10-24-2017, 03:57 PM
Schwerer Regen prasselte auf das Blechdach des Dampfschiffes, welches sich astmatisch schnaubend aber unerbittlich seinen Weg den Orogangwa hinauf durch die Nacht keuchte. Der ringsum aufragende Dschungel, die erdrückende Masse an Natur, ließ das Schiff und seine zusammengewürfelte Besatzung zur Bedeutungslosigkeit verkommen. Bei Regen war das noch mehr der Fall, wenn der eigene Bewegungsradius auf die wenigen Stellen zusammen schrumpfte, die vor dem Niederschlag geschützt waren. Die meisten Männer nutzten die geringfügige Abkühlung und die vorübergehende Abwesenheit von Stechfliegen und Blutkäfern, um dringend nötigen Schlaf nachzuholen. Auch wenn die Fahrt Fluss aufwärts nicht mit übermäßiger Anstrenungung verbunden war, so schien doch alles Einwirken des Urwaldes einen gesunden Schlaf verhindern zu wollen. Die Hitze, die beißenden Quälgeister, der Lärm des Getiers und zuweilen sogar der wuchtige Duft von Blüten, so süß und schwer, dass er über die Dauer Kopfschmerzen verursachte. So ignorierten die meisten die bange Frage, was hungrig aus der Dunkelheit der Blätter auf das Schiff starren mochte und schliefen in ihren Hängematten. Nur einige wenige waren wach. Der Steuermann und der erste Heizer, wie auch Schnabelmayer, der gegen die Reling aus gewälztem Blech gelehnt saß und im Schein einer flackerneden Öllaterne Notizen in eine Reinschrift übertrug, einige Pflanzenexponate abzeichnete. Er unterbrach seine Arbeit, als er den trittlosen Schrittes seines Begleiters der ersten Stunde, mehr ahnte als wirklich hörte. Er sah auf und erblickte Sequoyah der zu ihm kam, die Augen in unbewusste Gewohnheit vom Licht abgewandt, um sie so nicht für die Nacht zu verderben. Wortlos, wie es seinem Wesen entsprach, setzte er sich mit überkreuzten Beinen neben Ignatz. Eine törichte Höflichkeitsfloskel, wie „Na noch wach?“, wäre an Sequoyah verschwendet gewesen, da er nicht dazu neigte das Offensichtlicher zu benennen. Der Professor beendete die Zeichnung eines fedrigen Farns und legte dann den Stift zurück in die Holzschatulle, in der derartige Utensilien aufzubewahren pflegte. Rauchen wir?
Das bestätigte der andere mit einem knappen Nicken und nun folgte das Ritual, das Schnabelmayer inzwischen auswendig kannte. Die Pfeife wurde hervorgeholt und mit Tabak gestopft. Dann mit einem eigens dafür vorgesehenen Knochenstück ein Loch in die Stopfung gebohrt. Sequoyah brannte einen Spahn an der Flamme der Lampe an und paffte schnell ein paar Züge. Er ließ die Glut ausgehen und wiederholte den Vorgang, dieses Mal mit tieferem Einatmen. Dann stieß er den blauen Rauch durch Mund und Nase aus, was seinem markanten Gesicht das Aussehen eines Urwaldgötzen verlieh. Er übergab die Pfeife an Ignatz, der es ihm etwas zaghafter gleich tat. Die ersten Male hatte er sich die Lunge aus dem Hals gehustet und das obwohl er selbst kein Unbekannter in manchem Rauchsalon gewesen war. Aber das Kraut des Mannes von Denum 2 hatte es in sich. Inzwischen war er es gewohnt und genoss das kratzige Aroma nach Erde und würzigen Kräutern. Während er dem aufsteigenden Rauch nachsah, verweilten seine Gedanken bei dem Bild des Dschungelgötzen. Sie hatten auf den Wochen ihrer Reise in einigen Dörfern Station gemacht, auch wenn das Letzte bereits acht Tage zurück lag. Dörfer, die durch die Bemühungen von Missionaren fest im Glauben an den Gottkaiser verankert waren. Dennoch hatten die Eingeborenen ihnen nicht selten geschnitzte oder zuweilen sogar in Stein gehauene Teufelsfratzen gezeigt, die ein Dorf in einiger Umgebung umstanden. Die Dorfbewohner hatten ihnen erklärt, dass Dämonen und böse Geister, die sich der Siedlung nähern wollten, diese Abbilder von weiten sahen und meinen mussten, dass bereits ein anderer Unhold Anspruch auf dieses Gebiet erhob und sie deswegen wieder abzogen. Ein finsterer Aberglauben, den die Missionare aber scheinbar toleriert hatten, froh darüber den Heiden wenigstens die grundlegenden Begrifflichkeiten des Imperatorkultes beigebracht zu haben. Die Ausrottung solcher Abweichungen überließen sie dann mit konstanter Regelmäßigkeit ihren Nachfolgern. Die Götzenbilder waren in der Regel abstrakte Abwandlungen von menschlichen Figuren, denen die jeweiligen Künstler nur mehr Augen, Zähne oder überdimensionale Gesichtsattribute gegeben hatten. Was er jedoch im Dorf Belati von einem verrückten Alten gekauft hatte, der seinen Verstand an den von der Küste importierten Palmschnaps verloren hatte, wich von dieser Ikonographie ab. Wenn die Anthropologie auch ehr ein Steckpferd, denn seine eigentliche Passion für ihn war, so faszinierte ihn der Fetisch doch, denn er im Tausch für zwei Flaschen Whisky von dem Alten erhandelt hatte. Einem Impuls folgend griff er nach dem Faust großen Objekt, dass in einen Lappen gewickelt als Beschwerer für seine Aufzeichnungen diente und ersetzte ihn mit der Kiste für seine Schreibgeräte.
Sieh dir das einmal an, mein Freund. Er schlug das Tuch auseinander und brachte eine Figurine aus schwarzem Gestein zum Vorschein. Dargestellt war ein chimärisches Wesen, dessen Unterleib der einer Schlange war und so der Oberkörper auch an den eines sehnigen Mannes gemahnte, erinnerte der Kopf doch wieder eher an den einer Schlange. Das Wesen hatte sechs Arme, die es sternenförmig ausgebreitet hielt. Jede Faust umklammert ein Schwert oder hatte es zumindest, denn vier waren bereit abgebrochen, zwei mit Teilen des Armes. Nicht abgebrochen war hingegen der erigierte Penis, der in fast aggressiver Form aufragte. Die Figur war augenscheinlich alt und wenn sie auch abgegriffen und durch häufige Berührung glatt poliert war, so konnte man doch die Kunstfertigkeit des Erschaffers unmöglich leugnen. Was hältst du von diesem Burschen hier? Immer noch auf dem Lappen gebettet, übergab er den Fetisch an Sequoyah, ebenso wie die Pfeife, damit er einen weiteren Zug tun konnte. Der Alte, von dem ich ihn getauscht habe, meinte er stammt aus dem Norden, tief aus dem Dschungel. Aber die Figur gleicht keinem der geschnitzten Götzen, die wir in den Dörfern gesehen haben. Meinst du ich bin einem Schwindel aufgesessen?
Das bestätigte der andere mit einem knappen Nicken und nun folgte das Ritual, das Schnabelmayer inzwischen auswendig kannte. Die Pfeife wurde hervorgeholt und mit Tabak gestopft. Dann mit einem eigens dafür vorgesehenen Knochenstück ein Loch in die Stopfung gebohrt. Sequoyah brannte einen Spahn an der Flamme der Lampe an und paffte schnell ein paar Züge. Er ließ die Glut ausgehen und wiederholte den Vorgang, dieses Mal mit tieferem Einatmen. Dann stieß er den blauen Rauch durch Mund und Nase aus, was seinem markanten Gesicht das Aussehen eines Urwaldgötzen verlieh. Er übergab die Pfeife an Ignatz, der es ihm etwas zaghafter gleich tat. Die ersten Male hatte er sich die Lunge aus dem Hals gehustet und das obwohl er selbst kein Unbekannter in manchem Rauchsalon gewesen war. Aber das Kraut des Mannes von Denum 2 hatte es in sich. Inzwischen war er es gewohnt und genoss das kratzige Aroma nach Erde und würzigen Kräutern. Während er dem aufsteigenden Rauch nachsah, verweilten seine Gedanken bei dem Bild des Dschungelgötzen. Sie hatten auf den Wochen ihrer Reise in einigen Dörfern Station gemacht, auch wenn das Letzte bereits acht Tage zurück lag. Dörfer, die durch die Bemühungen von Missionaren fest im Glauben an den Gottkaiser verankert waren. Dennoch hatten die Eingeborenen ihnen nicht selten geschnitzte oder zuweilen sogar in Stein gehauene Teufelsfratzen gezeigt, die ein Dorf in einiger Umgebung umstanden. Die Dorfbewohner hatten ihnen erklärt, dass Dämonen und böse Geister, die sich der Siedlung nähern wollten, diese Abbilder von weiten sahen und meinen mussten, dass bereits ein anderer Unhold Anspruch auf dieses Gebiet erhob und sie deswegen wieder abzogen. Ein finsterer Aberglauben, den die Missionare aber scheinbar toleriert hatten, froh darüber den Heiden wenigstens die grundlegenden Begrifflichkeiten des Imperatorkultes beigebracht zu haben. Die Ausrottung solcher Abweichungen überließen sie dann mit konstanter Regelmäßigkeit ihren Nachfolgern. Die Götzenbilder waren in der Regel abstrakte Abwandlungen von menschlichen Figuren, denen die jeweiligen Künstler nur mehr Augen, Zähne oder überdimensionale Gesichtsattribute gegeben hatten. Was er jedoch im Dorf Belati von einem verrückten Alten gekauft hatte, der seinen Verstand an den von der Küste importierten Palmschnaps verloren hatte, wich von dieser Ikonographie ab. Wenn die Anthropologie auch ehr ein Steckpferd, denn seine eigentliche Passion für ihn war, so faszinierte ihn der Fetisch doch, denn er im Tausch für zwei Flaschen Whisky von dem Alten erhandelt hatte. Einem Impuls folgend griff er nach dem Faust großen Objekt, dass in einen Lappen gewickelt als Beschwerer für seine Aufzeichnungen diente und ersetzte ihn mit der Kiste für seine Schreibgeräte.
Sieh dir das einmal an, mein Freund. Er schlug das Tuch auseinander und brachte eine Figurine aus schwarzem Gestein zum Vorschein. Dargestellt war ein chimärisches Wesen, dessen Unterleib der einer Schlange war und so der Oberkörper auch an den eines sehnigen Mannes gemahnte, erinnerte der Kopf doch wieder eher an den einer Schlange. Das Wesen hatte sechs Arme, die es sternenförmig ausgebreitet hielt. Jede Faust umklammert ein Schwert oder hatte es zumindest, denn vier waren bereit abgebrochen, zwei mit Teilen des Armes. Nicht abgebrochen war hingegen der erigierte Penis, der in fast aggressiver Form aufragte. Die Figur war augenscheinlich alt und wenn sie auch abgegriffen und durch häufige Berührung glatt poliert war, so konnte man doch die Kunstfertigkeit des Erschaffers unmöglich leugnen. Was hältst du von diesem Burschen hier? Immer noch auf dem Lappen gebettet, übergab er den Fetisch an Sequoyah, ebenso wie die Pfeife, damit er einen weiteren Zug tun konnte. Der Alte, von dem ich ihn getauscht habe, meinte er stammt aus dem Norden, tief aus dem Dschungel. Aber die Figur gleicht keinem der geschnitzten Götzen, die wir in den Dörfern gesehen haben. Meinst du ich bin einem Schwindel aufgesessen?