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Absturzstelle der Greif Alpha
#17
Eine Wolke blauen Rauchs stieg empor und vermischte sich mit den wenig angenehmen Gerüchen der Schiffstoilette. Immerhin minderte sie den Gestank etwas und Kurt zog den Tabakqualm tief ein. Mit dieser Tat reihte er sich in die Liga vorangegangen Rebellen und Helden ein, die ihre Glimmstängel, trotz verbietendem Schild, auf der Metallabdeckung der Toilettenpapierrolle ausgedrückt hatten.
“Seht ihr die Lunge dort im Klo? Schönen Gruß von LHO!“ Stand da an der Tür geschrieben. Unzählige Zeugnisse spontaner Kreativität bedeckten das imprägnierte Holz und gaben Zeugnis vom Einfallsreichtum einfacher Soldaten. Standard war “Noch 120 udRvH“ wobei das Buchstabengewirr mit “und-der-Rest-von-Heute“ zu entziffern war. Daneben fanden sich Bezeugungen ewiger Liebe, mit Annas, Marias und Claudias. Einheitenabkürzungen hielten sich die Waage mit Witzen aller, vornehmlich aber unanständiger, Art. Einige, besonders begabte Zeitgenossen hatten sich an der Darstellung von Geschlechtsteilen geübt. Bedachte man das dieses Schiff im Großteil medizinisches Personal beherbergte, hätte man eigentlich auf anatomisch Korrektheit hoffen können. Last but not least, der ewige Klassiker, “Ich war hier!“, mit oder ohne nichtssagendem Namen. Allerdings nur ein “Wer das liest ist doof“. Das wunderte Kurt, der in seiner Karriere schon mehr Scheißhauskunst gelesen hatte als Dienstanweisungen und fromme Sprüchlein. Gerne hätte auch er seinen Teil zur Ewigkeit beigetragen, etwa bestätigt das auch er hier gewesen war, oder verkündet “Die Artichendes Prios ist nicht durch einen Unfall abgestürzt, es war Verrat!“ Nur dummerweise hatte er keinen Stift dabei. Tragisch das die Verbreitung der Wahrheit an so etwas scheiterte. Naja, egal!
Wie lange sie den ganzen Schwindel aufrechtzuerhalten glaubten war ihm ohnehin schleierhaft. Die glaubten doch nicht das so viele Leute dichthalten würden, nur weil es ein Befehl war. Er fragte sich ob irgendwelche Zeitungen dafür zahlen würden und vor allem wie viel.
Während er darüber nachgrübelte strich seine Zunge unwillkürlich über die beiden neuen Zähne. Immerhin pures Gold… nun… weder pur, noch Gold, aber es sah verdammt, täuschend echt aus. Lies ihn wie einen hohen Herren aussehen und verlieh seinem, ohnehin gewinnenden, Lächeln sicher einen herrschaftlichen Anstrich. Den Zahnarzt davon zu überzeugen, das ihm diese Sonderanfertigung ausnehmend gut stehen würde war gar nicht schwer gewesen. Der Typ war ein grüner Junge und recht offen für seine Argumente.
Nachdem die Schmerzmittel aus seinem Körper gewichen waren fühlte er sich ohnedies wieder befähigt mit allen Dingen die da kommen mochten fertig zu werden. Die Prellungen ließ ihn nachts schlecht einschlafen, aber ansonsten war er recht unglimpflich durch dieses Fass voll Scheiße getaucht. Der Kommissartussi waren erstmal die Hände gebunden. Man konnte ihm ja nicht die Schuld an einem technischen Defekt geben, oder? Die Braut hatte ihm auf dem Kieker, da durfte er sich keinen Illusionen hingeben, aber vorerst würde sie ihm kein Loch verpassen wo keines hingehörte. Vorausgesetzt er war vorsichtig.
Während er seinen Revolver aus dem Holster zog und auf die Knie legte, zählte er die Risikofaktoren gedanklich ab. Der Burschen den er auf dem Schiff umgelegt hatte war zusammen mit diesem verbrannt. Asche im Wind, wie es so schön hieß. Die Hundemarke hatte er vorschriftsgemäß abgegeben und einen Bericht nachgereicht. Zur Hölle, das war nun wirklich ein Unfall gewesen. Nicht das es ihm keinen Spaß bereitet hatte diesem Wichser, der da reingestürmt gekommen war wie der letzte Vidfilmheld, eine ganze Ladung zu verpassen und den dümmlichen Gesichtsausdruck zu genießen. Aber eben trotzdem ein Unfall.
Dann die Geschichte in der Kantine, wo diese hirnlosen Affen verhinderten das er sich was von dem Zeug geklemmt hatte und dabei gleich mal einen Kameraden zu dritt verprügelten. Sehr tapfer, die braven, kleinen Zinnsoldaten. Und nun? Das Zeug war komplett beim Teufel und niemand hatte was davon.
Kurt fingerte eine Schachtel Patronen aus der Beintasche und öffnete sie. An die Kugeln war er leicht gelangt. Einen, mehr oder minder, schwarzen Markt für derartige Dinge gab es in jeder größeren Militärniederlassung, meist sogar mit stillschweigender Duldung der Obrigkeit. Dreißig Schuss für fünfzig Schekel war zwar nicht gerade eine Ausgeburt der Kundenfreundlichkeit, aber was sollte man machen?
Während er die Trommel des schweren Revolvers aufklappen ließ und die messingummantelten Geschosse in die Kammern lud gingen seine Gedanken wieder zu den Problemfragen zurück.
Der geplante Einbruch in den Laden war nichts Wildes. Schlimmstenfalls eine geäußerte Überlegung, welche die drei Mutis falsch gedeutet hatten. Sie würden schon die Fresse halten. Einen Kameraden zusammenzuschlagen zog gewiss mehr Strafe nach sich als die ausgesprochene Absicht einen Laden auf einem abgeschmierten Luftschiff um ein paar Kippen zu erleichtern.
Was war noch? Ach ja, er hatte auf den Kompaniechef geschossen. Aber nur um den Geiselnehmer hinter ihm abzuknallen und schließlich lebte der Alte ja noch. Einen imperatorverdammten Orden hätte er verdient. Aber davon könnte er sich auch nichts kaufen. Das Größte war sein Seitenwechsel. Wären die Dinge anders gelaufen hätte er tatsächlich die Fronten gewechselt. Die Aktion hatte ihn näher an die Mündung einer Kommissarswaffe gerückt als alles was er sich bis dato so geleistet hatte. Aber he, wenn das nicht göttliche Fügung war. Der Gouverneur persönlich war ihm zur Hilfe gekommen. Wenn die Typen nur verwirrte Spinner gewesen waren, dann konnte er sich ja schlecht auf ihre Seite schlagen. Freispruch für den Angeklagten in allen Punkten, Bada bi Bada bum. So löste sich alles in Wohlgefallen auf. Das war jedenfalls zu hoffen. Inzwischen war er froh den schwimmenden Fahnenfluchtsversuch nicht unternommen zu haben. Davon abgesehen das er bei der Temperatur eine hübsche Wasserleiche abgegeben hätte, wäre er auch so nicht weit gekommen. Truzt und Gohmor waren sich vielleicht nicht grün, aber das bedeute nicht das man in der Megapole keine Jagd auf Deserteure machte. Leicht verdientes Kopfgeld. Nein, sowas musste ordentlich geplant sein. Denn sein Vorhaben hatte er keineswegs aufgegeben. In dieser Einheit gab es keine Zukunft. Mann musste kein Genie sein um zu sehen das die Zehnte auf dem absteigenden Ast war. Ständige Skandale, hohe Verluste und das Wohlwollen des Gouverneurs verflüchtigte sich auch zusehends. An Versetzung war nicht zu denken, also blieb nur eine berufliche “Neuorientierung“. Die Aussicht auf eine neuerliche Mission, die nichts einbrauchte außer die Läufe irgendwelcher Feinde vor sich und die Mündungen der Kommissare hinter sich. Davon hatte er die Schnauze gehörig voll.
Er ließ die Trommel des Revolvers zuschnappen und verstaute die Waffe.
Vielleicht sollte er sich an die Leute von Truzt wenden. Man wusste ja nicht, sollte es zum Krieg kommen, ob er auf der Gewinnerseite stand.
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