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Kathedrale der Erlösung
#2
"Nun, Konfessor, was ist der Grund für mein Hiersein?" In ihrer Stimme klang Ungeduld mit, ohne dass sie dagegen etwas hätte tun können. "So ungeduldig, Celestia?" seine heiseres Lachen ging in ein keuchendes Husten über. "Geduld ist eine Tugend, Schwester. Geduld und Buße, damit wir unser persönliches Opfer bringen können, um dem Imperator zu dienen. Ich hoffe ihr werdet das vor dem Ende erkennen..." seine Stimme wurde leiser und sein Blick wurde leer, bevor er wieder die Sororita fokussierte. Dabei spielte sein Hand gedankenverloren mit einem Lehmbecher, der auf dem Tisch stand. Athenas Gemütszustand schwankte inzwischen deutlich zwischen Wut und Desinteresse. Das hier war nicht ihr Platz, sie sollte vielmehr ihre Schwestern auf die Zeit vorbereiten, wenn sie wieder ihrer Bestimmung zugeführt werden würden: den Makel der Mutanten vernichten, Häresie bekämpfen und Ketzer verbrennen. Als das hier um sie herum machte sie krank, die Menschen, die wie Lämmer zu Schlachtbank getrieben in die Stadt und in die Tempel strömten, ohne zu sehen, was wirklich zählte: die Schlacht, der Gefechtslärm, das Donnern der Bolter und das zischelnde Fauchen von Flammen, dass mit den Schreien der Verbrennenden zu einer Hymne zu Ehren des Imperators wurde. Was wusste ein Geißler schon von dieser erhabenen Form der Verehrung? Bevor sie aber ihre Gedanken aussprechen konnte, begann Tannhäuser erneut zu sprechen. "Dieser Ort, Schwester, ist Geschichte und Geschichte ist ein Kreislauf. Hier wurden Schlachten geschlagen, die Grauen hervorbrachten, wie es größer nicht sein konnte. An diesem Ort gab es für keine Seite Gewinner, nur Verlierer." Er hielt inne und trank einen Schluck aus dem Becher. "Ihr fragt euch, ob ich vielleicht verwirrt bin. Ihr fragt euch, warum ich euch das alles erzählen - und ihr wollt weg. Nun Schwester, vergebt einem alten Mann seinen Drang seine Geschichte zu erzählen, aber ich fürchte, diese Geschichte ist wichtiger als alles, was ihr heute sonst noch zu tun habt."
Tannhäuser sah sie nun direkt an und mit einem Mal sah Athena nicht mehr den alten und gebeugten Mann, sondern zum ersten Mal den Konfessor. "Mein Leben dauert nun schon über drei Jahrhunderte, Schwester Elohim. Ich behaupte nicht, dass es immer gut war, oh nein. Aber ich weiß, dass der Imperator einem jeden Vergebung gewährt, wenn er denn aufrichtig seine Sünden bereut. Ich habe gesündigt, Celestia. Mehr, als ihr euch vielleicht vorstellen könnt. Doch am Ende aller Tage will ich neben den Armeen des Throns in die Schlacht ziehen. Deshalb hört nun genau zu!" Bei diesen Worten blitzten seine Augen auf. Und er begann seine Geschichte zu erzählen. "Vor etwa 280 Jahren war dies meine Heimat. Ein Planet, der gerade durch das Imperium besiedelt wurde. Ich kam mit den Siedlern, ein bloßer Prediger, ein Diener der heiligen Ekklesiarchie. Ich hatte mein Leben dem Imperator gewidmet und war in der Schola Progenium ausgebildet und vorbereitet worden. Ich hielt mich für stark im Geiste. Das war meine erste Sünde: Hochmut. Ich lehrte dem Volk Demut, doch war selber zu stolz um zu erkennen, dass ich mich vom Goldenen Thron abwandte. Ich hielt mich selbst für ein Ideal. Ich sah in mir einen Auserwählten und folglich den einen, durch den die Vergebung des Imperators, sein Segen und sein Wohlwollen erlangt werden konnte. Ich ließ mich beschenken und versicherte im Gegenzug, dass der Imperator über den Spender wachen würde. Immer mehr und mehr verlangte ich nach weltlichen Gütern. Das war meine zweite Sünde. Ich wurde wohlhabend, doch gab ich nichts den Armen, den Sündern und wandte mich von ihnen ab. Das war meine dritte Sünde. Ich begann, anderen ihren Reichtum zu neiden. Meine vierte Sünde. Ich sah nicht, dass immer mehr meinem Beispiel folgten und sich meinen Lastern hingaben. Ich sah nicht, wie die Gesellschaft, die spirituell zu führen ich gelobt hatte, in die Dekadenz hinabstieg. Ich war ignorant, die fünfte Sünde. Dann begann ich anderen ihren Reichtum zu neiden, so sehr, dass ich in meiner Wut darüber tötete. Meine sechste Sünde. Mein Verhängnis aber wurde meine siebte Sünde: die Wollust. Ihr Name war Sybilla, sagte sie. Heute weiß ich, dass sie viele Namen trug. Ich war schwach und doch mächtig. Ich habe ihr die Tür geöffnet."
Der Konfessor brach ab, nun wieder der alte Mann, der die Celestia in Empfang genommen hatte. "Ich habe ihr geholfen, sie auf diese Welt gelassen. Ich war der Ursprung und vielleicht der Grund. Ich hatte Anteil!" Athena starrte in das Gesicht des Konfessors, verwirrt von all dem, was er gesagt hatte. Als sie gerade zu einer Frage ansetzen wollte, hob der Konfessor eine Hand. "Lasst mich ausreden, Schwester. Ich blieb blind, bis es zu spät war. Sybilla ließ mich nach kurzer Zeit fallen - nachdem ich sie den wichtigsten Würdenträgern vorgestellt hatte. Niemand hatte sie im Verdacht, denn sie war ja durch mich - und damit durch die Ekklesiarchie - über allen Zweifel erhaben. Wenige Monate danach zeigte sie ihr wahres Gesicht. Sie rief einen Kult der Freuden ins Leben, einen Kult, der gewisse... Praktiken inszenierte. Die Oberschicht fiel zuerst. Ich sah wie es geschah und tat nichts. Erst als es zu spät war, erkannte ich die wirkliche Gefahr, doch der Schaden war angerichtet. Dann kam der Moment, in dem die Kulte sich offenbarten. Ich versuchte zwar, nachdem die Blindheit von mir abgefallen war, meine Fehler wieder gut zu machen, doch es reichte nicht mehr, Sybilla war zu mächtig und der Einfluss der Ekklesiarchie geschwunden. Wenige nur blieben dem goldenen Thron treu und nicht lange, dann verfielen unsere Kathedralen - oder sie wurden zu Schauplätzen von ekelhaften Ritualen. Menschen, die noch wenige Wochen zuvor fromme Anhänger des Imperators waren, wandten sich von ihm ab. Und wofür? Für die Vergänglichkeit der Wollust, für eine kurze Ekstase. Der Preis den wir zahlten war hoch. Sybilla machte sich selber zur Hohepriesterin und vollzog immer grausamere Rituale. Abscheulichkeiten wurden geboren und geduldet und grässliche, verdorbene Runen zierten die Häuser. Dann..." Seine Stimme versagte den Dienst und eine Träne lief seine Wange hinunter, während sich seine Hand um den Becher Lehm krampfte.
"Dann", fuhr er mit erstickter Stimme fort, "öffnete sie das Portal. Ich weiß nicht wie, aber sie tat es und die Virgo Sacrosancta erschien. Ein Dämon und seine Horden von warpgeborenem Abschaum. Einige erkannten jetzt die Gefahr, andere waren immer noch treu, doch wir waren zu wenige. Wir flohen, Schwester. Wir flohen! Wir hätten sterben sollen, doch wir flohen in die Wüste und hofften, das Imperium würde uns retten. Sie schauten zu mir und wollten Führung, doch ich konnte nicht. Ich war einmal schwach. Ich zweifelte. Monate vergingen in der Wüste. Hunger und Durst als Begleiter waren wir stets des Todes als Begleiter gewiss, eine gerechte Strafe für uns, doch Sein Wille war nicht unser Tod. In eben jener Stunde unserer größten Not sandte der Imperator seinen Engel und unsere Erlösung. Lucretia, die vom Imperator gesandte Heilige selbst. Wir wenigen die übrig waren weinten, als wir sie sahen und ich schämte mich." Die Tränen flossen nun wie ein Strom seine Wangen herunter und fingen an, den Stoff der schmutzigen Tunika an der Halskrause dunkler zu färben. "Wer war ich, dass ich verschont worden war? Wieso ich, wo bessere Männer und Frauen getötet worden waren? Ich beschloss den Tod in der Schlacht zu suchen, einen ehrenvollen Tod, doch auch das war mir nicht vergönnt. So überlebte ich die Befreiung von Athenaios III. Mehr noch, für meine Dienste wurde ich zum Konfessor erhoben, denn niemand konnte sich an mich und meine Taten erinnern." Der Lehmkrug zersplitterte in seiner Hand und Blut tropfte auf den Boden. Tannhäuser schien es nicht einmal zu bemerken. Die nächsten Worte schrie er fast. "Niemand, versteht ihr? Niemand machte mich verantwortlich. Niemand erinnerte sich. Aber ich schämte mich."
Kraftlos setzte er sich wieder, erschöpft und niedergeschlagen. Athena blickte auf den Mann herab, der gerade gestanden hatte, ein Ketzer zu sein und beteiligt gewesen war, einen ganzen Planeten an Dämonen zu verlieren. An seinen Händen klebte das Blut all der Seelen, die in dem Befreiungskrieg für den Imperator gestorben waren. Ihre Hand wanderte zum Griffstück ihres Godwyn-Bolters und schloss sich darum. Ihre Augen, die sich zu Schlitzen verengt hatten, fixierten den greisen Mann, der sich langsam wieder fing. Langsam zog sie den Bolter aus seinem Holster und betätigte den Spannhebel. Mit einem deutlichen Klicken rastete eine Patrone im Patronenlager ein. Als sie die Waffe auf den Konfessor richtete, sah sie keine Angst in seinen Augen. Ein stummes Flehen nach Vergebung, erwartungsvolle Hingabe und die Ungewissheit vor dem Ende, ja - aber keine Angst. "Erschießt mich, Schwester, keinen anderen Lohn habe ich verdient. Aber hört meine Geschichte zu Ende." seufzte der alte Mann. Ohne ihre Waffe zu senken nickte Athena kurz und Tannhäuser fuhr fort. "Ich war hier, beim letzten Sturm auf den Berg. Ein Warpportal war dort geöffnet worden, ein letzter verzweifelter Versuch von Sybilla, ihre Macht zu erhalten und Horden von Dämonen stießen aus ihm hervor. Grausame Wesen, mit erotischer Ausstrahlung, denen viele unserer Krieger erlagen. Die Regimenter der Imperialen Armee wurden abgeschlachtet und erst als die Schwestern des Adeptus Sororitas in den Kampf eingriffen und letztendlich Sybilla töteten, wurde das Tor geschlossen. Wir alle erwarteten, dass der Planet mitsamt dem Tor vernichtet würde, doch offensichtlich hatte man andere Pläne. Wir stehen jetzt über eben der Stelle, Celestia, wo Sybilla getötet wurde. Eine Ebene unter uns ist nach wie vor das Warptor." Athena wurde bleich. "Lüge!" brüllte sie und schlug mit ihrem Bolter zu. Der Kopf des Konfessors wurde brutal zur Seite geschleudert und sofort begann Blut an seiner linken Schläfe herabzulaufen. Benommen blickte der Konfessor sie an. Athenas Atem ging stoßweise und ihre Augen waren jetzt weit aufgerissen. "Seid nicht so blind wie ich. Das Tor wurde nicht zerstört. Und es kann wieder geöffnet werden!"
Die Stimme des Greises war belegt und seine Aussprache zeigte, dass der impulsive Schlag der Sororita ihn härter getroffen hatte, als gut war. "Der Imperator..." setzte Athena an und brach ab. "Wieso jetzt?" fragte sie stattdessen. "Wieso ich?" Stumm bedeutet der Konfessor ihr ihm zu folgen. Den Bolter immer noch auf ihn gerichtet, ging sie hinter ihm her. Nur eine kurze Strecke bis sie zu einer Nische kamen, in der ein menschlicher Körper lag. Ein menschlicher Körper mit zu vielen Gliedmaßen. "Diesen haben wir vor einer Stunde in der Nähe der Krypta gefunden." antwortete Tannhäuser schleppend. Taumelnd hielt er sich nur noch durch seinen Willen aufrecht. "Ich verließ den Planeten und versuchte Buße zu tun, indem ich als Flagellant und predigender Konfessor an zwei Kreuzzügen teilnahm. Ich hoffte, dass ER mir vergeben würde, doch ich fürchte, ich habe mich getäuscht. Meine Sünden... sind zu schwer. In meinen Träumen sehe ich seither die letzten Dinge. Den Tod, den Untergang des Planeten, das Licht des... Imperators und die Abgründe des Warp. Wenn ich schon seine Vergebung nicht erlangen kann, so will ich... doch jenen Planeten schützen, der einstmals durch meine Hand... fast verloren... wurde." Seine Worte wurden schleppender. Er sank auf die Knie, schwer atmend. "Schwester Elohim, es gibt... zwei Eingänge zur Krypta... durch die Tunnel... und durch...Kapelle...Lucret..." Die Kraft verließ den Konfessor und zu Athenas Erschrecken stellte sie fest, dass es ihr Leid tat. Flehend blickten seine Augen sie an. "Wir müssen...alle...Opfer...bringen. Jedes Opfer...einzigartig." Athena nickte. Als sich ihr Finger um den Abzugsbügel krümmte, blickte sie zur Seite. Und in dem Moment, als ihre Patrone den Körper des Konfessors in eine Leiche verwandelte, sah sie ein einzelnes Grünes Blatt aus seinem Stab wachsen. Dann wandte sie sich um und schritt auf die Tunnel zu. Sie musste Gewissheit haben.

Der Eingang stand offen. Spurian folgte den Schemen in die Tunnel, durch die Kapelle hinunter. Der Gang war geschickt verborgen gewesen, unter dem Sockel der Heiligen Lucretia. Der Geruch nach Moschus war in der Nähe der Schemen überwältigend geworden und Spurian fiel es schwer zu denken. Mechanisch bewegte er seine Beine, immer einen Fuß vor den anderen setzend, während er tiefer und immer tiefer hinabstieg. Zunächst war der Tunnel und die darin verborgene Wendeltreppe noch mit Steinen gemauert gewesen, doch bald wich das Mauerwerk unter Spurians tastenden Fingern behauenem Fels. Tiefer, immer tiefer stieg er in die Dunkelheit hinab. Kein Licht schien ihm. Schabende Geräusche und seltsame Laute umgaben ihn und zeigten, dass die Schemen immer noch um ihn herum waren. Dann hörte er etwas in der Ferne, wie ein Echo. Ein misstönendes an- und abschwellendes Heulen, wie von wilden Tieren. Tiefes Stöhnen und leise Schreie untermalten in der Dunkelheit die Töne und gaben ihnen etwas unweltliches. Spurians benebelter Geist wollte Angst empfinden, wollte rennen, aber immer noch setzte er mechanisch einen Fuß vor den anderen.

Athena sprach leise in ihr Vox-Gerät. Keine Antwort. Sie war zu tief in den Katakomben, die Reichweite des Gerätes war zu kurz. Vor ihr lag die Krypta mit ihren zwei Eingängen. An dem einen, von dem Treppenstufen entlang des grob behauenen Steins an den Wänden hinabführten verharrte sie hinter einer Balustrade, währen aus dem anderen Eingang, der nur spärlich durch den Schein einer Fackel . Ein großer Raum mit Säulen an den Seiten, die aus dem Fels herausgeschlagen waren. Jede der Säulen war mit Runen bedeckt - ähnliche Runen, wie sie auch auf dem Kopf von Konfessor Tannhäuser zu sehen gewesen waren. In der Mitte des Raumes stand eine Art Altar auf einem quadratischen Podest, zu dem an jeder seiner Seiten einige Treppenstufen führten. Die Mitte des Altars wurde durch eine über und über mit Symbolen verzierte Kugel eingenommen. Ein seltsames, unwirkliches Licht umgab die Kugel. Neben dem Altar standen ... Gestalten. Sie konnte es nicht anders beschreiben, denn in dem verzerrenden Licht waren in den Schatten nur Umrisse von Schatten zu erkennen, die sich beständig zu bewegen schienen oder ihre Form veränderten. Ein Wispern erfüllte den Raum, ein Flüstern, das flüchtig wie der Wind war, nicht zu hören und trotzdem da. Athena lauschte, doch jedesmal, wenn sie glaubte, etwas herauszuhören, entflohen ihr die Geräusche und sie musste von neuem beginnen. Immer wieder erschienen neue Schemen, immer mehr, bis eine wogende Masse von Schatten im Zwielicht tanzte. Dann geschah etwas. Athena konnte nicht sagen was es war, aber etwas änderte sich. Kurz danach hörte sie es: Ein monotones Geräusch, wie das Rauschen von Wellen, das aus weiter Ferne zu kommen schien. Hektisch blickte sich die Sororita um. Die Runen an den Säulen begannen zu leuchten, schwach zunächst, dann mit zunehmender Intensität. Immer greller begannen sie zu glühen und den Raum mit einem Spiel von Farben zu erleuchten, der weit über das hinaus ging, was eigentlich sein durfte. Athena hielt den Atem an. Die Gestalten, die vorher nur schemenhaft zu erkennen gewesen waren, zeichneten sich jetzt deutlich ab. Athenas Gedanken rasten. Optionen wurden in ihrem auf Kampf gedrillten Gehirn abgespult, Möglichkeiten evaluiert und Handlungswege verworfen. Im Bruchteil einer Zehntelsekunde hatte die Sororita eine Entscheidung getroffen. Doch eben als sie sich umwenden wollte, entdeckte sie zwei Dinge, die ihr Blut in den Adern zu Eis werden ließen. Das erste war ein Schock, nicht nur für Ihre Gedanken, sondern insbesondere für ihre Seele.
Mit einem dümmlich abwesenden Lächeln schob sich eine Gestalt durch die Ränge der Kultisten und walzte auf das Podest mit dem Altar zu. Pontifex Norod. Der feiste höchste Ekklesiarch von Athenaios III ging wie ein geistloser Automat durch die Menge der ekstatisch singenden Kultisten. Sein fetter Körper zitterte bei jedem Schritt und er hatte seine Insignien und Amtskleidung abgelegt, um sie gegen eine verstörende Robe zu tauchen, auf der sich windende Körper und arkane, Kopfschmerzen verursachende Zeichen zu finden waren. Fasziniert und abgestoßen sah Athena genauer hin. Kopulierende Gestallten, die mit verzerrten Gesichtern voller Freude und Schmerz stumme Schreie ausstießen, tauchten aus den Falten des ganz in pink und lila gehaltenen Gewandes auf und verschwanden wieder, wie ewig in einem Traum gefangene Seelen. Für einen kurzen Moment erstarrte Athena und fragte sich, welche Versprechungen einen Menschen dazu treiben konnten, seine Seele aufzugeben und die Ewigkeit in der Verdammnis zu fristen. "Keine Versprechen, sondern Gaben und Geschenke." sagte eine Stimme zu Ihr, die aus dem Nichts zu entspringen schien. Die Temperatur um Athena sank und es bildeten Eiskristalle auf dem schmutzigen Grau, dass das sonst makellose weiß ihrer Rüstung überdeckte, nachdem sie in die Katakomben hinabgestiegen war. Nervös begannen ihre Augen zu zucken und ruhten für eine Sekunde auf den Gestalten unterhalb ihres Verstecks. Es dauerte einige Sekunden, bis sie merkte, was falsch an dem Bild war. Es war zu still. Eine absolute Stille hatte den Sprechchor in der Krypta ersetzt und lag wie eine erstickende Decke über der bizarren Szenerie. Kultisten mit weit aufgerissenen Augen blickten leer und regungslos auf den mitten in der Bewegung eingefrorenen Pontifex Urba. Selbst das Flackern der Fackeln war zum Stillstand gekommen. Athena fror. "Elohim...so fern von deinen Schwestern. So fern von den Orten, wo du sein willst." Die androgyne Stimme hatte keinen Ursprung. Sie war einfach da. Dann begannen die Visionen.

Athena stand auf einer weiten Ebene, umringt von Kriegern in Rüstungen. Frauen wie Männer, weiße Kapuzen auf den Köpfen, blickten sie mit einer Mischung aus Begierde und Eifer an. An ihrer Seite hing ein Schwert, das ständig seine Form zu verändern schien. Neben ihr stand eine Frau. Groß und feingliedrig, mit Augen, die wie von grünem Feuer brannten und mit Haaren, die wie flüssiger Stein in den letzten Strahlen einer untergehenden Sonne strahlten, blickte diese Frau sie mit unverhohlenem Interesse an. Athena konnte ihren Blick nicht von diesen Augen lösen, die sie gleichzeitig faszinierten und abstießen. Sie widerstand dem Drang dieses Geschöpf zu berühren, auch wenn ihre Hand bereits den halben Weg zu dem makellosen Gesicht zurückgelegt hatte. "Athena." flüsterte die Frau ohne ihre sinnlichen Lippen zu bewegen. "Sie dich um. Das ist dein Krieg, deine Zukunft. Du wirst im Namen der Menschheit viele Siege erringen." Athenas Blick folgte dem ausgestreckten Arm der Frau und sah in der Ferne die Ruinen einer Stadt, in der ein Inferno loderte. "Ungläubige und Unreine werden unter deinem Schwert fallen, wie Korn unter dem Sensenblatt. Die wahren Jünger werden zu deinem Banner strömen und schon bald wird dein Name in der Galaxis für Ruhm bei deinen Freunden und Tod bei deinen Feinden stehen." Langsam und mit schwingenden Hüften drehte sich die Frau um und machte eine ausladende Bewegung mit ihren Armen, als ob sie die ganze Welt umschließen wollte. Athenas Augen brannten und ihr Kopf schmerzte. All der Ruhm. All die Möglichkeiten. In ihrem Geiste formten sich Zukunftsvisionen. Lachend stand sie umringt von den erschlagenen Leibern ihrer Feinde inmitten eines Schlachtfeldes. Blut bedeckte ihr Gesicht und ihre Rüstung, tropfte von ihrem Schwert und rann in Strömen über den Boden des Schlachtfeldes. Tausende riefen ihren Namen und ebensoviele erzitterten, wenn er nur geflüstert wurde. All die Schmach - vergessen. Sie konnte endlich ihre Rache bekommen. Sie würde endlich ihre Rache Gestalt annehmen. Die Leben ihrer Geschwister würden im Blut ihrer Feinde gerächt. Ein leiser Schauer der Erregung durchfuhr sie und sie lächelte bei dem Gedanken an die Freude, die ihr jeder Tod geben würde, an die Genugtuung, die sie empfinden würde, wenn sie jene abschlachten würde, die ihr das genommen hatten, was sie mehr als alles andere geliebt hatte. Ihre Eltern würden... Beim Gedanken an ihrer Eltern hielt sie inne. Sie erinnerte sich an die von harter Arbeit gebeugte Frau, die ihr jeden Abend vom Imperator erzählt hatte, wenn sie Alpträume hatte. Sie erinnerte sich an ihren Vater, der als Soldat fortgegangen war und nie wieder zurück kam. Sie erinnerte sich an Orte, an Gefühle - aber nicht an ihre Gesichte. Imperator, sie konnte sich nicht an die Gesichter ihrer Eltern erinnern. Zorn durchfuhr sie, als sie versuchte, sich die Gesichter in Erinnerung zu rufen. Hilfesuchend blickte sie sich um und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. "Nimm deinen Platz an meiner Seite ein." wisperte die Frau und ihre Worte hatten eine beruhigende Wirkung auf die einsame Sororita. "Die Zukunft kann dein sein, weißt du?" Athena spürte den Drang in ihr nachzugeben, wollte ihr folgen, es schien so einfach. Ein letztes Mal versuchte sie, sich an ihre Eltern zu erinnern. Sie rief sich den Tag in Erinnerung, an dem sie beschlossen hatte, sich den Schwestern anzuschließen. Ihre Mutter war so traurig gewesen, so traurig und stolz zugleich. Sie würde nie die Worte vergessen, die sie an jenem letzten Tag zu ihr gesagt hatte. "Du verlässt mich, Kind, und ich werde wieder einsam sein. Dein Vater und deine Geschwister sind bereits gegangen und werden nicht mehr wiederkehren. Du, das letzte was mir geblieben ist, wirst in ihre Fußstapfen treten und demselben Pfad folgen. Es tröstet mich, dass ihr im Dienste des Imperators steht und seinem Opfer Ehre macht. Dadurch weiß ich eines Gewiss: Wir werden uns am Ende widersehen. Ich liebe dich mein Kind. Und ich bin stolz auf dich!." Eine vergessene Wärme erfüllte Athena und ließ sie lächeln. Danach hatte sie mit ihrer Mutter das Gebet in der Kathedrale von Nuntius Prime gesucht. Lange hatten sie schweigend nebeneinander gekniet, vertieft in die Gebete. Als die Stunde des Abschiedes kam, hatte keiner von beiden Gesprochen. Unter der vom warmen Licht hunderter Kerzen angestrahlten Statue des Imperators in seinem Aspekt als Beschützer der Menschheit hatten sie stumm Abschied genommen. Ihre Mutter hatte damals geweint. Jetzt rann eine einzelne Träne die Wange der Celestia herunter und benetzte das Fleurs de Lis Tattoo, dass ihre linke Wange zierte. In diesem Moment veränderte sich erneut etwas. Athena konnte es nicht genau erfassen - es war, als wäre etwas, das immer da war, wieder an seinen rechten Platz gerückt worden. Verloren blickte sie auf und sah die Frau noch einmal an. Doch wo eben noch ein Wesen von unbeschreiblicher Schönheit war, stand nun ein Dämon. Zugegeben ein verführerischer Dämon, aber nichtsdestotrotz ein Wesen des Bösen mit langen Gliedern, die in Hufe und Scheren endeten. Der Körper war der einer Tänzerin, elegant und schmal, doch mit nur einer Brust. Auf dem humanoiden und doch entstellten Körper thronte ein verstörend schöner Kopf, der von zwei kleinen Hörnern gekrönt wurde. Es lachte. "Komm, Athena. Lass mich dir den Weg zur Rache zeigen. Lass deine Träume wahr werden." Athena wich zurück und flammende Wut stieg in ihr auf. "Dämon!" Sie spuckte das Wort förmlich aus. Gerade als sie ihre Waffe ziehen wollte, zersplitterte ihre Vision und sie wurde in die Wirklich zurückgeworfen. Das Lachen des Dämonen folgte ihr.

Die Stille wich erneut dem sonoren Sprechgesang der Kultisten, in den sich jetzt Schreie und Stöhnen mischte. Athena blinzelte und erbrach dann zitternd einen Schwall Galle. Schwankend erhob sie sich auf die Beine und wandte sich von der ekelhaften Zeremonie ab, um dann wieder auf dem Weg, den sie gekommen war, zurückzusprinten. Ihre zweite Entdeckung war weitaus gefährlicher gewesen, als es das Erkennen eines der Kultisten gewesen war. Sie hatte nur wenig Zeit.
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[Kein Betreff] - von - 11-10-2016, 12:33 AM
[Kein Betreff] - von - 11-10-2016, 12:34 AM
[Kein Betreff] - von - 11-10-2016, 12:34 AM

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