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Superstitem Esse - In der Blutsandwüste
#27
[Bild: desertdw9.th.jpg]


Sand, wohin das schweifende Auge auch blickte, Variation bot sich ihm in der Einöde von Wüstenei kaum. Gleichgültig wohin sich die Aufmerksamkeit auch wendete, versuchte etwas anderes, etwas einzigartiges in dieser trockenen Kargheit zu lokalisieren, etwas dass das sich unablässig wiederholende enthemmte, ihm nicht das fortgesetzt gleichende Bild eingab, existierte doch weit und breit nichts anderes als die von Wind aufgetürmten Kämme aus unverfestigtem Sedimentgestein, die sich wie erstarrte Wogen eines ausgedörrten Meeres Meile über Meile in jedwede Himmelsrichtung erstreckten und fossil in der gefährlichen Mittagshitze vor sich hin brüteten. Reinstes strahlendes Gelb, schattierte Ockertöne und rostig angelaufenes Orange beherrschten die Farbgebung jenes Terrains, das sie mit aufstöhnendem Motor durchfuhren. Das Feuerrad welches von hoch oben wie ein gehässiger Gott auf sie und diese verbrannte Ebene herabschien und selbst das Atmen der Sterblichen zur Qual werden ließ, war eigens umgeben von säuberlichstem Azurblau, wenngleich aus südlicher Richtung bereits die ersten grauen Wolkenbänke am heranrollen waren um jene geradezu paradiesische Front des Firmaments wieder in das vergiftete Obdach dieser Welt zu verwandeln, das der gemeine Bewohner unlängst gewohnt war.

So träge und schleppend die Zirkulation der Luft in der Fahrerkabine sich verhielt, so erging es auch den Insassen. Dösend hingen sie in ihren Sitzen, starrten wie Puppen bei denen man vergessen hatte die Aufziehstrippe zu bedienen aus der umlaufenden Fensterscheibe und lauschten dem einschläfernden Geräusch der werktätigen mechanischen Kraftquelle der sie ihr Fortkommen verdankten. Alles Wichtige war schon in der ersten Stunde der Fahrt gesagt worden, danach hatten sie sich an beiläufige und schließlich an weniger interessanten Themen versucht, letzten Endes war das Gespräch zum Erliegen gekommen und bis jetzt nicht wieder aufgenommen worden. Nun regierte das Schweigen. Dies hatte weder den Grund dass sie sich nicht gern mit ihrem Begleiter verständigte oder ihn nicht gebilligt besser kennenlernen wollte um ihre Geschäftsbeziehungen zu ihm heraufzusetzen, sondern viel eher das die drückende Temperaturen jede Probe eines Dialogs schon unweigerlich in ihrem Anfang erstickten. Zwar befleißigte sich die interne klimatische Anlage der lastenden Schwüle so gut sie konnte Herr zu werden, doch war dies ein hoffnungsloses Unterfangen, sodass sie sich ihrer irgendwann erbarmten und sie abschalteten um nicht überflüssig den ohnehin knapp bemessenen Treibstoff zu verschwenden. Folglich schwitzten sie tapfer weiter, jedoch schon bald den leichten kühlenden Hauch der Ventilation vermissend.

Eine zusätzliche Linderung befand sich in ihrer Hand, eine der wenigen Wasserflaschen aus Plastek die Lansing unbeschädigt und auf die Schnelle aus dem Wrack des Shuttles zu erretten vermocht hatte. Immer wieder erinnerte sie sich des seichten Gewichtes des Behältnisses zwischen ihren Fingern und dem erfrischenden, feuchten Geschmack, welches es beinhaltete und so wohltuend für ihre staubtrockene Mundhöhle war. Stetig wieder musste sie sich ermahnen nicht dem Drang nachzugeben, die wertvolle Füllung einem Sturzbach gleich ihre dürstende Kehle hinunter zu befördern um das marternde Gefühl des Mangels zumindest für die nächste Stunde auszulöschen. Es war wahrlich nicht leicht sich selbst gegenüber so hart zu sein, aber es war zwingend nötig wenn sie diesen Höllenhof überstehen wollten. Und während die Landschaft außerhalb auch nach vielen zehrenden Wegstunden sich nicht anschickte sich zu wandeln, eine Dünenkette der nächsten nachfolgte um wiederum weitere aride Gefilde vor ihnen auszubreiten wie einen nicht enden wollenden Teppich sandiger Verdammnis, der keine Widerkehr ins Land der Lebenden versprach, meldeten sich auch die bereits vergessenen Schmerzen zurück, die die Azazernerin bisher gütigst mit Ignoranz ob ihrem Vorhandensein gestraft hatte.

Im Halbschlaf begriffen, erschöpft von den Beschwerlichkeiten der Flucht und der nun beinahe betäubenden Tatenlosigkeit der gehaltlosen Fahrt durchs Niemandsland, ebbte die Wirkung der eingenommenen Sedativa rapide ab, der Körper, nicht mehr zu Höchstleistungen beeinflusst, sondern im einem Zustand des Müßigganges, schwächte seine zuvor aufgebaute natürliche Immunisierung ab, ein Vergehen das Ayris jetzt zu spüren bekam und das ihr neben den einsetzenden stichartigen Attacken an ihrer Hüftwunde noch zunehmende Übelkeit bereitete. All dies begann schleichend, gleich einem Virus der sich langsam und sicher einem zusammenwirkenden organischen Gefüge bemächtigte um ihn zu infizieren. Als sie sich das erste Mal in ihrem Dämmerschlaf vor „Frost“ schüttelte, wusste sie dass etwas mit ihr im Argen lag. Sofort ruckte sie aus ihrem Schlummer hoch und konzentrierte sich auf ihr „Innerstes“, horchte gewissermaßen in sich hinein, nur um festzustellen das sich ihr Gesundheitszustand eindeutig verschlechtert hatte, was sich nicht nur von der aufwallenden Galle die ihr plötzlich in den Hals schoss, herleiten ließ. Widerwillig schluckte sie das eklige Emporkriechende wieder hinunter. Aber das war empfehlenswerter, als ihre dürftigen Magensubstanzen notgedrungen über die Armaturen zu verteilen.

Rasch versicherte sie sich mit einem Seitenblick ob Magaris ihrem Unwohlsein schon Bedeutung beigemessen hatte, aber erfreulicherweise war dem nicht so. Der Freihändler schaute bestrebt bedachtsam auf die Staubfahne die sich vor der monströsen Haube ihres Gefährts abzeichnete und welche von dem Bike des Söldners Enok herrührte, der ihnen voran fuhr und um die sicheren Pfade zwischen den Wanderdünen, den vereinzelten Salzseen oder den Treibsandfeldern wusste. So hofften sie jedenfalls. Das in ihn gesteckte Vertrauen war längst nicht gerechtfertigt und bald würden sie aus eigenem Antrieb erfahren ob er es mit ihnen ehrlich meinte oder nicht. Bis dahin hatten sie Zeit sich mit den eigenen Sorgen und Problemen auseinanderzusetzen.
Colchis, es fühlt sich an als hätte ich einen ganzen Niststock von Feuermeisen in meinem Gedärmen, das ist alles andere als inspirierend und gedeihlich… doch gedeihlich ist es, aber bestimmt nicht bekömmlich!

Ohne den empfundenen Qualen zu erlauben sich auf ihrem Gesicht widerzuspiegeln und auch sonst darauf besinnt sich unempfindlich zu geben, durchwühlte sie ohne Hast die Taschen ihres Overalls, irgendwo hatte sie gewiss noch einen Vorrat an Tranquilizer. Aber die einzigen erfolgversprechenden Täfelchen die sie vorfand galten der Unterdrückung und Vorbeugung einer anderen Unpässlichkeit an der sie bereits Jahre ihres Lebens litt. Einer Sucht die sie mehr und mehr in Abhängigkeit stürzte. Ihre Entdeckung wies sie allerdings diskret darauf hin dass sie sich bald Nachschub beschaffen musste, nun da kein imperialer Kommandant mehr für ihre stete „Ernährung“ vorbeugte, wenn sie nicht binnen kurzem als hysterisches Nervenbündel und von ständigen Alpdrucken geplagt umherzulaufen gedachte. In der gepackten Tasche wurde sie schließlich nach einigem kramen fündig, etwas vom Bestand des Medizi-Koffers hatte sich wohl hier hinein verirrt. Oder hatte sie es selbst noch hinzugelegt, ehe sie das Schiff verließ? Sie wusste es bei bestem Willen nicht mehr. Beglückt blinzelte sie zu dem Fahrer hinüber der auf ihre Suchaktion hin doch noch aufmerksam geworden war und schluckte im folgenden Augenblick drei Kapseln hinunter und spülte mit erwärmten Wasser aus der Flasche nach. Beteuerte ihm so, ohne ein Wort sprechen zu müssen, das alles in Ordnung sei. „Xeno“ verstand ihr höfliches Funkeln der Augen und nickte, achtete dann wieder auf das Motorrad und passte das Fahrverhalten des schweren Kraftfahrzeugs seinem kurvigen Kurs um bröcklige Erhebungen an.
Ich benötige eine Generalüberholung… gleichwohl wir einkehren, mir fehlt es an allem, besonders an Wohlergehen. Was gäbe ich für einen fachlichen Medi-Servitor oder einem kundigen Dorfheiler… oder ein Anwesen in milden Breitengraden mit einer Dienerschaft die sich von morgens bis abends um mein Wohlbefinden sorgt… oh, wie traumhaft waren die schönen, alten Zeiten…

Soeben scherten sie in eine Art Talsenke ein, es verdiente diese Umschreibung weil die umgebenen Dünenrücken sich fast über einen einige Kilometer hinweg zogen, sich an ihren Enden verjüngten, aber zu ihrer Mitte ausdehnten. Fest gebackene Erde konsolidierte jenes naturelle Wunder, das im Moment zwar fest und solid wirkte aber bei einem künftigen Sandsturm der über diese Gegend wütete, wieder der Wüste einverleibt sein würde, als hätte es diese Formation nie gegeben. Fast sah es wie ein trocken gelegtes Flussbett aus, das sich tief in den Untergrund des Ödlands gefgraben hatte und stellte eine tatsächliche Abwechslung der sonst eher trostlosen Landschaft dar. Insbesondere weil in der Mulde selbst, teils aus den Luvseite der gewaltigen Düne als auch aus dem Boden das Gerippe eines titanischen Wesens ragte, allein die Größe der Knochen ließ auf eine archaisches Urbestie schließen, die hier dereinst wohl auf Wanderung verendet war. Geheimnisumrankt sog das Knochengerüst die Blicke der sehr viel kleineren Lebewesen in ihren Vehikel an, verdeutlichte ihnen einmal mehr die grenzenlose Gnadenlosigkeit des flammenden Himmelsgestirns.

Aufgescheut vom Motorengeräusch sprang ein Rudel vierbeiniger echsenhafter Tiere um die verblassten und gescheuerten Gebeine des gefallenen Riesen, das sich wahrscheinlich ein wenig im Schattenwurf des Skeletts ausgeruht hatte. Bei näherer Beobachtung gewann Ayris den Eindruck dass diese Kreaturen, nicht wahrhaftig nur sprangen, sondern fast durch die Luft „segelten“, was sie vermutlich zu schnellen und unerbittlichen Jägern werden ließ. Da das Rudel ungefähr an die dreißig Geschöpfe zählte, wovon an die zehn mit ihren vorderen Klauenartigen Gliedmaßen durch die Luft hieben, was wohl als anschauliche Drohgebärde zu erkennen war, lag der Schluss nahe sich weiterhin an ihrem Rand der Senke halten und die Geschöpfe nicht zu einem Angriff zu reizen. Tariq Enok war anscheinend der gleichen Ansicht und fuhr einen weitläufigen Bogen um die gigantischen Fragmente und das aufgeschreckte Rudel. Ayris ihrerseits betrachtete das Verhalten der Wüstentiere weiter neugierig, allein des Augenblickes und der Ablenkung wegen. Unversehens schweifte ihr Blick höher, nicht absichtlich, nur aus einer Laune heraus, hinauf zum oberen Grat der Düne… und erfasste fünf berittene Gestalten. Als dunkle, annähernd schwarze Silhouetten paraphierten sie sich vor dem golden strahlenden Auge des Himmels ab. Geduldig und regungslos harrten sie dort oben aus, wie Mahnmale, Wächter der Wüste. Auf einmal wurde der Außenweltlerin mulmig zumute, nicht nur die fade Kärge und Leere jenes Terrains verhieß ihren ausdrücklichen Tod, auch ihre Bewohner schienen ihnen nicht freundlicher gesinnt zu sein… sie hoffte bald das Ziel ihrer Reise erreicht zu haben und sich immerhin dem trügerischen Gefühl von Sicherheit hingeben zu können.


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[Kein Betreff] - von - 01-12-2009, 02:35 AM

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