Promethiumlager in die Luft zu jagen. Ihre Verwunderung war Sarg selbstverständlich nicht entgangen, aber die braunhaarige Gardistin erkundigte sich nicht wiederholt nach ihrer Loyalität oder ob ihr doch das nötige Zeug dazu fehlen würde, so etwas durchzuziehen, wie als hätte sie alles erforderliche gesagt was es sagen gab, wandte sie sich hieraufhin um und ließ die Widerständlerin von einst mit sich und ihren rauschenden Gedanken allein. Ayris setzte dazu an ihr noch etwas hinterherzurufen, sie aufzuhalten, nach noch mehr Details zu fragen, schloss dann aber unverrichteter Dinge wieder den Mund.
Was soll’s, warum herumzappeln und zaudern? Das ist es doch was du wolltest oder etwa nicht? Das ist etwas was du kannst. Eine klare Linie bis zum Ziel und dann…boom! Ganz leicht… natürlich könnte ich dabei Hopps gehen, immerhin muss ich zünden und nicht sie, aber… ach, egal. Einfach erledigen und schauen was passiert. Viel schlimmer kann es sowieso nicht mehr für dich werden.
(wird noch fortgesetzt)
Eigentlich war es nach ihrem Stilgefühl viel zu früh um dem unerträglichen Jaulen des Weckrufes schon nachzugeben und sich aus der süßen- wenn auch kaum vorhanden gewesenen – Umarmung des Schlafes zu räkeln, aber was tat man nicht alles für die Pflicht. Zumindest für die eigens auferlegte. Nach der ereignisreichen Nacht mit all ihren Zwischenfällen, die sie erfolgreich von einer längeren Ruheperiode abgehalten hatte, war sie nur noch äußerst schwerlich zurück in den entspannenden Schlummer gefallen. Zwar hatte sie weniger die potenzielle Möglichkeit befürchtet dass ein weiterer Widerling sie aufsuchen könnte, dennoch war die Beunruhigung dessen durchaus da, ebenso das sie jemand auf ihrem nächtlichen Rundgang hatte beobachten können und nun eine Entschädigung für sein Schweigen oder gleichartiges von ihr einforderte. Aber entgegen ihren inneren Besorgnissen ergab sich nichts von dem und so kam sie in die Nutznießung von einigen erholsamen, wenn auch extrem kurzen Stunden. Ob der Besuch bei Sarg Früchte tragen würde, vermochte Ayris noch nicht ausbedingen zu können, zu viele Eventualitäten spukten ihr dafür im Geiste herum.
Auf den ersten Eindruck hin schien sie der vernarbten Gardisten trauen zu können, obwohl Vertrauen ein zu großes Wort für ihre Art der Beziehung vermeintlich war, einander nützlich sein traf es wohl es besser. Die Andere hatte sich nicht gerade einer Informationsflut hingegeben und Ayris erläutert was man von ihr erwartete, stattdessen wurde sie noch auf knapper Flamme gehalten und sollte erst in den Minen zu ihren Antworten kommen. Ausgerechnet die Minen. Karrte man sie also noch tiefer in den Magen dieses verdammten Planeten. Nicht gerade das Plätzchen was sie sich insgeheim erhofft hatte, noch ferner von der Oberfläche zu sein als ohnedies bereits, allerdings was durfte sie sich in ihrer Lage schon erhoffen? Realistisch gesehen, weniger als nichts. Weswegen sich also beschweren? Sie hatte darum gebeten, nun musste sie die vorgesetzte Suppe auch auslöffeln.
Noch leicht in den dämmrigen Nachhall des Schlafes gefangen, trottete Ayris zur Tür ihrer sparsamen Unterkunft, deren Magnetverrieglung nach wie vor außer Kraft war, lauschte dem schlurfenden und fast einheitlichen Tritt der Aber dutzenden von Arbeitern die an ihrer Zelle vorbeimarschierten, welche das beständiges Gesäusel von Morgengemurmel umfing und gliederte sich schließlich zwischen einer Gruppe älterer und von der Knochenarbeit geprägte Schürfer ein. Umsichtig hielt sie den Kopf gesenkt um niemanden unnötigerweise auf sich aufmerksam zu machen, trotzdem konnte sie sich zu ihrem Bedauern nicht gänzlich vor den Blicken anderer verbergen, sodass sie während ihres Marsches doch das eine oder andere brennende Augenmerk auf sich spürte. Immer wieder kam ihr der bildhafte Vergleich von einer Maus in einer Grube voller Schakale in den Sinn. Nun gut, mit einer Maus wollte sie sich nicht unbedingt auf das gleiche Treppchen stellen aber ihr fiel in der Frühe nichts Poetischeres ein. Den abgehärmten Gesichtern die sie umringten war deutlich auszusehen was in ihren Trägern vor sich ging. Tag aus Tag ein, waren sie an diesen Ort gekettet, es lagen zwar keine eisernen Banden um ihre Gelenke und sie konnten sich in den Stollen frei bewegen und sogar ihr Umfeld bestimmen, beides in beschränkten Maße, aber dennoch hatte sie dieser Ort gebrochen. Es gab kein Entkommen. Keine Aussicht auf eine Steigerung des Wohlbefindens, es sei den man konnte sich über jemanden anderen erheben der schwächer war als man selbst. Die Mehrung des Leids anderer, war womöglich das einzigste was die meisten hier als Emotionsschub oder sowas wie Glück empfinden ließen. Innerlich schauderte Ayris vor jenen Mienen, solange sie sich noch im mehr oder minder überwachten Trakt befanden, würde noch keiner einen Unverfrorenheit begehen, aber wenn sie erst einmal dort unten wären… sie verdrängte den Gedanken.
Sei nicht so ein elender Feigling Grover, demnächst fängst du noch an mit den Zähnen zu klappern oder heulend in einer Ecke zu sitzen und dich darüber zu beklagen warum das Universum so schlecht ist. Kehr mal endlich die harte Schale raus, sonst kannst du denen gleich alle eine Einladung in die Hand drücken.
Schweigend folgte sie der Prozession, die sich langsam durch den gesamten Komplex schlängelte wie ein vielköpfiges Ungeheuer. Irgendwann stromerten sie auch an der Zelle des ominösen Psychos vorbei, aber die Azazernerin mied den Blickkontakt. Wollte sie nur geschwind hinter sich lassen und schalt sie im nächsten Augenblick dafür überhaupt nur daran zu denken. Gebündelte Gedankenstränge waren ein Signalfeuer für Psi-Sensitive. Aber nichts geschah, die beinahe schon erwartete Stimme in ihrem Kopf blieb aus. Immerhin für diesen Segen dankbar, seufzte sie leise und starrte weiter auf den breiten Rücken ihres Vordermanns. Nicht mehr allzu lange danach passierten sie Sargs „Kabine“. Die Ex-Soldatin lehnte bereits wartend im Türrahmen und paffte einen ihrer Glimmstängel, frei nach dem Motto was die Front nicht schafft, bewerkstelligen später die Drogen. Als sie Ayris im Trott der Kolonne erspähte, reihte sie sich flugs an ihre Seite ein und fing ohne Umschweife an ihr etwas über die Gegebenheiten in den Schächten zu erzählen. Mit geradlinigen ungenierten Sätzen schilderte sie der ursprünglichen Kombüsengehilfin wie hoch die Überlebenschancen in den Minen stünden, auf wie vielen Wegen man in das Licht des Imperators eingehen könnte, welchen derzeitigen Kurs die Wetteinsätze bezüglich Neulinge und ihre Stehvermögen inne hatten, oder wie man mit den unzureichenden, bruchgefährdeten Werkzeugen hantieren müsse um sich nicht selbst, sondern das Gestein zu bearbeiten.
Ayris hörte dem nur mit halbem Ohr zu, obwohl sich zweifelsfrei wichtige Informationen darunter befanden. Trotz und alledem hatte sie nicht vor sich einschüchtern zu lassen. Viel mehr wollte sie endlich erfahren was sie denn nun in der Grube für Sarg ausführen sollte. Aber jene ließ sich Zeit mit ihren Erklärungen, schließlich erreichten sie einen Fahrstuhlkäfig titanischen Fassungsvermögens. Eine Kontrollmannschaft von vier Soldaten in kompletter Montur und schwer bewaffnet, überwachten das Verfahren das „Abseilens“. Sie zwängten fünfzig Seelen in den Aufzug und schlossen dann scheppernd die dichte Maschendrahttür. Ein autonomer Betrieb schaltete die Blinklichter im Inneren des Käfigs daraufhin von Grün auf Rot, läutete eine 5-sekündige synthetische Warnung, ehe es dann einmal kurz rumpelte als die Motorik ansprang und die übergroße Transportkapsel in die unauslotbare Tiefe schoss. An Stahlseilen und Verstrebungen raste der Käfig quietschend und jaulend hinab, dem Schlund der Hölle entgegen, wie es Ayris vorkam. Bleiche Lampenringe huschten in rhythmischen Abständen an den verschmutzten Schutzfenstern vorbei und gaben eine gewisse Ahnung von der Unergründlichkeit preis der sie entgegen fielen. Sie hatte beinahe das Gefühl jeden Moment abzuheben, so schnell ging es abwärts und war froh das Frühstück verpasst zu haben, ansonsten hätte sie es vermutlich nicht länger bei sich behalten können. Aber das wäre bei dem Gestank der sich hier auf engsten Raum von eingepferchten ungewaschenen Leibern zusammenbraute wohl kaum des Aufhebens wert gewesen.
Sarg beendete ihre Plauderstunde auch innerhalb des Rasant-Transportes nicht, erst als der Fahrstuhl sich seiner Zielebene annäherte und ziemlich abrupt zum Stillstand kam, unterbrach sie sich kurz um mit einer ihrer Hände nach einer Haltestange zu greifen um nicht wie Ayris gegen die benachbarten Personen zu stolpern oder von anderen Schwankenden halb zerquetscht zu werden. Sich kaum der erdrückenden Körper errettet, wurde auch schon ein paar Sekunden darauf im vorderen Teil des Lifts die Tür aufgeschoben und die eingesperrte Horde Sträflinge hinausgelassen. Brummelnd und fluchend verstreute sich ihre Gruppe in eine riesigen Kaverne die sich über etliche Rangstufen in die Höhe schraubte, der nackte Fels der Höhle war löchrig wie ein gidonischer Käse und Arbeiter schwirrten gleich Termiten in ihrem Königsbau umher.
Provisorische Gerüste zur Stabilisierung von Hängen oder zum Erreichen besonders steiler oder anderweitig gefährlicher Kluften hafteten überall wie künstliche Gerippe an dem dunklen Gestein. Ein komplexes oder eher verwinkelt willkürliches Netz aus grellen Scheinwerfern am Boden der Flachheit, sowie entlang der schroffen Wände der Grotte sorgten für ausreichende Beleuchtung. Vereinzelt standen brummende Energiegeneratoren, die wie matte schiefergraue Klötze wirkten, zwischen den Stalagmiten und sonstigen Felsauswüschen und speisten die Lichtquellen und wenigen elektronischen Hilfsmittel mit Strom. Akustisch vernahm Ayris die übliche Bandbreite eines Abbaustollens; hämmern, hacken, bohren, das Geräusch splitternden Steins, das entfernte Poltern von Gerätschaften die sich aus einer Verankerung gelöst hatten oder das Brüllen von Anweisungen. Nach letztem (den Anweisungen) verzehrte sie sich immer mehr, aber Sarg spannte sie weiterhin auf die Folter. Und das noch bis nach dem Mittagslunch. Weder die Handvoll Soldaten noch die amtierenden Aufseher achteten sonderlich auf sie, noch trieben sie sie zur Arbeit an, solange sie an der Seite von Sarg weilte und sich von ihr das ein oder andere erzählen ließ. Wahrscheinlich aus dem Grunde weil ihre neue Mentorin dieselbe Position ausübte wie die anderen Inspektoren. Wie dem auch sein mochte, jedenfalls machte einer ihrer Adlaten Sarg nach Einnahme des Mittagsbuffets eine knappe Aufwartung, indem er ihr nur eine minimalitische mündliche Botschaft überbrachte, die jedoch Wunder und bewirkte und einen Auslöser aktivierte.
Mit Ayris im Schlepptau betrat Sarg einen der Schächte und führte sie durch eine verwirrende Anzahl verschiedenster Tunnel und Durchbrüche, erklärte dabei immer wieder woran man sich anhand von Bagatellen und Banalem in den verzweigten Gängen zurechtfinden konnte. Nur Hirngeschädigte verliefen sich hier, jeder andere mit ein bisschen Verstandsmasse und natürlichem Orientierungssinn fand seinen Pfad zurück zur „Oberfläche“. Doch jenes war nur das Vorgerede, alsbald kam Sarg zu den wirklich wichtigen Dingen und ließ endlich den Lakaati aus dem Sack. Ayris horchte ihr zum ersten Mal mit voller Aufmerksamkeit und war aufrichtig verblüfft von der Tragweite und der außerordentlichen Brisanz des Vorhabens. Sie hatte zunächst mit etwas lakaienhafterem gerechnet, etwa einen Dienstbotenauftrag auszuführen oder für Sarg irgendwelche Sachen von unten nach oben zu schmuggeln, aber nicht gleich ein Promethiumlager in die Luft zu jagen. Ihre Verwunderung war Sarg selbstverständlich nicht entgangen, aber die braunhaarige Gardistin erkundigte sich nicht wiederholt nach ihrer Loyalität oder ob ihr doch das nötige Zeug dazu fehlen würde, so etwas durchzuziehen, wie als hätte sie alles erforderliche gesagt was es sagen gab, wandte sie sich hieraufhin um und ließ die Widerständlerin von einst mit sich und ihren rauschenden Gedanken allein. Ayris setzte dazu an ihr noch etwas hinterherzurufen, sie aufzuhalten, nach noch mehr Details zu fragen, schloss dann aber unverrichteter Dinge wieder den Mund.
Was soll’s, warum herumzappeln und zaudern? Das ist es doch was du wolltest oder etwa nicht? Das ist etwas was du kannst. Eine klare Linie bis zum Ziel und dann…boom! Ganz leicht… natürlich könnte ich dabei Hopps gehen, immerhin muss ich zünden und nicht sie, aber… ach, egal. Einfach erledigen und schauen was passiert. Viel schlimmer kann es sowieso nicht mehr für dich werden.
(wird noch fortgesetzt)