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Kathedrale der Erlösung
#3
Der Hierophant betrat die Krypta und lächelte. Jahre der Saat und der Pflege hatten Früchte getragen, soviel konnte man seinem selbstzufriedenen Gesicht ansehen. Spurian stand wie ein unauffälliger Fremdkörper in der wabernden Masse der Kultisten, unschlüssig, was er tun sollte. Selten hatte er mehr Ekel empfunden, als in dem Moment, in dem die Anhänger des Kultes ihre Schattenmäntel abgeworfen hatten und die grellen Farben ihrer Roben seine Sinne zu überwältigen drohten. Sein alter Körper brannte und schmerzte und doch war er unfähig sich zu entfernen. Zu viel Angst hielt ihn im Griff, zu viel Neugier zwang seine tränenden Augen zum Hinsehen. Gemessen ging der Hohepriester zum Altar und betrachtete seine Anhänger. Der Makel des Chaos war überall präsent. Ob nun in Form des stechenden Verlangens und der perversen Spiele, die einige Anhänger zelebrierten, oder in den Auswüchsen der Unreinheit. Was unter den Kapuzen und Mänteln der Kultisten verborgen gewesen war, drängte nun mit macht in das flackernde Zwielicht der Krypta, jeder Fesseln beraubt und nur durch animalische Triebe gelenkt. Blut floss aus dutzenden Wunden auf den staubigen Boden und vermengte sich mit dem Dreck der Jahre. Spurian hatte Angst. Er wusste nicht genau, was er sah, aber er wusste, dass er nach dem heutigen Abend nicht mehr der selbe sein würde. Wenn er denn noch sein würde. Langsam hob der Hohepriester seine Hand und der Lärm erstarb. Pontifex Urba Norod, immer noch dass unsagbar dümmliche Grinsen im fetten Gesicht, hatte sich direkt vor ihm postiert. Geifer lief ihm aus dem leicht geöffneten Mund und vermischte sich mit dem Schweiß, der ihm aus jeder Pore zu strömen schien. Kleine Wunden zeichneten seinen Körper, wo rituelle Schnitte seine Haut geöffnet hatten. Der Hierophant drehte sich im Kreis. Er war kein großer Mann und seine Hände zeigten, dass er seine besten Jahre schon vor einiger Zeit hinter sich gelassen hatte. Sein Gesicht war hinter einer silbernen Maske verborgen, die unter der lilafarbenen Kapuze blitzte. Als er sprach, war seine Stimme auf eine seltsame Art angenehm. Alter und Weisheit schwangen ebenso in den dünnen und nichtsdestotrotz kraftvollen Worten mit, wie Fanatismus und Hingabe zu hören waren. "Brüder und Schwestern, freut euch, denn der Tag des Erwachens, prophezeit seit nunmehr über 200 Jahren, ist gekommen." Stille kehrte ein, obwohl der Mann nicht lauter gesprochen hatte, als es ein Mann tat, der sich mit seinem Gegenüber unterhält. Die Menge der Versammelten Kultisten blickte durch einen Schleier von Verzückung und Erwartung auf ihren Propheten und Hohepriester, der vor dem Altar stand und auf sie herabsah. Spurian wollte zurückweichen, spürte Grauen in ihm aufsteigen und konnte doch nicht zurück. Es gab kein zurück. Dicht gedrängt standen nun dutzende und aber dutzende Kultisten in der Krypta und versperrten den Weg. Der alte Adept kämpfte die Panik nieder und konzentrierte sich darauf nicht aufzufallen, zu überleben. "Das Siegel wird gebrochen und Sybilla wird zurückkehren. Der Meister der Freuden wird sein Auge auf uns richten und alle die belohnen, die seinen Namen so lange im Verborgenen genannt haben. Doch die Zeit des Versteckens ist nun vorbei. Die Zeit des schwachen Imperators ist vorbei. Eine neue Zeit, eine Zeit der Freuden und der Ekstase hat begonnen. Nun endlich, nach all den Jahren, wird Athenaios wieder seinen alten Namen tragen und in den Schoß seines Herren zurückkehren." Mit einer Geste bedeutete der Hohepriester Pontifex Urba Norod zu ihm hinaufzusteigen. "Sehet, die Rückkehr von Sybilla auf Voluptas Major." Wie um seine Worte zu unterstreichen erfüllte ein leichtes Beben die Krypta. Und dann verlosch die erste der Runen an den Säulen.

Außer Atem und mit brennenden Muskeln erreichte Athena die Katakomben, in denen sich die Flagellanten und Geißler befanden. Trauer und Wut lagen schwer in der Luft. Der Leichnam des toten Konfessors lag aufgebahrt vor seinen auserwählten Gefährten, die in Scharen Gebete murmelten und ihm die letzte Ehre erwiesen. Nicht wenige blickten bei ihrer Ankunft mit vor Hass brennenden Augen auf die Celestia, doch niemand wagte es Hand an sie zu legen. Als Athena ihren Mund öffnete, um sich Gehör zu verschaffen, schrillte ein Alarm durch die "Arx Tennebrae" und Explosionen dröhnten dumpf in die Katakomben hinunter. Dann erwachte das Voxgerät knisternd und eine wohlbekannte Stimme ertönte. "Schwester Elohim? Hier Aestua. Wir werden angegriffen." Die ruhige Stimme der jungen Sororita schwankte leicht, ob vor Erregung oder Furcht konnte Athena aber nicht aus der durch das Vox verzerrten Stimme entnehmen. "Hier Athena. Was ist passiert?" Athenas Gesicht was aschfahl geworden. Sie hätte es wissen müssen. Niemand war so dumm die Gefahr der Entdeckung auf sich zu nehmen, nicht einmal die Anhänger des Chaos. "Wir wissen es noch nicht genau, Schwester Elohim. Es sind hunderte, wenn nicht tausende vor den Mauern der Burg. Deformierte und solche, die normal aussehen. In den Ostwall wurde eine Lücke gesprengt und die Frateris Militia zusammen mit den Ministranten versucht die Bresche zu schließen. Gleichzeitig ist das Haupttor auf der Nordseite stark bedrängt. Der Feind setzt leichte und mittelschwere Waffen ein. Mindestens eine Mörserstellung liegt über dem Kloster." Eine kurze Pause folgte, bevor Aestua fortfuhr. "Schwester Elohim, wir wissen nicht, wo der Pontifex Urba ist. Konfessor Tannhäuser ist ebenfalls nicht zu erreichen." Athena dachte fieberhaft nach. Dann antwortete sie mit fester Stimme: "Schwester Celestia, der Pontifex Urba ist vom Glauben abgefallen. Ich spreche gegen ihn kommissarisch in Abwesenheit eines Inquisitors "Excommunicate Haereticus" aus. Alle, die in seinem persönlichen Stab eingesetzt waren, werden verhaftet und bis zur Befragung durch die Inquisition inhaftiert, Quarantänelevel Epsilon-Delta-Vier-Zwo-Null-Rho. Zudem verhänge ich mit sofortiger Wirkung das Kriegsrecht. Das Ordo Militaris übernimmt damit die sofortige Führung aller Truppen. Lassen Sie das Adeptus Arbites und die PVS alle Straßen zum Kloster abriegeln. Mit sofortiger Wirkung tritt eine Ausgangssperre in Kraft." Athena atmete durch. Jetzt kam der schwierige Teil. Eine Schrift zitierend sprach sie weiter: "Die Menschheit steht an einer Weggabelung. Ein Pfad führt in ein Reich unvorstellbarer Macht, der andere in Dunkelheit, Tod und ewige Verdammnis. Nur die, die dem Licht des Imperators folgen, werden ihre Seelen retten können. Ich übertrage Schwester Valea das Kommando bis zu meiner Rückkehr. Merzt die Ketzer aus, Schwester. Haltet das Kloster und gebt keinen Boden preis. Lieber sterben als mit den Konsequenzen leben." Sie machte noch einmal eine kurze Pause, bevor sie ihren letzten Befehl gab, "Ich werde gleich ein kodiertes Signal senden. Leitet es an Horatio Gerhard weiter. Ave Imperator." Ein knappes "Amen" ertönte und das klicken in ihrem Voxgerät zeigte der Celestia, dass die Verbindung unterbrochen worden war. Sie blickte wieder auf den Leichnam des toten Konfessors und hoffte, dass noch nicht alles zu spät war.

Das dumpfe Dröhnen der Mörsergeschosse und die unverkennbaren, wenn auch gedämpften, Geräusche des Krieges verliefen sich in den Katakomben, als Athena an der Spitze ihrer schnell formierten Gruppe aus etwa 50 Flagellanten, alle, die Willens und kräftig genug waren ihr zu folgen, erneut den Weg zur Krypta ging. Wo sie mit ihrem Godwyn-Bolter und dem an ihrer Seite hängenden Kettenschwert bewaffnet war, trugen die Geißler nur leichte Waffen. Einige alte Schrotflinten machten den Hauptteil ihrer Fernkampfwaffen aus, die Masse jedoch hatte sich mit dem bewaffnet, was gerade zu finden war: Küchenmesser, Spitzhacken oder auch einfache Holzbretter mit Nägeln und schwere Hämmer komplettierten das eher überschaubare Arsenal. Athena hoffte, dass es gegen die Kultisten genügen würde.

Horatio Gerhard, Freihändler und Abenteurer blickte entsetzt auf das Pergament, dass den soeben dekodierten Funkspruch zeigte. Nervös strich sich der sonst eher gefasste und gelegentlich sogar zu Späßen aufgelegte Mann durch die Haare, bevor er seine Pilotin fokussierte. "Schlechte Nachrichten, Boss?" fragte sie mit ruhiger Stimme. "Stellen Sie sich vor, wir würden vor einem riesigen Krokodil sitzen, das schläft und es für einen Baumstamm halten. Dann reißt das Krokodil seine Augen auf und sie erkennen, dass sie blind waren. Jetzt bleibt nur die Frage: werden wir dem Tier entkommen?" antwortete der Freihändler nachdenklich. "Ich habe keine Ahnung wovon Sie sprechen, Boss, aber wenn das bedeutet, dass wir dieses Loch endlich verlassen können, dann soll es mir Recht sein." kam sofort die Antwort seiner Pilotin. "Es gefällt mir nicht, wenn es in der Nähe von Ekklesiarchie-Gebäuden kracht. Das bedeutet nie etwas Gutes." Gerhard nickte. "Ich fürchte, Sie haben mehr Recht als Ihnen lieb ist." Mit einer kurzen Bewegung seiner Hand legte er einen Schalter um. "Renovatio Tower, hier spricht die Sturmbote. Ich erbitte Startfreigabe für extra-orbitalen Flug. Freigabeschlüssel ist Charly-Echo-Lima-Echo-Sierra-Terra-India-Alpha - Eins. Bestätigen." Wenige Sekunden später starte die Sturmbote mit heulenden Triebwerken und begann ihren Aufstieg.

Mit jedem Schritt, den Athena vorwärts ging, verschwanden das Dröhnen der Explosionen und das Stakkato der Gewehre und Pistolen, in das sich das Schreien der Verwundeten und Sterbenden mischte, hinter einem Vorhang aus beschwörendem Sprechgesang. Je näher die sonoren Stimmen und ihr stetiger Singsang rückten, desto kälter wurde die Luft. Athena schaute über die Schulter. Die ihr folgenden Männer und Frauen trugen steinerne Mienen zur Schau, doch ein hektisches Flackern in den Augen hier und ein nervöses Zucken dort zeigte deutlich, dass es sich eben nicht um willenlose Maschinen handelte, sondern dass sie an der Seite von Menschen den Kampf suchen würde. Sie mussten das Ritual aufhalten, egal wie. Ihr fiel auf, dass sie nicht einmal wusste, was sie aufhalten sollte, doch für solche Gedanken war es nun schon zu spät. Als sie den Eingang zur Krypta fast erreicht hatten, ließ sie noch einmal kurz halten. Sie kannte nun die Zweifel, die Tannhäuser geplagt hatten. Gab es noch Hoffnung für sie? Nachdem ein Dämon in ihren Gedanken gewühlt hatte? Sie unterdrückte die aufkeimende Verzweiflung und konzentrierte sich auf die vor ihr liegende Aufgabe. Entschlossen verstärkte sie noch einmal den Griff um ihren Bolter und gab dann das Zeichen.

Norod lag auf dem Altar in der Mitte der Krypta, als Athena an der Spitze ihrer Fanatiker in die Säulenhalle stürmte. Der Hierophant über ihm hatte ein Messer erhoben und stieß Laute hervor, die nicht für Menschliche Kehlen gemacht waren. Es war kalt und die Luft stank nach Schweiß und dem kupferartigen Geschmack von Blut. Athena hörte würgende Geräusche in ihrem Rücken und auch ihr Magen rebellierte. Die Krypta schimmerte nun nicht mehr nur in dem Licht der Fackeln und Runen, sondern auch im Lichte von Farben, die von einem Wirbel über dem mit Blut bedeckten Altar ausgingen. Mehrere Frauen und Männer lagen nackt auf den Stufen, die zum Altar hinaufführten. Ihre Körper waren grausam zugerichtet, übersät mit Schnitten und Kratzern. Eine Frau hatte man gepfählt, einem Mann die Eingeweide entfernt, um ihm dann das eigene Herz essen zu lassen. Trotzdem strahlten die Gesichter der toten absolute Ekstase aus und nicht wäre es nur um die Köpfe gegangen, so hätte man keinen Hinweis auf das perverse Schlachtfest zu Ehren des dunklen Gottes finden können.
Der Hierophant stieß weiter Silben hervor und mit jedem Wort verlosch eine weitere Rune und der Wirbel wurde größer. Dann unterbrach das Donnern des Bolters in Athenas Händen die Zeremonie und es geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Ein blasses Licht flackerte um den Hierophanten auf und ließ ihre Boltpatrone harmlos in der Luft explodieren. Der Hierophant kreischte, nicht vor Angst oder Überraschung, sondern vielmehr vor Wut nun doch noch unterbrochen zu werden. Der Mann wirbelte herum und deutete mit einer Hand auf die in die Krypta stürmenden Kämpfer. Letztendlich bildete sich unter einer einzelnen Gestalt im Hintergrund eine scharf riechende Pfütze. Dann stürmte der Mob aus Kultisten los, um die Imperatortreuen abzufangen.

Spurian fluchte leise vor sich hin und versuchte möglichst unauffällig aus dem Gewühl der Leiber zu entkommen. Die Faszination war in dem Moment verschwunden, als die in schmutziges Weiß gekleidete Schwester der Sororitas den Raum betreten hatte. Langsam stieg er aus der Pfütze - dem Ergebnis seines Erschreckens - und wich langsam in Richtung der Säulen zurück. Er hatte Angst. Seine Augen suchten im Gedränge einen Ausgang, aber fanden ihn nicht. Dann traf ihn ein Schlag, den er nicht einmal hatte kommen sehen an der Schulter und ließ seinen Arm nutzlos herunterhängen. In genau diesem Moment wurde aus seiner noch halbwegs kontrollierten Angst Panik. Seine Augen weiteten sich und seine Blase hätte sich - Inhalt vorausgesetzt - beinahe nochmals entleert. Überall um ihn herum tobte nun das Chaos. Mutanten rangen mit Menschen, die halb wahnsinnig waren vor Eifer und Furcht. Spurian sah, wie eine behelfsmäßige Keule das Augen eines Kultisten traf. Das matschende, dumpfe Geräusch ließ Spurian erzittern. An anderer Stelle schrie ein Fanatiker auf, als ihm ein Kultist seine klauenbewehrte Hand von hinten in den Rücken stieß und versuchte, die Wirbelsäule zu zerbrechen. Spurian schlug einem neben ihm stehenden Wesen seinen Ellenbogen ins Gesicht und spürte wie etwas nachgab. Er konnte nicht sagen was er getroffen hatte. Er musste weg. Tretend und beißend drängte er sich in Richtung der Säulen durch. Sein Gesicht war mittlerweile mit Blut bedeckt und seine Robe mit Körpersäften von Kultisten und Fanatikern gleichermaßen durchtränkt. Seine Ohren dröhnten und Tränen liefen ihm in einem steten Strom die Wangen herab. Er sah nicht mehr richtig, alles verschwamm zu einem Meer aus Farben und Bewegungen. Dann erreichte er die Säule und lehnte sich daran. Eben diesen Moment nutzte sein alter geschundener Körper um zu kollabieren. Das letzte was Spurian sah, war ein weißer Fleck, der sich auf den zentralen lila Flecken zubewegte. Dann hörte er nur noch das Rauschen des Blutes in seinen Ohren und sackte bewusstlos auf dem dreckigen Boden an der Säule herunter, auf der immer noch mehr und mehr Runen verloschen.

Ihr Bolter war ihr beim Nachladen entrissen worden. Es spielte keine Rolle. Dutzende von Kultisten lagen bereits am Boden und Dampf stieg auf, von all den Gedärmen. Die Luft war immer noch beißend kalt. Sie würde es nicht schaffen. Immer schneller verloschen die Runen an den Säulen und immer größer wurde der Wirbel über dem Altar. In dem bunten Farbenspiel des unnatürlichen Wirbels konnte man bereits schlanke Schemen erkennen, die auf ihre Gelegenheit warteten, in diese Realität vorzudringen. Athena kämpfte mit dem Mut und der Kraft der Verzweiflung. Ihr Kettenschwert schnitt eine Schneise der Verwüstung in die Reihen der Kultisten. Die normalerweise Weiße Rüstung war mit halb geronnenem Blut und Innereien bedeckt, ihr Gesicht wie Kratzer auf und ihre Rüstung war verbeult. Nur noch eine Granate übrig. Sie blickt auf. wenige Meter vor ihr, umgeben von einem Ring aus abscheulichen Mutanten stand der Hohepriester und intonierte weiter seine Beschwörungsformeln. Athena bildete sich ein wieder das Lachen des Dämonen zu hören. Sie schloss ihre Augen und schüttelte den Kopf. Selbst wenn das hier ihr Ende sein sollte, sie würde dafür sorgen, dass es etwas zählte. Sie würde nicht kampflos sterben. Ein weiterer Kultist starb unter dem Hieb ihres Kettenschwertes, als dessen Adamantiumzähne seinen Hals aufrissen. Für einen kurzen Moment hatte Athena eine Atempause und blickte sich um. Weniger als die Hälfte ihrer Kampfgefährten standen noch und keiner von ihnen war unverletzt. Hymnen singend und Gebete brüllend warfen sie sich in voller Hingabe und Selbstaufopferung gegen die Kultisten. Athena war klar, dass ihr Überraschungsmoment vorbei war.
Ihr Versuch war gescheitert. Sie war eben nicht mit 50 Schwestern, sondern mit 50 ausgemergelten Fanatikern hierhergekommen. Sie bemerkte wie eine weitere Rune erlosch. Ohne Waffen. Und eigentlich auch ohne Plan. Noch eine Rune erlosch. Sie stieß einen Schrei der Frustration aus. Sollte das ihr Ende sein? Vergessen auf einem Planeten, weil sie den Ruhm suchte? Welche Ironie. Ein Schlag auf ihren Schulterpanzer ließ sie aufstöhnen. Die Farben einer weiteren Rune verblassten. Mit einer nach hinten gerichteten Bewegung ihres Kettenschwertes durchbohrte sie den Angreifer, ein schuppiges Ding mit langer Zunge, und traf dann eine Entscheidung. Sie begann zu sprinten. Sie hatte nur einen Versuch. Eine Rune zu ihrer linken wurde dunkel. Sie musste den Kreis der Kultisten um den Altar durchbrechen, das war die einzige Möglichkeit. Sie nahm Anlauf und prallte gegen die lebende Mauer aus Abscheulichkeiten. Ein Arm ragte aus dem Wirbel. Statt in einer Hand endete er in einer langen Klaue, die wie eine überdimensionale Schere eine Krebses geformt war. Die letze Rune verblasste. Athena erkannte die Form, erkannte den Dämonen, der in ihrem Kopf gewesen war. Die Zeit schien in Zeitlupe abzulaufen. Sie sah den Hierophanten den Zeremoniendolch haben. Sie merkte, wie sie durch die Mauer aus entstelltem Fleisch brach. Der Dolch senkte sich und zerteilte das fette Doppelkinn des Pontifex Urba. Blut floss auf den Altar und färbte ihn rot. Der Hohepriester lachte schrill und schrie: "Sybilla!"

Mit einem Beben, dass den bewusstlosen Spurian aus den Tiefen seiner Ohnmacht in die schwindende Realität zurückholte, zerriss die Grenze zwischen Wirklichkeit und Wahnsinn. Spurian würgte und erbrach einen Schwall Galle, der an seinen besudelten Roben herunterlief, bevor er sich auf dem Boden mit all den anderen Flüssigkeiten vermischte. Athena lag vor den Füßen des Hohepriester, offensichtlich benommen, und starrte mit geweiteten Pupillen auf die Dämonin, die aus dem Tor trat, dass durch das Blut des Pontifex Urba geöffnet worden war. Das Beben, mit dem das Portal geöffnet worden war, hatte die umstehenden Kultisten zu Boden geschleudert. Viele waren ohnehin nicht mehr übrig. Im Kampf gegen die Fanatiker waren die meisten gefallen und auch den Fanatikern selbst war es nicht besser gegangen. Der Boden der Krypta war über und über mit den Leichen der Gefallenen bedeckt. Es stank. Spurian spürte, wie noch einmal der ätzende Geschmack von Galle in seiner Kehle emporstieg und versuchte rückwärts davonzukriechen. Dann hörte er die Stimme des Hohepriesters. "Ihr seid zu spät, Celestia. Sybilla ist zurückgekehrt und mit ihr werden die Dienerinnen des Herrn der Freuden diesen Planeten wieder zu einem Paradies machen." Ein glucksendes Lachen ertönte unter der silbernen Gesichtsmaske. "Kriecht zurück zu eurer heiligen Lucretia - kein Opfer dieser Welt wird mich noch aufhalten!" Spurian kroch auf den Ausgang der Krypta zu. Sein Körper war geschunden, sein Geist malträtiert und bis an die Zerreisprobe gedehnt. Er schniefte und wimmerte. Seine Handertaste die nächsten Zentimeter. Eine Klaue schloss sich um seinen Unterarm. Mit einem erstickten Schrei riss er sich los. Ohne zu wissen woher, hatte er plötzlich einen Dolch in der Hand. Blind stieß er mit seinem guten Arm zu und wurde mit einem Grunzen und einem Schwall Blut belohnt, der ihm noch einmal die Galle bis in die Kehle steigen lies. Er versuchte sich weiter rückwärts zu bewegen und stöhnte auf, als er seinen verletzten Arm einsetzte. Mit dem Gesicht voran fiel er in den nach Tod stinkenden Boden und schob sich auf den Bauch weiter auf den Ausgang der Krypta zu. Zentimeter für Zentimeter, weinend und fast wahnsinnig vor Angst floh er aus der Hölle.

"Kriecht zurück zu eurer heiligen Lucretia - kein Opfer dieser Welt wird mich noch aufhalten! Die Geschichte wiederholt sich!" Athena wusste plötzlich. Es konnte nicht sein. Es durfte nicht sein. "Ihr?" war das einzige was sie herausbekam. Sie lag auf dem Rücken und sah zu dem Mann hoch, der die Hölle auf Athenaios III losgelassen hatte. "Ihr ward blind, ihr alle!" erwiderte Niokletian und nahm die silberne Maske ab, während der Dämon neben ihn trat. Es war allzu leicht Norod, diesen feisten Idioten, zu bekehren. Seine Liebe zu jungen Knaben war der Schlüssel? Und wer verdächtigt schon den alten, guten Mann?" Sein höhnisches Lachen traf sie wie ein Schlag. Sie war belogen und verraten worden von denen, die sie hatten leiten sollen. Sie hatte versagt, hatte all jene enttäuscht, die ihr vertraut hatten.
Ihr Blick fiel auf die Dämonin, die nun neben Spurian stand und sie mit diesen brennenden grünen Augen fixierte. Sie beugte sich herab, fuhr mit der Zunge über das Gesicht der Sororita und lächelte ein mit makellosen weißen Zähnen gespicktes Lächeln. "So süß, der Geruch der Verzweiflung. So herrlich, der Geschmack der Angst." "Wenigstens eines habt ihr mich lehren können, Niokletian." Athena schloss die Augen und spürte die fragenden, neugierigen Blicke des Hohepriesters und der Dämonin auf sich ruhen. "Ich kenne jetzt das Opfer, das ich bringen muss." Als sie ihre Augen wieder öffnete und den Splint der Meltabombe zog, sah sie die Angst und Verzweiflung in den Augen von Dämon und Hohepriester, bevor die Explosion der superheißen Gase ihrer aller Augen für immer schloss. Ihre letzten Gedanken galten dem wunderschönen Antlitz ihrer Mutter Nortia.


Athena öffnete die Augen. Um sie herum waren Menschen. Menschen die sie kannte. Aestua war da und lächelte ihr aufmunternd zu. Dann erblickte sie Tannhäuser, der mit einer ganzen Hundertschaft von Männern und Frauen an ihr vorbeimarschierte. Sie stand auf. Dann blickte sie zur Seite und fühlte sofort, wie ihr die Tränen in die Augen schossen. Ihre Mutter stand neben ihr und blickte sie liebevoll an. "Ich freue mich, dass du deinen Weg gefunden hast, Athena." Sie nahm sie fest in die Arme. "Komm, wir wollen Ihn doch nicht warten lassen, oder?" Hand in Hand gingen Mutter und Tochter zusammen mit all den anderen ins Licht.

Epilog:


Aus den Trümmern einer Kapelle vor den brennenden Mauern der Arx Tennebrae erhob sich eine Gestalt und verschwand wimmernd in den Strahlen der aufgehenden Sonne. Sein alter Körper war zerschunden und er stützte sich schwer auf einen Stock, während er auf das Büßertor zuschritt. Er würde nie vergessen, was er erlebt hatte.

Ein anderer Wanderer im All war weniger zerschunden und trotzdem in Schweiß gebadet. Den Kopf gegen die Bordwand gelehnt, nahm er den Finger von der Taste, die die Codes gesendet hätte, um die Freigabe für die neben der Sturmbote im Orbit liegende "Schwert des Glaubens" zu senden. Athenaios III würde vermutlich nie erfahren, wie knapp sie einem Exterminatus entkommen waren. "Scheiß Krokodile," murmelte Gerhard.
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[Kein Betreff] - von - 11-10-2016, 12:33 AM
[Kein Betreff] - von - 11-10-2016, 12:34 AM
[Kein Betreff] - von - 11-10-2016, 12:34 AM

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