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Orogangwa
#21
Ignatz zeigte sich ergriffen von den vertraulichen und durchaus anrührenden Worten seines Kameraden. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann das letzte Mal so offenherzig mit ihm gesprochen wurden war. Einzig vielleicht der Orgyn, der fast an seiner Expedition teilgenommen hätte. Aber so recht konnte man diesen nicht mitzählen, da dessen kindliches Gemüt ihn die meisten Dinge mit rückhaltloser, ja naiver Offenheit hatte begegnen lassen.
Seine Verbundenheit mit dem Buch, dass ihm gleichsam als Inspiration wie als Glücksbringer und Mahnung an die eigene Jugend gereichte, mochte er nicht als ersten Schritt auf einem Pfad der Vorherbestimmung sehen. Freilich, im Licht der Ereignisse und Begebenheiten wäre es vermessen gewesen Schicksal und Vorsehung als gänzlich unsinnig abzutun.
War es nicht die Piratenrasse der Eldar, die von sich behauptete sogar die Zukunft und damit die Vorherbestimmung sehen zu können? Ignatz aber hatte zu viele Jahre seines Lebens im Schoss der Rationalität und wissenschaftlichen Evidenz geruht, um sich jetzt Hals über Kopf in die Esoterik zu stürzen. Er gab daher eine wage Antwort und blieb Sequoyah auch die Antwort auf das erwähnte Ritual schuldig oder formulierte sie bestenfalls schwammig.
Ich muss darüber nachdenken. Solche Dinge funktionieren nur wenn man die nötige Bereitschaft mitbringt. Jedenfalls nehme ich das stark an. Ich kann allerdings noch nicht mit Sicherheit sagen, ob ich die nötige Offenheit schon habe.
Nicht lange danach beendeten sie ihr Gespräch. Trotz gegenteiliger Aussage glaubte Ignatz nicht, dass die Brustverletzung seines Freundes so harmlos war wie dieser tat. Außerdem war er auch selber wie erschlagen und schlief keine zehn Minuten später den Schlaf der Gerechten, die Blutsauger gar nicht bemerkend die es unter sein Moskitonetz geschafft hatten.

Die nächsten Tage verliefen in monotoner Gleichförmigkeit. Der Regen hatte wieder eingesetzt und ließ die Welt erneut zusammenschrumpfen. Der Kapitän verkündete unheilsschwer, dass ihnen langsam aber sicher die Kohlen ausgingen und er entweder Holz bunkern musste oder die eiserne Reserve an mitgeführten Chem- Blöcken an den Kessel verfüttern musste. Man mochte nun glauben das Holz kein Problem sei, in Mitten eines Dschungels. Doch Kapitän Miller meinte, dass Holz sei so mit Flüssigkeit vollgesogen, dass es leichter wäre einen Eimer Flusswasser zum Brennen zu kriegen. Ob das stimmte vermochte Ignatz nicht zu sagen. Er musste sich auf die Fachexpertise des Mannes verlassen, von dem er vermutete, er suche einen Anlass umzukehren.
Die Chem- Blocks wiederum dienten genau dafür, den Rückweg zu gewährleisten und der Kapitän würde sie nur dann an die Heizer ausgeben wenn er das Ruder herumreißen konnte.
Eines Abends setzte er ein barsches Ultimatum.
Wenn man bis Ende der Woche kein Eingeborendorf finden würde, so würde er umkehren. Ignatz sagte dazu nichts. Scheinbar hatte ihm seine erste Konfrontation mit dem Alten gereicht.
Er zog sich in seinen Elfenbeinturm der Feldforschung zurück, zeichnete Pflanzen, Insekten und kleine Amphibien.
Davon ab machte Cordell Stimmung gegen den Professor, Sequoyah und diejenigen, so wenige es auch waren, die eher an der Expedition festhalten wollten, als sie vorschnell zu beenden. Jedem der es hören wollte und oftmals auch ohne diese Voraussetzung, erzählte Cordell wie Sequoyah sie durch seinen idiotische Fackeljagd in Gefahr gebracht und wie der zögerliche Professor eine schlimme Situation noch schlimmer gemacht hatte. Die Langeweile und die entnervende Umgebung ließen dieses Gift auf fruchtbaren Boden rieseln und Sequoyah musste sich manchen drohenden Blick und halblaut gemurmelte Bemerkung gefallen lassen. Ihn mit der Schulter anzurempeln, wenn man sich an der schmalen Außenreling begegnete schien einige zu verlocken. Aber zu sehr sah er nach Menschenfresser uns skalpierenden Wilden aus, dass es jemand gewagt hätte. Das Manko des Fremden, seit jeher einen bequeme Grundlage für Abscheu und Missgunst, war ihm gleichermaßen Schutz wie Markel.
Noch!

Bijan blieb weiterhin sonderbar. Von seinen oberflächlichen Verletzungen weitgehend und schnell genesen, übernahm er seine alten Aufgaben. Wie ein Tagträumer ging er seinen Verpflichtungen nach, still vor sich hinlächelnd. Sprach man ihn an, so antwortete er kurz und knapp, aber freundlich und konkret. An die Zeit seiner Entführung vermochte er sich noch immer nicht zu erinnern.

Ignatz war derweil nur zum Teil unrettbar in den Brunnenschacht des Forschertums hinabgestiegen. Wohl war sein befleißigtes Abzeichnen, Konservieren und Katalogisieren nicht vorgetäuscht, aber nahm es ihn in Wahrheit nicht so gefangen wie es den Anschein hatte. Die Gespräche mit Sequoyah wurden kürzer, für neugierige Augen eher beiläufiger Natur. Bewusst, denn so sehr sich der Rest der Mannschaft auch in verschwörerischer Manier zusammen hockte und der Kapitän gleich gar nicht mehr aus seiner Kajüte zu kommen schien, versuchten Ignatz und Sequoyah den Anschein des Normalen aufrecht zu erhalten.
In Wirklichkeit aber brachten sie ihre Spielsteine in Position. Eines der Gewehre zu ergattern war nicht möglich, da diese vom Kapitän in der Waffenkiste unter Verwahrung gehalten wurden.
Es blieben also ihre primitiven Vorderlader und der blanke Stahl ihrer Nahkampfwaffen. Nun nicht ganz so blank, denn als Ignatz seinen treuen Säbel nach Wochen, in denen dieser schändlich am Boden seiner eigenen Kiste vergessen wurden war, wieder hervorholte und aus der Scheide zog, zeigte sich dieser rot von Flugrost. Ihn lang und auffällig zu polieren wagte er vorläufig nicht und daher musste rostige Schärfe erst einmal genügen.
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