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Schwerer Regen prasselte auf das Blechdach des Dampfschiffes, welches sich astmatisch schnaubend aber unerbittlich seinen Weg den Orogangwa hinauf durch die Nacht keuchte. Der ringsum aufragende Dschungel, die erdrückende Masse an Natur, ließ das Schiff und seine zusammengewürfelte Besatzung zur Bedeutungslosigkeit verkommen. Bei Regen war das noch mehr der Fall, wenn der eigene Bewegungsradius auf die wenigen Stellen zusammen schrumpfte, die vor dem Niederschlag geschützt waren. Die meisten Männer nutzten die geringfügige Abkühlung und die vorübergehende Abwesenheit von Stechfliegen und Blutkäfern, um dringend nötigen Schlaf nachzuholen. Auch wenn die Fahrt Fluss aufwärts nicht mit übermäßiger Anstrenungung verbunden war, so schien doch alles Einwirken des Urwaldes einen gesunden Schlaf verhindern zu wollen. Die Hitze, die beißenden Quälgeister, der Lärm des Getiers und zuweilen sogar der wuchtige Duft von Blüten, so süß und schwer, dass er über die Dauer Kopfschmerzen verursachte. So ignorierten die meisten die bange Frage, was hungrig aus der Dunkelheit der Blätter auf das Schiff starren mochte und schliefen in ihren Hängematten. Nur einige wenige waren wach. Der Steuermann und der erste Heizer, wie auch Schnabelmayer, der gegen die Reling aus gewälztem Blech gelehnt saß und im Schein einer flackerneden Öllaterne Notizen in eine Reinschrift übertrug, einige Pflanzenexponate abzeichnete. Er unterbrach seine Arbeit, als er den trittlosen Schrittes seines Begleiters der ersten Stunde, mehr ahnte als wirklich hörte. Er sah auf und erblickte Sequoyah der zu ihm kam, die Augen in unbewusste Gewohnheit vom Licht abgewandt, um sie so nicht für die Nacht zu verderben. Wortlos, wie es seinem Wesen entsprach, setzte er sich mit überkreuzten Beinen neben Ignatz. Eine törichte Höflichkeitsfloskel, wie „Na noch wach?“, wäre an Sequoyah verschwendet gewesen, da er nicht dazu neigte das Offensichtlicher zu benennen. Der Professor beendete die Zeichnung eines fedrigen Farns und legte dann den Stift zurück in die Holzschatulle, in der derartige Utensilien aufzubewahren pflegte. Rauchen wir?
Das bestätigte der andere mit einem knappen Nicken und nun folgte das Ritual, das Schnabelmayer inzwischen auswendig kannte. Die Pfeife wurde hervorgeholt und mit Tabak gestopft. Dann mit einem eigens dafür vorgesehenen Knochenstück ein Loch in die Stopfung gebohrt. Sequoyah brannte einen Spahn an der Flamme der Lampe an und paffte schnell ein paar Züge. Er ließ die Glut ausgehen und wiederholte den Vorgang, dieses Mal mit tieferem Einatmen. Dann stieß er den blauen Rauch durch Mund und Nase aus, was seinem markanten Gesicht das Aussehen eines Urwaldgötzen verlieh. Er übergab die Pfeife an Ignatz, der es ihm etwas zaghafter gleich tat. Die ersten Male hatte er sich die Lunge aus dem Hals gehustet und das obwohl er selbst kein Unbekannter in manchem Rauchsalon gewesen war. Aber das Kraut des Mannes von Denum 2 hatte es in sich. Inzwischen war er es gewohnt und genoss das kratzige Aroma nach Erde und würzigen Kräutern. Während er dem aufsteigenden Rauch nachsah, verweilten seine Gedanken bei dem Bild des Dschungelgötzen. Sie hatten auf den Wochen ihrer Reise in einigen Dörfern Station gemacht, auch wenn das Letzte bereits acht Tage zurück lag. Dörfer, die durch die Bemühungen von Missionaren fest im Glauben an den Gottkaiser verankert waren. Dennoch hatten die Eingeborenen ihnen nicht selten geschnitzte oder zuweilen sogar in Stein gehauene Teufelsfratzen gezeigt, die ein Dorf in einiger Umgebung umstanden. Die Dorfbewohner hatten ihnen erklärt, dass Dämonen und böse Geister, die sich der Siedlung nähern wollten, diese Abbilder von weiten sahen und meinen mussten, dass bereits ein anderer Unhold Anspruch auf dieses Gebiet erhob und sie deswegen wieder abzogen. Ein finsterer Aberglauben, den die Missionare aber scheinbar toleriert hatten, froh darüber den Heiden wenigstens die grundlegenden Begrifflichkeiten des Imperatorkultes beigebracht zu haben. Die Ausrottung solcher Abweichungen überließen sie dann mit konstanter Regelmäßigkeit ihren Nachfolgern. Die Götzenbilder waren in der Regel abstrakte Abwandlungen von menschlichen Figuren, denen die jeweiligen Künstler nur mehr Augen, Zähne oder überdimensionale Gesichtsattribute gegeben hatten. Was er jedoch im Dorf Belati von einem verrückten Alten gekauft hatte, der seinen Verstand an den von der Küste importierten Palmschnaps verloren hatte, wich von dieser Ikonographie ab. Wenn die Anthropologie auch ehr ein Steckpferd, denn seine eigentliche Passion für ihn war, so faszinierte ihn der Fetisch doch, denn er im Tausch für zwei Flaschen Whisky von dem Alten erhandelt hatte. Einem Impuls folgend griff er nach dem Faust großen Objekt, dass in einen Lappen gewickelt als Beschwerer für seine Aufzeichnungen diente und ersetzte ihn mit der Kiste für seine Schreibgeräte.
Sieh dir das einmal an, mein Freund. Er schlug das Tuch auseinander und brachte eine Figurine aus schwarzem Gestein zum Vorschein. Dargestellt war ein chimärisches Wesen, dessen Unterleib der einer Schlange war und so der Oberkörper auch an den eines sehnigen Mannes gemahnte, erinnerte der Kopf doch wieder eher an den einer Schlange. Das Wesen hatte sechs Arme, die es sternenförmig ausgebreitet hielt. Jede Faust umklammert ein Schwert oder hatte es zumindest, denn vier waren bereit abgebrochen, zwei mit Teilen des Armes. Nicht abgebrochen war hingegen der erigierte Penis, der in fast aggressiver Form aufragte. Die Figur war augenscheinlich alt und wenn sie auch abgegriffen und durch häufige Berührung glatt poliert war, so konnte man doch die Kunstfertigkeit des Erschaffers unmöglich leugnen. Was hältst du von diesem Burschen hier? Immer noch auf dem Lappen gebettet, übergab er den Fetisch an Sequoyah, ebenso wie die Pfeife, damit er einen weiteren Zug tun konnte. Der Alte, von dem ich ihn getauscht habe, meinte er stammt aus dem Norden, tief aus dem Dschungel. Aber die Figur gleicht keinem der geschnitzten Götzen, die wir in den Dörfern gesehen haben. Meinst du ich bin einem Schwindel aufgesessen?
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Sequoyah war sich bis jetzt noch immer nicht sicher, was das Ziel ihrer Reise war. Der Professor sammelte Tiere und Pflanzen, malte diese in seinen Büchern ab und beschrieb sie, soweit hatte er es schon verstanden. Aber den Sinn dahinter konnte er noch nicht sehen. Er hatte den Professor schon darüber reden gehört, dass er diese Beschreibungen an sogenannte Zeitungen verschickte, die dann von unzähligen Menschen gelesen wurden. Aber was war der Sinn dahinter? Diese Menschen würden nie diese Tiere oder Pflanzen selbst sehen, geschweige denn mal anfassen. Diese Texte waren an sich bedeutungslos für die Menschen in Gohmor. Sequoyah hatte Ignatz deswegen schon öfters gefragt und der Professor hatte versucht es ihm zu erklären, aber bisher erfolglos.
Er würde sich also weiter gedulden müssen und abwarten. Auf dem Schiff war das gar nicht so einfach hatte er bemerkt. Alle paar Tage erreichten sie kleine Dörfer, die mitten in diesen unendlichen grünen Weiten lagen. In gewissem Sinne war es fast wie eine Heimkehr nach Denum 2 zurück. Der Wald, die Stämme, die Einsamkeit und die vielen wilden Tiere. Aber dann war es doch anders. Hier war es drückend heiß und schwül und es dauerte nie lange bis der Regen, wie eine Mauer aus Wasser auf sie niederkam. Im Gegensatz zu seinen Begleitern war er sogar schon so weit gegangen, dass er nur noch seinen Lendenschurz trug und alle anderen Kleidungsstücke insklusive der Schuhe abgelegt hatte, da er die Hitz andernfalls nicht ertragen hätte. Die Nacht kam ebenso schlagartig, wie der Tag begann, und er kannte sich in der Wildnis und mit ihren Tieren hier genauso schlecht, wie seine Begleiter aus. Eine Tatsache, die ihn zutiefst beschämte, da ihn der Professor doch eigentlich genau dafür hatte dabei haben wollen. Bisher hatte er sich das aber noch nicht allzu deutlich anmerken lassen und war stattdessen mit großem Eifer daran gegangen verschiedenste Jagdwaffen anzufertigen, mit denen er Tiere für den Professor fangen wollte oder schon bereits gefangen hatte. Sein letztes Stück war ein Fischspeer mit vielen bösartigen Zacken gewesen, den er bei all seinen anderen Sachen verstaute und am nächsten Tag Schnabelmayer präsentieren wollte.
Dann stand er auf, streckte kurz seine eingeschlafenen Gliedmaßen und ging dann in Richtung der noch flackernden Öllampe. Der Professor schien wieder einmal noch zu arbeiten. Sequoyah hatte ihn schon öfters darauf aufmerksam gemacht, dass er sich bei dem schwachen Licht die Augen ruinieren würde, aber den Professor hielt das nicht davon ab, es immer wieder zu tun.
Schweigend setzte Sequoyah sich neben seinen Reisebegleiter und in gewissem Sinne auch Mentor und beobachtete diesen schweigend bei seiner Arbeit.
Erst als dieser seinen Stift beiseite gelegt und mit der üblichen Frage ihr gemeinsames abendliches Ritual eingeleitet hatte zeigte Sequoyah wieder Anzeichen von Aktivität und holte Tabaksbeutel und Pfeife hervor.
Nachdem sie so ihr altes Ritual wieder begonnen hatten und die Pfeife hin und herwanderte, schlug Ignatz ein Tuch auseinander und zeigte Sequoyah eine kleine Steinfigur.
Vorsichtig nahm er die Figur von Ignatz entgegen und musterte sie schweigend für einige Minuten.
Nein, ich glaube sie ist echt. Sie erinnert mich ein bisschen an manche Figuren, die ich anderswo gesehen habe, aber sie ist merkwürdig. Hast du schon mal von Menschen gehört, die sich in Tiere verwandeln können? Sequoyah nahm wieder einen kräftigen Zug an der Pfeife und reichte sie an Ignatz zurück. Ich glaube die Figur dient vielleicht der Konzentration für denjenigen der genau so etwas tun will. Als Verstärker gewissermaßen. Aber die Schlange für eine Verwandlung auszuwählen ist merkwürdig. Die Figur hat sechs Arme, mit Schwertern in den Händen, aber eine Schlange hat nichts kriegerisches an sich zu dem Schwerter passen könnten. Sie ist geduldig und greift aus dem Hinterhalt mit Gift an. Nicht mit purer Stärke oder großen kämpferischen Geschick. Wieder schwieg Sequoyah und untersuchte die Figur weiter.
Und der Penis... Schlangen sind fruchtbar, legen dutzende Eier, aber hier scheint es auf etwas anderes hinzuweisen... keine Fruchtbarkeit, sondern... Sequoyah machte eine Handgeste, als er nach einem passenden Wort suchte ...du würdest es wohl als zu obszön empfinden.
Was auch immer du damit bisher gemacht hast, ich wäre vorsichtig. Die Figur hat Macht in sich oder an sich gebunden... vielleicht die Geister von Verstorbenen... ich weiß es nicht genau, da müsstest du einen Schamanen fragen.
Schweigend starrte Sequoyah in die Dunkelheit in Richtung Dschungel. Nur der auf Blech prasselnde Regen, der Lärm er Schiffsmaschinen und vereinzelte Tiergeräusche aus dem Wald waren zu hören.
Würdest du gerne einmal an einer Fackeljagd teilnehmen Ignatz?
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Du meinst so etwas wie den Mannwolf?
Ich habe im Studium eine Abhandlung über die Verbreitung von hartnäckigem... fast hätte er Aberglauben gesagt, hartnäckigen Legenden gehört. Das sich Menschen in Tiere verwandeln war eine davon. Egal auf welcher Art von Welt der Mensch siedelt, welchen technischen Standard er erreicht, die Geschichten von Menschen, die sich in Bestien verwandeln lassen sich auf die eine oder andere Art überall finden. Nicht verwunderlich, wenn du mich fragst. Der Autor sah darin einen Versuch die allgegenwärtige Pein der Mutation zu verarbeiten. Das mag so sein, doch ich neige dazu der Binsenweisheit Vorschub zu leisten, dass da wo der Mensch hin reist, seine Dämonen mit ihm reisen. Noch vor nicht allzu langer Zeit hätte er die Ansichten Sequoyahs belächelt und wäre um das Wort Aberglauben nicht herum manövriert. Natürlich wäre er taktvoll geblieben, schließlich hatte er eine süperbe Kinderstube genossen.
Wie gesagt, vor einiger Zeit.
Dann hatte es einen Zwischenfall gegeben. Etwas, dass ihn seinen bis dato sehr praktischen, sehr distinguierten Imperatorglauben aus einem anderen Blickwinkel sehen ließ.
Die Erkenntnis, dass die Realität wie ein Stück verdorbenes Fleisch war, an einigen Stellen bereits von Fäulnis verfärbt, aber noch übersehbar, wenn man nicht so genau hin sah. Unter der Oberfläche gruben sich Maden jedoch bereits ihre Gänge, höhlten alles aus. Fette weiße Maden fast schon Schlangen.
Es bedurfte fast physischer Kraftanstrengung den Blick von dem kleinen Fetisch zu trennen, die verwaschenen Erinnerungen beiseite zu schieben und den unangenehmen Nachgeschmack zu ignorieren, den sie hinterließen.
Es lag an diesem Land und an diesem Dschungel. Etwas Krankmachendes hing permanent in der Luft und verhieß Fieber, Albträume und Wahn.
Ach überspielte er seine Irritation mit einem lakonischen Lächeln und einem tiefen Zug aus der Pfeife. Du würdest dich wundern, welchen bunten Strauß an Obszönitäten ich bereits zu Gesicht und zu Gehör bekommen habe. Ich war Reitereioffizier, musst du wissen und die jungen Herren in diesen Einheiten sind bisweilen nicht so wohl erzogen wie ihre klingenden Familiennamen einen glauben machen.
Nichtsdestotrotz werde ich deinem Vorschlag vielleicht nachkommen. Einen Schamanen zu fragen, meine ich. Immer vorausgesetzt uns begegnet noch eine menschliche Seele in dieser Gegend. Wenn man Gohmor gesehen hat, scheint es unglaublich, dass es eine derart menschenleere Gegend auf Koron gibt. Während er sprach verstaute er den Götzen wieder. Für gewöhnlich lagerte er seine persönlichen Sachen in einer kleinen Seemannskiste, die er unter das Kopfende seines Feldbettes schob, die ihm Ersatz für eine Koje war. Heute Nacht würde er die Figur jedoch nicht so nah an seinem Kopf haben wollen. Er würde sie in die Rocktasche stecken und diesen möglichst weit von sich fort an einen Nagel hängen. Eine kindische Art sich vor einem Buhmann zu schützen, doch wenn sie funktionierte, wieso nicht?
Fackeljagd? Folgte er dem Themenwechsel seines Freundes. Was soll das sein? Aufregend klingt es alle mal.
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Eine Fackeljagd ist, eine Art wie wir in meiner Heimat auf die Jagd gegangen sind. Man fährt dazu nachts mit einem Kanu... Sequoyah fiel ein, dass der Professor mit dem Wort sicherlich nichts anfangen konnte ...mit einem Boot, wie wir es auch schon in den Dörfern, in denen wir schon waren gesehen haben, flussaufwärts. Dort zündet man eine Fackel an, befestigt sie im vordersten Teil des Bootes und deckt sie nach hinten mit einem Brett ab, damit man selbst nicht geblendet wid. Dann wendet man das Boot und lässt sich flussabwärts treiben. Die Tiere können einen dann schlechter hören und das Licht zieht sie an und blendet sie, sodass sie uns nicht sehen können. Und wenn man dann nahe genug an sie herangekommen ist, erlegt man sie. Zuhause haben wir dafür Bögen benutzt, da man bei einem Fehlschuss nicht gleich alle anderen Tiere auch verscheucht. Hier werden wir wohl nur unsere Gewehre nutzen können. Du solltest also gut zielen Ignatz. Die Andeutung eines Lächelns huschte über Sequoyahs ansonsten so ernstes Gesicht und Schalk blitzte in seinen Augen auf. Du hast schon viel zu lange Pflanzen, Insekten und anderen Kleinkram gesammelt. Das mag jetzt vielleicht für dich unverschämt klingen, aber ich finde du solltest dich an größeres heranwagen. Die Menschen die deine... wie hast du sie noch mal genannt... genau Artikel lesen, die finden das doch bestimmt langweilig. Aber großes Jagdwild, damit kannst du sie beeindrucken. Ein richtiger Mann sein und Ruhm ernten. Das Lächeln verschwand und Sequoyah schaute seinen Sitznachbarn nachdenklich an.
Wir fahren den Fluss rauf Ignatz ohne uns groß zu bewegen. Die Hitze und die feuchte Luft macht einen träge und das Brummen der Insekten betäubt die Sinne. Und du ruinierst dir deine Augen, wenn du bei dem winzigen Licht deiner Lampe die Bilder von deinen Pflanzen malst. Die Jagd würde aber unseren Geist und Körper wieder beanspruchen und die Sinne schärfen. Und wir wissen nicht, ob die nächste Siedlung uns freundlich gesinnt sein wird. Vielleicht treffen wir sogar irgendwann auf die Erschaffer dieser Figur, die du da hast. Wenn du dich also auch für solche Möglichkeiten vorbereiten willst, sollten wir jagen gehen. Wenn nicht können wir auch weiterhin erstmal Insekten und Blumen sammeln gehen. Es ist deine Entscheidung Ignatz.
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Ah du versuchst mich bei der Ehre zu packen. Ereiferte sich Ignatz in gespielter Entrüstung. Und ich fürchte es gelingt dir.
Der Akademiker in mir beharrt darauf, dass diese Arbeit, er deutete auf die gezeichneten Pflanzen, deren Blätter sich im Flackern der Ölflamme in einer sanften Briese zu wiegen schienen, ebenso wichtig ist wie jedes noch so aufregende Großtier. Aber du hast in zweierlei Hinsicht Recht. Den Leser des Guardians verlangt es gewiss eher nach Ungeheuern, denn nach Pflanzen. Und der Dschungel macht einen tatsächlich mürbe. Ich kann mich schon gar nicht mehr daran erinnern, wie Stille klingt. Dieses durchgehende Zirpen, selbst bei solch einem Regenguss, zerrt an den Nerven.
Ich bin dabei, wenn du die Führung der Jagd übernimmst. Es widerstrebt mir eine Tier aus reinem, sportlichen, bei dem letzten Wort beschrieb er Anführungszeichen in der Luft, Spaß zu töten, doch ich tröste mich damit, dass es sein Leben im Dienst der Wissenschaft lässt. Wir haben kaum die Möglichkeit langwierige Observationen von Lebensraum und Verhalten anzustellen und so ist die Studie am postmortalen Objekt der weniger schöne, aber erfolgversprechendere Weg.
Ein Einbaum haben wir nicht aber ich denke das Dingi tut es auch. Damit meinte er das Beiboot aus genietetem Blech, welches quer am Heck des Dampfers hing und bis jetzt nicht mehr tat als rosten und regelmäßig voll Regenwasser zu stehen.
Je mehr er auf der Idee einer Fackeljagd herumdachte, umso mehr begeisterte er sich dafür. Einzig die Befürchtung, dass sie etwas anlocken mochten, dass das Verhältnis vom Jäger zum Gejagten umkehren konnte, machte ihm Sorgen.
Auch Sequoyahs beiläufige Bemerkung über die Erschaffer der Figur, ließen ihn schlucken. Er war schlicht davon ausgegangen, dass es sich um ein antikes Artefakt handelte, dessen Erschaffen schon lange zu Staub zerfallen war. Auf den Gedanken, dass es ein zeitgenössisches Stück sein mochte war er nicht gekommen. Ignatz fröstelte, trotz der drückenden Hitze.
Das Boot hat einen starken Außenborder, den der Kapitän verwahrt hat. Er sollte also funktionieren. Wir können daher Fluss abwärts treiben, so wie du beschrieben hast und dann unser Schiff ohne Probleme wieder einholen. Ich überlasse, wie gesagt dir die Vorbereitungen. Du musst entscheiden wen von den Männern du dabei haben willst und was du an Ausrüstung benötigst. Der Professor gähnte, als sich die Müdigkeit nun doch seiner bemächtigte. Vielleicht lässt das Wetter morgen Abend eine derartige Jagd zu. Er ging nicht davon aus, dass sein Kamerad noch heute Nacht auf die Pirsch gehen wollte.
Dann schlafen wir uns gut aus und fangen uns morgen Nacht eine Dschungelbestie. Er nahm einen letzten Zug und gab dann die Pfeife an ihren Besitzer zurück.
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In einer fließenden Bewegung stand Sequoyah aus dem Schneidersitz auf und nahm einen letzten Zug an der Pfeife. "Der morgige Abend soll es sein. Hoffentlich hat der Regen bis dann aufgehört."
Dann verschwand er so lautlos, wie er gekommen war in Richtung seines Schlafplatzes.
Der nächste Morgen war etwas kühler als sonst, was wohl die Nachwirkung des Regengusses der vergangenen Nacht war. Jetzt hatte es aber aufgehört zu schütten und das bedeutete, dass die Stechmücken und Blutkäfer wieder aus ihren Verstecken hervorgekrochen kamen. Auch sonst war der Wald wieder zum Leben erwacht und die Bootsbesatzung konnte den Lärm den Vögel, Insekten und andere Dschungelbewohner gemeinsam veranstalteten wieder genießen. Wobei erleiden wohl das passendere Wort für die meisten abgesehen von Sequoyah gewesen wäre. Bis jetzt hatte Sequoyah sich nicht die Mühe gemacht und Schnabelmayer gefragt, wie und wo er die Männer aufgetan hatte. Zumindest ging er davon aus, dass Schnabelmayer sie selbst angeheuert und diese Aufgabe nicht jemand anderem überlassen hatte.
Da der Professor tagsüber mit wichtigeren Dingen beschäftigt war, musste Sequoyah sich bezüglich der Männer und der Ausrüstung an den Kapitän des Schiffes wenden. Geduldig wartete Sequoyah ab, bis sich für ihn die Möglichkeit ergab mit dem Kapitän zu sprechen.
"Verzeihung Kapitän, wenn ich störe. Aber der Professor und ich würden gerne ein paar Männer, Ausrüstung und das Dingi in der nächsten Nacht für eine Jagd nutz...."
Der Kapitän fuhr ihm unwirsch ins Wort. "Für eine Jagd? In der Nacht? Habt ihr sie noch alle? Ich kann weder die Männer noch die Ausrüstung entbehren und besonders nicht das Dingi!"
"Verzeihung Kapitän. Ich muss sie aber noch einmal daran erinnern, dass der Professor diese Fahrt hier bezahlt und ihm damit glaube ich alles gehört, was sich auf dem Schiff befindet."
"Das mag schon sein Junge. Aber es ist doch Wahnsinn das bei Nacht zu machen. Wir können gerne auch tagsüber einen Stopp einlegen und eine Safari an Land einlegen. Aber bitte doch nicht bei Nacht..."
" Der Professor und ich haben uns für eine Jagd bei Nacht entschieden. Keine weitere Diskussion." Sequoyahs Stimme hatte etwas an Schärfe gewonnen und Ungeduld schimmerte durch.
"Das Dingi wird von uns genutzt. Die Ausrüstung auch. Und wir werden zwei Männer von der Besatzung brauchen. Sie sollten mit dem Dingi gut bei Tag und Nacht umgehen können, gute Nerven und Erfahrung mit Waffen haben. Wen würdet ihr empfehlen?"
Der Kapitän knirschte mit den Zähnen und unterdrückte nur mühsam seine Verärgerung. Seqouyah konnte ihm deutlich ansehen, was er von der Aktion hielt, aber letztlich hatte der Professor das alles hier bezahlt und so musste er sich beugen.
"Wenn es unbedingt sein muss nehmt ihr am besten Cordell und Bijan mit. Zumindest Bijan stammt ja auch aus der Gegend hier." Das für den Kapitän unter "Gegend" das ganz Land fiel in dem sie sich befanden war mehr als klar.
Sequoyah nickte kurz und ließ den Kapitän wieder weiter arbeiten und suchte die beiden Matrosen auf dem Schiff. Er erklärte den beiden kurz, was der Professor und er geplant hatten und nach einer kurzen Diskussion erklärten sich die beiden bereit mitzukommen.
Zusammen begannen sie damit das Dingi wieder fahrtüchtig zu machen, wobei der Großteil der Arbeit von den beiden Matrosen übernommen wurde, da Sequoyah sich nicht mit dem Außenborder auskannte und die beiden lieber alleine mit den Chemikalien rumhantierten mit denen sie zumindest den gröbsten Rost entfernten. Vom Dingi selbst war Sequoyah eher enttäuscht. Es war deutlich länger und auch etwas breiter, als die Kanus mit denen er in seiner Heimat auf Gewässern unterwegs gewesen war und es kam ihm auch trotz gegenteiliger Versicherungen der Matrosen auch deutlich plumper vor. Aber da es nichts anderes gab, musste er sich damit begnügen. Nahdem das Boot gereinigt war, bauten die beiden Matrosen auf Sequoyahs Anweisung hin noch einen Fackelhalter und ein Brett, welches das Licht nach hinten in Richtung Bootsbesatzung abblendete. Zuletzt luden sie noch die Ausrüstung in Form von Paddeln, zwei Essar Karabinern, Seilen, Leuchtfackeln und Taschenlampen an Bord.
Das Boot war bereit und die Mannschaft hoffentlich auch. Ab jetzt musste er nur noch warten, dass es dunkel wurde und dem Professor Bericht erstatten.
"Ignatz wir haben das Boot vorbereitet. Das Wetter scheint bisher auch ganz gut zu sein und bis zur Dämmerung sollte auch nicht mehr viel Zeit vergehen. Zwei Matrosen werden uns zur Sicherheit begleiten. Du wirst nachher in der Front vom Dingi sitzen und die Fackel anzünden müssen und unser Ausguck und Jäger sein. Freust du dich schon darauf?"
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Ob er sich denn auf die anstehende Jagd freue, hatte Sequoyah gefragt und mit einem etwas verkniffenden Lächeln hatte Ignatz geantwortet, dass es sich damit ähnlich wie mit dem ersten intimen Zusammensein mit einer Frau begab. Man freue sich darauf, ja sehne es sogar herbei, doch um der Wahrheit die Ehre zu geben, wisse man weder genau was man zu erwarten habe, noch habe man kaum mehr als eine theoretische Vorstellung was genau zutun sein. Sein Begleiter hatte herzhaft gelacht und war daran gegangen noch einmal die Ausrüstung zu überprüfen.
Den ganzen Tag hatte der Professor ein mulmiges Gefühl im Bauch. Er war alles andere als ein Feigling und wenn er auch nicht zu prahlen pflegte, hatte er seine Beherztheit doch ein ums andere Mal unter Beweis gestellt und musste weder sich noch anderen Tapferkeit beweisen. Doch in der Tat wurde ihm flau, wenn er daran dachte die Bestien des Urwaldes bei Nacht in ihrem angestammten Refugium zu reizen. Er konnte nur hoffen das Sequoyah wusste was er tat.
Zumindest vermittelte sein urtümlicher Wegbegleiter Zuversicht, indem er sich nicht die leiseste Beklemmung anmerken ließ.
Auch der Rest des Tags war dem Professor surreal vorgekommen. Dazu trug nicht nur die Pause in der Regenphase bei. Das sogenannte „Schweigen der Welt“, wie es die Einheimischen zu nennen pflegten, war eine Periode von einem, vielleicht zwei Tagen, in denen der sintflutartige Regen aussetzte, die Wolken aber weiter unheilschwanger tief am Himmel hingen. Düster und vollgesogen wie die fetten Stechmücken, die jeden Morgen unter dem Blechdach des Bootes hingen und durch ihre bloße Anwesenheit jegliche Wirkung der Moskitonetze zu verspotten schienen. Blitze zuckten von Zeit zu Zeit durch diese Wolken, ohne dass ihnen ein hörbarer Donner folgte.
Zusätzlich dazu hatte der Kapitän ihn den ganzen Tag über geschnitten und bestenfalls mit Blicken bedacht, die ebenso drohend waren wie das Firmament. Der Rest der Besatzung hatte ihn, Sequoyah, wie auch Cordell Mayweather und Bijan Baturro angesehen, als seien sie Todgeweihte, die in den antiken Arenen des versunkenen und verfluchten Rasankurs ihr Leben zu verwirken hatten.
Allemal nichts was ihn abzuschrecken vermochte.
Er nahm sich Zeit, sich mit dem Essar Karabiner vertraut zu machen. Eine solide Waffe und auch wenn Ignatz auf diesem Gebiet kein Experte war, hatte er doch von nicht wenigen, die es vorgaben zu sein, gehört, dass die Essar die Waffe für den Dschungel schlechthin war.
Bei guter Pflege relativ unempfindlich gegenüber Rost und Störungen. Die Patronen wurden durch einen Unterhebel geladen, was dafür sorgte, dass man beim Nachladen das Ziel nicht aus dem Visier entlassen musste. Sehr praktisch wenn irgendetwas wildes und wütendes durch das Unterholz auf einen zustürmte. Außerdem war das große Kaliber dazu geeignet, dass auch zu stoppen, was man traf. Allemal fühlte sich Ignatz mit diesem Vertreter der tödlichen Zunft sicherer, als mit seiner albern wirkenden Steinschlosswaffe, die mehr einem Erbstück, denn einer wirklichen Bedrohung gleichkam. Ganz zu schweigen davon, dass dieses Klima wohl das ungeeignetste war, welches man sich für offenes Schwarzpulver denken konnte.
Als die Dämmerung hereinzubrechen begann, bestiegen die vier Männer das Boot und alles wurde nach den Vorgaben Sequoyahs vorgenommen. Das Flussschiff schnaufte weiter den Orogangwa hinauf, während das Dingi zurückblieb und wie Treibgut wieder Flussabwärts schwamm. Mit Hilfe des Außenbordmotors würden sie den großen Kahn, der nur kleine Fahrt machte, mühelos einholen können und sollte es technische Probleme geben und das Schiff bis zum Morgengrauen nichts von ihnen gehört oder gesehen haben, würden sie zurückkommen.
Technische Probleme, wohl gemerkt!
Nur der Gottkaiser konnte ihnen helfen, wenn sie etwas aufscheuchten, dass befähigt war das Verhältnis von Jäger und Gejagtem umzukehren. Ignatz musste dem Kapitän ein Schriftstück aushändigen, indem er ihm einen Anteil des restlichen Solds zusagte, wenn er durch Naturgewalten ums Leben kam. Damit der gute Mann nicht auf dumme Ideen kam, erhielt er die ganze Summe natürlich nur wenn Ignatz unbeschadet in die Zivilisation zurückkehrte.
Die Baumreihen an den Ufern verschmolzen bereits mit den Schatten und die Tiere der Nacht lösten die Tagesschicht an Fauna ab.
Entzünden wir die Fackeln jetzt oder warten wir bis zur völligen Dunkelheit?
Unwillkürlich hatte er zu flüstern begonnen.
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Sequoyah fing lachend zu glucksen an, als er die Frage des Professors hörte. "Nein Ignatz. Es ist noch zu hell dafür. Wir müssen warten bis die Nacht vollends eingebrochen ist. Und du musst auch noch nicht flüstern." Er lenkte das Boot in die Mitte des Stroms und hielt es dort in Position auf der Stelle. Auf der anderen Seite des Flusses stieß sich ein bunter Vogel von einem Ast ab und flog mit einem hässlichen Krächzen über ihre Köpfe hinweg in Richtung Dschungel.
Obwohl bisher die Sonne noch nicht untergegangen war, konnte er die Anspannung der Männer spüren. Auf den Gesichtern von Cordell und Bijan floss der Schweiß nur so herab und tränkte ihre Kleidung und bei Ersterem konnte er den schwachen Geruch von Alkohol wahrnehmen. Schnabelmayer saß vorne mit dem Gewehr in der Hand im Boot und sein Flüstern verdeutlichte seine Anspannung nur zu deutlich. Sequoyah beabsichtigte nicht ihn noch nervöser zu machen indem er ihm verraten würde, dass Bijan und er selbst ihre Gewehre nicht für die Jagd, sondern nur im Notfall einsetzen würden.
"Wenn die Fackel erst entzündet ist, müssen wir schweigen, damit die Tiere nicht misstrauisch werden. Sie sollen nur dieses Licht sehen, dass lautlos über den Fluss schwebt und vielleicht noch etwas näher herankommen. Vor allem sind sie dann aber von uns abgelenkt und Ignatz kann den Schuss setzen. Ziele aber gut. Wir können keine laute Schießerei gebrauchen und den ganzen Wald aufschrecken. Falls mir irgendetwas auffällt, ein Tier, ein Hindernis oder irgend etwas anderes, werde ich das Boot leicht schaukeln lassen. So in etwa." Sequoyah ließ das Boot einmal leicht schwanken. "Das ist mein Signal für aufpassen." Sequoyah lehnte sich etwas im Dingi zurück und überprüfte noch einmal seine geladene Muskete. "Das wäre alles von mir. Wir müssen jetzt nur noch auf die Dunkelheit warten."
Die Nacht brach schließlich so plötzlich herein, wie sie es jetzt schon im Dschungel gewöhnt waren und es herrschte absolute Dunkelheit um sie herum. "Hier fangen wir an. Wir werden die linke Flussseite nehmen, da wir dort näher ans Ufer kommen." Wie nahe würden seine Begleiter gleich sehen. Die Fackel leuchtete hell auf und blendete die Männer, als der Professor sie entzündete und vor dem dem Brett in ihre Halterung steckte. Das hinter ihr senkrecht stehende Brett funktionierte wie eine Blendlaterne und schirmte das Licht nach hinten ab. Die Jäger saßen im Dunkeln, bis die Fackel richtig brannte und ihre Augen sich wieder an die Dunkelheit gewöhnt hatten, während vor ihnen die Lichtstrahlen die Dunkelheit erhellten. "Ab jetzt kein Wort mehr, außer ich sage etwas anderes." Beschied Sequoyah, wendete das Dingi und ließ es dicht am linken Ufer flussabwärts treiben. Fast völlig lautlos bewegten sie sich voran, denn er hatte sich tagsüber die Strecke genau angesehen und brauchte so nur ab und zu das Paddel zu benutzen, um Hindernisse zu umschiffen. Nicht einmal das Fallen der Wassertropfen vom Paddel war dabei zu hören.
Langsam glitt das Ufer an ihnen vorüber, rückte Stück für Stück in ihren Lichtkreis und versank dann hinter ihrem Dingi wieder in der Dunkelheit. Im Geäst der Bäume und Büsche hüpften und tanzten die Schatten im Licht ihrer Fackel, raschelten die Blätter, vielleicht durch eine sanfte Brise, vielleicht aber auch durch irgendein Tier. Ab und zu hörte man Keckern, Schnauben oder Zischen aus den Tiefen des Waldes, aber Sequoyah erkannte, dass keiner der Geräuschverursacher auch nur irgendwie in Nähe des Flusses war. Er konnte das aber seinen Kameraden nicht sagen und so spürte er, wie die Anspannung anstieg und genauso schwer auf ihnen lag, wie die schwüle Luft.
Während sie langsam den Strom hinabtrieben, dachte Sequoyah an die Figur zurück die der Professor ihm gezeigt hatte. Ob und wo die Erschaffer von ihr wohl lebten? Seit dem letzten Dorf, das sie besucht hatten, waren mehrere Tage vergangen und sie hatten seitdem keine Menschenseele mehr gesehen. Das hieß aber nicht, dass sie selbst nicht gesehen worden waren. Das Schiff war langsam und seine Rauchfahne weit zu sehen. Aus eigener Erfahrung wusste er, wie leicht es war aus der Deckung heraus so etwas auffälliges zu beobachten ohne selbst erkannt zu werden. Er schüttelte den Kopf, wie um den Gedanken loszuwerden und konzentrierte sich wieder darauf das Dingi zu lenken. Sein Verstand spielte ihm Streiche. Niemand konnte ihnen mit ausreichender Geschwindigkeit durch das Dickicht des Waldes folgen und selbst, wenn er es schaffte, hätte er keine Zeit andere darüber zu benachrichtigen.
Gerade als er das Boot um eine flache Sandbank herum lenkte, hatte er das Gefühl etwas am Uferrand zu erspähen. Als er genauer hinschaute konnte er es sehen. Am Uferrand kauerte ein Tier und stillte seinen Durst am Fluss. Und was für ein Tier es war. Sequoyah schätzte, dass es vom Kopf bis zur Schwanzspitze gut und gerne über vier Meter lang war. Wie vereinbart ließ er das Boot leicht schaukeln, um die Anderen darauf aufmerksam zu machen. Vier Augen leuchteten in der Dunkelheit auf, als das Fackellicht sie erreichte und starrten neugierig in dessen Richtung. Das Raubtier, soviel konnte Sequoyah schon mal sagen, richtete sich mit einer ihm eigenen tödlichen Eleganz auf und schritt einen Schritt ins Wasser rein, um dem Licht näher zu kommen. Sequoyah hielt das Boot mit dem Paddel an Ort und Stelle, als er dies sah, um eine gewisse Distanz zu wahren. Im Licht der Fackel konnten sie alle nun den Räuber deutlich besser sehen. Sequoyah zweifelte kein Sekunde daran, dass dieses Tier wahrscheinlich so gut, wie keine Fressfeinde hatte und sie aufpassen mussten nicht in seinen Blick zu geraten. Unter dem gefleckten Fell des Raubtieres spannten sich Muskeln, wie Stahlseile und sein breites Maul war voller nadelspitzer Zähne. Cordell schienen die Nerven endgültig durchzugehen, als er sah, wie das Tier etwas in ihre Richtung kam und atmete scharf und laut aus. In der Stille der Nacht hörten das nicht nur die restlichen Männer im Boot, sondern auch das ihnen unbekannte Raubtier. Seine kleinen Ohren stellten sich auf und versuchten das Geräusch zu verordnen. Zu ihrem Glück wurde es immer noch durch die Fackel geblendet und Sequoyah schaffte es durch sehr vorsichtiges Lenken ihr Boot ein bisschen weiter auf Distanz zu bringen. Im Nacken des Tieres stellten sich Stacheln auf und es antwortete mit einem tiefen herausfordernden Grollen auf den vermeintlichen Konkurrenten.
So langsam und lautlos, wie es möglich war zog Sequoyah das Paddel ein und griff nach seiner Muskete. Wenn sie jetzt nicht vorsichtig waren, würden sie vielleicht im Magen dieses Raubtieres landen. Er konnte nur hoffen, dass Ignatz absolut kaltblütig und richtig reagieren würde.
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Terra! Flüsterte der Professor, der sehr wohl wusste das jedes gesprochene Wort in dieser Situation fatal sein konnte. Die schiere Erregung über ihre Entdeckung machte es ihm jedoch unmöglich seine Zunge im Zaum zu halten. Van Papers Dornenrücken. Man hat ihn 27 nach für verrückt erklärt, als er dieses Tier in seinem Reisebericht mit dem Expeditionsheer von General Innsen beschrieben hat. Er hat nur ein totes Exemplar gesehen und seine Zeichnungen wurden für Aufschneiderei gehalten. Unglaublich!
Das Tier tauchte ein gutes Stückweit unter die Wasseroberfläche und nur seine Stacheln durchschnitten das spiegelglatte, nächtliche Nass.
Seht doch, wie es den Körper bewegt. Tatsächlich war die Bewegung im Schein der Fackeln unter der Oberfläche gerade so zu erkennen.
Wie bei den Crocodylia, ganz genauso und das bei einem Säuger!
Professor! Die sich selbst im Flüsterton überschlagende Stimme gehörte Cordell der einen Revolver in der Faust hielt und damit auf das tauchende Tier zielte. Die Waffe sah aus, als würde sie den Dornenrücken bei einem Treffer eher wütend machen als ernsthaft verletzen.
Die Bestie kommt immer näher. Feuern sie das Gewehr ab. Ignatz blinzelte, als reiße man ihn aus einer Trance und griff die Waffe, die quer über seinem Schoss gelegen hatte. Er erhob sich, was das Boot ein wenig zum Schwanken brachte und Sequoyah zwang sich mehr um die Stabilität ihres Gefährtes zu kümmern, als seine Waffe auf die Kreatur zu richten. Durch seine Bemühungen gelang es Ignatz einen festen Stand zu finden. Er repetierte und drückte den Essar an die Schulter. Der Rückstoß würde brachial sein und so er nicht Acht gab, konnte er aus dem Boot geschleudert werden.
Kimme und Korn kamen in Einklang und suchten gemeinsam den Schemen im Wasser.
Da!
Schießen Sie, um des Imperators Willen! Zischte Cordell mit äußerste Anspannung. Der Dornenrücken hob den Kopf aus dem Wasser. Das Licht der Fackeln wurde von den vier Augen eingefangen und reflektiert, ließen sie wie Miniaturmonde schimmern.
Die lange, spitze Zunge kam aus dem breiten Maul geschossen und wischte über die vier Augen, befreite sie von störendem Wasser.
Ich kann nicht! Ließ der Professor zum Entsetzen der anderen verlautbaren.
Eine Sünde ein solches Tier zu töten. Ich werde einer Legende nicht in den Kopf schießen.
Aber ich, verdammt noch mal! Sie bringen uns ja noch alle um.
Der Matrose hob die Pistole.
Lassen sie das Mann! Obwohl die gesamte Unterhaltung nach wie vor geflüstert geführt wurde, lag doch nun in der Stimme des für gewöhnlich durchgeistigten Mannes, der scharfe Befehlston des einstigen Kavalleriehauptmannes. Das genügte immerhin um Cordell zögern zu lassen. Das Raubtier tauchte wieder ab und schien sich entschieden zu haben die Sache ernsthaft anzugehen.
Er ist unter dem Boot. Rief Bijan, der in seiner Furcht das Leisesprechen gleich ganz aufgab. Wie um die Richtigkeit seiner Feststellung zu untermauern, traf ein gewaltiger Schlag das Dingi und es bockte wie ein scheuendes Wildcarnack.
Aufregung im Boot.
Mit der Ruhe. Er will nur testen ob wir schmecken. Es wird ablassen wenn es merkt das unser Gefährt nicht… In diesem Moment schoss der Dornenrücken aus dem Wasser und sein Kopf schien im Aufblitzen einer Sekunde nur aus Zähnen und noch mal Zähnen zu bestehen. Wie eine zuschnappende Bärenfalle schlossen sich die Kiefer um den Rand des Boots und man konnte Metall kreischen hören. Das Tier griff eine Beute oder einen Konkurrenten an. Das es sich um mehrere Lebewesen handelten, begriff es nicht.
Bijan schier und wich vor dem verbissenen Monstrum zurück. Cordell fiel der länge nach hin und klatschte in das Wasser, dass bereits über den Seitenrand schwappte, denn das Gewicht des Tieres herabdrückte. Ignatz setzte sich hart auf den Hosenboden, kippte von der Bank und schlug mit dem Hinterkopf auf den hinteren Rand des Bootes. Er sah Sterne und nur das um seine Beine stehende, kühle Wasser verhinderte wohl das er die Besinnung verlor.
Sequoyah derweil…
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Ignatz reagierte nicht kaltblütig und besonders nicht richtig. Sequoyah hatte Verständnis dafür, dass der Professor vor Ehrfurcht vor dem Tier nicht gleich auf es schießen wollte. Ihm selbst war es auch schon so auf er Pirsch ergangen, aber es kam immer der Moment, wo man wieder zu sich finden und schießen musste. Pragmatismus hatte nun einmal Vorrang, auch für "Naturvölker" wie dem, dem Sequoyah entstammte.
Der Professor war aber nicht pragmatisch und ließ weitere wertvolle Momente verstreichen. Dann war das Tier weg und nur durch Bijans Ruf konnte er es wieder verorten. Es war natürlich zu spät um etwas zu machen und so mussten sie tatenlos den Angriff über sich ergehen lassen.
Die Rammattacke war schon schlimm genug gewesen und hatte ihn, wie die Anderen durchgeschüttelt. Der zweite Angriff übertraf das noch einmal. Für einen Moment sah er nur Zähne und in der Dunkelheit glänzende Augen, dann kam alles ins rutschen. Sequoyah schaffte es im Gegensatz zu den Anderen gerade noch so seinen Stand durch einen seitlichen Ausfallschritt zu bewahren und stellte fest, dass er genau am Bootsrand stand und ein paar Zentimeter mehr ihn über Bord befördert hätten.
Er ließ Paddel und Muskete fallen und zog den panisch strampelnden Cordell wieder vollständig ins Boot zurück und schob ihn auf den Platz auf dem er selbst zuvor gesessen hatte.
"Wirf den Außenborder an und bring uns hier raus!" Schrie er ihn an und schüttelte den schockstarren Mann, ehe er Bijan zurief sich um den Professor zu kümmern. Mit seiner Muskete in der Hand und Cordells Revolver in den Stofflendenschurz geschoben, wendete er sich dem Dornenrücken zu. Sequoyah war sich irgendwie sicher, dass das Tier sich wieder an die Dunkelheit gewöhnt hatte und ihn erkannte. Zumindest löste es seine Zähne vom Bootsrand und streckte seine Zunge in seine Richtung aus. Sequoyah ahnte, dass die Kreatur gerade versuchte ihn einzuordnen und er gedachte nicht ihr die Zeit dafür zu lassen. Die Muskete schnellte hoch und der Feuerstein traf auf das Zündkraut. Mit einem in der Nacht gefühlt ohrenbetäubend lautem Knall löste sich der Schuss und der Geruch verbranntem Schießpulvers waberte über dem Boot. Sequoyah hatte wie so oft aus Angewohnheit mit einem schlecht eingezogenen Kolben ohne viel zu zielen gefeuert, aber aus dieser Entfernung konnte der Schuss nicht daneben gehen.
Der Dornenrücken brüllte vor Schmerz und Überraschung laut auf, ließ vom Bootsrand ab und tauchte in die nassen Fluten ab, während Sequoyah versuchte mit dem Revolver zu treffen. Aber die Waffe lag zu ungewohnt in seinen Händen und das Tie war zu schnell verschwunden und so spritzte nur Wasser auf, wo die Kugeln daneben gingen.
Hinter sich konnte Sequoyah hören, wie Cordell den Motor anwarf und das Boot im Fluss wendete, um Richtung Dampfschiff zurück zu kommen. Gerade als Sequoyah sich zu Schnabelmayer nach vorne begeben wollte, tauchte der Dornenrücken wieder auf. Zuerst sah er ihn gar nicht, weil nur die Dornen aus dem Wasser ragten, dann krachte das Tier wieder in das Boot, Metall ächzte und Sequoyah wurde der Boden unter den Füßen weggerissen. Dieses mal konnte er sich nicht abfangen, sondern fiel der Länge nach hin und schlug sich die Lippe und Knie auf. Revolver und Muskete waren ihm entglitten und nur das Paddel, das er vorhin verwendet hatte, lag in Griffreichweite. Mühsam stand er wieder auf und hielt das Paddel abwehrbereit vor sich.
"Schießt es endlich ab oder werft ihm eine Leuchtfackel in den Rachen! Wir müssen das Vieh jetzt vertreiben oder wir sind alle tot!"
Die Angst vor so einem Schicksal war nicht nur an Sequoyahs Augen abzulesen, sondern auch daran, dass er das Tier als Vieh bezeichnete. Einen Ausdruck, den er sonst nie in den Mund nahm.
Mit zwei humpelnden Schritten war Sequyah an den, in den Bootsrand verbissenen, Dornenrücken herangetreten und zog ihm das Paddel mit voller Kraft über den Schädel. Der erwünschte Effekt blieb aber aus, und mit einem kräftigen Bissen zertrümmerte das Tier das Paddel, um dann im Anschluss den Störenfried mit einem Prankenhieb niederzustrecken. Scharfer Schmerz zuckte durch Sequoyahs Brust und im nach hinten fallen, konnte er einen Blick auf die stark blutenden Wunden auf seinem Oberkrörper erhaschen, ehe er schwer gegen die Bootsumrandung fiel und sich vor Schmerzen zu krümmen begann.
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